Auch in diesem Jahr fällt Weihnachten mit dem jüdischen Chanukka (Lichterfest) zusammen. Ich möchte dies zum Anlass nehmen, den vielen Lesern dieser Homepage ein besinnliches Fest zu wünschen.
Chanukka gilt als „Tempelweihfest“, das durch das Anzünden besonderer Lichter begangen wird. Am ersten Abend zündet man ein Licht an. Jeden Abend kommt eine weitere kleine Flamme dazu, bis am letzten Abend, dem achten, schließlich alle Lichter am Chanukka-Leuchter brennen.
Einfacher Chanukkaleuchter aus Messing (Polnische Privatsammlung).
Menorah. Auf der Spitze des mittleren Armes steht Judith, den Kopf des Holophermes haltend. Augsburg 1749, heute im Israel Museum, Jerusalem.
Die manchmal verschiedenen Leuchter haben acht Arme und zusätzlich einen „Schammasch“ („Diener“). Chanukka (hebr. „Einweihung“) erinnert an die Reinigung und Wiedereinweihung des Tempels durch Juda Makkabäus (164 v.d.Z.), der zuvor Jerusalem von der Herrschaft der Seleukiden befreit hatte. Der bekannte niederländische Rabbiner S. Ph. De Vries beschreibt den historischen Hintergrund in seinem Buch „Jüdische Riten und Symbole“:
Der Tempel wurde unter allgemeinem Frohlocken gereinigt und neu geweiht. Überall wurden Lichter angezündet. Die Speere der Makkabäer, im großen Tempelhof aufgestapelt, wurden mit Lichtern behängt. Ihr Schimmer, der die heilige Stadt erleuchtete, konnte weit im umliegenden Land gesehen werden. Er kündete vom Ruhm des Siegs der Makkabäer.
Noch eine weitere Überlieferung – eine Sage über ein Wunder im Zusammenhang mit diesem Ereignis – erklärt, warum wir Chanukka als das »Lichterfest« begehen. Sobald der Tempel gereinigt war und alle Spuren des heidnischen Götzendienstes getilgt waren, kam der Augenblick, das ewige Licht anzuzünden. Jetzt stellte sich heraus, dass von den noch erhaltenen Krügen mit Weihöl nur ein einziger rituell rein war. Alle anderen waren entweder offen, teilweise aufgebraucht oder Zeus geweiht worden. Das Öl in diesem einen Krug reichte nur für einen Tag. Dank eines Wunders brannte das Licht jedoch acht Tage lang, was für die Weihe reichte und bis genug frisches Olivenöl herbeigeschafft werden konnte.
Zum Andenken daran wurde Chanukka, das Weihefest, für immer eingeführt. Vom 25. Tag des Kislew an gedenkt Israel acht Tage lang seines Kulturkampfes gegen den Hellenismus. Und der Sieg der Makkabäer, der die anhaltende Autonomie, die geistige Unabhängigkeit des Judentums gesichert hat, blieb trotz großer Widerstände bis zum heutigen Tag bewahrt. Zum Chanukkafest wird die Arbeit nicht eingestellt. Das geschieht nur bei den biblischen Festen, wie im Pentateuch vorgeschrieben.
Eine jüdische Weisheit lehrt uns: „Ein wenig Licht verdrängt viel Dunkelheit!” In diesem Zusammenhang wünsche ich Ihnen:
Mögen wir die Kraft haben, die Dunkelheit in allen Bereichen verdrängen zu können.
In diesem Sinne ein besinnliches Chanukka und Fröhliche Weihnachten
Ihr/Euer
Hans-Dieter Arntz
22.12.2008
Gerettet, obwohl Hilde Nathan aus Euskirchen eigentlich zu den „vergessenen Kindern von Köln“ zählte (2 Filmausschnitte)
Der Fernsehfilm „Die vergessenen Kinder von Köln" erzählt von unbeschwerter deutsch-jüdischer Kindheit, von Abweisung und Isolation, von Vertreibung und Tod. Und von der "Jawne" in Köln, dem einzigen jüdischen Gymnasium im Rheinland, das auf tragische Weise mit der Ermordung der Kinder in Minsk verbunden ist. Erstmals wurde die Dokumentation am 1. November 2006 im Fernsehen ausgestrahlt. Zu diesem Transport sollte eigentlich Hilde Nathan aus Münstereifel bzw. Euskirchen zählen. Hier in der Voreifel besaßen die Eltern zwei Kinos, die bereits 1932 wegen andauernder Diskriminierung der eigentlich noch gar nicht etablierten Nationalsozialisten boykottiert wurden. Die jüdische Familie verzog nach Köln.
Dank der persönlichen Erlaubnis der Jürgen Naumann Filmproduktion, von-Groote-Str. 47, 50968 Köln, können heute zwei kurze Filmausschnitte gezeigt werden, in denen die heute in Gran Canaria lebende Hilde Nathan (geb. 1923) über ihre Erlebnisse in Euskirchen - und dann später in Köln - berichtet. Anhand umfangreicher Ermittlungsakten, in denen die Täter minutiös die Exekutionen schildern, konnte der Ablauf der Ermordung der 1164 Juden aus Köln rekonstruiert werden.
Als am Montag, dem 20. Juli 1942, pünktlich um 15.00 Uhr der Reichsbahnzug DA 219 den Bahnhof Köln-Deutz mit über eintausend jüdischen Menschen aus Köln verließ, waren darunter auch 335 Kinder, die meisten aus den jüdischen Schulen und Heimen der Stadt. Sie waren zwischen vier Monate und 19 Jahre alt. Das Reiseziel Minsk in Weißrussland war geheim. Für viele war es die erste Reise ihres Lebens; angetreten in der Hoffnung, im Osten ein neues Leben beginnen zu können. Es sollte ihre letzte Reise sein. Als der Sonderzug Minsk am 24. Juli frühmorgens um 6.42 Uhr erreichte, wartete bereits ein Exekutionskommando, bestehend aus Mitgliedern der Waffen-SS und des Sicherheitsdienstes, auf sie.
Das Schicksal wollte es jedoch, dass Hilde nicht zu den „vergessenen Kindern von Köln“ gehörte, die 1942 bei diesem Massaker ihr Leben verloren. Mit ihren Eltern Hugo (geb. 1891) und Emilie (geb. Cahn, 1893) Nathan kam sie jedoch nach Theresienstadt. Es grenzt an ein weiteres Wunder, dass Eltern und Tochter den Holocaust überlebten und nach Euskirchen zurückkehrten. Über ihre Erlebnisse hat sie ein dreiteiliges Manuskript von c. 400 Seiten verfasst, das zurzeit überarbeitet wird und in Buchform erscheinen soll.
Jürgen Naumann ist mit der Thematik „Judentum“ gut vertraut. Schon sein Film „Das Erbe der Väter“, der sich mit der jüdischen Industriellen-Familie Strauß (nach der NS-Machtergreifung Otto Wolff-Konzern) befasste, wurde für den Adolf-Grimme-Preis 2006 vorgeschlagen.
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Ausschnitte aus dem Film von Jürgen Naumann "Die vergessenen Kinder von Köln"
Unter der Überschrift Der Expressionist Otto Pankok rettet seinen Malerfreund Mathias Barz und dessen jüdische Ehefrau – Ein Beitrag zur Judenverfolgung im Rheinland und der Eifel stellte ich am 10. September 2007 auf meiner Website den deutschen Kunstmaler Mathias Barz (1895-1982) vor, dessen jüdische Ehefrau Brunhilde Stein (1896–1965) noch in den letzten Kriegswochen gefährdet war. Am Beispiel der Regionalhistorie für die Eifel und Voreifel versuchte ich darzustellen, wie die im Rheinland wirkenden Maler Otto Pankok (1893-1966) und Mathias Barz (1895-1982) als Vertreter des expressiven Realismus der Verfolgung der Nationalsozialisten ausgesetzt waren und in der Eifel überleben konnten. Wie eng der Zusammenhang zwischen „entarteter Kunst“ und „Judenverfolgung“ werden konnte, zeigt der o.a. Online-Artikel.
Eng war auch das Ehepaar Barz mit den Schrecken des rassistischen Nationalsozialismus verbunden, denn der ab 1944/45 gefährdeten Existenz in einer „privilegierten Mischehe“ konnten er und seine jüdische Ehefrau nur durch Flucht in die Eifel (Pesch/b. Münstereifel) entgehen. Beide wurden gerettet, aber über ihren späteren Verbleib wurde nur wenig bekannt. Erst die Reaktionen auf den o.a. Online-Artikel und Kontakte zu jüdischen Angehörigen in England und den Niederlanden ergaben neue Auskünfte. Auch kleinere Details zum Leben von Otto Pankoks Zeit in Pesch wurden bekannt. Wenn auch Mathias Barz und sein Schaffen heute beinahe vergessen sind, so tauchten doch durch die neuen Kontakte bisher unbekannte Bilder des Künstlers auf.
Mrs Sylvia Andrews, eine leibliche Verwandte von Brunhilde Barz geb. Stein, teilte u.a. mit, dass in den 1950er Jahren die einst bekannte Schauspielerin und ihr Ehemann Mathias Barz in Oberkassel/bei Düsseldorf einen Zirkel von Künstlern um sich gesammelt hatten und in der Nachkriegszeit ihr Leben als Bohémiens führten. Offenbar wollte man ganz bewusst die Folgen der NS-Verfolgung verdrängen. Vieles konnte man jedoch nicht vergessen. Noch vor der ersten Bücherverbrennung in Berlin brannten „auf dem Marktplatz in Düsseldorf bereits Bilder und Bücher, darunter das große Anti-Kriegsbild von Mathias Barz. Die jüdische Künstlerin erkrankte bald und hielt sich oft zur Kur in Bad Neuenahr auf. Hier entstand eine bisher unbekannte Kohlezeichnung, die Mathias Barz von seiner Nichte Sylvia Andrews anfertigte.
Fachtagung „Stille Retter“ 1.-4. April 2009 in Eupen:
Menschen retten Menschen während der NS-Zeit und der Besatzung
Der Rundbrief Nr. 9 des Fachbereichs „GrenzGeschichteDG an der Autonomen Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft“ befasst sich erneut mit der Erinnerungsarbeit und Holocaust-Education in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgien. Verantwortlicher Herausgeber dieses lesenswerten Rundschreibens ist Dr. Herbert Ruland aus Raeren. Eine wesentliche Aktivität in diesem Bereich ist auch die Organisation des Kongresses „Stille Retter“ im April 2009 in Eupen, für den „GrenzGeschichteDG“ - im Auftrag der Regierung und anlässlich des 25. Jubiläums der Deutschsprachigen Gemeinschaft - , inhaltlich verantwortlich ist.
Bereits im letzten Rundbrief berichteten die Verfasser über diese Fachtagung, die vom 1. bis zum 4. April 2009 in Eupen stattfinden wird und auf der die Schicksale von Menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher, staatlicher und religiöser Herkunft aus Westeuropa im Mittelpunkt der Erörterung stehen werden. Berichtet wird aus und über die Länder Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Schweiz und Österreich/Ungarn. Zwei der Referenten und deren Werke sollen hier kurz vorgestellt werden:
Jonny Moser, „Wallenbergs Laufbursche“
Er kam 1925 als Sohn einer Jüdin und eines nichtjüdischen Vaters zur Welt. Seine Eltern besaßen in Parndorf im Burgenland (Österreich) eine Gemischtwarenhandlung. Im April 1938 schoben Nationalsozialisten die jüdische Bevölkerung aus dem burgenländischen Parndorf nach Ungarn ab, darunter den dreizehnjährigen Jonny Moser. Damit begann die
siebenjährige Flucht seiner Familie, die sie in mehrere ungarische Lager führte. Mehrmals entkam sie nur knapp der Auslieferung an die NS-Vernichtungsmaschinerie. Mosers Familie wird im Sommer 1944 überraschend aus einem Lager entlassen. Ungarische Freundinnen stellen Jonny in der schwedischen Gesandtschaft Budapests Raoul Wallenberg vor, der im August 1944 seine Hilfsaktion für ungarische Jüdinnen und Juden aufgenommen hat, nachdem das faschistische Pfeilkreuzlerregime mit der Abschiebung und Ermordung der ungarischen und der nach Ungarn geflüchteten Juden begonnen hatte. Wallenberg stattet die Familie Moser nicht nur mit den begehrten schwedischen Schutzpässen aus, bald nimmt er den neunzehnjährigen Jonny auch als »Laufburschen« für seine Hilfsaktion auf, für Botengänge, Demarchen und Interventionen. Wie Tausende andere Jüdinnen und Juden rettete Wallenberg die Mosers vor dem Terror ungarischer und deutscher Nazis. Der Historiker Jonny Moser bettet die Erinnerungen an das Überleben seiner Familie auf faszinierende Weise in die Geschichte Österreichs und Ungarns zwischen 1938 und 1945 ein. Einen Schwerpunkt bildet dabei seine Mitarbeit bei
Wallenbergs Hilfsaktion.
Stefan Keller, „Grüningers Fall“
Ein weiterer Referent wird der Schweizer Schriftsteller, Journalist und Historiker Stefan Keller sein. Er wird über den Polizeihauptmann Paul Grüninger (* 27. Oktober 1891 in St. Gallen; † 22. Februar 1972 ebenda) berichten, der unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg mehreren hundert, vielleicht einigen tausend Jüdinnen und Juden das Leben rettete, indem er ihnen illegal die Einreise in die Schweiz ermöglichte. Er wurde deswegen 1939 vom Dienst suspendiert und 1940 wegen Amtspflichtverletzung verurteilt! Erst 1995, 23 Jahre nach seinem Tod, hob das Bezirksgericht St. Gallen das Urteil gegen Paul Grüninger auf und sprach ihn frei. 1998 bezahlte die Regierung des Kantons St. Gallen an die Nachkommen Grüningers eine Entschädigung. Mit dem Geld wurde die Paul-Grüninger-Stiftung gegründet, die sich u. a. für heutige Verteidiger von Menschenrechten einsetzt.
Jüdischer Flüchtling aus Gemünd bei Prince Charles in England
Hannelore Zack (verh. Miley) wurde 1932 geboren und durfte nach ihrer Einschulung nur noch bis zum „Novemberpogrom“ das 1. Schuljahr der evangelischen Volksschule in Gemünd besuchen. Kurz danach verzog sie mit ihren Eltern im Jahre 1939 nach Köln, Horst-Wessel-Platz 12. Trotz der besorgten Mutter setzte ihr Vater es durch, dass das einige Tage vorher am Blinddarm operierte Kind am 25. Juli 1939 mit einem jüdischen Kindertransport nach England „verschickt“ wurde. Das britische Projekt „Refugee Children Movement“ rettete ihr Leben. Hannelore sah ihre Eltern nie wieder.
Dieser Kindertransport in der Zeit zwischen Ende November 1938 bis zum 1. September 1939 betraf etwa 10.000 Kinder, die im Sinne der Nürnberger Gesetze jüdisch waren und als gefährdet galten. Auf diesem Wege gelangten vor allem Kinder aus Deutschland, Österreich, Polen und der Tschechoslowakei ins Exil. In Zügen und mit Schiffen konnten die Kinder ausreisen, wobei die meisten ihre Eltern nie wieder sahen. Oftmals waren sie die einzigen aus ihren Familien, die den Holocaust überlebten. Das Rote Kreuz betreute auch das kranke jüdische Mädchen aus Gemünd auf der Fahrt von Köln nach Hoek van Holland, dann nach Harwich und London, wo man im Liverpool Street Station ankam. Ihre Kindheit in Coventry (!) und die Zerstörung der Stadt durch die deutsche Luftwaffe wird sie als Schock empfunden haben.
Am 22./23. November 2008 nahm Hanna Miley an einer der regelmäßigen Wiedersehensfeiern in London teil. Während man sich am 22. November abends an der berühmten Statue am Liverpool Street Bahnhof versammelte und in einer eindrucksvollen Veranstaltung der damaligen Rettung vieler jüdischer Kinder gedachte, bildete am 23. November der Empfang durch Prince Charles in der Jewish Free School, Harrow, Middlesex, den Höhepunkt der Reise. Der Sohn der englischen Königin konnte 560 „gerettete jüdische Kinder“ willkommen heißen und nahm sich auch die Zeit, mit vielen von ihnen über die damaligen Ereignisse von 1938/39 zu sprechen. Die jüdischen Gäste überreichten ihm eine Replik der berühmten „Kindertransport-Statue“ vom Liverpool Street Bahnhof.
Hanna Miley (Hannelore Zack), die mit ihrem Ehemann George seit Jahrzehnten in einer philanthrophischen Organisation tätig ist, schreibt zurzeit über ihr Schicksal ein Buch, das im kommenden Herbst im Hässler-Verlag erscheinen soll. Da ich selber gebeten wurde, an der historischen Aufarbeitung und Recherche mitzuarbeiten, bitte ich potenzielle Zeitzeugen, mit mir Kontakt aufzunehmen.
09.12.2008
Heiner Lichtenstein: „Schatten der Vergangenheit“ –
Gedanken zur Begriffsbestimmung „Reichskristallnacht“ oder „Pogromnacht“
Als Herausgeber von bnr.de – blick nach rechts firmiert das Institut für Information und Dokumentation e.V., das von der „Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH“ publiziert wird. Die lesenswerte Website steht unter der Schirmherrrschaft von Ute Vogt (Mitglied des SPD-Präsidiums). Die aktuellen Inhalte der Internetseite des „blick nach rechts“ dienen der Information der Öffentlichkeit. Der renommierte Journalist Heiner Lichtenstein, der mir 1984 die Anregung zu meinem Buch Ordensburg Vogelsang 1934-1945 – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich gab, verfasste in der Ausgabe Nr. 25 /2008 den sehr interessanten Beitrag „Der 70. Jahrestag des Novemberpogroms sollte Anlass geben auf einen Blick zurück − aber eben auch nach vorne“. Bereits die folgende Einleitung lässt erkennen, dass es u.a. auch um Gedanken zur Begriffsbestimmung „Reichskristallnacht“ oder „Pogromnacht“ geht. Der vollständige Beitrag von Heiner Lichtenstein nennt einige Hintergründe, die man kennen sollte, wenn man 70 Jahre zurück schaut und hoffentlich auch nach vorne blickt. „Deutsch-Jüdische Geschichte ist nämlich mehr als der Holocaust“. In seiner Einleitung heißt es:
Der 70. Jahrestag des Novemberpogroms sollte Anlass geben auf einen Blick zurück − aber eben auch nach vorne. Das Datum steht längst im Kalender. Am 8./9. November sind 70 Jahre seit der „Reichskristallnacht“ vergangen. Mit dieser Bezeichnung fangen die Probleme um den Jahrestag bereits an. Wer hat den Namen erfunden? Die einen sagen, das waren die Nazis selbst. Mag sein, aber dafür gibt es keine Belege. Wer einen Ausweg aus dem Dilemma suchte, entschied sich vor etlichen Jahren für den Begriff „Reichspogromnacht“. Aber das bietet sich auch nicht als Ausweg an. Denn es gab keine über das ganze Deutsche Reich gleichmäßig verbreitete Pogromstimmung. Nicht überall wurden Synagogen gebrandschatzt, jüdische Geschäfte geplündert, Männer gedemütigt und nach Dachau deportiert. Hier war es schlimmer, dort glimpflicher. So hat jüngst der rheinische Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz nachgewiesen, dass es zum Beispiel in der Eifel schlimmer war als in mancher rheinischen Großstadt. In seiner vorzüglichen Studie „’Reichskristallnacht’. Der Novemberpogrom auf dem Lande“ (Helios-Verlags-und Buchvertriebsgesellschaft, Aachen 2008, 196 S. 29,90 Euro) weist Arntz nach, dass selbst in winzigen Eifelflecken Pogromstimmung herrschte. Während in großen Städten hin und wieder Juden Unterschlupf fanden, waren die „Landjuden“ jedermann bekannt und konnten nirgendwo unterkommen. Auch deshalb plädiert der Berliner Zeithistoriker und Direktor des Zentrums für Antisemitismus Berliner Zeithistoriker und Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung, Professor Wolfgang Benz, zu Recht für den Begriff „Pogromnacht“…
Neue Beiträge zum Judentum in Weilerswist und Euskirchen
Beiträge zur Geschichte des Judentums enthält auch die neue Ausgabe der „Weilerswister Heimatblätter“ Nr. 36 vom November 2008. Herausgeber ist der Geschichts- und Heimatverein der Gemeinde Weilerswist e.V. Die kleine Gemeinde an der Swist – am westlichen Rand des rheinischen Vorgebirges und am Fuße der Voreifel gelegen -, hatte zwar schon vor einigen Wochen eine Beschreibung ihrer früheren Kehilla mit dem Buch von Helene Kürten und Margarete Siebert „Vergangenheit unvergessen“ präsentiert, aber es gibt weitere Themen, die sich mit der Zeit 1933-1945 befassen. Der Standesbeamte Heinz A. Höver verfasste die beiden Beiträge „In memoriam Ilse Enrick geb. Scheuer (1915-2008) – Schicksal einer Jüdin aus Weilerswist“ sowie „Die Friedhöfe in der Gemeinde Weilerswist als lebendige Zeugnisse der Ortsgeschichte“. Hans-Dieter Arntz aus Euskirchen berichtet über einen christlich-jüdischen Sachverhalt: „Widerstand gegen den judenfeindlichen Nationalsozialismus: Die Flugblatt-Aktion des katholischen Theologiestudenten Heinrich Althausen aus Lommersum (1934)“. Dieser Artikel ist in einer ähnlichen Fassung auch auf dieser Website nachzulesen.
Der Beitrag im Jahrbuch 2009 des Kreises Euskirchen (S.34-46) Die „Reichskristallnacht“ in der Kreisstadt Euskirchen weist die Geschehnisse vom 10. November 1938 anhand wichtiger Prozessunterlagen und Originalfotos nach. Interessant sind auch die Gerichtsurteile und deren Begründung. Weiteres ist dem Dokumentationsband „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande zu entnehmen.
75 Jahre Vereinigung der Israelis mitteleuropäischer Herkunft – Gratulation an die „Jeckes“
Diese NEWS gilt der Gratulation einer israelischen, deutschsprachigen Institution. Vor 75 Jahren wurde die „Vereinigung der Israelis mitteleuropäischer Herkunft“ gegründet, die zur Entwicklung der deutsch-israelischen Verhältnisse wesentlich beigetragen hat. In diesem Zusammenhang muss das Magazin der sogenannten „Jeckes“ und deren Nachkommen in Israel Yakinton MB mit Sitz in Tel-Aviv genannt werden.
Das erste „Mitteilungsblatt" (MB) der Vereinigung wurde im September 1932 mit der Schreibmaschine getippt; im März 1933 erschien die erste gedruckte Ausgabe. Seither kam das „MB“ in hebräischer und deutscher Sprache in ununterbrochener Folge heraus und wurde zu einer der ältesten, konsequentesten und ernsthaftesten Zeitschriften des Landes und Staates Israel. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte in der November-Ausgabe Nr. 228. Da ich meine Forschungen auch mithilfe der „MB“- Leser vertiefen konnte, soll auch von dieser Website her dem Chefredakteur Micha Limor ein Glückwunsch ausgesprochen werden.
„Jeckes“ sind deutsche Juden, die während der nationalsozialistischen Verfolgung ihre Heimat verließen und sich in Palästina, dem heutigen Israel, in meist deutschsprachigen Siedlungen niederließen. Ob eine Assoziation zum rheinischen „jeck“ oder zur Korrektheit, im heißen Vorderen Orient das Tragen einer Jacke („jacket“) beizubehalten, ist unklar. Tatsache jedoch ist, dass die deutschen Einwanderer weiterhin die preußischen Tugenden wie Pünktlichkeit und Ordnungssinn in auffallender Form beibehielten. Schon früher äußerte ich mich zu dem Begriff „Jeckes“. Das Buch von Gideon Greif u.a. „Die Jeckes“ – Deutsche Juden aus Israel erzählen, Böhlau Verlag 2000, dürfte die beste Selbstdarstellung der Betroffenen sein und zur privaten Lektüre empfohlen werden. WIKIPEDIA erklärt den Begriff folgendermaßen:
Jecke (der Jecke, Plural: die Jeckes, Adjektiv: jeckisch) ist eine spöttische Bezeichnung der jiddischen Sprache für deutschsprachige Juden, die diese unter dem Gesichtspunkt ihrer Übernahme deutscher Sprache und Lebensart gegenüber den jiddischsprachigen Juden Osteuropas und später in Israel dann auch allgemeiner gegenüber nicht deutschsprachigen jüdischen Einwanderern abgrenzt und mit Eigenschaften wie Überheblichkeit, Steifheit, übertriebener Korrektheit und Pünktlichkeit assoziiert wird. Es ist eine Fremdbezeichnung, die von osteuropäischen Juden eingeführt wurde und heute von den als Jeckes bezeichneten Juden teils als Beleidigung aufgefasst, teils als Spott akzeptiert und teils auch als mehr oder minder ironische Selbstbezeichnung benutzt wird.
04.12.2008
Heimatkundliche und genealogische Recherche zum Judentum in Weilerswist
In diesem Jahr legte die Regionalhistorie überall ihren Schwerpunkt auf den 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ und die Aufarbeitung diesbezüglicher Tatbestände. Selbst jetzt noch lassen sich Fotos und Dokumente, Zeugenaussagen und Berichte finden, die weitere Auskünfte über den Novemberpogrom 1938 in den jeweiligen Kommunen geben. Auch wenn sich im Prinzip die historischen Fakten ähneln, so hat diese regionale Recherche erneut Impulse gegeben und im genealogischen, sozialen und emotionalen Bereich etwas bewegt. Die heimatkundlichen Forschungen waren nämlich verstärkt mit individuellem Engagement, meist weltweiter Kontaktaufnahme und vielen Korrespondenzen verbunden, die in der Auswertung pünktlich zum 9./10. November 2008 vorliegen sollten.
Dabei stellte sich heraus, dass viele dieser Projekte eine Eigendynamik entwickelt haben, die der stets aktiven Regionalhistorie ihren besonderen Wert geben. Man nahm jetzt mit den Nachkommen, der jüngeren Generation ehemaliger jüdischer Mitbürger, Verbindung auf, erweiterte genealogische Ansätze und organisierte für den November 2008 persönliche Begegnungen, die den Aktiven, aber auch der jeweiligen Gemeinde Anerkennung brachten. Derartiges Gedenken arbeitet nicht nur auf, sondern reicht in die Zukunft hinein.
Ein diesbezügliches Verdienst kommt auch Helene Kürten und Margarete Siebert zu, die in ihrer lesenswerten Publikation „Vergangenheit unvergessen“ über das Schicksal jüdischer Familien in Weilerswist, Lommersum und Groß-Vernich berichten. Während andere vergleichbare Gemeinden in der Nordeifel ihren Schwerpunkt auf Mahnmale, Stelen, Ausstellungen und diesbezügliche Veranstaltungen legten, motivierten die beiden Autorinnen auch einige Mitbürger und ganz besonders die Schuljugend zur Mitarbeit an ihrem gedruckten Werk. 1988 erschien ihre gleichnamige Publikation noch in hektographischer Form; jetzt liegt ein im Selbstverlag erstelltes Buch mit 255 Seiten auf Hochglanz und mit festem Einband vor. Helene Kürten und Margarete Siebert sind Mitglied der „Friedensinitiative Weilerswist“(1984) und Initiatoren eines Gedenksteines für die Opfer des Nationalsozialismus (1998). Schon daran erkennt man, dass das Engagement der beiden Autorinnen langfristig ist.
Der Radius des Buches „Vergangenheit unvergessen“ umfasst die Verfolgung der Weilerswister Juden, Synagoge, Verfolgung, Deportation, Holocaust und Friedhof. Was aber das Buch besonders wertvoll macht, sind die akribisch nachgewiesenen Fakten zur Genealogie der jüdischen Familien in der Gemeinde Weilerswist, deren deportierten und nächsten Angehörigen und die Personenstandsdaten von 1800 bis 1940. Diese Forschungsergebnisse gehen auf Helene Kürten zurück und deren langjährige Korrespondenz mit den im Ausland lebenden jüdischen Nachfahren. Insofern ist das Buch „Vergangenheit unvergessen“ keine übliche Publikation über die „Reichskristallnacht“, sondern ein wertvoller Beitrag zur jüdischen Genealogie in der Region.
Am 2. Dezember wurden nun Helene Kürten und Margarete Siebert für das zum größten Teil auf eigene Kosten erstellte Buch mit einem kommunalen Förderpreis für das "Ehrenamt 2008" belohnt. Eine kleine Dotierung soll nicht nur eine Anerkennung sein, sondern auch für die weitere Finanzierung der entstandenen Unkosten dienen.
Die weltweit größte jüdische Website in deutscher Sprache - haGalil.com – publizierte am 19. November eine Rezension des Buches von Hans-Dieter Arntz: „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande, Helios-Verlag, Aachen 2008. Die Website haGalil.com kooperiert mit den Israel Nachrichten und vielen amerikanischen Zeitschriften.
Der 9./10. November 1938 wird stets mit der gelenkten und organisierten Zerstörung von Leben und Eigentum der im Deutschen Reich lebenden Juden in Verbindung gebracht werden. Aber auch 70 Jahre nach dem Novemberpogrom sollte dieses Ereignis sicher mehr sein als ein historisch einzuordnendes Ereignis. Ursache, Verlauf und Auswirkung der sogenannten „Kristallnacht“ sind zwar inzwischen sehr differenziert dargestellt und gewertet worden, aber der Euskirchener Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz (geb. 1941) hat einen neuen wissenschaftlichen Ansatz gefunden. Er publiziert in seinem auch stark bebilderten Dokumentationsband „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande - viele Gerichtsakten und Zeugenaussagen, die offenbar bei den „Synagogenbrandprozessen“ der Nachkriegszeit aus verschiedenen Gründen vernachlässigt oder gar „vergessen“ wurden…
Die detaillierte Darstellung dieser Dokumente - exemplarisch dargestellt am Beispiel der Eifel und Voreifel – beweisen, was besonders in einer ländlich strukturierten Region „hinter den Kulissen“ geschah. Dass dies genau 70 Jahre nach der „Pogromnacht“ vom Helios- Verlag Aachen in einer aufwändigen Form publiziert wurde, beweist auch eine Sensibilität des Herausgebers, da offenbar eine Lücke in der Analyse geschlossen wird.
Nachdem am 18. September 2008 erstmals in der Stadt Mechernich „Stolpersteine“ verlegt worden waren, fand nun am 24. November im Oktogon des Schulzentrums eine Gedenkfeier mit über 100 Gästen statt. Vertreter der Kirchen und Schulbehörden, der jüdischen Gemeinden, der kommunalen Parteien und Verwaltung, aber auch viele Mechernicher Schüler waren anwesend.
Tochter Doris und Enkelin Karen des inzwischen 97jährigen Carl Erich Ruhr, der in San Francisco lebt, waren eigens aus USA und Israel gekommen, um ihrer fünf im Holocaust umgekommenen Angehörigen zu gedenken: Heinrich (1882), Emma geb. Katz (1879), Jetti (1906), Ernst (1907) und Robert (1919). Mein Online-Artikel Erinnern statt Vergessen: Die jüdische Familie RUHR aus Mechernich stellte bereits die jüdische Familie dar, die seit dem 18. Jahrhundert in der Eifel nachweisbar ist. Doris Strauss-Ruhr und ihre Tochter Karen Strauss, Direktorin für Overseas Programs/Missions/bei United Jewish Communities, hielten sich für 4 Tage in Mechernich auf. Die Gedenkfeier am 24. November, organisiert von dem Pädagogen-Ehepaar Freier, war der Höhepunkt ihres Aufenthaltes.
Keine der etwa zehn Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“, an denen ich im November im Raum Bonn- Köln – Aachen teilgenommen habe, beeindruckte mich derart wie die in Mechernich am 24. November. Eingerahmt von dem Weilerswister/Kölner Ensemble „A Tickle in the Heart“ mit jiddischer Volksmusik gab es ein Programm, das von der engagierten Hauptschullehrerin Gisela Freier organisiert und vorbereitet worden war. Es beeindruckte wegen der Vielfalt der Programmpunkte und der ehrlichen Eindringlichkeit.
Nach der Begrüßung durch den Leiter der Mechernicher Hauptschule, Heinz Wolfgarten, und einen Film über die Verlegung der Stolpersteine durch den Aktionskünstler Gunter Demnig, berichtete Frau Gisela Freier über die Aktivitäten ihrer Klasse 7c und die didaktische Vorbereitung auf diese Gedenkfeier. Tatsächlich war man in der Lage, die Deportation mit dem Transport DA 219 minutiös nachzuvollziehen und Persönliches aus dem Leben der Holocaust-Opfer zu zitieren. Dr. Hans-Peter Schick in seiner Funktion als Bürgermeister der Stadt Mechernich, Herbert Jonen, stellvertretender Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde Düsseldorf, und der Kölner Rabbiner Jaron Engelmayer setzten gedankliche Schwerpunkte, die sich auf die Shoah, die Ablehnung von Rassismus sowie jegliche Form von Verfolgung und auch auf den Ausblick in die Zukunft konzentrierten. Das Ehrengebet zum Andenken an die ermordeten Juden wurde erst in Deutsch und dann auf Hebräisch gesprochen.
Doris Strauss-Ruhr, die sich als ungewöhnlich gut über die gegenwärtige Situation in Deutschland informiert zeigte, betonte in ihrer eindringlichen Rede ihre Erkenntnis, wie sehr sie das Bemühen der Stadt Mechernich und besonders der Schuljugend respektiere. Sie versprach, niemals den Wunsch von Bürgermeister Dr. Schick zu vergessen: „Nehmen Sie das Bild von Deutschland mit nach Hause, das sich Ihnen durch diese jungen Leute bietet.“
Auch auf dem Land brannten 1938 die Synagogen. In Hellenthal-Blumenthal in der Eifel zwang der Bürgermeister, ein hoher SS-Mann, die jüdischen Männer am Morgen danach außerdem noch dazu, im Gleichschritt um ihr brennendes Gotteshaus zu marschieren. Nachdem 1948 anonym Anzeige gegen die Gräueltaten erstattet wurde, kam es 1952 zum Prozess. Die Strafen fielen allerdings milde aus. Der „Arbeitskreis Judit.H – Juden im Tal, Hellenthal“ hat nun ein Mahnmal – mitten im Dorf, am Standort der alten Synagoge durchgesetzt. Am Sonntag, 9. November, um 16 Uhr wird das Mahnmal am ehemaligen Standort der Synagoge in Blumenthal, Alte Schulstraße enthüllt. Es werden Nachfahren der Blumenthaler Juden aus Amerika erwartet. Bis zum 14. November ist in der VR-Bank Nordeifel, Zweigstelle Hellenthal die Ausstellung zu sehen: "Wir waren Nachbarn – über die jüdische Geschichte im oberen Oleftal". Bis zum 16. November wird in der evangelischen Kirche in Hellenthal-Kirschseiffen die Ausstellung gezeigt: "Ein Mahnmal – Künstler und ihre Entwürfe."
Buchhinweis:"Reichskristallnacht"- Der Novemberpogrom 1938 auf dem Land“, hrsg. von Hans-Dieter Arntz, Helios-Verlag, Aachen 2008, 29,90 EUR
Redaktion: Stefanie Laaser
Musikzusammenstellung: Dorothee Prasser
Die Radiosendung war recht ausgewogen und stellte mehrere Aspekte heraus, mit denen sich auch künftig die Eifelgemeinde Hellenthal auseinander zu setzen haben wird. Wie ebenfalls in einer Fernsehsendung von WDR 3 („Lokalzeit aus Aachen“) ging es u.a. auch um die tatsächlichen Ereignisse anlässlich des Pogroms in Hellenthal in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938, über die auch in der Radiosendung von Monika Mengel kein Augenzeuge öffentlich sprechen wollte. Diese wurden selbst in einer ansonsten recht interessanten Ausstellung überhaupt nicht erarbeitet und ostentativ verschwiegen. Dabei hatte man sie doch erstmalig schon 1990 thematisiert und 2008 in dem Buch „Reichskristallnacht“ erneut publiziert. In zwei kurzen schriftlichen Kommentaren nahmen inzwischen WDR-Hörer zu diesem Manko Stellung und nannten Namen.
Zwei Mahnmale und eine weitere Gedenktafel zur Erinnerung an einen kleinen jüdischen Gebetsraum in Blumenthal (bis 1904) wirken auf nur wenigen Quadratmetern erdrückend. Man sollte dem offenbar rührigen Arbeitskreis Judit.H. empfehlen, endlich ein didaktisches Konzept zu erarbeiten und eine aussagekräftige Dokumentation in Buchform zu publizieren. Dies dürfte für die künftige Erinnerungskultur der kleinen Eifelgemeinde Hellenthal effektiver sein als die jährlichen Gedenkmärsche und das Festhalten an einer kurzfristig avisierten „Mahnmalisierung“.
Darüber, dass das neue Mahnmal nicht unumstritten ist, wurde bereits Anfang November in der Presse berichtet. Es gleicht nämlich einer Guillotine und befindet sich auf einer ungepflegten Parzelle, in der Nähe einer Schrottverwertung. Spätestens bei der recht bewegenden Einweihung am 9. November wurde vielen klar, warum sich der weitsichtige, ehemalige Bürgermeister Dr. Armin Haas – wie auf meiner Website bereits berichtet - ostentativ gegen diese Stele gewandt hatte. Nur wenige Meter entfernt, auf dem jüdischen Friedhof von Blumenthal, gibt es nämlich seit 20 Jahren bereits ein würdiges Mahnmal. Und das mit dem Erinnern ist auch so eine Sache. Zwar weihte die ehemals im Ort beheimatete jüdische Mitbürgerin Margot Heumann die neue Gedenkstelle ein, doch eine leibliche Angehörige der Familie Rothschild wurde, erst auf Nachfrage hin, 4 Tage vorher eingeladen. Man wusste offenbar gar nichts von ihr, obwohl sie doch seit Jahrzehnten in Zülpich wohnt.
Dennoch war die Gedenkfeier in Blumenthal sehr würdig und bewegend. Hierfür sollte man dem Arbeitskreis Judit.H. Dank aussprechen. Einen detaillierten und sehr gut bebilderten Bericht verfassten die Journalisten Bernadette Scheurer und Bernd Kehren von der Kölner Rundschau, Lokalteil Gemünd/Eifel: Enthüllung des Mahnmals zur Erinnerung an die Blumenthaler Synagoge 70 Jahre nach der Zerstörung.
Gedenken des Novemberpogroms 1938 in der Eifel: Mechernich, Kall und Gemünd
In einem langen Demonstrationszug zogen Schüler und Erwachsene durch die Innenstadt von Mechernich, um an den Terror des Nationalsozialismus gegen die Juden zu erinnern und für Toleranz und Mitmenschlichkeit zu werben. Mit etwa 200 Teilnehmern kam es hier zu einer der größten Veranstaltungen ihrer Art, mit denen man der schrecklichen Ereignisse am Nachmittag und Abend des 10. November 1938 gedachte. Die Stadt Mechernich, die über eine ausgesprochen gute Darstellung ihres Engagements verfügt, berichtet über die Aktivitäten ihrer Bürger zum 70. Jahrestag des Novemberpogroms von 1938. Unter der Überschrift „Gedenken an die Reichspogromnacht“ sowie „Gedenkgang zur Mahnung und Erinnerung“ und auch „Mechernicher gedachten der Pogrome“ erhält der Internet-User einen detaillierten Überblick.
Zur Einweihung eines längst gewünschten Mahnmals in Kall kam es am Sonntag, dem 9. November. Hierüber hatte ich mir in meinen NEWS vom 27.06.2008 einige Gedanken gemacht. Auch die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Kall war den Lesern des „Schleidener Wochenspiegels“ wieder in Erinnerung gerufen worden. Unter der Überschrift „In Kall brannte die Snagoge“ veröffentlichte die Lokalpresse die Aktivitäten der Menschenrechtsgruppe am Hermann-Josef-Kolleg in Text und Bild über die Vorfälle. Die Schüler wollten möglichst authentisch zeigen, was vor 70 Jahren in dem Eifelort geschah. Der Eifel-Presse berichtete mit dem Artikel „Kinder sahen die brennende Synagoge“ und „Tafel erinnert an die Synagoge“ über den Verlauf der Gedenkfeier in Kall.
Während in einigen Großstädten bereits in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 die ersten Synagogen brannten, geschah dies auf dem Land etwas später, in manchen Gemeinden sogar erst am 11. November. Gemünd und Hellenthal/Blumenthal jedoch gehörten zu den ersten westdeutschen Landgemeinden, in denen fanatisierte Nationalsozialisten sofort nach dem Aufruf des Propagandaministers Goebbels tätig wurden! Über den Verlauf und den späteren „Synagogenbrandprozess“ wurde in mehreren Dokumentationen und Zeitungsartikeln detailliert berichtet. Wenn es auch in dem kleinen Eifelort, der vor dem 2. Weltkrieg teilweise 4-5% jüdische Einwohner hatte, keine eindringliche Gedenkfeiern gab, so erinnerten doch Schulkinder und Nachbarn mit Lichtern an die Stelle, an der sich bis zum 9./10. November 1938 die Landsynagoge von Gemünd befand.
19.11.2008
Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ in der Voreifel:
Weilerswist, Euskirchen und Bad Münstereifel
Erfreulich viele Jugendliche waren an der Gestaltung des 70. Jahrestages der „Reichskristallnacht“ beteiligt. Offenbar war in den Schulen gründlich auf das historische Datum 9./10. November 1938 vorbereitet worden. So entstand bereits auf Betreiben der Gesamtschule Weilerswist vor einigen Jahren die Idee zur Verlegung der „Stolpersteine“ im Ort, was erstmals am 9. November zum Gedenken an ermordete jüdische Mitbürger vor dem Haus auf der Kölner Straße 67 realisiert wurde. Aktionskünstler Gunter Demnig verlegte sie dort in einem Festakt unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Sie erinnern symbolisch an die jüdische Familie Carl, die seit 1750 in Weilerswist ansässig war. Das Ende weiterer posthumer Ehrungen bildete eine Kranzniederlegung am jüdischen Friedhof in Groß-Vernich. Bemerkenswert ist das neue Buch von Helene Kürten und Margarete Siebert, das unter der Überschrift „Vergangenheit unvergessen“ die Schicksale jüdischer Familien in der Gemeinde Weilerswist während der Naziherrschaft präzise darstellt.
Über die Veranstaltung in Euskirchen wurde schon auf dieser Website ausführlich berichtet. Der Artikel in Verbindung mit einer großen Fotoserie gibt den Verlauf dieser Veranstaltung wieder, an der auch die Vertreter der Kreisstadt, der Parteien und christlichen Kirchen teilnahmen. Am 17. November konnte zudem der Gastgeber „Wochenspiegel“ die bekannte israelische Schriftstellerin Lea Fleischmann begrüßen, die in der Comedia auf der Münstereifeler Straße bedeutsame Passagen aus ihrem Buch „Meine Sprache wohnt woanders“ vortrug. Hierüber berichtete die Kölnische Rundschau, Lokalteil Euskirchen, am 19. November 2008:
Copyright: Wolfgang Andres (Euskirchener WochenSpiegel)
Auch in Bad Münstereifel gedachte man der ehemaligen jüdischen Mitbürger. Nach einem Vortrag im Ratssaal zogen etwa 50 Menschen zum jüdischen Friedhof am Quecken, wo die Pfarrer der beiden christlichen Kirchen, Frank Raschke und Thomas Bahne, eine Gedenkveranstaltung gestalteten. Aus Respekt vor der jüdischen Tradition der Kopfbedeckung hatten die meisten Anwesenden ebenfalls ihr Haupt bedeckt. Die Schüler des St.-Michael-Gymnasiums hatten einen sehr glaubwürdigen Zeitzeugen in die Aula ihrer Schule eingeladen. Nur aufgrund des Umstandes, dass er einer von den 1200 Juden war, die als Zwangsarbeiter auf der Liste des Unternehmers Oskar Schindler standen, konnte der gebürtige Krakauer J.G. zwei Ghettos und drei Konzentrationslager überleben. So lernten die Münstereifeler Gymnasiasten Einzelheiten über das gesamte Ausmaß menschlicher Grausamkeiten kennen.
Literatur und Filme über den „Novemberpogrom 1938“
Neuerscheinungen im Buchhandel, Filme im Internet, bekannte Websites – hier ganz besonders Hagalil, die größte jüdische InterNet-Site in deutscher Sprache -, informieren im Monat November über den Pogrom von 1938. In diesem Zusammenhang sollten auch die „Beiträge zur deutsch-jüdischen Geschichte aus dem Salomon Ludwig Steinheim-Institut“ an der Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg, genannt werden. Unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Brocke publiziert diese Vierteljahreszeitschrift bemerkenswerte Beiträgee und Hinweise auf aktuelle Literatur.
Besonders Filme können informieren und das Interesse an einer spezifischen Weiterbildung fördern. So sollen zum Beispiel die kurzen Dokumentationen „Reichskristallnacht – Novemberpogrom 1938“ oder „Kristallnacht“ von „You Tube“ erwähnt werden, die zudem noch Hinweise auf Literatur u.ä. enthalten.
Ein Artikel mit der Überschrift: "Die Reichskristallnacht in Euskirchen - Chronik des Progroms vom 10. November 1938" erschien im neuen Jahrbuch 2009 des Kreises Euskirchen (S. 34-46).
Viele Kommunen gedenken in vielseitiger Form und unzähligen Veranstaltungen des 70.Jahrestages der „Reichskristallnacht“.
Dennoch gibt es auch kritische Aspekte, die mir zu diesem Komplex wichtig erschienen. Vgl. folgende zwei Online-Beiträge:
Eine Gedenktafel in Schleiden für den jüdischen Religionslehrer Moses Fernbach
In Anwesenheit von Mirjam Brudermann, der Tochter des einstigen jüdischen Religionslehrers Moses Fernbach, enthüllte Jürgen Fesenmeyer eine Gedenktafel im Schleidener Holgenbach. Stellvertretend für die Nachbarschaft hatte er sie auf eigene Kosten als Erinnerung anbringen lassen. Der jüdische Pädagoge und Religionslehrer hatte in Schleiden gewohnt, gemeinsam mit Dr. Heilberg aus Euskirchen die religiöse Funktionen in der Synagoge von Blumenthal ausgeübt und schließlich ab 1938 von Kall aus zwei Jahre lang die Auflösung der Synagogengemeinde des Altkreises Schleiden betreiben müssen. Daher erinnert die Tafel – in unmittelbarer Nähe des jüdischen Friedhofs von Schleiden – auch exemplarisch an die Existenz der untergegangenen Kehilla. Bedeutsam ist, dass die Verwirklichung des im März gestellten Antrags nicht von den Kommunen oder christlichen Kirchen, sondern nur durch persönliches Engagement einer Privatperson möglich wurde.
Historische Bedeutung bekam Moses Fernbach (1893-1983), als er in der Zeit zwischen 1945 bis 1947 die jüdische Gemeinde von Berlin neu gründete und wieder aufbaute. Während jedoch der neue 1. Vorsitzende, Erich Nehlhans (1899-1950), als Folge des Kalten Krieges von den Kommunisten in ein sowjetisches Zwangsarbeitslager eingeliefert wurde und dort umkam, konnte Moses Fernbach einem ähnlichen Schicksal entgehen. Rechtzeitig emigrierte er mit seiner Familie nach Palästina. Ein bedeutsames Schreiben vom 1. September 1947 konstatiert seine bisherigen Funktionen. Einige Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Berlin bemühen sich zurzeit darum, den offenbar hier vergessenen Schauchet, Repräsentanten, Schriftführer und Pädagogen zu würdigen.
Kölnische Rundschau, Lokalteil Schleiden vom 11.11.2008
Hans-Dieter Arntz erhält eine der bedeutendsten internationalen Auszeichnungen für Nicht-Juden, den »German Jewish History Award« der Obermayer Foundation (USA). Die Auszeichnung wird am »Internationalen Holocausttag« (27. Januar) zum 9. Male in Berlin überreicht. Neben Arntz sind weitere vier Preisträger ins Berliner Parlament geladen. Sie alle haben »aus eigener Initiative herausragende Beiträge zur Dokumentation jüdischer Geschichte und Kultur in Deutschland« geleistet.
Euskirchen (wa). Der Euskirchener Hans-Dieter Arntz wird für sein Lebenswerk geehrt. Die Auszeichnung wird Walter Momper überreichen.
In seiner Sitzung am 22. Oktober hat eine internationale Jury entschieden, die 30-jährige Tätigkeit des Euskirchener Regionalhistorikers und Oberstudienrats i.R. Hans-Dieter Arntz zu würdigen. Zu dieser Jury zählten: Walter Momper (Berlin), Werner Loval (Jerusalem), Ernest Kallmann (Paris), Karen Franklin (New York), Ernest Cramer (Berlin), Sara Nachama (Berlin) und Arthur Obermayer (Boston).
Lea Fleischmann in Euskirchen: „Meine Sprache wohnt woanders“ –
Lesung am Montag, dem 17.11.2008
Nach der Euskirchener Veranstaltung „Reichskristallnacht in den Altkreisen Euskirchen und Schleiden“ am 3. November lädt der WOCHENSPIEGEL erneut in die COMEDIA auf der Münstereifeler Straße 96 ein. Die israelische Schriftstellerin Lea Fleischmann liest am Montag, dem 17. November, aus ihrem 2006 erschienenen Buch „Meine Sprache wohnt woanders“. Inhaltlich erinnert der Untertitel „ Gedanken zu Israel und Deutschland“ etwas an ihr erfolgreiches Erstlingswerk „Dies ist nicht mein Land“, das großes Aufsehen erregte und zum Bestseller wurde. Gemeinsam mit Chaim Noll widmet Lea Fleischmann ihr neues Buch dem christlich-jüdischen und deutsch-israelischen Dialog.
Die auf ihrer Website veröffentlichte Biographie gibt über die israelische Schriftstellerin Auskunft:
„Lea Fleischmann, Kind jüdischer Eltern, die den Holocaust überlebten, wurde 1947 in Ulm geboren. Ihre Jugend verbrachte sie in Frankfurt am Main. Nach dem Abitur studierte sie an der Johann Wolfgang Goethe Universität Pädagogik und Psychologie und war von 1973 bis 1979 im hessischen Schuldienst tätig, ehe sie dann nach Israel auswanderte. Ihr neues Buch, das sie in Euskirchen vorstellt, berichtet von ihrer Kindheit in der Nachkriegszeit bis hin zur Einwanderung nach Israel und ihrer Hinwendung zum religiösen Judentum.“
Meine Sprache wohnt woanders:
Gedanken zu Deutschland und Israel
von Lea Fleischmann und Chaim Noll
„Sie wanderten aus nach Israel, das Land, in dem sie die spirituelle Kraft des Judentums fanden. Lea Fleischmann und Chaim Noll erleben ihre neue Heimat Israel jeden Tag in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit, und beziehen leidenschaftlich Stellung. Trotzdem sind sie ihrer alten Heimat verbunden, dem Land, in dem ihre Sprache wohnt. Ihre Erinnerungen sind auch der Rückblick auf zwei deutsche Staaten: Lea Fleischmann wuchs in der BRD auf, Chaim Noll in der DDR. Sie sehen Deutschland und Israel mit kritischer Anteilnahme und schonungsloser Offenheit.“
Etwa 120 Gäste nahmen an der Euskirchener Veranstaltung zum 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ teil. Der Weiss-Verlag hatte nicht nur die Leser des Wochenspiegels, sondern auch die Vertreter der Kreisstadt, der Parteien und christlichen Kirchen in die Comedia eingeladen.
Verlagsleiter Alexander Lenders begrüßte die Gäste, unter denen sich auch der Verleger des Buches „Reichskristallnacht“ K.-H. Pröhuber vom Aachener Helios Verlag befand. Er wies auch auf die Lesung der israelischen Schriftstellerin Lea Fleischmann hin, die am 17. November an gleicher Stelle ihr Buch „Meine Sprache wohnt woanders“ vorstellt.
Die für die heutige Generation unvorstellbaren Greueltaten wurden anhand vieler Fotos, Videos, Filmdokumente und Auszüge aus Gerichtsakten dargestellt. Zeitzeugen berichteten zudem eindringlich über ihre eigenen Beobachtungen.
Gerade diese Vielfalt war es wohl, dass die Geschehnisse des Novemberpogroms 1938 in den Altkreisen Schleiden und Euskirchen anschaulich dargestellt wurden und als wertvolles Hintergrundmaterial verstanden werden mussten.
Einst gemeinsam in der jüdischen Volksschule von Kall (Eifel):
Ein bewegendes Wiedersehen nach 70 Jahren
Eigentlich sind die obligatorischen Klassentreffen nach Jahrzehnten schon Anlass genug, sich lebhaft an die Jugendzeit und gemeinsame Erlebnisse zu erinnern. Die Freude war jedoch häufig noch größer, wenn ich einst am Gymnasium Marienschule in Euskirchen eine ehemalige jüdische Mitschülerin in die ehemalige Klassengemeinschaft zurückführen konnte.
Was mag am 12. November in Hanna Miley (geb. Zack, einst Gemünd) und Mirjam Brudermann (geb. Fernbach, einst Schleiden und Kall) vorgegangen sein, als sie sich zum ersten Mal nach 70 Jahren wieder begegneten und über ihre Erlebnisse berichteten?
Ein Klassenfoto, das kurz nach der „Reichskristallnacht“ gemacht wurde und den jüdischen Religionslehrer Moses Fernbach und einen Teil seiner Schüler zeigt, war Anlass genug, über Diskriminierung, Judenverfolgung, Holocaust und Flucht zu diskutieren. Im Frühjahr 1939 hockte man nebeneinander in der ersten Reihe, als das seltene Foto entstand. Es erinnert an Mirjam Fernbach (vorne links)und die um 4 Jahre jüngere Hannelore Zack neben ihr, die sich jetzt wieder bei einer Geburtstagsfeier begegneten. Seitdem hatten sie sich nicht mehr gesehen.
Der in Zingscheid/bei Hellenthal lebende Jürgen Fesemeyer feierte am 12. November die Vollendung seines 79. Lebensjahres. Er hatte wenige Tage vorher – gemeinsam mit Mirjam Brudermann – in Schleiden eine Gedenktafel enthüllt, die künftig an den jüdischen Religionslehrer erinnern soll. An dieser Stelle soll noch einmal dem einheimischen Fabrikanten gedankt werden, weil er es war, der stellvertretend für die Nachbarschaft auf eigene Kosten diese Gedenktafel anfertigen ließ, die am 9. November in der Straße Holgenbach an der ehemaligen Wohnung von Moses Fernbach angebracht wurde. Dieses Zeichen der Erinnerung wurde bereits in einem Zeitungsartikel kurz vorgestellt. Das letzte Foto dieser News zeigt den Jubilar mit Hanna Miley geb. Zack und Prof. Brudermann (Israel).
09.11.2008
Anmerkungen zum Abschluss der Zeitungsserie „Reichskristallnacht“ im Altkreis Schleiden
Das Bemühen um historische und moralische Genauigkeit sollte bei der Darstellung und Bewertung der „Reichskristallnacht", auch 70 Jahre nach diesem Pogrom, ein wesentliches Anliegen sein. Für die Regionalhistorie ist die Sammlung von historischen Fotos, Briefen und anderen Unterlagen immer noch von großem dokumentarischem Wert. Fotosammlungen, Fotoalben und einzelne Aufnahmen aus dem Leben der deutschen Juden vor und nach 1933 sowie der Judenverfolgung sind ein Beitrag hierzu, denn die damaligen Zeitzeugen werden immer weniger. Der Autor des Buches Reichskristallnacht - Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande vertritt nach 30jähriger Forschungsarbeit zum Thema „Juden in der Eifel und Voreifel" immer noch die Ansicht: Je häufiger die Erinnerung, desto eindringlicher die Mahnung!
Insofern gibt es auch im Altkreis Schleiden viele Veranstaltungen, die an die „Reichskristallnacht“ und an die hiesigen jüdischen Gemeinden erinnern. So wird am 9. November auch in Schleiden eine Gedenkplatte für einen Mann eingeweiht, der in Schleiden wohnte, in Blumenthal in der Synagoge wirkte und schließlich die einzige jüdische Volksschule des Altkreises Schleiden in Kall leitete: Moses Fernbach. Da er zudem offiziell der letzte Repräsentant der jüdischen Kreisgemeinde war, kam ihm eine exemplarische Funktion zu, der auch im November gedacht werden wird. Moses Fernbach und seine Familie konnten im Untergrund überleben und 1947 nach Palästina auswandern. Seine historische Leistung ist zudem die Neugründung der Berliner Synagogengemeinde nach dem 2. Weltkrieg.
Stellvertretend für die Nachbarschaft verwirklichte der einheimische Fabrikant Jürgen Fesenmeyer diesen Antrag und ließ auf eigene Kosten eine Gedenktafel anfertigen, die am 9. November um 18.30 in der Straße Holgenbach an der ehemaligen Wohnung von Moses Fernbach angebracht werden soll.
LINKS
Wie die Juden von Kommern endlich zu ihrem Gedenkstein kamen
Vergessen werden ist schlimmer als nur ein Name auf einer Liste: Das traurige Beispiel der Jüdin Inge Rothschild aus Euskirchen/Hellenthal
Schade, dass der Journalist nicht am Montag, dem 3. November, der großen Gedenkveranstaltung in Euskirchen zum 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ beigewohnt hat. Schade, dass er nicht wenigstens etwas recherchiert hat, um besser informiert zu sein als am Ende des Holocaust. Zeitzeugen hätten ihm bereits am 3. November weiterhelfen können.
Ein heute erschienener Zeitungsartikel beweist in eindringlicher Form, dass vergessen werden vielleicht schlimmer ist, als nur ein Name auf einer Liste zu sein.
Inge Rothschild (1935) im Kreise der Familienangehörigen Horn und Rothschild
Copyright: Hans-Dieter Arntz
Es handelt sich um einen Beitrag in der heutigen Lokalsausgabe einer Tageszeitung: „Sie überlebte wie durch ein Wunder“. Hier wird die in der Kreisstadt Euskirchen am 18. Februar 1932 geborene Inge Rothschild dargestellt, die damals mit ihrer Familie in der Hochstraße 18 wohnte. Noch ehe diese Adresse in „Adolf-Hitler-Straße 18“ (1933) umbenannt wurde, verzog der Metzgermeister Max Rothschild mit seiner Familie schon am 25. August 1932 nach Kirschseiffen, einen kleinen Ort bei Hellenthal. Dennoch stand man mit den nächsten Verwandten - Jacob sowie Sara, Arthur und Kurt Horn in Euskirchen – weiterhin in naher Verbindung. Angehörige leben heute noch. Das scheint aber nur wenige zu interessieren.
Über ein bewegendes Protokoll, das Inge Rothschild als 14jähriges Mädchen in Thorn am 25. Januar 1946 mit ihrer Kinderschrift unterschrieb, berichteten Annette Ramelsberger und Marc Widmann bereits in der Augustausgabe 2008 der Information „Gegen Vergessen – FÜR DEMOKRATIE“. Dieses Dokument aus der Nachkriegszeit konstatiert die Holocaust-Erlebnisse des jüdischen Mädchens aus Euskirchen, denn auch dieses sollte nicht vergessen werden. Der Inhalt wurde heute jedoch nur kommentarlos in der Tageszeitung wiedergegeben.
Die ursprüngliche Recherche von Ramelsberger und Widmann jedoch ist zu begrüßen. Ihre Ergebnisse erschienen inzwischen auch in einem Buch: Feliks Tych / Alfons Kenkmann / Elisabeth Kohlhaas / Abdreas Ebnerhardt (Hg.): Kinder über den Holocaust. Frühe Zeugnisse 1944-1948 . Berlin.
Aber die Regionalhistorie kann dem Dokument ein Gesicht geben, denn Inge Rothschild lebt heute in den USA. Sie ist vergessen!!
Das interessierte aber offenbar den Euskirchener Journalisten nicht. Dabei wurde bei der großen Euskirchener Gedenkveranstaltung ein Familienbild gezeigt, das Inge Rothschild und ihre Angehörigen zeigt. Hätte man nicht 70 Jahre nach der „Reichskristallnacht“ exemplarisch dieses jüdische Schicksal weiter verfolgen können? Inge Rothschild heißt heute Inge Liban und lebt in den Vereinigten Staaten. Ihr leiblicher Cousin, Jeffrey Horn, überließ mir neulich ein großes Farbfoto, das die gesamte Familie im Jahre 2008 zeigt. Hierüber schrieb der Euskirchener Wochenspiegel bereits am 5. November 2008:
„Das vielleicht »schönste« Bild des Abends war ein Gruppenbild der heutigen Familie Horn - jener Familie, deren Kaufhaus an der Kommerner Straße am 10.11.1938 abgefackelt worden war. Die Nachkommen leben heute in den USA, sie bzw. ihre Vorfahren hatten das Glück, dem Terror, der Verfolgung und der Ermordung zu entkommen. Das gelang leider nur den Wenigsten.“
Wenn man sich wirklich an Inge Rothschild erinnern will, hätte es sicher nicht bei der Reproduktion des Protokolls vom 25. Januar 1946 bleiben sollen. Den Leser dürfte interessieren, was aus ihr geworden ist. Auch am heutigen Tage, dem 7. November 2008 – erwähnte die Lokalausgabe der Kölnischen Rundschau das Schicksal der jüdischen Familie Horn, deren Warenhaus am 10. November 1938 in Brandt gesteckt wurde. Vgl. hierzu das Foto in meinen NEWS vom 25. Oktober 2008.
Abschließend sollte man vielleicht erwähnen, dass eine Angehörige der Hellenthaler Familie ROTHSCHILD seit Jahrzehnten in Zülpich wohnt. Über das Schicksal ihrer Mutter wurde in dem Buch Judaica - Juden in der Voreifel (1983) detailliert berichtet. Auch hier gilt: Vergessen werden ist schlimmer, als nur ein Name auf einer Liste zu sein.
Fernsehbericht zur „Reichskristallnacht“ in Kommern/bei Mechernich am 8. November bei WDR 3 (Lokalzeit aus AACHEN)
Auf dem Wege zu den Höhen der Eifel liegt Kommern, das schon im 18. Jahrhundert jüdischer Umschlagplatz für Getreide und Fleisch war. Vor der Eingemeindung nach Mechernich 1972 war der Ort eine selbstständige Gemeinde mit einer eigenständigen Kehilla von etwa 120 Mitgliedern (ca. 5% der gesamten Bevölkerung). Auch hier tobte der Rassenhass anlässlich der „Reichskristallnacht“ am 10. November 1938.
Im Rahmen der Euskirchener Veranstaltung zum 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ am 3. November berichteten u.a. auch Schwester Alfonsa und Christine Hiller als Augenzeugen. Ihre Erlebnisse ergänzten die Dokumentation „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande(2008) von Hans-Dieter Arntz. Die Erlebnisse und Ereignisse werden jetzt auch am Samstag, dem 8. November, vom Fernsehsender WDR 3 (Aachen) in der Zeit zwischen 19.30 und 20.00 einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In der Sendung „Lokalzeit aus Aachen“ berichtet die Oberin der Vinzentinerinnen, dass im Kloster von Kommern jüdische Kinder bis zum Kriegsende versteckt wurden. Christine Hiller, als profunde Kennerin der Ortsgeschichte, führt durch den Ort zur ehemaligen Synagoge, die heute nur noch an den zugemauerten Rundfenstern erkennbar ist.
Interviews in Radio und Fernsehen über die „Reichskristallnacht“ in der Eifel und Voreifel
Die Medien sind an dem Buch „Reichskristallnacht“ - Der Novemberpogrom auf dem Lande offenbar recht interessiert. Interviews für den Lokalsender „Radio Euskirchen“ (Vgl. Foto mit der jungen Redakteurin Gabriele Hahlbrock), mit zwei englischsprachigen Radioanstalten und auch mit WDR 5 erfolgten in den letzten Tagen. Unter der Überschrift "NEUGIER GENÜGT" (WDR 5) befragte die Redakteurin Monika Mengel den Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz zum Novemberpogrom in der Eifel und besonders zu den Geschehnissen im Bereich von Schleiden/Hellenthal. Das etwa 10minütige Interview wird am 7. November in der Zeit zwischen 10.30 und 11.45 ausgestrahlt.
Das Fernsehen widmet sich erneut den Ausschreitungen im Eifelbereich. Der WDR dreht am Mittwoch, dem 5. November, für die Sendung "Lokalzeit aus Aachen" u.a. in Kommern und befragt den Autor des Buches „Reichskristallnacht“ und Augenzeugen des Novemberpogroms.
Zeitungsserie von Hans-Dieter Arntz:
JÜDISCHE VERGANGENHEIT – SPURENSUCHE – „Reichskristallnacht“ im Altkreis Schleiden
Große Beachtung fanden bereits die ersten Artikel der fünfteiligen Serie „Reichskristallnacht“ im Altkreis Schleiden, in denen Mechernich und Kommern, Kall und Gemünd dargestellt wurden. Es folgen noch Hellenthal und Blumenthal. Die Serie erscheint seit dem 8. Oktober im Schleidener WochenSpiegel. Wie bei meiner anderen Serie im Euskirchener WochenSpiegel, die zur gleichen Zeit unter der Überschrift „Reichskristallnacht“ im Altkreis Euskirchen läuft, waren es besonders Schulklassen, die sich für die Dokumentation interessierten. Laut Berichten aus Lehrerkreisen wurden die Texte aus den Zeitungen herausgeschnitten und im Unterricht besprochen.
Je jünger die jüdischen Flüchtlinge im Dritten Reich waren, desto nostalgischer sind manchmal heute die Gefühle bei einer Rückkehr nach Deutschland. In dieser Hinsicht ähneln sich grundsätzlich ältere Menschen, wenn sie das besuchen, was mit „ehemaliger Heimat“ bezeichnet wird. Elternhaus, Schulgebäude, Freunde oder Fotos verstärken die Dimension der Erinnerung. Das gilt auch für Ruth Breshinski (geb.1933) aus Tel Aviv, die im September die Kreisstadt Euskirchen besuchte. Das damals als „Breschinsky“ firmierende Ledergeschäft in der Wilhelmstraße 33 wurde zwar wie alle anderen jüdischen Geschäfte arisiert, aber die Familie zählte im Dritten Reich zu den so genannten „Ostjuden“, die ab dem 1.November 1938 als staatenlos angesehen werden sollte. Daher wurden ca. 30.000 Juden mit polnischer Nationalität Ende Oktober 1938 zur polnischen Grenze deportiert.
Einer diesbezüglichen Abschiebung, aus der ja bekannterweise das Attentat von Herzsel Grynspan resultierte, wollte die Euskirchener Familie „Breschinsky“ durch eine Flucht nach Palästina rechtzeitig entgehen. Dies gelang.
Ein sympathisches Beispiel für eine späte Spurensuche ist die heute in Israel lebende Ruth Azoulai (1933) aus Euskirchen, die mit ihren Eltern Max und Maria Breschinsky sowie ihrem jüngerem Bruder Isel am 23. September 1938 nach Palästina auswanderte. Damit kam die jüdisch-polnische Familie der bevorstehenden Ausweisung zuvor. Obwohl die Angehörigen in Euskirchen lebten, wurde Tochter Ruth im jüdischen Krankenhaus Köln-Ehrenfeld, Offenbach-Straße, geboren, was sie auch listenmäßig in der Domstadt nachweisbar macht und vor einigen Wochen eine Einladung in die Domstadt ermöglichte.
Den Kontakt zu Euskirchen hatte Ruth völlig verloren. Auch die hiesige Regionalhistorie hatte keine Kenntnis über das Schicksal der Kaufmannsfamilie Breschinski, die seit Beginn der Weimarer Republik in Deutschland ansässig war. Dies hat sich nun durch Zufall geändert, und Frau Azoulai sucht jetzt nach Bekannten von ihr selber und ihren Eltern:
Right now I am interested to meet Jewish people of my age group, people who might remember our family or our leather store in Euskirchen. Most of all, I will warmly welcome any details regarding my forgotten childhood.
Auch Euskirchener Christen wollen an den 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ erinnern
Dass der 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ überall als Zeitpunkt der Erinnerung und Mahnung anerkannt ist, beweisen die vielen Veranstaltungen, über die demnächst auf dieser Homepage berichtet werden soll. So möchte ich über neue Mahnmale und Gedenktafeln, Fackelzüge oder Ansprachen informieren. Aktionskünstler Demnig wird am selben Tag in Weilerswist „Stolpersteine“ zur Erinnerung an Mitglieder der kleinen Kehilla verlegen. Auch die christlichen Gemeinden aller Konfessionen wollen im Kreis Euskirchen ein – hörbares - Zeichen setzen. Obwohl sich die Kirchen bei der Wiedervereinigung 1990 weigerten, durch ein Glockengeläut dieses historische Ereignis wahrzunehmen, soll dies am 9. November 2008 anders sein. Am Beispiel des katholischen Pfarrblattes für Kreuzweingarten-Rheder und Stotzheimwird dies begründet:
Gedenkläuten am 9. November 2008 um 17.00 Uhr - Abendgebet
In Erinnerung an die Verfolgung der Juden durch die nationalsozialistischen Machthaber in Deutschland, die am 9. November 1938 in der Reichspogromnacht ihren ersten Höhepunkt fand, sind christliche Gemeinden aller Konfessionen und Klöster eingeladen, am Sonntag, dem 9.11.2008 um 17.00 Uhr für fünfzehn Minuten die Glocken zu läuten. Damit wird ein öffentliches Zeichen gegeben, dass dieses menschenverachtende Unrecht vor 70 Jahren nicht vergessen ist. So wird unser monatliches Abendgebet am Sonntag im Monat November in Verbindung mit dem Gedenkläuten gehalten, das wie beschrieben um 17.00 Uhr in der Kirche in Kreuzweingarten beginnt.
Der zurzeit an der Universität Kiel lehrende Politologe Harald Schmid betrachtet den Begriff „Reichskristallnacht" als eine Art „Signalwort der Erinnerungskultur", das eine Eigendynamik hat und zur dauernden Diskussion aufruft. Auch die vielen anderen termini technici, die denselben Pogrom aus verschiedener Sicht zu präzisieren versuchen, bestätigen die stete Diskussion. Eine Sammlung solcher Begriffe ergibt u.a. auch: Reichspogromnacht, Novemberpogrom, „Synagogenbrand", Pogromnacht (...).
Auch in meinem neu erschienenen Buch „REICHSKRISTALLNACHT" – Der Novemberpogrom 1938auf dem Lande griff ich den Gedanken des Politologen Harald Schmid auf, der auch nach der bestehenden Dynamik des Wortes „Reichskristallnacht" oder auch „Novemberpogrom" fragte. Dazu sagt er selber:
„(...) das Wort bleibt auch ein nützlicher sprachlicher Stolperstein. Denn die scheinbar bloß etymologische und semantische Kontroverse führt geradewegs zum Gespräch über die ganze NS-Vergangenheit, den kritischen Umgang mit ihr und das Bemühen um moralische Genauigkeit – auch in der heutigen Benennung politischer Verbrechen.“
Bis in die 70er Jahre hinein gab es in der Nordeifel kaum eine systematische Aufarbeitung der „jüngsten Geschichte." Der „Reichskristallnacht" wurde eigentlich gar nicht besonders gedacht. Aber man sollte nicht vergessen:
Mahnmale und Gedenkfeiern wurden erst zur moralischen Verpflichtung, als man sich regionalhistorisch mit dem Nationalsozialismus und der Judenverfolgung auseinanderzusetzen begann und dadurch eine „Sensibilisierung" verursachte. Daher kommt der systematische Regionalhistorie eine besondere Bedeutung zu, weil sie konkret personifiziert und historisches Geschehen – das Beispiel der Anne Frank beweist das – individualisiert.
Weilerswist: Chronik zum Judentum und Partnerschaft mit einer Schule in Jerusalem
Nur eine kleine Tafel am Eingang des Hauses Kölner Straße 61 erinnert an die Synagogengemeinde von Weilerswist. Wenn es nicht eine hektographierte Schrift aus dem Jahre 1988 mit der Überschrift „Vergangenheit unvergessen“ geben würde, müsste man den Bewohnern der Voreifel-Gemeinde Desinteresse am Schicksal der Kehilla nachsagen. Aber das stimmt für die jetzige Zeit und für die Erinnerung an den 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ keineswegs.
So haben aber dieselben Autorinnen, Helene Kürten und Margarete Siebert geb. Fiedler, jetzt ein 255 Seiten umfassendes, mit zahlreichen Fotos ausgestattetes Buch unter demselben Titel herausgebracht, das ganz konkret die Gemeindeebene beleuchtet. Aber nun haben jedoch Bürger, die Schüler der Gesamtschule und andere aktiv mitgearbeitet. Ihr Buch ist unter anderem im Bürgerbüro der Gemeinde (Bonner Straße 29), in der Buchhandlung Breuer (Deutscher Platz 1) und in der Buchhandlung Schütt (Kölner Straße 79-81) erhältlich. Außerdem besteht die Gelegenheit, das Buch über die Internet-Seite der Gemeinde Weilerswist zu bestellen: www.weilerswist.de
Weitere Aktivitäten in Weilerswist gehen auf die Gesamtschule zurück, die seit Jahren das Schicksal der jüdischen Gemeinde aufarbeitet. Inzwischen gibt es sogar eine Partnerschaft mit der Max-Rayne-Hand-in-Hand-School von Jerusalem, in der jüdische und arabische Kinder in gemeinsamen zweisprachigen Klassen unterrichtet werden. Vor wenigen Tagen besuchten jüdische Schüler die Voreifeler Freunde. Im nächsten Jahr wollen die Weilerswister Schüler in einer mehrtägigen Israelreise die deutsch-jüdische Freundschaft vertiefen.
Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht in der Region Düren
Die „Arbeitsgemeinschaft der Geschichtsvereine im Kreis Düren” erinnert mit 8 Veranstaltungen an den 70. Jahrestag der „Reichspogromnacht“. In kollegialer Zusammenarbeit teilte mir Herr Bernd Hahne M.A. das vielseitige Programm mit, das für die Region Düren gilt. Die einzelnen Termine sind dieser NEWS, weitere Informationen jedoch dem detaillierten Programm zu entnehmen.
Synagoge Düren
Die ausgebrannte Synagoge von Gürzenich
1.) Aldenhoven
10.11.2008, 18.00 Uhr, Krypta der Kirche St. Martin
2.) Düren
02.11.2008, 10.00 Uhr: „Auf den Spuren der Juden in Düren“
3.) Düren
09.11.2008 Seit 1990 finden am Abend des 9. November an allen zehn Rückriem-Stelen in Düren Gedenkstunden statt
4.) Inden 9.11.2008, 15.00 Uhr, Ortsgeschichtliches Museum Lucherberg (Museumssonntag 14.00-17.00 Uhr): »Schicksale – die jüdischen Familien aus der Gemeinde Inden« (Lichtbildervortrag)
5.) Jülich
29.10.2008, 19.30 Uhr, Schlosskapelle der Zitadelle Jülich Im Rahmen des Mittwochsclubs von Jülicher Geschichtsverein 1923 e.V. und Museum Zitadelle Jülich referiert Dr. Anselm Faust über das Thema: „Vor 70 Jahren: Die Kristallnacht im Rheinland 1938”
6.) Jülich
07.11.2008, 18.00 Uhr, An der Synagoge (Gedenkveranstaltung)
7.) Jülich
10. November bis 19. Dezember 2008: Ausstellung „Juristen ohne Recht”
20.10.2008
Von der Machtergreifung zur Pogromnacht-Ausstellung:
„Die 30er Jahre in Troisdorf und Sieglar“
Mit einer Ausstellung des Stadtarchivs im Bürgerhaus Troisdorf-Mitte erinnert die Stadt Troisdorf aus Anlass des 70. Jahrestages an die Novemberpogrome in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938.
Die Pogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung und Ausgrenzung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die knapp drei Jahre später in den Holocaust an den europäischen Juden im Machtbereich der Nationalsozialisten mündete. Die Ausstellung mit dem Titel „Von der 'Machtergreifung' zur Pogromnacht – die 30er Jahre in Troisdorf und Sieglar" wird auf Initiative des Heimat- und Geschichtsvereins Troisdorf e.V. unter der fachlichen Leitung von Oberstudienrat Norbert Flörken realisiert und ist vom 09. bis zum 27. November in der Spitze des Bürgerhauses Troisdorf-Mitte zu sehen.
Veranstalter und Auftraggeber ist die Stadt Troisdorf, deren Stadtarchiv die Einbeziehung aller Bestände angeboten hatte. Alle Ortsteile und Lebensbereiche sind – mit der Einschränkung „bis 1938" – in die Recherche einbezogen worden. Gezeigt werden erstmals unter anderem bisher unveröffentlichte Wahlergebnisse aus den Jahren 1929 bis 1933, Photos von 1933 und später, sowie Schul-, Vereins- und Firmenchroniken. Für die Ausstellung wurden Bestände des Stadtarchivs Troisdorf, des NRW-Hauptstaatsarchivs Düsseldorf, des Archivs des Rhein-Sieg-Kreises, private Sammlungen und Vereins-Chroniken sowie Bestände aus kirchlichen Archiven, von Amtsgerichten und aus dem Bundesarchiv genutzt.
Das Ausstellungsplakat wurde von dem Troisdorfer Künstler Tor Michael Sönksen gestaltet. Öffnungszeiten: vom 11. bis 27. November 2008, dienstags, donnerstags, samstags, sonntags von 15 bis 18 Uhr, mittwochs von 17 bis 21 Uhr.
In den nächsten Wochen wird es vielfältige Beispiele deutscher Erinnerungskultur geben: Wir gedenken der jüdischen Opfer, deren Besitz und Leben während der ersten groß angelegten Verfolgung durch fanatische Nationalsozialisten gefährdet oder gar vernichtet wurde. Inzwischen sind „Stolpersteine“ en masse verlegt worden. Fackelzüge werden sich in einigen Städten schweigend durch die Straßen bewegen. Auch die letzte Gemeinde wird ihr Mahnmal erhalten, obwohl man sich inzwischen fragen muss, ob das nicht dort schon früher angebracht gewesen wäre.
Die bevorstehende „Inflation“ der besonders im November 2008 stattfindenden Veranstaltungen sowie die schon fast obligate Verpflichtung zur Errichtung von Mahnmalen oder zur gedruckten Dokumentation der NS-Heimatgeschichte in wirklich jeder Gemeinde lassen erkennen, dass die temporäre Distanz und das drängende Interesse an der Regionalhistorie die Menschen sensibilisiert hat. Und trotz aller Kritik: das ist durchaus gut.
Landesrabbiner A. Hochwald bei der Einweihung des Mahnmals in Blumental (1988). Links: Bürgermeister Dr. Armin Haas (Foto: H. Hansen)
Eigenartig sind hier die derzeitigen Funde betagter Bürger, die einzelne Gegenstände aus der Zeit der Synagogenbrände aufbewahrt haben, um sie zu jetziger Zeit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eigentlich wollten sie diese für die „Rückkehr der Juden“ aufbewahren. Da handelt es sich zum Beispiel um Tischdecken aus dem jüdischen Kaufhaus Wilhelm Kain in Lommersum, das Schächtmesser von Isidor Marx aus Euskirchen, einen kleinen Kerzenleuchter aus Kommern oder sogar den Schlüssel zum Eingangstor der abgebrannten Synagoge in Blumenthal. All das hatte man 70 Jahre sorgsam aufbewahrt!
Aber an mancher Stelle kann es tatsächlich des Guten zuviel sein! In der kleinen Gemeinde Hellenthal, die in der NS-Zeit nachweislich den rassistischen Terror exemplarisch praktizierte – wie dies schon 1990 und erneut 2008 nachgewiesen wurde –, gibt es nicht nur auf dem jüdischen Friedhof in Blumenthal einen großen Gedenkstein, sondern ab dem 9. November 2008 auch noch - in der ausgesprochen ungepflegten Nähe des einstigen Synagogengeländes - eine Stele. Kurz vorher hatte man an der Stelle eines bis 1904 benutzten Gebetsraumes schon eine weitere Tafel angebracht. Kein Wunder also, dass sich der einstige Bürgermeister Dr. Haas noch vor wenigen Wochen – als einziger – gegen eine Kumulierung diesbezüglicher Aktivitäten aussprach. Der Verwandte eines aus Hellenthal stammenden Juden meinte sogar neulich in Anlehnung an Churchill: „Entweder hat man die Hellenthaler an der Kehle oder zu den Füßen!“
„Reichskristallnacht“ in den Altkreisen Euskirchen und Schleiden:
2 Zeitungsserien von
Hans-Dieter Arntz
Information und regionalhistorisches Dokumentations-material kann viele Menschen für die Ereignisse anlässlich des „Novemberpogroms 1938“ sensibilisieren. Umfangreiche Dokumentationen mit insgesamt 1.600 gedruckten Seiten habe ich mit folgenden Büchern für die Eifel und Voreifel vorgelegt:
Um möglichst viele Leser und besonders junge Menschen mit der Thematik zu erreichen, publiziert der „WOCHENSPIEGEL“ seit dem 8. Oktober zwei inhaltlich voneinander unabhängige Serien aus meiner Feder. Sie bestehen aus je 5 Teilen:
Euskirchener Wochenspiegel: Spurensuche: „Reichskristallnacht im Altkreis Euskirchen“
Schleidener Wochenspiegel: Spurensuche: „Reichskristallnacht im Altkreis Schleiden“
Der Form halber sei erwähnt, dass die auflagenstarken Anzeigenblätter „WOCHENSPIEGEL“ des Monschauer Weiss-Verlags mit seinen vielen Lokalteilen nicht nur in Euskirchen, Schleiden, Monschau, Daun/Gerolstein, Adenau, Ahrtal, sondern mit Regional-News auch in anderen Teilen Deutschlands erscheinen. Weiss-Druck ist somit eine der modernsten und größten Offsetdruckereien und Verlage in Deutschland. Gleichzeitig ermöglicht das bekannte Unternehmen am 3. November die große Veranstaltung„REICHSKRISTALLNACHT in den Altkreisen Euskirchen & Schleiden“, in der ich nicht nur mein neues Buch zur selben Thematik vorstelle, sondern auch an diesem Abend mit Texten, Bildern und in Gesprächen mit Zeitzeugen aufzeige, was wirklich am 9./10. November 1938 in unserer Region geschah.
Carpena Judaica – Zur Geschichte der Kerpener Juden seit dem Mittelalter
Als am 07.11.1938 der 17-jährige Jude Herzel Grynszpan ein Attentat auf den deutschen Botschafter in Paris verübte, nahmen dies die Nationalsozialisten zum Vorwand für eine Welle von Pogromen. In der Nacht vom 09. auf den 10.11.1938 verbrannten mehr als 1.000 Synagogen, tausende jüdischer Geschäfte wurden zerstört und Wohnungen verwüstet. Jüdinnen und Juden wurden erschlagen, niedergestochen oder zu Tode geprügelt. Auch in Kerpen kam es während der Novemberpogrome zu Ausschreitungen. Die Synagoge wurde von SA-Leuten verwüstet und das Inventar zerstört oder verschleppt. Eine sich vergrößernde Menschenmenge zog weiter zu jüdischen Geschäften und Wohnungen, die ebenfalls zerstört wurden. Die Gewalttätigkeiten dauerten bis tief in die Nacht. Daher wird auch in Kerpen wird an die Reichspogromacht vom 09.11.1938 erinnert.
09.11.2008, 10.30 Uhr
Mahnmal, Alte Landstraße, 50171 Kerpen
Gedenkveranstaltung am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus
09.11.2008, 11.30 Uhr
Haus für Kunst und Geschichte, Stiftsstraße 8, 50171 Kerpen:
Eröffnung der Ausstellung „Carpena Judaica. Zur Geschichte der Kerpener Juden seit dem Mittelalter“ und Präsentation der gleichnamigen Publikation.
Der Heimatverein gibt als Band XI seiner Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde die umfassende Veröffentlichung von Gerd Friedt heraus, der jahrelang recherchiert und eine beeindruckende Menge an Quellen ausgewertet hat. Den Autor hatte ich in meinen News vom 16.03.2008 bereits vorgestellt. Neben der Geschichte der Kerpener Juden seit dem Mittelalter behandelt die Publikation auch das Beschneidungsbuch des Isaac Kaufmann aus Blatzheim bei Kerpen, die jüdischen Friedhöfe in Kerpen, Sindorf und Brüggen sowie die Genealogie der jüdischen Kerpener Familien. Die gleichnamige Ausstellung von Stadtarchiv und Heimatverein zeigt beeindruckende Dokumente zur fast 1000jährigen Geschichte der Kerpener Juden.
Öffnungszeiten:
Di, Mi 9.00 -12.00 Uhr, Do 14.00-18.00 Uhr sowie nach Vereinbarung
Dauer:
09.11.2008 bis 16.04.2009
08.10.2008
Literatur zum Judentum in der Eifelstadt Mechernich
Da es bisher von der Stadt Mechernich keine Veröffentlichungen über den Nationalsozialismus und den Holocaust gibt, möchte ich der Form halber auf meine eigenen regionalhistorischen Publikationen zum Thema "JUDENTUM in MECHERNICH, BLEIBUIR und KOMMERN" hinweisen. Dies scheint mir bezüglich des bevorstehenden 70. Jahrestages der "Reichskristallnacht" sinnvoll. Ergänzend zu der sehr detaillierten Darstellung in meinen Büchern "Reichskristallnacht" – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande (2008) und Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet kann man weitere Online-Beiträge auf meiner Homepage finden:
Am 20. September 2007 thematisierte ich die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Bleibuir, die während ihrer nur 50jährigen Existenz im 19. Jahrhundert etwa 14% (!) der Gesamtbevölkerung ausmachte. Selten kann man in der Eifel und Voreifel so konkret nachweisen, dass die Mobilität jüdischer Händler und Geschäftsleute von der ökonomischen Standortpräferenz – hier war es ein Bleibergwerk mit seinen vielen Arbeitern – bestimmt war. Nach der Schließung der Stollen zogen die jüdischen Familien in die benachbarten Gemeinden, besonders nach KOMMERN und MECHERNICH. In einem Fernsehfilm vom WDR Aachen versuchte ich das in wenigen Worten am 4. September kurz zu erklären. Die Redakteurin Anke Bardenberg beabsichtigt, die Thematik in nächster Zeit weiter auszubauen.
Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ in den Altkreisen Schleiden und Euskirchen
Seit etwa 30 Jahren recherchiere ich zum Thema „Judentum in der Eifel und Voreifel“. Besonders in diesem Jahr sind Resonanz und die Akzeptanz der Ergebnisse recht groß, was sehr wahrscheinlich auf das Interesse an den Ereignissen vor 70 Jahren zurückzuführen ist. Unter der Überschrift „Reichskristallnacht“ oder „Novemberpogrom“ gibt es zurzeit auch viele Schüler- und Studentenprojekte, bei denen ich mit meinen Archivunterlagen und Dokumenten helfen kann. Die Lokalpresse stellte Ende September mein neu erschienenes Buch „Reichskristallnacht“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande vor und machte es interessierten Lesern unserer Region bekannt. Hier wären u. a. folgende Zeitungen zu nennen:
Euskirchener/Schleidener Wochenspiegel vom 1. Oktober 2008:
Eine Anzahl von Veranstaltungen wird an die „Reichskristallnacht“ in den Altkreisen Euskirchen und Schleiden erinnern. Von den Radiosendungen wäre zum Beispiel ein 12minütiges Interview von WDR 5 zu nennen, das die Redakteurin Monika Mengel mit dem Autor führte und Anfang November ausgestrahlt wird. Der „Wochenspiegel“ der Firma Weiss veranstaltet zwei große Veranstaltungen in der Comedia Euskirchen: Am 3. November um 19 Uhr wird Hans-Dieter Arntz den Novemberpogrom 1938 mit Texten, Bildern und Gesprächen mit Zeitzeugen aufzeigen, was wirklich am 9./10. November 1938 geschah. Die israelische Schriftstellerin Lea Fleischmann wird an gleicher Stelle am 17. November ihr Buch „Meine Sprache wohnt woanders – Gedanken zu Deutschland und Israel“ vorstellen. Beide Veranstaltungen sind kostenfrei. Aus organisatorischen Gründen wird um Kartenvorbestellungen bei den bekannten Wochenspiegelbüros gebeten.
29.09.2008
Rosch Haschana 5769: Shana tova – Herzliche Neujahrsgrüße aus Euskirchen
Liebe Freunde,
Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen ein gutes NEUES JAHR. Damit sind nicht nur Wünsche für Gesundheit und ein friedliches Zusammenleben gemeint, sondern auch die Hoffnung, dass wir weiterhin im Kontakt bleiben. Shana Tova!
Mein Artikel vom 15. September 2008 unter der Überschrift Erinnern statt Vergessen: Die jüdische Familie RUHR aus Mechernich wies - auch mit einem Foto - auf die jüdische Familie Carl Eric Ruhr hin, die sich durch ihre Emigration in die Vereinigten Staaten retten konnte. Fünf ihrer Angehörigen jedoch kamen im Holocaust um. An sie wurde am 19. September durch die Verlegung von fünf „Stolpersteinen“ vor dem ehemaligen Haus in der Bahnstraße 12 erinnert.
Das Schicksal der ermordeten jüdischen Mitbürger wurde u.a. auf den Seiten 292 sowie 578/579 meines Buches Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet dargestellt. Die 20jährigen Kontakte zu den weiterhin in den USA lebenden Emigranten konnte ich in diesem Jahr zu Tochter Doris Strauss Ruhr vertiefen, die ihrerseits inzwischen auch mit dem Ehepaar Wolfgang und Gisela Freier freundschaftliche Beziehungen aufgenommen hat. Der Initiative beider Heimatforscher ist die Verlegung der „Stolpersteine“ durch den Aktionskünstler Gunter Demnig zu verdanken. Gemeinsam freuen wir uns jetzt auch auf eine persönliche Begegnung am 24. November in Mechernich.
Gisela Freier ist Lehrerin an der Hauptschule Mechernich und bereitete mit ihren Schülern der Klasse 7c das Ereignis inhaltlich vor, so dass kleine Lesungen einen Bezug zur Verlegung der „Stolpersteine“, zum Holocaust und der fünf jüdischen Mechernicher ermöglichten. Hauptschulrektor Heinz Wolfgarten, Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, Vertreter des jüdischen Landesverbandes und engagierte Bürger nahmen an der kleinen Feierstunde teil. Gisela Freier las ein Grußwort von Doris Strauss Ruhr vor deren ehemaligen Elternhaus vor:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Schick,
Angehörige des Stadtrates Mechernich,
meine Damen und Herren.
An diesem ganz besonderen Tag in der Geschichte der Stadt Mechernich tut es mir leid, dass es für mich nicht möglich ist, persönlich dabei zu sein. Aber ich beabsichtige, für meine Tochter und mich, im November Mechernich zu besuchen. Wie ich erfahren habe, ist am 24. November eine Feierstunde geplant. Ich möchte Herrn Dr. Schick und dem Rat der Stadt Mechernich für die Einladung jetzt schon recht herzlich danken.
Auch Gunter Demnig - der Begründer und die bescheidene Kraft der „Stolpersteine“ - glaubt, dass jedes Leben kostbar und ewig, ja unvergesslich ist. Mit einer Ehrenbezeichnung möchte ich Ihnen von ganzem Herzen danken. Der gleiche Dank gilt Uta Franke, der Koordinatorin und treuen Gefährtin von Gunter. Liebe Gisela und Wolfgang Freier, ich kann gar nicht sagen, wie ich Euch anerkenne. Ohne Giselas und Wolfgangs Geduld, fröhliches Zusammenarbeiten, und ich hoffe - nach all den vielen Telefonaten - auch Freundschaft, wäre dieses Ereignis nicht möglich geworden. Vielen, vielen Dank. Gisela und Wolfgang - wenn einer diese Zeilen auf der Zeremonie vorliest -seid bitte nicht verlegen. Ihr habt jedes Kompliment verdient.
Herr Hans Dieter Arntz, ich muss mich bei dieser Gelegenheit aufrichtig ganz herzlich auch bei Ihnen bedanken. Ihre Arbeit ist mehr als wichtig für heute und die Zukunft.
Und ich danke allen, die an diesem Unternehmen teilnehmen. Die wichtige, aber auch traurige Bedeutung dieses Ereignisses kann ich nicht genug betonen. Ich freue mich, im November Sie alle hier persönlich zu begrüßen, mich mit Ihnen zu treffen und gute Gespräche zu führen. Einen Gefallen müssten Sie mir tun. Vielleicht hat jemand noch alte Fotos von meiner Familie Ruhr, den Familien Salomon und Heumann oder ihren Häusern. Ich wäre Ihnen dankbar für eine Kopie.
Unter der Überschrift „Historische Regionalliteratur in Comics – Eine eigenartige Form der Beachtung“ wunderte ich mich in meinen News vom 21. Juni 2008, wieso einige meiner Bücher neuerdings als Vorlage für eine offenbar immer beliebter werdende Form von Cartoon und sogenannten „Fotorealismus“ dienen. Auch mein neues, gerade im Buchhandel erschienenes Buch „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 erhielt dieselbe Aufmerksamkeit. Augenfällig ist erneut die zeichnerische Wiedergabe eines weiteren historischen Fotos.
Seit 1978 publiziere ich dieses Bild, das sich mit anderen auf einem noch nicht entwickelten Film befand, der anonym 1945 in den Briefkasten der provisorischen Euskirchener Stadtverwaltung geworfen worden war. Das Foto wurde am 10. November gegen 14 Uhr gemacht und zeigt die ersten Ereignisse anlässlich der „Reichskristallnacht“ in der Kreisstadt. Die Bevölkerung von Euskirchen wird ungehindert Zeuge der Zerstörung und Inbrandsetzung der Synagoge auf der Annaturmstraße. Eine bis ins Detail identische Zeichnung erschien am 25. Juli 2008 im Feuilleton der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und wurde von den Redakteuren Dietmar Dath und Andreas Platthaus unter der Überschrift „Fotorealismus als historischer Königsweg“ publiziert.
Buchvorstellung: „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande von Hans-Dieter Arntz
Hagalil mit Büros in München und Tel Aviv ist eine sehr geachtete InterNet-Site in deutscher Sprache und stellt nach eigenen Angaben das „größte jüdische online-Magazin in deutscher Sprache“ mit etwa 300.000 Zugriffen monatlich (April 2005) dar.
„REICHSKRISTALLNACHT“ Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande
Die vorliegende Dokumentation könnte mehr als nur ein Versuch sein, die “Reichskristallnacht” auf dem Lande aus verschiedenen Aspekten detailliert und meist exemplarisch darzustellen. Auch anhand anderer “Synagogenbrand-Prozesse” kam der Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz zu der Ansicht, dass selbst nach 70 Jahren der Novemberpogrom von 1938 noch nicht vollständig aufgearbeitet ist…
Es reicht nicht, die konstatierten Fakten - als Nachweis der Zerstörung jüdischen Eigentums und vieler Synagogen sowie brachialer Gewalt gegen jüdische Mitbürger - historisch nachzuweisen. Vielmehr sollten auch die Gerichtsakten der Nachkriegszeit und entsprechende eidesstattliche Zeugenaussagen konkret untersucht und analysiert werden. Vieles wurde vergessen, übersehen oder aus heutiger Sicht fragwürdig beurteilt. Die Frage nach einer manchmal nicht mehr nachvollziehbaren Rechtsprechung in der Besatzungszeit und der jungen Bundesrepublik könnte das wirkliche Geschehen beim “Reichspogrom 1938″differenzierter erklären. Manches war historisch und menschlich doch anders, als es nach dem 2. Weltkrieg juristisch beurteilt wurde.
Was dieses Buch von ähnlichen Dokumentationen unterscheidet, sind auch die seltenen historischen Fotos und der Nachweis, dass “auf dem Lande”, wo einer den anderen persönlich kennt, vieles anders als in den Großstädten verlief. Hier gab es selten die Anonymität der “Brandstifter im Räuberzivil”, sondern hier waren es meist bekannte Fanatiker aus der Nachbarschaft. Diese persönliche und soziale Komponente erschwerte bisher die vollständige Erforschung und Bewertung sowie die objektive Auswahl von Archivunterlagen und Zeugenaussagen.
Die Darstellung der “Reichskristallnacht” in der Eifel und Voreifel beschränkt und konzentriert sich somit auf einen lokal überschaubaren Raum im Rheinland, einen spezifischen Teil der Eifel und Voreifel. Sie umfasst topografisch und inhaltlich die Ortschaften Bad Münstereifel, Zülpich und Sinzenich, Euskirchen und Flamersheim, Weilerswist und Lommersum, Mechernich und Kommern, Kall, Gemünd sowie Hellenthal/Blumenthal. Die Dokumentation beginnt in der nahen Rheingegend und endet in westlicher Richtung in einem Eifeltal, das zur Zeit des Novemberpog-roms 1938 verhältnismäßig isoliert von den Vorgängen in den Großstädten Bonn, Köln und Aa-chen war.
Oft wird man feststellen, dass die Ausschreitungen im Mikrokosmos der Eifel brutaler als in rheinischen Großstädten waren. In Mechernich wurden mehr als 10 Häuser systematisch zerstört und eingerissen. Der Ortsgruppenleiter wurde nach dem 2. Weltkrieg freigesprochen, weil er angeblich aus “lokalpolitischen” und “bautechnischen Gründen” gehandelt habe. Der Hellentha-ler Amtsbürgermeister inszenierte nach dem Inbrandsetzen der Blumenthaler Synagoge einen “Prangermarsch” und gehörte nach dem 2. Weltkrieg u.a. auch zu den Angeklagten im “Schleidener Lynchprozess”, der die öffentliche Erschießung eines amerikanischen Piloten im September 1944 zu klären hatte. Der Euskirchener Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz fasst seine jahr-zehntelangen Forschungen in der vorliegenden Dokumentation eindrucksvoll zusammen.
Hans-Dieter Arntz, “Reichskristalllnacht”. Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande - Gerichtsakten und Zeugenaussagen am Beispiel der Eifel und Voreifel, Helios Verlag 2008, 196 Seiten, 280 Abb., Euro 29,90
22.09.2008
Namenslisten: Juden in Deutschland (1933-1945)
Eine ungewöhnlich gute Quelle zur Erforschung des Judentums ist JEWISHGEN. Diese wirklich zu empfehlende Website gehört zur Grundlagenforschung und hilft nicht nur bei der Vervollstän-digung der jüdischen Genealogie, sondern bietet auch historische Details und Diskussionsforen an. Schade, dass selbst westdeutsche Archive offenbar hierüber nicht genügend informiert sind. Besonders in letzter Zeit häufen sich die Anfragen bei Regionalhistorikern, weil einige Gemeinde- und Stadtarchive vorgeben, keine gezielten Auskünfte mehr auf genealogische Anfragen geben zu können.
Die monotone Formulierung, „aufgrund von Kriegseinwirkung können wir nicht auf diesbezügli-che Unterlagen zurückgreifen“, frustriert besonders diejenigen, deren Angehörige durch den Holocaust umgekommen sind. Insofern ist JEWISHGEN wirklich ein „living Memorial to the Holocaust“. Ein heute eingetroffener Hinweis bezieht sich auf neue Namenslisten von jüdischen Mitbürgern, die in der Zeit von 1933 bis 1945 in Deutschland nachweisbar sind.
Today, at the Federal Chancellery, Mr Guenter Saathoff, Director of the Foundation "Remembrance, Responsibility and Future", presented Minister of State Hildegard Mueller with a list of Jewish individuals who lived in Germany between 1933 and 1945 and who were persecuted and subjected to discrimination by the National Socialist regime because of their Jewish lineage. The idea to produce a list of residents emerged during the negotiations on the question of insurance entitlements that German insurance companies had failed to pay out during the Nazi period. The project was financed by the German government and the Foundation "Remembrance, Responsibility and Future", while the practical work was entrusted to the Federal Archives.
With great dedication and enormous attention to detail, staff of the Federal Archives sifted through some 2.5 million data sets, and managed to identify about 600,000 people belonging to the Jewish faith. The new list will primarily help people to trace their ancestry, but it will also be helpful for scientific research.The Minister of State was convinced that this list is a document of great historical and scientific value. What has been produced is a unique record of Jewish history in Germany, she declared. It will help keep alive the memory of Jewish citizens and the terrible fates they suffered during that period.
The German government will soon be making the list available to the Yad Vashem Memorial Site, the Jewish Museum in Berlin, the Jewish Claims Conference, the Holocaust Memorial Museum in Washington D.C., the New Synagogue Berlin - Centrum Judaicum Foundation in Berlin and the International Tracing Service in Bad Arolsen.
Wenn Daten von Grabsteinen auf jüdischen Friedhöfen erfasst werden, treten oft Schwierigkeiten auf, weil die deutschen oder hebräischen Inschriften häufig beschädigt oder verwittert sind. Nicht nur das Alter der Epitaphe oder klimatische Einflüsse, sondern auch systematische Zerstörungen in der Zeit des rassistischen Nationalsozialismus sind als Gründe anzuführen. Zudem sind nur wenige Historiker in der Lage, die hebräischen Inschriften zu entziffern.
Umso höher ist es zu bewerten, wenn sich Personen der mühseligen Arbeit unterziehen, ehrenamtlich alle noch erfassbaren Daten von jüdischen Grabsteinen zusammenzutragen und diese in Zeitungsartikeln, Büchern oder Internet-Beiträgen den Genealogen und Heimatforschern zugänglich machen. Eine derartige Forschungsarbeit ist auch ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der jüngsten deutschen Geschichte, denn besonders jüdische Friedhöfe erinnern an die Existenz unserer einstigen Mitbürger, deren Mobilität und lokale Präferenzen, an deren Integration in das jeweilige Gemeindewesen und auch an die meist weit gefächerten Familienstrukturen. Sogar eine Bestandsaufnahme der jeweiligen Familien- und sogar der Gemeindegeschichte ist gelegentlich möglich. Die notwendige Pflege der oft einsam gelegenen jüdischen Friedhöfe und die Entzifferung der alten Inschriften ist eine spezielle Form der Erinnerungskultur. Dieser dankenswerten Arbeit unterzieht sich Dieter Peters aus Aachen.
Neben seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit in verschiedenen Betriebs- und Verwaltungsabteilungen bei der Deutschen Post AG in Aachen und Frechen erforscht Dieter Peters seit Ende der 80er Jahre jüdische Friedhöfe. Das Zentralarchiv zur Erforschung der Juden in Deutschland besitzt eine wertvolle Friedhofsdokumentation und gibt auch über die bereits längjährige Arbeit von Dieter Peters Auskunft.
Vor wenigen Tagen feierte der Nestor der noch lebenden Mechernicher Juden, Carl Erich (Carl Eric) Ruhr, in San Francisco seinen 96jährigen Geburtstag. Zu den Gästen gehörte auch seine Tochter Doris Ruhr Strauss, die von Riverdale im Staat New York angereist war und mit mir in Kontakt steht. Im November wird sie mit ihrer Tochter ihre ehemalige Heimat Mechernich besuchen und dann in der Bahnstraße fünf „Stolpersteine“ vorfinden, deren Verlegung auf Initiative der rührigen Hauptschullehrerin Gisela Freier und ihren Schülern möglich gemacht wurde. Am 19. September um 9.30 werden diese Erinnerungssteine von dem Kölner Aktionskünstler Gunther Demnik in den Bürgersteig verlegt. Schade, dass die anderen jüdischen Überlebenden aus Mechernich von dieser Form der Erinnerung nichts wissen, denn auch Akiva Biran wäre gerne aus Israel angereist, denn seine Eltern, Guttmann und Rebekka Kremer, wohnten ebenso in Mechernich wie auch die noch lebenden Angehörigen der Familien Heilbronn, Baruch oder Nathan. Aber wichtig ist, dass der 96jährige Carl Eric Ruhr noch erlebt, dass es zur Erinnerung an seine im Holocaust umgekommenen Angehörigen „Stolpersteine gegen das Vergessen“ gibt.
Ein Foto aus dem Jahre 1946 zeigt Carl Erich Ruhr mit seiner Frau Erna geb. Heumann und Töchterchen Doris, die im November in Mechernich sein wird. Es wurde auf Seite 292 meines Buches Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet publiziert. Um die Verlegung der „Stolpersteine“ historisch und genealogisch einordnen zu können, sollen folgende Anmerkungen dienen (Vgl. das o.a. Buch, S. 578/579).
„(…)Mit diesem Mahnmal wollen Sie, meine Damen und Herren, nicht nur der Toten gedenken, sondern eine Mahnung aussprechen, damit sich Rassendiskriminierung und Verfolgung von Minderheiten nie wiederholt! Selbst derjenige, der zurzeit von den Medien mit dem überflutet wird, was wir mit „Aufarbeitung unserer jüngsten Geschichte" bezeichnen, kann sich wohl kaum der augenblicklichen Stimmung entziehen. Aber Ihre Anwesenheit, meine Damen und Herren, ist etwas Besonderes und widerlegt all die ewig Gestrigen, die Geschehenes vergessen oder verdrängen wollen. Umgekehrt jedoch scheint mir, dass wir Deutschen jede Sache besonders gründlich machen. Das offenbart sich nicht nur in der Gründlichkeit bezüglich der Vernichtung unserer ehemaligen jüdischen Mitbürger, sondern auch in der Quantität der vielen Gedenkfeiern, mit der man wahrscheinlich viele übersättigt. Hätte man vor 50 Jahren nur einen Bruchteil der heutigen Aktivitäten kanalisiert und - zumindest im privaten Bereich - Juden geholfen, dann wäre 1938 manches anders gelaufen.
Auch der späte Termin zur Einweihung eines Mahnmals wirft Fragen auf. Immerhin wurden seit etwa 8 Jahren diesbezügliche Wünsche geäußert, nicht zuletzt von der Jüdin Emmy Golding geb. Kaufmann aus Kommern. Aus finanziellen Gründen wurden solche Wünsche abgeschlagen.
Geldmangel darf nie ein Argument sein, wenn man in einer sensiblen Zeit ehemals jüdischen Mitbürgern das Recht verweigert, dass sich die Nachwelt ihrer Existenz erinnert. Die Bürger von Mechernich folgen nun dem Beispiel vieler Städte und Gemeinden, spät, fast zu spät - zur medienträchtigen Zeit des 10. November - ein Mahnmal einzuweihen (…)“
Die Geschichte der Euskirchener Synagogen-Gemeinde ist ein wesentlicher Teil der Stadtgeschichte. Von ihr gingen kulturelle und politische Impulse aus; Auswirkungen reichen bis in die Gegenwart. Unter der Überschrift Ein Mahnmal für Euskirchener Juden fasste ich noch einmal im Jahre 2001 die langwierige Entstehungsgeschichte des Euskirchener Mahnmals für ermordete Juden zusammen. Nachdem es danach weitere 10 Jahre dauerte, bis es endlich zur geforderten Straßenbenennung nach dem ermordeten jüdischen Arzt Dr. Hugo Oster kam und auch die Erinnerung an den Judenältesten von Bergen-Belsen, den Flamersheimer Josef Weiss, nun bereits seit mehr als 2 Jahre offiziell auf sich warten lässt, soll noch einmal das Desinteresse der Verantwortlichen vorgestellt werden.
Die ehemalige Initiative zur Errichtung einer Gedenkstädte im Stadtzentrum ging auf einen Zeitungsartikel im Kölner Stadt-Anzeiger vom 4. März 1980 zurück: „Die Juden in Euskirchen vergessen?“ In der Zeit vom 7. bis zum 18. März 1980 reagierten daraufhin empörte Leser und Bürger. Nun wurde plötzlich mit Unterstützung aller im Rat vertretenen Parteien ein Gedenkstein in Auftrag gegeben, der am 3. Mai 1981 in einer würdigen Feier auf dem ehemaligen Synagogengrundstück an der Annaturmstraße enthüllt wurde.
Nur etwas größer als vor 150 Jahren ist das kleine Dorf Bleibuir in unmittelbarer Nähe der Stadt Mechernich. Bis zum Jahre 1990, als mein Buch Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet erschien, war offenbar vergessen worden, dass hier im Jahre 1866 von den 330 Einwohnern etwa 14,5 Juden („Israeliten“) lebten.
Auch die Ortschronik (1985) enthält keinen Hinweis auf diesen Sachverhalt. Ursache für diesen ungewöhnlich hohen Bevölkerungsanteil war das Bergwerk „Gute Hoffnung“, deren Belegschaft in Bleibuir für etwa 5 Jahrzehnte Arbeit und Unterkunft fand. Nur in der Zeit von etwa 1830 bis 1880 florierte das ökonomische Leben in dem kleinen Dorf und zog daher jüdische Händler und deren Familien magnetisch an. In dieser Zeit war Bleibuir, im Hinterland des großen Bleibergwerks von Mechernich, ein sogenanntes „Judendorf“. Nach einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs wanderten die Bergarbeiter ab und mit ihnen die jüdischen Händler. Die letzte Beerdigung auf dem kleinen – heute vergessenen – jüdischen Friedhof war im Jahre 1892. Nur noch vier Grabsteine erinnern an die einstige Kehilla, die exemplarisch für die Mobilität jüdischer Händler in der Eifel ist. Dieselben Familien ließen sich danach im benachbarten Kommern und Mechernich nieder, wo sie bis zur Zeit des Nationalsozialismus bessere Existenzmöglichkeiten fanden.
Für die Sendung „Lokalzeit“ drehte ein Fernsehteam des WDR Aachen - unter Leitung der Redakteurin Anke Bardenberg - einen Film, der am Donnerstag, dem 4. September 2008, in der Zeit von 19.30 bis 20 Uhr ausgestrahlt wird. Ortsvorsteher Franz-Josef Hahn stellt das kleine Dorf Bleibuir vor, und der Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz erklärt in einigen Szenen die Bedeutung der einstigen jüdischen Gemeinde. Diese Aufnahmen wurden auf dem fast vergessenen „Judenfriedhof bei Wielspütz“ gemacht.
Der heute zu Weilerswist gehörige Ortsteil Metternich liegt im Osten des Gemeindegebietes an den Hanglagen der Ville. Pfarrer Görres bewies im Dritten Reich, was er von der nationalsozialistischen Rassendiskriminierung hielt. Ostentativ stellte er seine Einstellung zum Judentum zur Schau und musste sich daher als „Juden-Freund“ im Westdeutschen Beobachter anprangern lassen. Sein Verhalten erinnert an den katholischen Geistlichen Heinrich Althausen, den ich bereits auf dieser Homepage vorstellte. Vgl. Widerstand gegen den judenfeindlichen Nationalsozialsozialismus: Die Flugblatt-Aktion des katholischen Theologiestudenten Heinrich Althausen aus Lommersum (1934). Eine kleine Zeitungsnotiz vom 26. Juli 1935 in der Euskirchener Lokalausgabe muss heutzutage ganz anders interpretiert werden:
Pfarrer und Juden-Freund
Aus Metternich wird uns geschrieben: Der sehr gut bekannte Pfarrer Görres aus Metternich pflegt schon des längeren freundschaftlichen Verkehr mit Juden. Man sah ihn des ödteren im Pferdefuhrwerk mit Juden über Land fahren. Heute, am 22.Juli 1935, 20 Uhr abends, kam er mit dem Auto des Juden Adolf Moses, Heimerzheim, von einer Tour, aus der Richtung Weilerswist kommend, in Metternich an der Wirtschaft Schorn an. Es saßen im Wagen: Adolf Moses, Pfarrer Josef Görres und die Frau des Juden Moses. Dass eine Reise in sooo schöner Gesellschaft ein unbezahlbarer Genuß für den Pfarrer und Juden-Freund gewesen sein muß, ist wohl anzunehmen, und den Stoff zur Unterhaltung wird man unschwer erraten können. Eine Provokation der ganzen deutschen und katholischen Bevölkerung Metternichs!
27.08.2008
Vorstellung des neuen Buches von Hans-Dieter Arntz in der Zeitung Wochenspiegel
(Lokalteile Euskirchen, Schleiden und Monschau)
Diese Darstellung soll nun durch den Hinweis auf Ergebnisse des Research Institute an der Hebrew University of Jerusalem ergänzt werden. Wer sich für die Architektur und Rekonstruktion von Synagogen interessiert, hat unter folgendem Link eine weitere Möglichkeit: http://cja.huji.ac.il/architectureN.html
The Hebrew University of Jerusalem and its Center of Jewish Art: synagogue architecture - virtually rebuilding of some destroyed synagogues in Ukraine,
Germany and Uzbekistan
For nearly thirty years the Center for Jewish Art, a research institute at the Hebrew University of Jerusalem, has carried out a comprehensive documentation program of the visual cultural heritage of the Jewish people. Through detailed descriptions and photography by our researchers the vanishing objects are preserved for future generations. Prof. Bezalel Narkiss, Israel Prize laureate, established the Jerusalem Index of Jewish Art, in which there are at present about 200,000 documents of objects originating from all over the globe, which range from a coin to a complex of synagogues. Documentation is carried out in five sections of the Index: Ancient and Modern Arts, Hebrew Illuminated Manuscripts, Synagogues and Ritual Objects, as well as Jewish Ritual Architecture. The objects are also classified according to iconographical subjects, with references to textual sources for cross-reference, biographies and bibliography.
Our fieldwork of rescue expeditions, carried out by postgraduates, Ph.D. candidates and post-doctoral researchers, are a race against time finding abandoned or destroyed monuments and objects which are eventually stolen and sold by auction or dealers. The Jerusalem Index had documented the remains of Jewish heritage in over 40 countries, in Eastern and Western Europe, in the Balkans, in the Far and Middle East as well as in North Africa. Through documentation and computerization our researchers try to reconstruct the varied visual culture of lost communities, and use the resultant study for education of future generations of pupils, students and researchers. The Center is also an educational institute, which conducts seminars and symposia and encourages scholarly research and publication relating to the field of Jewish visual culture. See: http://cja.huji.ac.il/architectureN.html
22.08.2008
Euskirchener Protest gegen nationalsozialistische Weltanschauung (1934)
In unserem modernen Medienzeitalter wird es immer deutlicher, dass selbst das Recht auf informelle Selbstbestimmung bei Behörden zu einem Problem werden kann. Viele wissen inzwischen gar nicht mehr, was über sie gespeichert und teilweise sogar gegen sie verwendet werden kann. Der Missbrauch gespeicherter Daten und neuerdings ein diesbezüglicher Zugriff auf Online-Bankkonten verunsichert den Bürger. Dass Online-Kritik an Mitgliedern spezieller Berufsgruppen oder gar die anonyme Diffamierung des Nachbarn möglich geworden ist, lässt Befürchtungen für die künftige Entwicklung zu. Das Internet als potenzielles Instrumentarium des modernen Prangers erinnert gelegentlich an die Mechanismen unserer jüngsten Vergangenheit.
Was der Nationalsozialismus unter „Kritik“ und „Propaganda" verstand, unterschied sich deutlich von dem, was nach dem heutigen Demokratieverständnis von den Massenkommunikationsmitteln erwartet wird. Es herrschte eine Diktatur der Propaganda vor, gegen deren Beeinflussung in Form von Protest oder anderen Formen der Artikulation jeder machtlos schien. In der Euskirchener Lokalpresse war die jüdische Bevölkerung der täglichen Diskriminierung des Westdeutschen Beobachters ausgesetzt. Unter der Überschrift „JUDEN-SPIEGEL“ wurden jüdische Mitbürger angeprangert und verleumdet. Eine Auflistung ist in meinem Buch JUDAICA, S. 187-205, nachlesbar. Offenbar gab es aber auch Protest in der Bevölkerung, über den die Euskirchener NS-Redakteure nicht hinweggehen wollten. Die infame Berichterstattung, aber auch die offenbar nachweisbare Protesthaltung der Euskirchener Wirthausbesucher erscheint mir erwähnenswert. In meinem Buch JUDAICA – Juden in der Voreifel veröffentlichte ich auf Seite 200:
8. November 1934
SCHLIESST DIE JUDENKNEIPE!
„Wiederholte Vorfälle, die sich in letzter Zeit ereigneten, geben Veranlassung, auf die Zustände in der Wirtschaft „Zur Stadtmühle“, Mühlbachstraße, früher Abraham Meyer, hinzuweisen, dessen berüchtigte jüdische Wirtschaftsführung anscheinend heute noch fortgesetzt wird. Es ist bekannt, daß dort der Treffpunkt aller Elemente ist, die sich aus den früheren Kreisen der SPD und Kommune zusammensetzen, welche sich in die Einrichtungen unseres nationalsozialistischen Staates nicht einordnen wollen. Dort treffen sich die obengenannten Kreise mit den Juden zu einer passenden Gesellschaft. Daß es noch Mädchen gibt, die wir übrigens nicht mehr als Deutsche anerkennen, welche dieses Lokal als Treffpunkt mit ihren Judenfreunden benutzen, ist ebenfalls bezeichnend für diese Gaststätte.
Die Polizeibehörde wird ersucht, ein wachsames Auge auf diese Vorgänge zu richten. Wir selbst passen schon auf und werden auch eingehendst unterrichtet. Deutsche Volksgenossen, die in Euskirchen nicht so bekannt sind, daß sie wissen, wer in diesem Lokale verkehrt, wurden, als sie während der Kirmes ein deutsches Mädchen zur Rede stellten, das mit einem Juden zusammen an einem Tische saß, von dem anwesenden Pöbel zusammengeschlagen.
Wir fordern daher mit Recht und mit allem Nachdruck: SCHLIESST DIE JUDENKNEIPE, die sich zu einem Zersetzungsherd an unserer Aufbau-Arbeit auswirkt! Die Forderung ist um so mehr berechtigt, als die Erregung innerhalb der deutschen Volksgenossen, die über diesen Vorfall unterrichtet sind, bis zu einem Punkt gestiegen ist, der die Maßnahme der sofortigen Schließung rechtfertigt!"
Unter der Überschrift Wurden auf der NS-Ordensburg Vogelsang „Täter“ und potenzielle Massenmörder ausgebildet? Eine erstmalige Publikation zu einem umstrittenen Thema vom 21. Juli 2007 und u. a. auch am 22. September 2008 NS-Täter profitieren von der Hilflosigkeit der Justiz – Ein weiterer Beitrag um die angeblichen „Täter“ von den Ordensburgen - skizzierte ich die Schwierigkeit, Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem 2.Weltkrieg abzuurteilen. Ein Jurist ist eher als der Historiker in der Lage, diese Problematik differenziert zu erörtern. Auch am Beispiel der „NS-Karriere“ eines „Junkers“ von der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang stellt Rechtsanwalt Winfried Seibert diesen Aspekt und die dazugehörige Gesamtproblematik der deutschen Nachkriegsjustiz dar. Die vorliegende juristische Darstellung des „Kornsandverbrechens“ ist insofern exemplarisch, weil bisher immer noch eine wissenschaftliche Aufarbeitung der „Ordensburg-Täter“ aussteht. Nur wenige Verfahren führten zur nachweislich gerichtlichen Aburteilung dieser „Führeranwärter“. Hierüber liegen bisher keine Publikationen vor, die über die unkritische Wiedergabe von nationalsozialistischen Akten und Lebensläufen hinausgehen.
Winfried Seibert wurde 1938 in Leverkusen geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in München und Köln und ist seit 1966 Rechtsanwalt in Köln mit dem Schwerpunkt Presse- und Urheberrecht. Sein 1996 erschienenes Buch Das Mädchen, das nicht Esther heißen durfte (Reclam Verlag Leipzig, ISBN- 3-379-01572-5) machte ihn auch in Fachkreisen für spezielle jüdische Themata bekannt.
Die juristische Aufarbeitung des Kornsandverbrechens durch Winfried Seibert befasst sich auch mit der „Tat“ und Verurteilung von Heinrich Funk, einem ehemaligen Junker der Ordensburg Vogelsang. Die umfassende und detaillierte Darstellung ist ansonsten exemplarisch für die Mechanismen der deutschen Nachkriegsjustiz.
Wie arbeitet ein jüdischer Psychoanalytiker selber seine eigene Vergangenheit auf? Sind die beiden Bücher von Dr. Aurel Shalev eine Form von Supervision und Selbsttherapie? Oder basieren sie einfach auf einer Lebenserfahrung und humaner Grundeinstellung? Fragen, die sich mir immer noch nach einer persönlichen Begegnung mit dem israelischen deutschsprachigen Schriftsteller stellten.
Vor etwa 15 Jahren machte ich die Begegnung mit einem jüdischen Schriftsteller, der als Psychotherapeut und Arzt nicht nur in Israel wirkte: Dr. Aurel Shalev. Er hielt sich für längere Zeit in Bad Münstereifel zur Kur auf und bat mich um meinen Besuch. Stundenlang diskutierten wir über die Judenverfolgung und den Holocaust. Am Schluss eines sehr bewegenden Nachmittags schenkte mir der Psychoanalytiker und Schriftsteller Aurel Shalev die originale Kohlezeichnung des jüdischen Künstlers Eisenberg aus Jerusalem und zwei seiner Bücher: Vor Toresschluß - Spätherbst eines Lebens (1979) und Ein Tropfen Wasser (1882), die im Keil Verlag Bonn erschienen waren.
Die vor etwa 15 Jahren geführten Diskussion mit Dr. Aurel Shalev ähnelte der Argumentation seiner beiden Bücher. Sein Rückblick und die Beurteilung seines eigenen Lebens zeugten von einer überraschend humanen Grundeinstellung. Die Zeitung Die Welt beschrieb am 29. September 1979 diese Haltung mit „spätherbstliches Licht von Milde, Verstehen und Verzeihen.“ Für mich bleiben Shalevs Geschichten in zwei Hinsichten eine fragmentarische Biographie: einmal die eines einzelnen Menschen, dann die eines Zeitalters. Eigenartig ist es, dass seine Kurzgeschichten aus schlimmer Zeit anrühren, unter die Haut gehen, erschüttern. Aber sie reißen keine alten Wunden auf.
Jetzt, nachdem ich die beiden Bücher Ein Tropfen Wasser sowie Vor Toresschluss erneut gelesen habe, stellt sich mir die Frage. Ist diese humane Darstellung ein melancholischer Rückblick auf ein Leben oder die Supervision des studierten Psychoanalytikers oder die Dankbarkeit eines Juden, der mit dem Leben davongekommen ist.
Baudenkmal „Ehemalige Synagoge Zunftgasse 9“ in Weilerswist-Lommersum
Im Frühjahr dieses Jahres wies ich u.a. auch auf die ehemalige Synagoge von Lommersum hin, die als Gebäude in der Weimarer Republik an christliche Nachbarn verkauft worden war und nur deshalb die „Reichskristallnacht“ unversehrt überstanden hatte. Sie wird heute als Schuppen benutzt, könnte aber durchaus einer sinnvolleren Verwendung zugeführt werden. Das wurde mir von den jetzigen Besitzern, die sich sogar selber zu diesem Zweck einbringen würden, noch im Januar bestätigt.
Daher wandte ich mich am 29. April 2008 an den Bürgermeister der Gemeinde Weilerswist, Herrn Dr. Armin Fuß, und bat um die „Renovierung und Instandhaltung eines historisch wichtigen Gebäudes“. Positiv war die sofortige eingeleitete Untersuchung und baldige Antwort, die allerdings negativ und somit nicht sehr ermutigend war. Der engagierte Bürgermeister wies jedoch auf die desolate Haushaltslage der Gemeinde Weilerswist hin und sah sich deswegen nicht mehr in der Lage, „finanzielle Zuwendungen für Sanierungsmaßnahmen an Baudenkmälern zur Verfügung zu stellen.“ Dies betrifft nicht nur die ehemalige Landsynagoge in Lommersum, sondern in gleicher Weise auch die übrigen 143 Objekte, die in der gesamten Gemeinde Weilerswist inzwischen unter Denkmalschutz gestellt wurden.
Dr. Armin Fuß betont in seinem Antwortschreiben, dass sich die Gemeinde Weilerswist „zwar nicht mit finanzieller Hilfe, aber immer beratend als Ansprechpartner zur Verfügung gestellt“ habe. Am 4. Juli 2005 habe man zudem festgestellt, dass „das Objekt grundsätzlich nicht gefährdet“ sei und sich „in einem guten originalen Zustand befindet“.
Abschließend heißt es:
„Sanierungsbedarf besteht hier eher im Inneren des Gebäudes (tlw. morsche Balken und desolater Verputz). Den Denkmaleigentümern wurden die sonstigen Fördermöglichkeiten (evtl. auch über jüdische Institutionen) nahe gelegt. Ferner wurde auf die Möglichkeit der Steuervergünstigung bei Sanierungsmaßnahmen hingewiesen“.
05.08.2008
Spuren der Juden von Münstereifel
Obwohl das renommierte Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte in Duisburg die Ansicht vertritt, dass der jüdische Friedhof von Bad Münstereifel der älteste des heutigen Kreises Euskirchen ist, so belegen dennoch Quellen, dass dies keineswegs so ist. Ohne jetzt in diese Thematik detailliert einzusteigen, muss jedoch zumindest der Ansicht des Vereins Alte Münstereifeler (Yamü) widersprochen werden, dass die „Geschichte der Münstereifeler Juden im Dunkeln“ liegt. Zumindest lautet so die Schlagzeile der Kölnischen Rundschau vom 5. Juni 2008.
Die Historie der „Judengemeinde von Münstereifel“ wurde 1962 in der Examensarbeit des Lehrers Willi Kolvenbach erstmalig skizziert und von Klaus H.S. Schulte wissenschaftlich erarbeitet und präzisiert. Weiterhin setzt das Buch JUDAICA – Juden in der Voreifel (1983) die Thematik an der Stelle fort, an der die Kolvenbach-Studie aufhört, nämlich mit dem Zeitpunkt der Deportation, des Holocaust und der Nachkriegszeit. Weiterhin werden die Gerichtsunterlagen bezüglich der „Reichskristallnacht“ in Münstereifel in dem 2008 erschienenen Dokumentationsband „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande dargestellt. Als letzte Spur der jüdischen Gemeinde von Münstereifel kann der Bücherfund gewertet werden, über den meine Homepage bereits berichtete:
Jüdische Bücher wieder nach 65 Jahren in Familienbesitz
Als Angehörige der jüdischen Familie WOLFF aus Münstereifel darüber in Kenntnis gesetzt wurden, dass ihre Deportation in Kommern/b. Mechernich am 13. Juli 1942 bevorstand, übergaben sie in der Nacht vor ihrem Abtransport die wichtigsten Bücher der inzwischen aufgelösten jüdischen Gemeinde dem christlichen Nachbarn Toni B. zur Aufbewahrung. Der spätere Bürgermeister der Gemeinde Kommern (1956-1969) und seine Angehörigen nahmen die Aufgabe sehr ernst.
Der Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz konnte nun vor einiger Zeit die Bücher in die rechtmäßigen Hände zurückgeben. Als Mitarbeiter an der genealogischen Forschungsarbeit „Descendants of the Wolff Family“ bekam er Kontakt zu Janet Isenberg in Glen Rock/N.Y (USA), einer nahen Verwandten der eigentlich aus Münstereifel stammenden Familie Wolff. Er verschaffte den postalischen Kontakt zu der deutschen Familie B. und schickte in deren Auftrag acht hebräische Bücher in die Vereinigten Staaten. Die Büchersendung bekam einen besonderen Wert durch die persönliche Widmung in einem vergilbten Band: „Für Max Wolff in Münstereifel zum seinem Barmizwahfeste Ostern 1905 – von seinem Onkel Samuel und Tante Eliese von Osann.“ Der Familie B. in Kommern gebührt ein besonderer Dank!
03.08.2008
Jüdische Kultur, Religion und Gebäude: 60 Synagogen in Deutschland und im Ausland - Jewish culture, religion and buildings in Germany and abroad
Here is a fascinating website showing panoramic views of about 60 synagogue interiors from Germany [Frankfurt a. M, Gelnhausen, Leipzig and Celle], plus various other countries: Austria, CSR, Denmark, France, Holland, Hungary, Italy, Poland, Romania, Spain, Sweden, Switzerland and the USA: www.panoplanet.net/synagogues
Click on the synagogue of your choice. Then left-click & move the cursor, to activate the panoramic view. Right-click & move cursor up & down: to zoom in & out.
30.07.2008
Ein neues Buch von Hans-Dieter Arntz: VOGELSANG – Geschichte der ehemaligen NS-Ordensburg
Hans-Dieter Arntz
Vogelsang – Geschichte der ehemaligen NS-Ordensburg
Das Bauwerk der ehemaligen Ordensburg Vogelsang gehört zu den wenigen erhalten gebliebenen Relikten aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Das vorliegende Buch des Euskirchener Regionalhistorikers Hans-Dieter Arntz befasst sich mit dem Bau der NS-Ordensburg Vogelsang (1934-1936), der Ausbildung der »Ordensjunker« (Führeranwärter), dem Zweiten Weltkrieg, der Besatzung durch die Engländer (1946-1950) und mit der Zeit, in der ein NATO-Truppenübungsplatz von den Belgiern unterhalten wurde (1950-2005).
Unter der Überschrift »Burg Vogelsang« gibt das Buch auch anhand der vielen Fotos einen historischen Überblick über die letzten sieben Jahrzehnte. Den Schwerpunkt bildet jedoch die Zeit des Dritten Reiches.
Das neue Buch ähnelt der Dokumentation „Ordensburg Vogelsang – Im Wandel der Zeiten“ (2007), das sehr schnell vergriffen war.
A new book about the ORDER CASTLES OF NATIONAL SOCIALISM by Hans-Dieter Arntz: VOGELSANG – Geschichte der ehemaligen NS-Ordensburg
This new book was published only some days ago and is an abstract of the standard work “Ordensburg Vogelsang 1934-1945 - Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich”. It was written by the same author and can be bought from booktrade or Helios Verlag in Aachen. The new documentation by the German author Hans-Dieter Arntz deals with the special tracking to elite Nazi ranks and racial institutions for future high-level personnel during the time of National Socialism in Nazi-Germany. The technical term "Ordensburg" translates into English as "Order Castle".
Until 1986 there was a gap of knowledge on this special kind of adjustment and not a single book had been written on the ideology and especially on this kind of selection and training of the future "leaders" in Nazi-Germany. It was the German sociologist and upper secondary school teacher Hans-Dieter Arntz, who researched this unknown field of history. His research book "Ordensburg Vogelsang 1934-1945 - Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich" was published 1986 and had its 5th edition in August 2006. For twenty years it has been the only standard work in Germany which answers the political question: How to learn leadership in the "Third Reich".
Since 1934 the term "Ordensburg" had been applied to an idea of an exaggerated national philosophy. It was no "school" for elite Nazi military ranks, but more a place for the political adjustment to National Socialism in Germany. The future "leaders" of the "Third Reich" (called "Junker") were destinated for a political career in the NSDAP or administration of conquered countries "all over the world". They wanted to be regarded as "political readers" but who were in reality German fanatics and racists.
The term "Ordensburg" reminds one not only of a castle or a medieval fortress and knights of a German order fighting against the Prussian tribes, but also of a secret society of men. There were only three of them: Krössinsee, Sonthofen and the most important one: Ordensburg Vogelsang near Cologne. However, they were by no means "breeding places" of a Germanic gentleman race and also not a notorious address for "Lebensborn" ("Born and Fountain of Germanic life"), as even today many Germans want to know it.
Actually, they were newly-built NS-castles for future high-level staff of the NSDAP, which was the only political party during the time of German dictatorship. The selection of the "leader-candidates" (so called "Junker") aged between 23 and 27 and the drill and special training however were conducted in such a manner so elitist and aligned to the administration of German dictatorship that this fact still remains mystical. These candidates had to change such an Order Castle every year. Everybody should have attended Krössinsee, Sonthofen and of course the Order Castle "Vogelsang".
They were not to be regular soldiers belonging to a conventional army, but they had to learn with a blind faith how to administer and govern. Under the command of the minister for labour and Organization, Dr. Robert Ley, only three "Ordensburgen" developed in the "Third Reich". In Krössinsee the candidates were aligned in character. At Sonthofen (Bavaria) they were supposed to be trained in political and diplomatic administration and in the tasks of military, but that Order Castle was never used like that.
The most important of the three "Ordensburgen" was VOGELSANG, which was situated in the midlands of the Eifel near Belgium. It spread the racist philosophy of the German dictatorship and the new order. The book "Ordensburg Vogelsang 1934-1945" written by Hans-Dieter Arntz is a documentation which presents for the first time methodology and didactics of the order Castles. It is a scientific, but nevertheless a very well readable contribution to the total topic: "Education for political leadership and command in the German dictatorship". It consists of 260 pages with more than 250 photos and documents. To this day it is the only standard work on this political term. But now the author presents a short abstract of it.
As the "Ordensburg Vogelsang" trained future "leaders of the German National Socialism" for only three years (1936-1939), one can only imagine the potential effect "of the hardest school in the world". It can be stated, however, that the impact of the "Führeranwärter" or "Ordensjunker" at the three Castles of Krössinsee, Sonthofen and Vogelsang could have been an important contribution in order to carry out the plans of German rule in Europe in the long run.
Arntz, Hans-Dieter: VOGELSANG – Geschichte der ehemaligen NS-Ordensburg
64 pages, hard cover, 60 photos, 9,90 EURO
ISBN 978-3-938208-71-7
Helios-Verlag, Karl-Heinz Pröhuber
Brückstr. 48, 52080 Aachen, Tel.: 0241-555426
Tel.: 0241-555426
E-Mail: helios-verlag@t-online www.helios-verlag.com
Je größer der zeitliche Abstand zur Judenverfolgung in Deutschland und dem Holocaust wird, desto mehr verlieren sich die Spuren der einst hier beheimateten jüdischen Mitbürger. Die Leser dieser regionalhistorischen Homepage werden inzwischen erkannt haben, dass dies zu verhindert auch eine Aufgabe von www.hans-dieter-arntz.de ist.
Nach intensiver Korrespondenz in den Jahren 1988-1990 begegnete ich ihm kurz danach persönlich in Bad Godesberg: dem bekannten deutschsprachigen Schriftsteller Arie Efrat aus Israel, dessen Mutter Bertha Haas verh. Ferda aus Schleiden stammte. Das Stemma dieser großen Familie stellte ich bereits unter der Überschrift „Der Untergang der jüdischen Familien in Schleiden“ in meinem Buch Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet (S. 303 bis 323) dar. Viele Auskünfte verdanke ich dem im Kibbuz Dorot lebenden Zeugen einer turbulenten Zeit.
Von der vielköpfigen Familie Haas lebten damals nur noch zwei Angehörige. Es handelt sich um Frau Laboschin, Tochter des in Berlin geborenen Arthur Kantrowski und der aus Schleiden stammenden Frieda Haas, die beide mit ihrer weiteren Tochter Ellen (geb. 24.4.1929 in Köln) der Verfolgung zum Opfer fielen und zum 8. Mai 1945 für tot erklärt wurden. Ebenfalls in Israel lebt der Sohn von Bertha Haas verh. Ferda, Arie Efrat. Er verlor nicht nur seine aus Schleiden stammende Mutter, sondern auch seinen Vater, Arnolf Ferda (geb. 7.3. 1882 in Neu-Ütting) sowie seine Geschwister und deren anverheiratete Angehörige.
Arie Efrat gehört zu den bekannten deutschsprachigen Schriftstellern von Israel. Seine lesenswerten Bücher „Nachbarn im Negev“ (1983) und „Tratsch aus der Satteltasche“ (1990) erschienen im Bleicher Verlag, Gerlingen, und erzählen nicht nur historisch, sondern auch teilweise recht humorvoll aus dem nicht immer einfachen Zusammenleben von jüdischen Kibbuzsiedlern, arabischen Dorfbewohnern und Beduinen im Negev, dem Wüstengebiet im Süden Israels. Seine erlebten Geschichten zeigen, dass Freundschaft und gegenseitige Achtung zwischen Arabern und Juden möglich sind. Einige Leseproben sind inzwischen im Internet zugänglich.
Es ist bekannt, dass die Didaktik immer eine „Antwort auf brennende Probleme der jeweiligen Gegenwart“ ist. Besonders die Lehrpläne jeglicher Epoche für das Schul- und Bildungswesen bestätigen das in manchmal ungemein krasser Form. Nicht nur die vielen Schulbücher und Lesetexte können dies belegen, sondern auch Gedichte, Lieder und die Themen der Schulaufsätze. Meine frühere Kollegin Margot Bank hatte dieses Phänomen 1978 in einem Beitrag zur Chronik des Gymnasiums Marienschule unter der Überschrift „50 Jahre schriftliche Reifeprüfung“ analysiert.
Frau Dr. Sofia Claus-Vogt stellte vor 30 Jahren der Schulleitung einen Aufsatz zur Verfügung, den ihre Mutter Etha Vogt geb. Thum verfasst hatte. Als Schülerin der Klasse 1 hatte die damals 16jährige einen Aufsatz verfasst, der den 1. Weltkrieg zum Inhalt hatte und am 11.März 1915 von ihrer Klassenlehrerin Chrysostoma mit „sehr gut“ benotet wurde. Er ist ein Beleg für die deutschnationale Gesinnung, die auch an einer von katholischen Dominikanerinnen geführten höheren Mädchenschule in Euskirchen herrschte. Das ist keineswegs eine Kritik, sondern nur die Bestätigung der oben gemachten Aussage. Die Überschrift des 9. Klassenaufsatzes im Schuljahr 1914/15 lautete: „Wie kann das deutsche Mädchen dem Vaterlande im Kriege sich nützlich erweisen?“
Wahrscheinlich gibt es keinen Schüler der Nachkriegsgeneration, der nicht das abgebildete „Prangerbild“ aus dem Geschichtsbuch kennt. Es wurde unmittelbar nach Inkrafttreten der „Nürnberger Gesetze“ (15. September 1935) in Hamburg gemacht und zeigt ein Paar, das angeblich gegen die neuen „Rassegesetze“ verstoßen hatte. Kurz vorher war beschlossen worden, dass Eheschließungen und außereheliche sexuelle Beziehungen zwischen „Juden“ und „Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes“ verboten waren.
In meinem am 10. Juli 2008 erschienen Dokumentationsband „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande stelle ich im 5. Kapitel den „Boykottag“ von Zülpich dar. Am 1. April 1933 wurde der jüdische Arbeiter und Viehhändler Julius Voß – mit einem Schild um den Hals - durch die Straßen der Römerstadt getrieben. Im November 1923 war er für kurze Zeit Bürgermeister der kleinen Eifelgemeinde Kall gewesen und hatte sich daher als „Separatist“ den Hass der deutschnationalen Bevölkerung zugezogen. Die damalige Funktion des jüdischen „Kurzzeit-Funktionärs“ hatten auch die Nationalsozialisten nicht vergessen. Laut Gerichtsunterlagen musste Voß auf Brust und Rücken ein Schild mit der Aufschrift tragen: „Ich Judenlümmel war Separatisten-Bürgermeister von Kall. Meine eingeschlagene Nase zeugt von der ruchlosen Tat“. Bei diesem Umzug am 1. April 1933 in Zülpich wurde mit einer Handglocke geschellt, um die Bevölkerung aufmerksam zu machen.
An diese Situation muss ich immer denken, wenn ich das berühmte Foto aus dem Geschichtsbuch sehe.
13.07.2008
Denkmalschutz für die ehemalige Landsynagoge in Zülpich-Sinzenich
Unter der Überschrift Zwei vergessene und daher erhalten gebliebene Landsynagogen in der Voreifel: Lommersum und Sinzenich stellte ich am 2. Februar 2008 zwei offenbar vergessene Gebäude vor, die den Novemberpogrom 1938 aus verschiedenen Gründen überlebt hatten, nämlich in LOMMERSUM/bei Weilerswist und in SINZENICH/bei Zülpich. Während die erste inzwischen bekannt ist und unter Denkmalschutz steht, wurde das kleine Gebäude in Sinzenich bis in die Gegenwart hinein völlig vergessen. Der Euskirchener Wochenspiegel berichtete hierüber am 20. Februar.
Daher wandte ich mich am 29. April an den Bürgermeister der Römerstadt Zülpich, Herrn Albert Bergmann, und bat ihn, meinen Antrag – „Renovierung und Instandhaltung der historisch wichtigen Landsynagoge von Sinzenich“ – den im Rat vertretenen Parteien und auch dem Denkmalschutz vorzulegen. Am 13. Mai erhielt ich eine persönliche Antwort, in der es u.a. hieß:
(…) Mit großem Interesse habe ich Ihre Ausführungen über die ehemalige Landsynagoge Sinzenich zur Kenntnis genommen und gleichzeitig zum Anlass genommen, das Eintragungsverfahren beim Rheinischen Amt für Denkmalpflege einzuleiten. Für die Eintragung in die Denkmalliste ist die fachgutachterliche Stellungnahme und die damit verbundene Benehmensherstellung mit diesem Fachamt gemäß Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen erforderlich. Voraussetzung für eine denkmalgerechte Renovierung bzw. Instandhaltung - die ich sehr begrüße -, ist zunächst eine abschließende Unterschutzstellung (…).
Viele Gerichtsakten und Zeugenaussagen sollen 70 Jahre nach der systematischen Zerstörung deutscher Synagogen darstellen, was wirklich am 9./10. November 1938 geschah. Der Helios Verlag Aachen, der die neue Dokumentation publiziert und bald in den Buchhandel bringt, meint u.a. in einer Pressemitteilung:
„Dies könnte mehr als nur ein Versuch sein, die 'Reichskristallnacht' auf dem Lande aus verschiedenen Aspekten detailliert und meist exemplarisch darzustellen. Auch anhand anderer 'Synagogenbrand-Prozesse' kam der Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz zu der Ansicht, dass selbst nach 70 Jahren der Novemberpogrom von 1938 noch nicht vollständig aufgearbeitet ist. Es reicht nicht, die konstatierten Fakten – als Nachweis der Zerstörung jüdischen Eigentums und vieler Synagogen sowie brachialer Gewalt gegen jüdische Mitbürger – historisch nachzuweisen. Vielmehr sollten auch die Gerichtsakten der Nachkriegszeit und entsprechende eidesstattliche Zeugenaussagen konkret untersucht und analysiert werden. Vieles wurde vergessen, übersehen oder aus heutiger Sicht fragwürdig beurteilt. Die Frage nach einer manchmal nicht mehr nachvollziehbaren Rechtsprechung in der Besatzungszeit und der jungen Bundesrepublik könnte das wirkliche Geschehen beim 'Reichspogrom 1938' differenzierter erklären. Manches war historisch und menschlich doch anders, als es nach dem 2. Weltkrieg juristisch beurteilt wurde.
Oft wird man feststellen, dass die Ausschreitungen im Mikrokosmos der Eifel brutaler als in rheinischen Großstädten waren. In Mechernich wurden mehr als 10 Häuser systematisch zerstört und eingerissen. Der Ortsgruppenleiter wurde nach dem 2. Weltkrieg freigesprochen, weil er angeblich aus 'lokalpolitischen' und 'bautechnischen Gründen' gehandelt habe. Der Hellenthaler Amtsbürgermeister inszenierte nach dem Inbrandsetzen der Blumenthaler Synagoge einen 'Prangermarsch' und gehörte nach dem 2. Weltkrieg u.a. auch zu den Angeklagten im 'Schleidener Lynchprozess', der die öffentliche Erschießung eines amerikanischen Piloten im September 1944 zu klären hatte.“
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Tragisch verlief meine geplante Begegnung mit Dr. Leopold Heilberg (später: Dr. Lionel Hillburn), der als Sohn des Euskirchener Religionslehrers Dr. Salomon Heilberg seine juristische Karriere im Rheinland begann, dann aber zu denjenigen zählte, die spektakulär am „Boykottag“ (1. April 1933) aus dem Dienst „entfernt“ wurden. Der inzwischen in Amerika zum Karriere-Anwalt und Notar arrivierte Jurist verstarb einige Stunden vor unserem lang geplanten Treffen an einem Herzschlag in einem Kölner Hotel. Der KölnerStadt-Anzeiger berichtete am 26. Oktober 1983 über diesen tragischen Vorfall, der mich persönlich sehr bewegte.
Der Euskirchener Jurist Dr. Leopold Heilberg (1904 -1983) schilderte dem Autor des Buches „JUDAICA“ die Zeit nach seiner „Entfernung“:
,Am 31. März 1933 wurde ich (…) zwangsweise aus dem Gerichtsgebäude am Reichenspergerplatz entfernt. Das wurde von dem damaligen preußischen Justizminister in einem Schreiben vom 5. April 1933 `als die, auf Grund der bekannten Vereinbarungen geschaffene jetzt bestehende Lage' bezeichnet, `die wir bei Anträgen auf Wiederzulassung als rechtsverbindlich anerkennen sollten.´
Ich hatte damals keine Wahl, als meine junge Praxis schleunigst zu liquidieren. Dann bin ich in mein Elternhaus nach Euskirchen zurückgekehrt, ohne mich hier allerdings bei der Verwaltung polizeilich anzumelden. Im Hinblick auf die Unsicherheit unserer Lage erschien es mir ratsam, meine Spur soweit ich konnte, dadurch zu verwischen, dass ich mich von meiner bisherigen Kölner Adresse an eine fiktive Anschrift in Köln ummeldete. (…) Ende 1937 bin ich mit den jüngeren Geschwistern Max, Martha und Ernst nach England ausgewandert(…).
In einer Liste, die der Bonner Anwaltverein 1992 erstellte, erscheint unter den 9 jüdischen Anwälten - neben dem bereits benannten Alfred Oster (1901-1960) - auch Rechtsanwalt Dr. Josef Weiss (1901-1990), der Cousin des ehemaligen „Judenältesten von Bergen-Belsen“, Jupp Weiss aus Flamersheim. Wie wenig der Bonner Anwaltverein 1992 über seine ehemaligen jüdischen Kollegen tatsächlich wusste, wird aus dem letzten Satz einer knappen Skizzierung des aus Euskirchen-Flamersheim stammenden Juristen Dr. Josef Weiss ersichtlich. Der einst in Bonn präsente jüdische Rechtsanwalt hatte jedoch eine historisch nachweisbare Spur hinterlassen.
27.06.2008
„Reichskristallnacht“ 1938: Nach 70 Jahren endlich eine Gedenktafel für die Juden von Kall (Eifel)!
Im Jahre 1985 war die kleine Eifelgemeinde Kall etwas ins Gerede gekommen war, weil in der bekannten Dokumentation Gedenkstätten des Nationalsozialismus von Ulrike Puvogel auch diesem Ort ein kleines Mahnmal zugeschrieben wurde, das an die „Reichskristallnacht“ erinnerte. Angeblich hätte man der verfolgten und ermordeten Juden gedacht! Aber dieses Mahnmal hat es nie gegeben! Dennoch wurde die angebliche – und nicht vorhandene – Inschrift zitiert: „Zum ehrenden Gedenken an die jüdischen Mitbürger der Gemeinde Kall, die in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft umgekommen sind.“ Obwohl ich stets auf das Versehen hinwies, wurde in Neuauflagen der Fehler nicht verbessert.
Jetzt, 70 Jahre nach dem Novemberpogrom, soll nun doch eine Gedenktafel zur Erinnerung an die ehemalige Synagoge „Im Sträßchen“ eingeweiht werden. Zurzeit will die Verwaltung mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein einen Text vereinbaren. Er soll in eine Metalltafel graviert werden, die wie beim Mahnmal in Kommern auf einem Findling angebracht wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Gemeinde Kall die beiden jüdischen Überlebenden zu der Einweihung der Gedenktafel einladen.
Um den Verlust der kleinen Landsynagoge von Kall am 10. November 1938 darzustellen, sollte erwähnt werden, dass dieses Dorf mit den Betgemeinden Hellenthal, Gemünd und Mechernich seit der Franzosenzeit das vierte kleine jüdische Zentrum in der Nordeifel war. Seit spätestens 1870 gab es hier eine kleine Synagoge, die sich bis zur „Kristallnacht" auf Parzelle Nr. 127/31, Flur 5, „Im Sträßchen", befand. Da zu einem jüdischen Gottesdienst mindestens 10 erwachsene Männer (Minjam) vorgeschrieben sind, bleibt fraglich, ob nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten überhaupt noch Gottesdienst gehalten wurde. Die kleine Kehilla war nämlich auf wenige Seelen zusammengeschrumpft.
Wenn sich auch das kleine jüdische Bethaus unscheinbar in einer dicht besiedelten Gegend befand, so wurde es doch bis zur Zeit des Nationalsozialismus von den Nachbarn respektiert. Das gesamte Grundstück war nur winzige 71 qm groß und keineswegs repräsentativ. Der Heimatforscher Franz Sistig fertigte nach dem Kriege ein Bild von der Synagoge an, so dass sie wenigstens auf diese Art im Gedächtnis der Einwohner bleibt. Es handelte sich bei dem kleinen Gebäude – wie im benachbarten Mechernich – um ein quadratisches Ziegelsteingebäude mit Pyramidendach. Elfi Pracht beschreibt das kleine Bethaus von Kall in ihrem Buch Jüdisches Kulturerbe in NRW, Köln 1997, S. 362:
„An der straßenseitigen Fassade führten zwei Treppenstufen zu einer einflügeligen rundbogigen Eingangstür, über der sich ein Rundbogenfenster mit einer Rosette als einziges Schmuckelement befand. Zum eingezäunten Garten hin sind zwei schmale Rundbogenfenster zu erkennen“.
24.06.2008
Mordechai Tanne: Jüdische und palästinensische Zusammenarbeit in der Kunst
Als Mordechai Tanne aus Haifa/Israel am 23. Juni 1984 in Euskirchen-Flamersheim seine Gemälde ausstellte, erfuhren die zahlreichen Besucher seiner Vernissage, dass er als Jude harmonisch mit palästinensischen Künstlern zusammenarbeitete. Das war zu der damaligen Zeit recht ungewöhnlich und interessierte auch die Lokalpresse. Der Euskirchener Wochenspiegel berichtete hierüber am 26. Juli 1984. Der Künstler, der erst im Ruhestand seinem Talent nachgehen konnte, verband sein „Hobby“ mit einer politisch-sozialen Aufgabe, nämlich dem „Brückenbau zwischen Juden und Palästinensern“. Der Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz stand mit ihm von 1979 bis zum Tode des Künstlers im Jahre 1991 in freundschaftlichem Kontakt. Folgender Beitrag soll an „Micki“ erinnern, der auch persönliche Kontakte zum einstigen „Judendorf Flamersheim“ hatte.
Mordechai Tanne wurde am 4.3.1914 in Stuttgart geboren und stammte aus einer Kaufmannsfamilie der Stadt. Nach der schulischen Ausbildung nahm er das Studium der Landwirtschaft an der Hochschule zu Hohenheim bei Stuttgart auf, das aber schnell wegen der nationalsozialistischen Verfolgung abgebrochen werden musste. 1933 entkam er und floh in das damalige Palästina. Dort wirkte er mehrere Jahrzehnte lang als Lehrer und danach als Schulinspektor für den Nordbereich Israels. 1979 ging er in den Ruhestand.
Nach seiner Pensionierung begann er ohne besondere Ausbildung mit der Malerei. Dennoch wurde er bald als Kunstmaler in den „Freien Verband für Kunstmaler und Bildhauer" in Israel aufgenommen und übernahm bereits im Dezember 1983 das Amt des Generalsekretärs dieses Verbandes. Dieser arbeitet im Rahmen des arabisch-jüdischen Kulturzentrums in Haifa und ist dem bekannten Beth-Ha-Gefem-Institut angeschlossen. In dieser Galerie hatte er schon vom 16.11. bis 17.12.1983 eine Alleinausstellung. Danach war er beteiligt an einer Gemeinschaftsausstellung dieser Galerie im Mai 1984. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung Haifa organisierte er im „Auditorium" eine Kunstausstellung, die am 23. Juni 1984 eröffnet wurde – am gleichen Tage, als er in Euskirchen-Flamersheim anwesend war und zu einer persönlichen Alternativ-Vernissage einlud.
In Flamersheim zeigte Mordechai Tanne Skizzen, Ölgemälde in vier Stilrichtungen sowie Aquarelle, die hauptsächlich Landschaften des Staates Israel darstellten. Der „Euskirchener Wochenspiegel“ sah in der damaligen Ausstellung zusätzlich einen besonderen Weg des Künstlers, der nicht nur dem jüdisch-palästinensischen, sondern auch jüdisch-deutschen Verhältnis dienlich war:
„Während der Ausstellungstage stand Mordechai Tanne den zahlreichen Besuchern mit Auskünften zur Verfügung. Besonders jüngere Gäste fanden schnell Kontakt zu dem pensionierten jüdischen Schulrat. Nach Abschluss der mehrtägigen Veranstaltung darf festgestellt werden, dass Mordechai Tanne es verstanden hatte, durch Kunst und pädagogisches Einfühlungsvermögen einen israelisch-deutschen Weg aufgezeigt zu haben.“
21.06.2008
Historische Regionalliteratur in Comics – Eine eigenartige Form der Beachtung
Wahrscheinlich freut sich jeder Autor, wenn seine Publikationen beachtet oder irgendwie zur Kenntnis genommen werden. Das gilt im Besonderen für Beiträge zur historischen Regionalliteratur. Diese sollte ja in einer überschaubaren Region an Vergangenes erinnern, das ansonsten in der Hektik des schnelllebigen Makrokosmos verloren geht. Die Leser meiner Homepage www.hans-dieter-arntz.de wissen, dass ich hier den Schwerpunkt auf unsere jüngste Vergangenheit lege:
Durch Zufall stellte ich nun fest, dass einige Fotos aus meinen ersten Büchern offenbar als Vorlage für einen Comic-Band dienten. Im Dezember 1992 gab der Carlsen Verlag in Hamburg den Cartoon-Band „Die zerbrochene Zeit“ von Warnauts-Raives heraus, in dem einige Fotos aus meinen in der Zeit zwischen 1984 und 1986 publizierten Büchern zeichnerisch übernommen wurden. Schon im Jahre vorher war diese Publikation unter dem Titel „L'Innocente“ bei Casterman in Tournai/Belgien in französischer Sprache erschienen. Nur einige Beispiele möchte ich gegenüberstellen, ohne textliche Parallelen an dieser Stelle anzuführen.
Als Maria Platten geb. Müller am 21. Mai 1984 die Zeitung öffnete, traute sie kaum ihren Augen. Sie erblickte ein Foto, das am 5. März 1945 von einem amerikanischen Kriegsberichterstatter gemacht worden war und Gemünder Frauen zeigte, die – scheinbar erleichtert – lachend aus den Trümmern der gerade eroberten Eifelstadt herauskamen. Ganz deutlich war sie rechts in der vorderen Reihe zu erkennen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nichts von der Existenz des Fotos gewusst, und sie meldete sich spontan bei dem Verfasser dieses Buches, um die fotografierte Szene zu kommentieren:
„Ich heiße Maria Flatten geb. Müller und wohne in Gemünd, Schleidener Straße 32. Das mir vorliegende Foto zeigt von links nach rechts: Else Henz, meine Schwester Ännchen und mich sowie in der hinteren Reihe eine Einwohnerin aus Dreiborn und Maria und Friederike Frauenkron. Bis zum großen Bombenangriff auf die Stadt Schleiden - Mitte Oktober 1944 – arbeitete ich dort in der Metzgerei Pütz. Diese wurde zerstört, und die Besitzer zogen in Richtung Münstereifel. Meine Schwester, Ännchen Müller verh. Fuchs, arbeitete früher in der Gemünder Drogerie Herbrand. Auch diese wurde im Herbst 1944 zerstört.
Im Frühjahr des Jahres 1985 bemühte sich erstmals eine Gemeinde der Voreifel um eine Partnerschaft oder zumindest einen „Freundschaftspakt“ mit einer israelischen Stadt oder Gemeinde. Es handelte sich hier um Flamersheim, ein Ortsteil der Kreisstadt Euskirchen.
Erinnerungen kamen auf, als vor wenigen Wochen im Kreis Euskirchen erneut nach 23 Jahren der Versuch gewagt wurde, eine deutsch-israelische Partnerschaft mit Schüleraustausch zu organisieren. Was im Jahre 1985 durch den Euskirchener Ortsteil Flamersheim begonnen wurde, soll nun durch die Weilerswister Gesamtschule fortgesetzt werden – hoffentlich etwas erfolgreicher als damals.
Wie der Lokalteil Euskirchen des Kölner Stadtanzeigers vom 11. Juni 2008 berichtete, wurde im Rahmen der kürzlich stattgefundenen Reise von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und NRW-Schulministerin Barbara Sommer nach Israel eine Kooperation zwischen der bilingualen „Hand-in-Hand-Schule“ in Jerusalem und der Gesamtschule Weilerswist beschlossen. Projekt, Planung und Szene der Vertragsunterzeichnung erinnern an das Jahr 1985, als die Flamersheimer Delegation in Tirat Hakarmel bei Haifa weilte und das medienträchtige Procedere vollzog.
Auch 1985 wollten die Vorreiter aus Euskirchen-Flamersheim dasselbe wie jetzt erneut die Weilerswister, nämlich „das Verständnis und die Beziehung zwischen den beiden Staaten Israel und Deutschland, seinen Kulturen, Lehrern und Schülern fördern“. Das Projekt der Flamersheimer war aber weitgreifender: nicht nur eine Schul-Partnerschaft, sondern eine Städte-Partnerschaft wurde angestrebt. Um es kurz zu machen: es gab zahlreiche private Begegnungen und Briefkontakte, aber langfristig gesehen scheiterte das Vorhaben nach einigen Jahren am Geld und an der Entfernung!
Partnerschaften oder derartige Bemühungen um freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind nicht immer von Erfolg gekrönt. Über diesbezüglich „ermutigende oder enttäuschende Ansätze im Rheinland“ referierte ich im Frühjahr 1985 im „Auditorium“ der Stadt Haifa vor den meist deutschsprachigen Gästen vieler israelischer Landsmannschaften. Die Israel Nachrichten berichteten über meinen Vortrag „Bewältigung der Vergangenheit – Ermutigung und Enttäuschung“ am 10. Mai 1985. Hier begründete ich auch meine Aktivitäten, Mahntafeln zur Erinnerung an erloschene Synagogengemeinden oder Straßenbenennungen nach bekannten jüdischen Mitbürgern zu initiieren. Ergo: Nicht nur dieses Vorhaben, das seit einigen Jahren auch in Form von „Stolpersteinen“ eine großartige Erweiterung gefunden hat, sondern auch „Freundschaftspakte“ und Partnerschaften können der „Bewältigung der Vergangenheit“, der Aufarbeitung der Geschichte und einem Neubeginn dienen. In diesem Sinne haben die Bürger von Euskirchen-Flamersheim mit ihrer „Verschwisterung“ schon im Frühjahr 1985 einen Schritt in die Zukunft getan.
Judentum in der Eifel: Die Aktion „Weg gegen das Vergessen“ erinnert an den jüdischen Religionslehrer Fernbach aus Schleiden
In einem Schreiben vom 5. März 2008 bat ich die Bürgermeister von Hellenthal und Schleiden, 70 Jahre nach der „Reichskristallnacht“ des letzten Vorsteher der jüdischen Gemeinde des Eifelkreises Schleiden zu gedenken. Bis zur Auflösung der stets kleiner gewordenen Kehilla sowie der Vertreibung und Deportation seiner jüdischen Mitbürger hatte Moses Fernbach (1893-1983) alle jüdischen Belange in der Eifelregion wahrgenommen. Gottesdienste hielt er in der 1938 zerstörten Synagoge von Blumenthal, aber auch in Kall, Mechernich und Kommern.
Inzwischen gab es eine erfreuliche Entscheidung, die mir Bürgermeister Manfred Ernst von der Gemeinde Hellenthal am 19. Mai mitteilte. Nach Absprache mit Bürgermeister Hergarten von Schleiden, Pfarrer Cuck und den im Rat der Gemeinde Hellenthal vertretenen Fraktionen sollen zwar erst im Jahre 2009 – mit dem in Hellenthal ansässigen Arbeitskreis Judit.H. – entsprechende Gespräche geführt werden, aber dafür will die Gruppe „Kirchen im Nationalpark“ „aus Anlass des 70. Jahrestages der 'Reichskristallnacht' und im Rahmen der Aktion 'Weg gegen das Vergessen' eine Erinnerung am ehemaligen Wohnhaus von Herrn Moses Fernbach vornehmen.“
09.06.2008
Besuch des jüdischen Friedhofs in Lommersum
Es gibt verschiedene Strömungen und Entwicklungen, die auf ein Fortleben des alten oder eine Wiederbelebung des neuen Antisemitismus hinweisen. Erstmals hatte Adolf Diamant aus Frankfurt im Jahre 1982 am Beispiel seiner Dokumentation „Jüdische Friedhöfe in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme“ auf diese Variante des Rassismus hingewiesen: Aggression in Form von Zerstörungen auf jüdischen Friedhöfen. Detaillierte Belege liefert er in der Anlage „Geschändete jüdische Friedhöfe in Deutschlands 1945-1980“ in Form einer diesbezüglichen Bestandsaufnahme, an der ich damals für den Kreis Euskirchen mitarbeiten konnte. Bis zum Jahre 1982 lässt sich nur einmal eine „Schändung“ im Kreis Euskirchen nachweisen. Die Unterlagen des Innenministeriums (BRD) aus dem Jahre 1964 belegen dies für den jüdischen Friedhof von Lommersum, Am Lohgraben (Flur 22, Nr. 187), wo „einige Grabsteine umgeworfen“ wurden (1963). Da es aber auch andere Gründe für diesen einmaligen Vorfall in der Gemeinde Weilerswist geben kann, sollte man schlussfolgern, dass es seit dem Dritten Reich in dieser Hinsicht keinen Antisemitismus in der Voreifel gegeben hat!
Ansonsten ist der kleine jüdische Friedhof von Lommersum unauffällig und liegt versteckt in einem kleinen Waldstück. Nach Elfi Pracht (Jüdisches Kulturerbe, Köln 1997, S.384) soll er seit 1661 bestehen. Wegen des zerstörten Zaunes ist er jederzeit zugänglich, was sich vielleicht etwas auf den jetzigen Zustand auswirkt. Nach einer Studie von Bondy, abgedruckt in der Schrift „Vergangenheit unvergessen“ von Margarete Fiedler und Helene Kürten (1988), ist das älteste Epitaph aus dem Jahre 1860. Die Autorinnen haben alle Grabsteine abgebildet und die hebräischen Texte übersetzen lassen. Heute sind noch 16 Grabsteine vorhanden, zwei davon haben keine Inschriften mehr. Nahe am Eingang erinnert ein Grabstein an die Juden von Lommersum.
Nach Klaus H.S. Schulte war 1794 „der arme Jüngling“ Shmuel Nathan der einzige Jude in dem Dörfchen Lommersum. 1860 starb er als Samuel Natus I. Nach dem Epitaph des zu seinen Ehren errichteten Grabsteins war er, Sohn des Nathan Abraham zu Großbüllesheim, „ein gerechter, ehrlicher und aufrichtiger Mann“. Für Genealogen ist interessant, dass seine Ehefrau Magdalene bath Moyses war, die aus der später berühmten Familie Wallach stammte. Sie starb am 24. Adar alef des Jahres 652, also im Jahre 1892 und liegt im Doppelgrab neben ihrem Ehemann. Wie bereits auf dem jüdischen Friedhof des benachbarten Groß-Vernich – Vgl. meine NEWS vom 30. April – so liegt auch „auf dem guten Ort“ von Lommersum ein in der Gemeinschaft beliebter Schützenkönig, nämlich Abraham Stock (1879).
07.06.2008
Benennung einer Straße nach „Jupp“ Weiss, den Judenältesten von Bergen-Belsen
Vorschlag für die Straßenbenennung
Der Bürgermeister der Kreisstadt Euskirchen, Dr. Uwe Friedl, verhielt sich sehr zurückhaltend, als es darum ging, einen inzwischen weltbekannten jüdischen Mitbürger posthum zu ehren. In einem Antrag vom 5. Juni 2006 bat ich ihn, Josef („Jupp“) Weiss (1893-1976), der in den Annalen längst als „Sohn der Stadt“ sowie „charismatische jüdische Persönlichkeit und Judenältester von Bergen-Belsen“ bezeichnet wird, durch die Benennung einer Straße zu verewigen. Etwa ein Jahr später folgten zwei weitere Schreiben (17.07 sowie 11.10.2007), von denen eines überhaupt nicht beantwortet wurde. In meinen NEWS vom 8. Oktober und 27. November 2007 und weiteren Publikationen stellte ich das Leben und Wirken des in Flamersheim geborenen Josef Weiss dar.
Da der Bürgermeister keine Möglichkeit für eine zu benennende Straße sah und den Antrag auch nicht an den Stadtrat von Euskirchen weiterleitete, wandte ich mich am 23. April 2008 in einem detaillierten Schreiben zusätzlich an die vier im Stadtrat vertretenen Parteien. Nur der Fraktionsvorsitzende der CDU, Rechtsanwalt Klaus M.Voussem, war zu einer Antwort bereit, während sich die anderen nicht zur posthumen Ehrung eines ehemals in Euskirchen beheimateten jüdischen Mitbürgers äußern wollten.
Dank dieses tatkräftigen Kommunalpolitikers wird wohl mein Antrag eventuell bald realisiert werden können. In einer Antwort vom 6. Mai 2008 hieß es u.a.:
„Ihr Anliegen habe ich mit großem Interesse aufgenommen und werde mich gerne in meiner Funktion als Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Planung für eine entsprechende Straßenbenennung einsetzen. Wie Sie vielleicht der Presse entnommen haben, habe ich zuletzt auch den Wunsch der KAB Euskirchen, den Platz vor dem Amtsgericht Euskirchen nach Nikolaus Groß zu benennen, bewusst unterstützt, da ich gemeinsam mit der CDU Stadtratsfraktion überzeugt davon bin, auf diesem Wege mit einen Beitrag dazu leisten zu können, nicht nur lokale Persönlichkeiten posthum zu würdigen, sondern auch die Erinnerung an die mit ihrer Vita untrennbar verbundene Zeitgeschichte wach zuhalten.
Begrüßen würden wir es auch, wenn im Ortsteil Flamersheim eine entsprechende Straße hierfür gefunden werden kann. In diesem Sinne werden wir uns kurzfristig für Ihr Anliegen einsetzen und bedanken uns bereits jetzt für Ihr Engagement in dieser Sache.“
Der Euskirchener Wochenspiegel vom 28. Mai berichtete nun auf der ersten Seite, dass sich inzwischen die CDU- Stadtratsfraktion für meinen Antrag ausgesprochen hat. Die „Josef-Weiss-Straße“ könnte im künftigen Flamersheimer Neubaugebiet „Im Mühlacker“ möglich werden, „zumal die Familie Weiss in der benachbarten Mönchstraße gewohnt habe.“
Das jüdische „Euskirchener Strumpfwaren- und Trikotagenhaus“ (E.S.T.) von Carola Fromm auf der Neustraße 50/Ecke Wilhelmstraße im Jahre 1936. (Foto Heumann/USA)
Firmenjubiläen, aber auch markante Gebäude im Stadtbild sind durchaus wichtige Aspekte für die Regionalhistorie. Beide sind mit der wirtschaftlichen, aber auch politischen Entwicklung einer Stadt verbunden und sollten auch so im Bewusstsein geschichtlich interessierter Bürger bleiben.
Unter der Überschrift „Seit 125 Jahren schwer in Mode“ zeigte die Kölnische Rundschau, Lokalteil Euskirchen, am15. April ein Firmengebäude an der Ecke Neustraße/Wilhelmstraße, das schon in „den 20er Jahren als Manufaktur-, Kurz- und Weisswarengeschäft prächtig aussah“. Es könnte also nun der Eindruck entstehen, als ob dieses stattliche Geschäftshaus tatsächlich schon in dieser Zeit vollständig im Besitz der heutigen Inhaber war und dass die Zeit – auch politisch – spurlos vorübergegangen ist. Das war aber offensichtlich nicht so!
Jedoch sei doch darauf hingewiesen, dass jüngere Firmeninhaber gelegentlich bei ihren Jubiläen wichtige Aspekte in ihrer Chronik vergessen oder nicht kennen. Das scheint bei der 125-Jahr-Feier des Geschäftshauses E(…) auch der Fall gewesen zu sein, denn die Firmengeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus wird nicht erwähnt – zumindest nicht in dem Zeitungsartikel. Die folgende Erklärung dient nicht der Polemik, sondern soll eine Ergänzung durch die Regionalhistorie sein.
Um hiermit die Interessen der jüdischen Familien Heumann, Fromm und Schweizer wahrzunehmen, möchte ich anmerken, dass stattdessen das abgebildete Gebäude das einstige „Euskirchener Strumpfwaren und Trikotagenhaus“ (E.S.T.) darstellt, das sich in der Mitte der 30er Jahre auf der Neustraße Nr. 50 befand. Die renommierte Firma Baptist E(…) hatte ihr ansehnliches Kaufhaus dagegen auf der Neustraße Nr. 40, also in unmittelbarer Nähe. Deren attraktiver Bau am Neutorwall ist auf Seite 21 des 1. Bildbandes „Euskirchen – so wie es war“ abgebildet.
Zu den prominenten jüdischen Familien,die bis zur Vertreibung oder Deportation in der Kreisstadt Euskirchen lebten, gehörte auch die Familie Hanauer. In der Festschrift der „Euskirchener Verkehrswoche“ von 1925 konnte sie bereits auf ihr 40jähriges Geschäftsjubiläum hinweisen: „Seit 40 Jahren ist die Firma S. Hanauer, Euskirchen, Wilhelmstraße 11, führend in den Artikeln: Webwaren, Wollwaren, Wäsche, Betten, Bekleidung für Damen und Kinder.“
Da Angehörige der vielköpfigen jüdischen Familie Hanauer bereits vor der so genannten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten die Kreisstadt Euskirchen verließen und nach Unna und Palästina auswanderten, ist die Erinnerung an sie nicht unbedingt mit Berührungsängsten verbunden, die ich gelegentlich noch heute bei persönlichen Kontakten und Besuchen von einst in Euskirchen beheimateten jüdischen Mitbürgern habe.
Auch die Erinnerung an Ignatz Hanauer (1885-1971), der bereits 1906 Deutschland verließ und in den Vereinigten Staaten eine „Tellerwäscher-Karriere“ vollbrachte, wirkt positiv. Ohne jetzt an dieser Stelle auf die Genealogie und das Schicksal der vielköpfigen Familie einzugehen, soll an den ursprünglich kleinen Laden auf der Wilhelmstraße 7 erinnert werden, der in der Euskirchener Zeitung von 1901 abgebildet wurde. Auch dieses „Stammhaus“ besuchte Ignatz Hanauer, als er im Juli 1966 zu einem kurzen Besuch in seine Heimat zurückkehrte.
Die Eifeler und Voreifeler Regionalhistorie sollte auch über den „Tellerrand“ blicken. Die Besichtigung einer renovierten Landsynagoge in Bayern ermöglicht den Bezug zu den neulich erwähnten „jüdischen Bethäusern“ in Lommersum und Sinzenich, die ich jetzt nicht mehr unbedingt als „typische „Landsynagogen“ bezeichnen würde. Veitshöchheim hat mich diesbezüglich vielleicht eines Besseren belehrt. Der Begriff „Bethäuser“ wäre für die Voreifel angebrachter.
Aufgrund einer Einladung lernte ich so das „Jüdische Kulturmuseum und die Synagoge Veitshöchheim“ kennen, eine kulturelle Institution, bei deren Besichtigung mich Frau Dr. Martina Edelmann vom Kulturamt/Jüdisches Kulturmuseum begleitete. Hier bekam ich einen lebendigen Eindruck von einer „Landsynagoge“, die man wirklich unbedingt besuchen sollte.
Sie ist die einzige vollständig eingerichtete historische Synagoge im Raum Unterfranken. Zudem ist die Veitshöchheimer Genisa die umfangreichste ihrer Art, die bislang im
deutschsprachigen Raum entdeckt wurde.
28.05.2008
Mord und Selbstmord während der „Reichskristallnacht“: Der bisher nicht geklärte Tod der Familien Carl Aron aus Heiligenhaus und Else Hirsch geb. Weil aus Würselen
Von links nach rechts: Elsa Hirsch, geb. Weil, Renate Hirsch, Paula Weil geb. Carsch, Otto Hirsch, Ruth Hirsch, Bernhard Weil. Würselen, 1939.
Viele Ereignisse während des Novemberpogroms von 1938 konnten bisher nicht geklärt werden. Ein Chronist jener Zeit war Oskar Aron (1884-1978) aus Flamersheim. Er, der später „der älteste Briefträger von Palästina“ war, hatte in der neuen Heimat Palästina zwei Kladden eng beschrieben und seine Erinnerungen über die „Reichskristallnacht“ festgehalten. Hier geht es u.a. um den ungeklärten Tod seines Bruders:
„Große Sorgen machte ich mir um meinen Bruder Carl, der nach seinem Besuch in Beuel/bei Bonn spurlos verschwunden war. Die Schwester seiner ersten verstorbenen Frau teilte uns bald mit, dass er nicht nach Heiligenhaus, seinem Wohnsitz, zurückgekehrt sei. Mehr konnten wir nicht erfahren
Nach 2 bis 3 Wochen bekamen wir von Velbert-Stadt die Nachricht, dass man zwei Leichen gefunden hätte: Ein Mann und eine Frau waren aus der Ruhr gezogen und als Carl Aron und Frau erkannt worden. Die Beerdigung fand zwei Tage später statt. Der Euskirchener Rabbiner Bayer, mein Schwager Josef Heymann, zwei weitere Brüder und ich fuhren (…) hin. Mein lieber Vater erfuhr aber davon nichts! Er fragte immer wieder: ,Warum schreibt Carl nicht?' Wir gebrauchten eine Notlüge und sagten, er hätte einem Bekannten für uns alle Grüße aus Holland mitgegeben. Um uns allen keine Unannehmlichkeiten zu bereiten, würde er vorläufig nicht schreiben. Mein Bruder selig war in Heiligenhaus Installateur und lebte dort in den besten Verhältnissen. Meine Frau und ich ermunterten ihn oft zur Auswanderung. Aber er wollte nicht(…).“
Ein zweiter bisher ungeklärter Fall befasst sich mit Fragen zum Tod von Else Hirsch und Ihren Kindern. Else Weil wurde am 21.7.1908 in Weiden bei Aachen als Tochter der jüdischen Eheleute Bernhard und Paula Weil geboren. Im Herbst 1930 heiratete sie den 1902 in Aachen geborenen Schlosser und Kraftfahrer Otto Hirsch. Aus der Ehe gingen die Töchter Renate (*1931) und Ruth (*1939) hervor. Otto Hirsch war vom 27.1. bis 21.3.1942 von der Gestapo in Aachen inhaftiert und wurde anschließend nach Sachsenhausen deportiert. Am 5.11.1942 kam er in Auschwitz ums Leben. Else Hirsch geb. Weil wurde im März 1942 zusammen mit ihren beiden Töchtern deportiert. Ihr weiteres Schicksal ist ungeklärt. Mit Wirkung vom 8.5.1945 wurde sie für tot erklärt; das Todesdatum der Töchter wurde auf den 31.12.1942 festgelegt.
Jedoch soll laut einer Liste des VVN aus dem Jahre 1955 Else Hirsch zusammen mit ihren Kindern bei der Deportation in den Rhein gesprungen und ertrunken sein; so berichteten auch ehemalige Nachbarn der Familie. Diese These wurde auch so von Yad Vashem übernommen. Nach Informationen des NS-Dokumentationszentrums in Köln sowie der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf lassen sich dafür jedoch keinerlei Belege finden. Weder Else Hirsch noch ihre Kinder Ruth und Renate sind in den umfangreichen Unterlagen des Dokumentationszentrums aufgeführt. Der Historiker und Genealoge Stefan Kahlen bittet nun um weitere Auskunft über die jüdischen Familien Weil und Hirsch aus Würselen: Stefan Kahlen, Stefan Kahlen, Binnenfeld 9, 33829 Borgholzhausen, Email: ccalen@web.de Tel. 05425/5785. Vgl. auch: Familienbuch Euregio: www.familienbuch-euregio.de
26.05.2008
Aus dem Tätigkeitsbericht der Stadtverwaltung Euskirchen vom 22. März 1945
Straßennamen spiegeln oft die Geschichte und Politik sowie den Zeitgeist einer Kommune wider. Aus gegebenem Anlass soll daher auf einen Auszug aus dem Buch Kriegsende 1944/1945 – Zwischen Ardennen und Rhein, Euskirchen 1984, Seite 489, hingewiesen werden:
„Betr. Beseitigung nationalsozialistischer Straßennamen.
Es wird durch Bekanntmachung der Zivilbevölkerung mitgeteilt, dass für folgende Straßen die alten Namen wieder ihre Gültigkeit haben. Es heißen in Zukunft:
- Wilhelm-Gustloff-Straße wieder Breite Straße
- Lettow-Vorbeck-Straße wieder Kolpingstraße,
- Karl-Peters-Straße wieder Dechant-Vogt-Straße,
- Dietrich-Eckart-Straße wieder Südstraße,
- Adolf-Hitler-Straße wieder Hochstraße,
- Gottfried-Disse-Straße wieder Ursulinenstraße.
- Die Hermann-Göring-Straße heißt in Zukunft Gottfried-Disse-Straße.
Bezüglich Umnennung der Horst-Wessel-Straße, Hans-Schemm-Straße, Julius-Schreck-Straße und Klaus-Klemens-Siedlung wird Herr Herbelsheimer geeignete Namen, die der Heimat-Geschichte der Stadt Euskirchen entnommen werden, vorschlagen."
Unter der Überschrift Stadt Euskirchen - Das Stadtarchiv bittet um Ihre Mithilfe suchen Euskirchener Mitarbeiter seit dem 29. März 2007 eine Bestätigung, dass ein offenbar nicht einzuordnender Ausriss aus einer süddeutschen Zeitung mit irreführender UNTERschrift den Innenraum der ehemaligen Euskirchener Synagoge (1887-1938) zeigt.
Beim Surfen in der regionalhistorischen Internet-Welt stieß ich nun zu Pfingsten auf die erwähnte Suchanzeige des Euskirchener Stadtarchivs. Da man davon ausgehen konnte, dass bisher keine Antwort auf die vor 14 Monaten gestellte Frage eingetroffen war,
versuchte ich selber eine Lösung zu finden. Um es kurz zu machen: Die gesuchte Synagoge hat mit Euskirchen überhaupt nichts zu tun, sondern ist die Hauptsynagoge in München von 1887 in der Herzog-Max-Straße (von A. Schmidt). Die vom Euskirchener Stadtarchiv publizierte Ansicht mit der falschen UNTERschrift wurde von der Frauenempore in Richtung Aron ha-Kodesch fotografiert.
Nicht nur das Ergebnis, sondern auch der Weg zur Lösung beweist, wie hilfsbereit die angesprochenen Archive, Institutionen und jüdischen Zeitzeugen waren und mich online bei den Recherchen unterstützten. Insofern muss ich den etwa 25 angeschriebenen E-mail-Partnern danken. Viele bestätigten zwar sofort, dass das Gebäude niemals in Euskirchen gestanden haben könnte, waren aber kurzfristig nicht in der Lage, die gezeigte Innenansicht zu lokalisieren. Nur Ute Metternich (Sinzig), Miriam Intrator (New York), Dr. Elfi Pracht-Jörns und Rita Wagner (Köln), Dr. Joachim Hahn (Plochingen) sowie Dipl.-Ing. Mirko Przystawik (Braunschweig) und Michael Levi (Australien) erkannten als kompetente Spezialisten das Innere der gesuchten Synagoge und konnten teilweise weitere Fotos der Münchener Synagoge zur Verfügung stellen, von denen ich hiermit einige zeigen möchte. Ich danke allen Mitarbeitern und Lesern meiner regionalhistorischen Homepage, denn ihre sofortige Reaktion und Antwort auf eine spontane internationale Online-Recherche half nicht nur dem Euskirchener Stadtarchiv
Offenbar unbekannt geblieben ist ein Gerichtsverfahren gegen den katholischen Theologiestudenten Heinrich Althausen aus Lommersum (Weilerswist), der im Jahre 1934 gegen den Rassismus der Nationalsozialisten und das Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Rosenberg protestierte und diesbezügliche Flugblätter in seiner Heimat verbreitete. Hierüber berichtete ich schon kurz in meinem Buch JUDAICA – Juden in derVoreifel auf Seite 449. Der aus Kuchenheim stammende Widerstands-kämpfer Willi Graf büßte - wegen einer allerdings anders dimensionierten Handlung - dafür mit seinem Leben. Der katholische Student aus Lommersum kam mit einer Geldstrafe davon.
Der 23jährige Theologiestudent Heinrich Althausen beabsichtigte, kurz vor dem Weihnachtsfest 1934 allen katholischen Familien des Dorfes Lommersum eine „christliche Botschaft“ zukommen zu lassen. Auf einer alten Schreibmaschine verfasste er einen Text, der sich gegen Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts“ wandte und zur demonstrativen Teilnahme an der weihnachtlichen Kommunion aufrief. Aus einer Anlage wird ersichtlich, dass er auch gegen die kirchenfeindliche und rassistische Haltung der neuen Reichsregierung angehen wollte.
Die Persönlichkeit der Edith Stein muss den Theologen Althausen später als als Pfarrer und Dechant in Bad Bergzabern stark beschäftigt haben, da er deren Auseinandersetzung mit dem Judentum und ihr praktiziertes Christentum oft in seinen späteren Predigten thematisierte. Besonders engagierte sich Heinrich Althausen in den Jahren 1964 bis 1967, als das Edith-Stein-Haus als neues Jugendheim geplant und gebaut wurde. Durch dieNamensgebung wollte er an die ehemalige Jüdin erinnern, die am 1. Januar 1922 in „seiner“ katholischen Kirche St. Martin getauft wurde. Am 11. Oktober 1998 wurde sie dann von Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen.
Eine Abhandlung unter der Überschrift „Dr. Edith Stein, Schwester Teresia Benedicta a Cruce C.D. und ihre Beziehung zur St. Martins-Kirche, Bad Bergzabern“, die in der Festschrift „St. Martin 1879-1979 Bad Bergzabern“ auf den Seiten 86 bis 95 publiziert wurde, scheint auch eigene Lebenserfahrungen zu beinhalten.
14.05.2008
In Vorbereitung: „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande
Viele Gerichtsakten und Zeugenaussagen sollen 70 Jahre nach der systematischen Zerstörung deutscher Synagogen darstellen, was wirklich am 9./10. November 1938 geschah. Der Helios Verlag Aachen, der die neue Dokumentation publiziert und bald in den Buchhandel bringt, meint u.a. in einer Pressemitteilung:
„Dies könnte mehr als nur ein Versuch sein, die 'Reichskristallnacht' auf dem Lande aus verschiedenen Aspekten detailliert und meist exemplarisch darzustellen. Auch anhand anderer 'Synagogenbrand-Prozesse' kam der Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz zu der Ansicht, dass selbst nach 70 Jahren der Novemberpogrom von 1938 noch nicht vollständig aufgearbeitet ist. Es reicht nicht, die konstatierten Fakten – als Nachweis der Zerstörung jüdischen Eigentums und vieler Synagogen sowie brachialer Gewalt gegen jüdische Mitbürger – historisch nachzuweisen. Vielmehr sollten auch die Gerichtsakten der Nachkriegszeit und entsprechende eidesstattliche Zeugenaussagen konkret untersucht und analysiert werden. Vieles wurde vergessen, übersehen oder aus heutiger Sicht fragwürdig beurteilt. Die Frage nach einer manchmal nicht mehr nachvollziehbaren Rechtsprechung in der Besatzungszeit und der jungen Bundesrepublik könnte das wirkliche Geschehen beim 'Reichspogrom 1938' differenzierter erklären. Manches war historisch und menschlich doch anders, als es nach dem 2. Weltkrieg juristisch beurteilt wurde.
Oft wird man feststellen, dass die Ausschreitungen im Mikrokosmos der Eifel brutaler als in rheinischen Großstädten waren. In Mechernich wurden mehr als 10 Häuser systematisch zerstört und eingerissen. Der Ortsgruppenleiter wurde nach dem 2. Weltkrieg freigesprochen, weil er angeblich aus 'lokalpolitischen' und 'bautechnischen Gründen' gehandelt habe. Der Hellenthaler Amtsbürgermeister inszenierte nach dem Inbrandsetzen der Blumenthaler Synagoge einen 'Prangermarsch' und gehörte nach dem 2. Weltkrieg u.a. auch zu den Angeklagten im 'Schleidener Lynchprozess', der die öffentliche Erschießung eines amerikanischen Piloten im September 1944 zu klären hatte.“
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Wer sollte noch über das Wetter in der Eifel und Voreifel besser Bescheid wissen als mein ehemaliger Kollege, Oberstudienrat Karl-Josef Linden, dessen „Linden-Wetter“ in den Sendungen von Radio Euskirchen einen wichtigen Stellenwert hat. Auch die Lokalpresse greift gerne in Form eines Monatsrückblicks auf sein "Eifelwetter" u.ä. zurück. Zur Beruhigung, nach qualifizierter Prognose sollen die Temperaturen nun stetig steigen.
Es gibt nicht viele Aufzeichnungen über das Wetter zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Umso interessanter sind diesbezügliche Berichte in vergessenen Pfarrchroniken oder in der Beilage zum Euskirchener Volksblatt, die unter der Überschrift „Unsere Heimat“ von 1924 – 1938 erschienen.
Aus dem Euskirchener Volksblatt entwickelte sich später der bekannte Kümpel-Verlag, der in den News vom 16. Februar 2008 vorgestellt wurde. In der Beilage Nr. 12, im 1. Jahrgang des Jahres 1924, wird über zwei Unwetter über Euskirchen im April 1937 berichtet, die auf dieser Homepage zu lesen sind.
Unter dieser vielleicht etwas irritierenden Überschrift soll eigentlich nur festgestellt werden, dass sich regionalhistorische Forschungen - besonders in Bezug auf das Judentum - nicht nur auf statische Archivforschungen beziehen, sondern sich auch - im Verlaufe der Jahrzehnte - sozial und zwischenmenschlich auswirken können. Exemplarisch soll dies am Beispiel der Familie Ignatz und Karl Schneider aus Euskirchen dargestellt werden, die nur deswegen - trotz Judenverfolgung und Holocaust - nicht vergessen wurden.
Nach einem stark besuchten Vortrag im November 1979 gaben mir Besucher und ältere Bewohner der Stadt Euskirchen wichtige Hinweise auf den jüdischen Fischhändler Ignatz Schneider und dessen Sohn Karl. Die in Euskirchen geborene Dr. Ilse Jung, verh.Yudit Yago-Jung, schrieb sogar aus New York und bot ihre Hilfe an. Gemeinsam planten wir nun eine mediale Recherche in den Vereinigten Staaten, da inzwischen bekannt geworden war, dass KARL SCHNEIDER das Ghetto von Riga sowie den Holocaust überlebt und nach dem Kriege dort eine neue Familie gegründet hatte. Das Ergebnis mündete in die mehrfach publizierte und übersetzte Abhandlung Religiöses Leben der Kölner Juden im Ghetto von Riga – nach den Erinnerungen von Karl Schneider.
Jüngere Angehörige der Familie Schneider nahmen seit Bestehen dieser Homepage (August 2006) online Kontakt mit mir auf. Von diesen aktivierte Frau Shulamit Spain-Gayer aus Schottland die persönlichen Beziehungen, so dass aus der fast 3 Jahrzehnte alten Recherche eine sehr persönliche Kooperation entstand, die im März 2008 durch ein Treffen in Euskirchen bestärkt wurde. Sie ist über Sibilla Schneider, Karls Schwester, mit der Familie Schneider verwandt.
Die vor knapp 30 Jahren begonnene genealogische Odyssee der jüdischen Familie Schneider aus Euskirchen (1979-2008) fand ein vorläufiges, menschlich bewegendes Ergebnis, da es eine Entdeckung gab: Noch heute lebt in Mechernich eine Cousine x-ten Grades (K.W. geb. J.), mit der Shulamit Spain-Gayer jetzt Kontakt aufnehmen konnte.
Immer mehr erfreut sich diese regionalhistorische Homepage eines stetig wachsenden Interesses. Seit ihrem Bestehen (Sommer 2006) vergrößert sich die Zahl der Besucher stetig; sie ist inzwischen (Stand: April 2008) auf 137.500 Zugriffe pro Monat angewachsen.
Sie befasst sich mit folgenden Themen: Geschichte des Judentums, Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg sowie Geschichte der Eifel und Voreifel. Gliederung der Homepage:
Neuerscheinungen: neue Publikationen und Vorstellung dieser Bücher News: Nachrichten, kleinere Artikel und kürzere Berichte Bücher: Erscheinungen von 1973-2008 Artikel: Detaillierte Abhandlungen zu den o. a. Gesamtthemen
30.04.2008
Auf dem jüdischen Friedhof von Groß-Vernich (Weilerswist)
Unter Chewra Kaddischa versteht man eine „Beerdigungsbruderschaft“, die in allen jüdischen Gemeinden besteht. Diese Vereinigung ist nicht nur für die Fürsorge in Krankheits- und Todesfällen zuständig, sondern auch für die Leichenbestattung und die Erhaltung des Friedhofs. In der Voreifel und Eifel gibt es solche Einrichtungen nicht mehr, so dass die jeweilige Stadt- oder Gemeindeverwaltung eine entsprechende Verpflichtung hat. Lobenswert ist es, wenn sich Privatpersonen oder Vereine für die Ehrung der jüdischen Toten einsetzen.
In diesem Zusammenhang soll auf den jüdischen Friedhof Groß-Vernich hingewiesen werden, der mit dem Waldfriedhof von Lommersum zur Gemeinde Weilerswist gehört. Hier gibt es seit 2006 einen Grabstein für den ehemaligen jüdischen Mitbürger Michel Marx (1860-1937), der von folgenden Männern in Auftrag gegeben wurde: Heimatforscher Hermann Außem, Hans Heskamp, Standesbeamter Heinz Hövel, Arnold Mauel (Dorfverschönerungsverein) und Christian Esser (Gemeindeverwaltung). Der Grabstein ist aus rotem Sandstein und wurde von dem Euskirchener Steinmetz Volker Marx gestaltet. Dessen Euskirchener Familie hatte in der Zeit des Nationalsozialismus selber unter der rassistischen Verfolgung zu leiden gehabt.
Nicht nur die Kontaktaufnahme mit Volker Marx bewies ein „besonderes Fingerspitzengefühl“, sondern auch die eingemeißelte Inschrift, die nationale und regionale Verbundenheit zur Heimat ausdrückt. Der am 6. Oktober 1860 geborene „Michel“ Marx, Groß-Vernich, Hauptstraße 144 - heute Trierer Straße 57- hieß eigentlich MICHAEL. Bis zur so genannten Machtergreifung hatte er dort ein Manufakturengeschäft und handelte mit Fellen und Ziegen. Im Voreifeler Platt war sein Spitzname „Zeckel“ oder „Michel“. Letztere Bezeichnung entsprach der damaligen deutschnationalen Gesinnung. Der Hinweis auf die Tatsache, dass Michael Marx im Jahre 1908 Schützenkönig des kleinen Dorfes war, unterstrich die Zugehörigkeit des jüdischen Mitbürgers zur Heimat und seine Integration in die Gemeinschaft. Dies wollten die genannten Iniatoren wohl besonders hervorheben.
Am 27. November 1937 wurde Michael Marx als letzter vor dem Holocaust in Groß-Vernich beerdigt. Einheimische erinnern sich heute noch an die Belästigung der Trauernden durch die nationalsozialistischen Machthaber. Einen Grabstein oder Grabschmuck ließ die NSDAP-Ortsgruppe Weilerswist nicht zu. Dies holten im Frühjahr 2006 engagierte Weilerswister Bürger nach. Der Journalist Bernd Zimmermann von der Kölnischen Rundschau, Lokalteil Euskirchen, fasste in einem Beitrag vom 5. April 2006 seinen persönlichen Eindruck zusammen:
„Doch der rührige Vernicher Heimatforscher Hermann Außem und der Vorsitzende des Dorfverschönerungsvereins Arnold Mauel, erforschten jetzt die Geschichte des Verstorbenen. Außem erinnerte sich noch genau, wo einst Marx beerdigt wurde. Und gemeinsam mit dem Weilerswister Standesbeamten Heinz Höver stimmten sie nun mit der Synagogengemeinde zu Köln ab, dass man Michel Marx nun einen Grabstein setzen könne. Der kleine jüdischge Friedhof wird übrigens vom Dorfverschönerungsverein gepflegt. Die Weilerswister Gesamtschule hat ein patenschaftsähnliches Verhältnis zu dem Friedhof von Groß-Vernich.“
27.04.2008
Vor 75 Jahren:
Der „Boykottag“ und der jüdische Rechtsanwalt Alfred Oster (1901-1960) aus Euskirchen
Unter der Überschrift Prominente Euskirchener Juden stellte ich u.a. den jüdischen Arzt Dr. Hugo Oster (1878-1943) vor, der als Arzt und SPD- Ratsherr eine gute Reputation in der Kreisstadt hatte. Meinem Antrag, eine Straße nach ihm zu benennen, folgte der Euskirchener Stadtrat erst nach 10jähriger Beratung. Der von-Hindenburg-Platz wurde am 29. März 1993 in Dr.-Hugo-Oster-Platz umbenannt.
Oft wird Hugo Oster mit seinem Neffen Alfred Oster (1901-1960) verwechselt, der auf der Wilhelmstraße in Euskirchen seine Kanzlei als Rechtsanwalt hatte und als Erster der jüdischen Gemeinde beruflich unter den rassistischen Maßnahmen der Nationalsozialisten zu leiden hatte.
Alfred Oster wurde am 24. Juni 1901 in Flamersheim – heute ein Stadtteil von Euskirchen – als Sohn von Isidor Oster (1868- Holocaust) und dessen Ehefrau Sophie geb. Abraham (1973- Holocaust) geboren. Nach seinem Jurastudium wurde er am 18. Mai 1927 in Bonn als Anwalt zugelassen. Nach Auskunft seiner Tochter Varda Bechor arbeitete er dann als Rechtsassistent am Bezirksgericht in Aachen bis zum 3. November 1927, ehe er sich dann als Anwalt in der Kreisstadt Euskirchen niederließ.
Er war beim Amtsgericht und Landgericht Bonn zugelassen. Als Folge des „Boykottages“ vom 1. April 1933 und aufgrund des Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 7. April 1933 wurde ihm die Zulassung entzogen. Seitdem war es ihm nur noch erlaubt, Juden juristisch zu beraten, was er bis 1938 in Köln tat, ehe er mit seiner Familie nach Palästina emigrierte. Dort musste er Englisch und Hebräisch lernen und sein juristisches Staatsexamen nachmachen. Anfang der 50er Jahre – nach dem Wiedergutmachungsabkommen – konzentrierte er seine ganze Arbeit auf Anspruchsforderungen von Überlebenden aus Deutschland und Polen. Auf dem Wege zu seiner Kanzlei starb er am 17. Januar 1960 in Tel Aviv.
Für alle religiösen Gemeinschaften ist die Kirche, das Bethaus oder Gotteshaus das Zentrum eigenständiger Aktivität und religiöser Besinnung. Insofern gibt das griechische Wort „Synagoge“ sinngemäß den hebräischen Ausdruck für „Haus der Versammlung“ wieder. Nach der Zerstörung der Euskirchener Synagoge am 10. November 1938 gab es keinen Grund mehr zur Versammlung und Gemeinsamkeit.
Der Heimatforscher Franz Sistig war hier wohl in unserer Region der Erste, der sich in den 1970er Jahren die Aufgabe stellte, die kleine Synagoge von Kall (1869-1938) zeichnerisch zu rekonstruieren. Bekannt wurde bei Insidern Karl Kaufmann aus Gemünd, der vor über 20 Jahren mit verschiedenen Maltechniken die Synagoge in der Mühlenstraße (1874-1938) künstlerisch für die Nachwelt festhielt. Im letzten Jahr folgte ihm Dieter Hay, der die älteste Synagoge von Zülpich (1602-1872) nach alten Dokumenten zeichnerisch wieder erstehen ließ.
Ein ganz besonderer Stellenwert jedoch kommt der Euskirchener Künstlerin Elke Wessel zu, die sich der Thematik „Euskirchener Synagoge“ (1887-1938) in beeindruckender Form widmet. Nach mehreren Entwürfen entstand ein Gemälde in Ölfarbe auf Leinwand, mit den Maßen Höhe 132/104 x Breite 106/110. Es wird in dem demnächst erscheinenden Buch „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom auf dem Lande (Gerichtsakten und Zeugenaussagen am Beispiel der Eifel und Voreifel) auf Seite 182 publiziert. In dem folgenden Online-Beitrag dieser Homepage wird die Geschichte der Euskirchener Synagoge dargestellt. Im Vordergrund jedoch steht die Künstlerin Elke Wessel.
19.04.2008
Auf den Spuren der jüdischen Familie Levi aus Sinzenich
Während die zweite oder bereits dritte Generation der einst hier beheimateten jüdischen Mitbürger im Ausland sesshaft geworden ist, haben die heute recht betagten Flüchtlinge und von der NS-Rassenpolitik damals Vertriebenen immer noch ihre Wurzeln in Deutschland. Zumindest vermittelt mir meine langjährige Korrespondenz diesen Eindruck. Fotos, Zeitungsartikel und selbst kleine Relikte ihrer einstigen Existenz in der alten Heimat werden gesammelt und akribisch einer „Familienforschung“ zugeordnet. Sicher ist die Ursache hierfür nicht nur mit Nostalgie zu begründen.
Frau Evelyn Heilbronn geb. Levi (Levy) aus Modesto/California schickte mir ihrerseits neulich ein Farbfoto, das für sie eine besondere Bedeutung hat. Es zeigt einen „Tallit“, ein viereckiges Tuch, das als „Gebetmantel“ während des täglichen Morgengebets, am Versöhnungstag und im Juli am Tag der Tempelzerstörung von den männlichen Gläubigen um die Schulter gelegt wird. Die vier dazugehörigen so genannten „Schaufäden“ sind allerdings nicht zu sehen. Sinngemäß und frei übersetzt lautet die gestickte Inschrift: „Habt Ihr beachtet meine (Gottes/d.V.) Worte und Euch gemerkt, damit Ihr meine Befehle befolgen könnt?“
Dieser Tallit gehörte ihrem Vater und erinnert an die „Reichskristallnacht“ in Sinzenich/b. Zülpich. Zu dieser Zeit hatte die jüdische Familie erfolgreich ihre Auswanderung nach England betrieben und die Koffer in der Landsynagoge des Dorfes abgestellt. Als das kleine Gotteshaus verwüstet und Gebetbücher in den nahen Bach geworfen wurden, durchstöberten die fanatisierten Nationalsozialisten auch die Koffer der Auswanderer Levi und stahlen, das was für sie einen materiellen Wert hatte. Während des Pogroms schlich die kleine siebenjährige Evelyn in die Synagoge und rettete den Tallit ihres Vaters.
Bis heute unbekannt blieb der Familie Heilbronn ein kleiner Zeitungsartikel, der im Lokalteil Schleiden des Westdeutschen Beobachters am 30. März 1935 publiziert wurde. Dieser handelt von der respektablen menschlichen Haltung eines Gutsverwalters in Enzen, der den Vater von Evelyn Levi massiv gegen den Rassismus eines jungen Nazis in Schutz nahm
Die Geschichte des einstigen NATO-Truppenübungsplatzes Vogelsang in der Eifel wurde im Jahre 1986 erstmals im 20. Kapitel des Standardwerkes Ordensburg Vogelsang 1934-1945 – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich thematisiert (S .229-244). Das 20. Kapitel, das unter der Überschrift „Burg Vogelsang nach dem Kriege (1945 bis heute)“ als Anhang konzipiert war, beginnt mit der beinahe kampflosen Einnahme der verlassenen NS-Ordensburg Vogelsang durch die Amerikaner am 4. Februar 1945 und der Beschreibung der zurückgelassenen Burganlagen.
Es folgt die Übernahme durch die Engländer (1946) und die Aufräumarbeiten deutscher Kriegsgefangener, worüber demnächst weitere Details publiziert werden sollen. Seit 1946 war die Region erst britische „Training Area“, ab 1950 endgültig Truppenübungsplatz der belgischen Streitkräfte. Das Areal in der Eifel diente zudem als NATO-Truppenübungsplatz auch längere Zeit der deutschen Bundeswehr als Übungsplatz und „Kontaktstelle“.
Mit Beginn der 90er Jahre und den politischen Neuerungen, die der Zusammenbruch der kommunistischen Systeme sowie die Wiedervereinigung mit sich brachten, bekam auch die Kooperation zwischen der belgischen Kommandantur auf Burg Vogelsang und der Bundeswehr einen neuen Stellenwert. Der DMV, „Deutscher Militärischer Vertreter“, bereitete den Übergang des langjährigen Truppenübungsplatzes in eine zivile Nutzung vor. Hierüber gibt das 12. Kapitel des neuen Buches Ordensburg Vogelsang – Im Wandel der Zeiten (Aachen 2007) weitere Auskunft.
70 Jahre nach der „Reichskristallnacht“ werden Erinnerungen an einst blühende jüdische Gemeinden in Deutschland wach. Repräsentativ könnte mit einer Gedenkplatte posthum an den jüdischen Religionslehrer Moses Fernbach erinnert werden. Er war in Schleiden und Hellenthal/ Blumenthal tätig und gehörte zu denjenigen, die 1945 die jüdische Gemeinde von Berlin neu gründeten.
Nachdem inzwischen in der Hauptstadt eine Straße nach dem einstigen 1. Vorsitzenden Erich Nehlhans benannt worden ist, lag es auf der Hand, eine Ehrung zur Erinnerung an Moses Fernbach anzuregen. Kontakte zu Bernd Dreesmann, einem der maßgeblichen Mitarbeiter des Hellenthaler Arbeitskreises Judit.H (Juden im Tal Hellenthal), ergaben, dass am 9. November 2008 schon ein Mahnmal an der Stelle errichtet werden soll, an der bis zum Novemberpogrom 1938 die Synagoge von Blumenthal stand. Weiterhin teilte dieser am 9. Januar mit, dass der rührige Arbeitskreis bereits am 9. November 2007 am früheren jüdischen Bethaus in Blumenthal eine Erinnerungstafel enthüllt hatte.
Da es nachzuvollziehen ist, dass die privaten Initiativen der Hellenthaler auch finanziell begrenzt und weitere Aktivitäten nicht vorgesehen sind, könnte eine posthume Ehrung vielleicht durch kommunale Institutionen möglich sein. Hierzu wollte ich anregen und schrieb diesbezüglich am 5. März 2008 an die Bürgermeister Ralf Hergarten (Schleiden) und Manfred Ernst (Hellenthal).
Der Gemünder Journalist Bernd Kehren informierte dankenswerterweise seine große Leserschaft in Schleiden und Eifelland über meinen Antrag. Sein Hinweis auf meine Homepage bewirkte, dass mich seitdem viele positive Reaktionen unter meiner Email-Anschrift erreichen. Es wäre wünschenswert, wenn die beiden Bürgermeister von Schleiden und Hellenthal die Kommunalpolitiker dazu bewegen könnten, einen aus seiner Heimat vertriebenen ehemaligen jüdischen Mitbürger durch eine Gedenktafel zu würdigen.
Erinnerung an jüdischen Religionslehrer
von Bernd Kehren
Quelle: Kölnische Rundschau, Lokalteil Schleiden und das Eifelland, vom 14. März 2008
BLUMENTHAL/SCHLEIDEN - Posthum soll Moses Fernbach, der bekannte jüdische Religionslehrer und letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde des gesamten Altkreises Schleiden, geehrt werden. Fernbach gehörte zu den Neubegründern der Synagogengemeinde von Berlin. Dafür setzt sich jedenfalls der Euskirchener Autor Hans-Dieter Arntz ein. Einen entsprechenden Antrag zur Ehrung Fernbachs stellt er jetzt an Schleidens Bürgermeister Ralf Hergarten und Hellenthals Bürgermeister Manfred Ernst. Dieses Jahr wäre für eine solche Ehrung angebracht, da sich die Pogromnacht zum 70. Mal jährt. Die beiden Töchter Fernbachs, die in Israel leben, unterstützen den Antrag von Arntz.
In seinem Buch „Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet" aus dem Jahr 1990 hat sich Hans-Dieter Arntz auch mit der Geschichte der Juden von Schleiden, Gemünd und Blumenthal befasst. Arntz bittet nun die Bürgermeister von Hellenthal und Schleiden, eventuell gemeinsam mit dem Arbeitskreis Judit.H (Juden im Tal, Hellenthal) in einer besonderen Form des jüdischen Religionslehrers Moses Fernbach zu gedenken. Fernbach war seit 1936 auch Vorsteher und Repräsentant der jüdischen Gemeinde des Altkreises Schleiden, bis er von Kall aus 1940 deren Auflösung abzuwickeln hatte. Bis zu seiner „Umsiedlung" von Schleiden nach Kall im Jahr 1938 war er für die Gottesdienste in der Synagoge von Blumenthal zuständig. Er leitete die vielseitigen Geschicke der jüdischen Gemeinde und war auch als ausgebildeter Volksschullehrer Leiter der jüdischen Schule in Kall bis 1940.
Der Lebensmittelpunkt seiner Familie und sein Wohnort war Schleiden, seine Wirkungsstätte aber hauptsächlich Blumenthal. Moses Fernbach und seine Familie konnten im Untergrund überleben und 1947 nach Palästina auswandern. „Seine historische Leistung", so schreibt Arntz, „ist zudem die Neugründung der Berliner Synagogengemeinde." Hierüber berichtete er am 22. Januar auf seiner Homepage. „Die vielseitige Resonanz auf meinen Online-Artikel kam auch aus Israel, von wo aus sich die Tochter von Moses Fernbach, Mirjam Brudermann, meldete."
Arntz bittet die Bürgermeister, seinen Antrag den Fraktionen vorzulegen. Er schlägt, vor, im November an den jüdischen Religionslehrer Fernbach durch die Anbringung einer Gedenkplatte zu erinnern. Als Standorte seien Blumenthal und Schleiden denkbar.
Mahnmal an ehemaliger Synagoge
Der Arbeitskreis Judit.H beabsichtigt, am 9. November diesen Jahres - also auf den Tag genau 70 Jahre nach der Pogromnacht - an der Stelle der ehemaligen Synagoge von Blumenthal ein Mahnmal zu errichten. „Dies sollte aber meinen Antrag nicht tangieren", schreibt Arntz. „Außerdem sollte eine Aktivität auch von der Gemeinde selber kommen."
Er will in Kürze auch beim Arbeitskreis Judit.H für seinen Antrag werben.
Jüdische Zeitzeugen sind lebende Archive der Zeitgeschichte
Leider wird die Zahl der jüdischen Zeitzeugen auch in der Region der Eifel und Voreifel immer geringer. Man erinnert sich unwillkürlich an ein Sprichwort, demzufolge mit dem Tod eines Menschen auch ein Archiv unwiderruflich verloren ist. Das gilt besonders für die Chroniken jüdischer Familien, die nach dem Holocaust mit einer bewundernswerten Akribie erstellt wurden. Auch die vielen ersten Korrespondenzen, die unmittelbar nach dem 2.Weltkrieg und dem Holocaust von jüdischen Überlebenden geführt wurden, sind häufig von historischem Wert. Lebensschicksale und Lebenszeichen werden hier in geraffter Form zusammengefasst, was Jahre später nicht mehr notwendig war.
Viele Korrespondenzen führe ich daher immer noch mit den Kindern und Enkeln der einst hier beheimateten jüdischen Mitbürger, um Dokumente, Fotos und persönliche Aufzeichnungen taktvoll zu sichern. Erfreulich ist die Gesundheit und geistige Tätigkeit mehrerer jüdischer Nestoren unserer Region. Es handelt sich u.a. um: Frau Emmy Golding geb. Kaufmann aus Kommern (93), ihre Schwester Gerda verh. Schwarz (87), Lilly Clyne geb. Kaufmann aus Hostel (98) und Gerald Weiss (85), dessen Familie aus Flamersheim stammt. Mit allen stehe ich auch nach Jahrzehnten noch in einem lebendigen Kontakt und versuche weiterhin, die Verbindung zur „ur“alten Heimat aufrecht zu erhalten.
EMMY GOLDING wird am 10. Mai 94 Jahre alt und lebt in London. Sie stammt aus Kommern und ist die Tochter von Siegmund Kaufmann, dessen Schicksal auch in meinem Buch JUDAICA –Juden in der Voreifel auf den
Seiten 278 ff. beschrieben wird. Noch in hohem Alter machte sie Kreuzfahrten nach Australien. Auch von Besuchen in ihrer alten Heimat lässt sie sich nicht abbringen, so dass sie auch in diesem Sommer wieder in der Voreifel erwartet wird. Per Internet und E-mail steht die rüstige Dame mit Freunden in Kontakt. Am 14. März schrieb sie mir:
„Vielen Dank für die Kopien der Druckfahnen, die meine Familie und das Schicksal der Kaufmanns betreffen. Wir sind froh, dass unsere Erlebnisse in Ihrem neuen Buch „REICHSKRISTALLNACHT“, das im Frühjahr erscheinen soll, festgehalten werden. Der Text gab mir viel zu denken. So viele Jahre sind seit 1938 vergangen, und ich bin fast die Einzige, die noch am Leben ist. Unsere Angehörigen sind auch schon gespannt. Soeben habe ich eine E-mail nach Hongkong geschickt, wo der Sohn einer jüdischen Familie aus Lommersum lebt. Wie schön, dass es hier noch das alte Gebäude der Synagoge gibt. Sie sind offenbar der Einzige, der in den letzten Jahrzehnten Fotos vom Inneren gemacht hat.“
Die jüdische Dame wohnt nicht weit entfernt von ihrer Cousine Lilly Clyne geb. Kaufmann, die aus Hostel in der Voreifel stammt und heute mit 98 Jahren in London-Willesden lebt. Die Schwester von Emmy Golding, Gerda Schwarz wurde am 9. November 1920 geboren und feierte noch im Jahre 1938 unbeschwert ihren Geburtstag, ehe sich einige Stunden später der Novemberpogrom ereignete. Sie und ihre Angehörigen haben in Boston eine neue Heimat gefunden.
GERALD WEISS ist mit bald 86 Lebensjahren der älteste männliche Zeitzeuge. Seine geistige Regsamkeit und Aktivität sind bewundernswert. Er wohnt mit seiner Familie in den USA, ist genealogisch tätig und ehrenamtlicher Mitarbeiter jüdischer Institutionen und Archive. Als passionierter Autofahrer ist er weiterhin mobil. Er bearbeitete auch den Nachlass seines bekannten Onkels, Josef Weiss aus Flamersheim und erstellte zudem eine unvergleichlich präzise Genealogie. Der Lebenslauf dieses wichtigen Zeitzeugen, dessen prominente Familie aus Kirchheim und Flamersheim stammt: Er wurde als Gert Weiss am 3. August 1922 in Köln geboren. Seine Eltern Jacob Weiss (1883-1965) und Selma geb. Falk (1889-1968), Schwester Margaret (geb.1924) und er emigrierten im Dezember 1939 in die USA. Sein Vater, Jacob („Köbes“) Weiss, war im November 1938 im Konzentrationslager Dachau. Die Familie hatte das Jahr 1939 in Holland verbracht, um auf das amerikanische Einwanderungsvisum zu warten. Über seinen weiteren Lebensweg äußerte sich der Nestor der in Israel und USA lebenden Familien Weiss am 23. September 2007:
„1940 war die wirtschaftliche Lage in den USA schlecht. Die Arbeitslosigkeit war groß und das Angebot an Stellen sehr gering. Ich fand keine berufliche Tätigkeit. Daher wählte ich eine wissenschaftliche Ausbildung und besuchte eine freie Hochschule, wo ich electrical engineering studierte. Nach kurzem Militärdienst habe ich dann 15 Jahre als Ingenieur gearbeitet. Abends habe ich weiter studiert und im Jahre 1959 promoviert. Seitdem war ich an Universitäten tätig und ging 1991 als 'Professor of Electrical Engineering, Emeritus' in den Ruhestand.
Übrigens waren Geografie und Geschichte immer mein Steckenpferd, schon seit der Volksschule! Für meine 1935 Bar Mitwah 'bestellte' ich von meinen Eltern und Onkeln `Jüdische Geschichtsbücher´ als Geschenk.
Meine Frau, Pearl, ist drei Jahre jünger als ich. Sie ist in New York geboren. Ihre Eltern kamen hier vor dem ersten Weltkrieg aus Galizien an. Sie war eine Sozialarbeiterin. Seit unserer 1954 Ehe haben wir immer in der Stadt New York gewohnt, und unsere drei Kinder sind 1956-1964 hier geboren. Sie wohnen jetzt in New York, in New Jersey (Nahe Princeton), und in Virginia (Nahe Washington). Wir haben vier Enkelkinder. Meine Schwester, eine Witwe, hat drei Kinder und sechs Enkel; alle wohnen in oder nördlich von New York.“
Da in diesem Jahr das christliche Ostern sowie das jüdische Pessachfest zur selben Zeit gefeiert wurden, interessierten sich offenbar viele Leser für meine letzten NEWSvom 21. und 22. März, die sich mit der Sederfeier 1945 in Bergen-Belsen befassten. Zumindest hatte ich diesen Eindruck, den mir mehrere Briefe und viele E-mails - besonders aus England und den USA - vermittelten. Die Persönlichkeit des Josef Weiss, einst „Judenältester von Bergen-Belsen“, sowie die Sederfeier der 30 Kinder im „Waisenhaus“ des Sternlagers sprachen in der festlichen Zeit jüdische und christliche Online-Surfer an. Eine besondere Nachfrage galt dem Buch „Wir Kinder von Bergen-Belsen“, Weinheim/Basel 2005 (ISBN 3 407 85 785 3), das ich in meinen NEWS am 11. August und 14. Dezember schon 2007 thematisiert hatte. Daher sollen heute mit Bezug auf die Autorin Hetty R. Verolme einige Details nachgereicht werden.
Folgender Auszug ist nicht nur eine Leseprobe, sondern auch eine Ergänzung meiner eigenen Artikel „Seder 1945 im 'Kinderheim' des KZ Bergen-Belsen“ und des vollständigen Textes in meinem Beitrag „Jupp Weiss aus Flamersheim, der Judenälteste von Bergen-Belsen“. Hetty Verolme bestätigt hier, dass Josef („Jupp“) Weiss, der „Judenälteste von Bergen-Belsen“, nicht nur im Sternlager, sondern auch in anderen Baracken der Teillager eine „Sederfeier“ abhielt. Allerdings ist hier anzumerken, dass der Anlass sicher nicht der Besuch einer Delegation des Roten Kreuzes war, wie das Hetty Verolme vermutete. Dies kam nur in Theresienstadt vor. In der Hölle von Bergen-Belsen wäre dies niemals möglich gewesen! Es wird sich um Angehörige der SS gehandelt haben, die sich – kurz vor der Übergabe an die britische Armee – einen Überblick verschaffen wollten.
Die Beobachtungen von Hetty E. Verolme sind sehr präzise. Ihr Buch lässt sich sehr flüssig lesen und sollte zur Schullektüre zählen. Mit Genehmigung des Beltz-Verlages folgt ein Auszug aus dem Buch „Wir Kinder von Bergen-Belsen“, S.220 bis 223, der auch den Flamersheimer Juden Josef Weiss berücksichtigt.
Joseph Weiss (1893-1973)
Copyright: Hans-Dieter Arntz
There are only some events which have left their marks on Jewish children who were held captive in German concentration camps during the period of National Socialism. The book, “The Children`s House of Belsen”, describes this terrible torture from a child`s point of view. There is Hetty E. Verolme, a Holocaust survivor living in Australia, who recounts in her book her internment and liberation from the “Children`s House” within the concentration camp of Bergen-Belsen.
The German author and historian, Hans-Dieter Arntz, who lives in Euskirchen near Cologne, has been investigating merit and life`s work of Joseph (“Jupp”) Weiss for more than twenty years. This extraordinary Jewish individual seemed to be forgotten, when Hans-Dieter Arntz reminded his readers of the “Judenältester” (Jewish Elder) of Bergen- Belsen in 1983. His book “JUDAICA – Juden in der Voreifel” (pages 434-446) deals with the life of Joseph Weiss (1893–1976), who felt responsible for the “interests” of thousands of Jews in that concentration camp. In comparison with Hetty E.Nerolme the description of surviving Bergen-Belsen from an adult`s point of view is deeply moving. Especially his personal description of “Seder 1945 in the Children`s House” and the poor ceremony is an overwhelming proof of faith and love. This article was written 1945.
Joseph (“Jupp”) Weiss was a German Jew who was born in in Flamersheim, which today is a suburb of the city of Euskirchen. Living in the Netherlands during the Second World War he was buffeted by fate as were all the Jews. But in spite of that, he tried to help his religious community wherever he was able to – even in the concentration camps of Westerbork (Netherlands) and Bergen-Belsen (Germany). Surrounded by thousands of dead bodies, he became the symbol of hope and faith. As a Jewish Elder he was in an ambiguous situation. After the Second World War this position was mostly said to be connected with “cooperation and collaboration with Nazi-Germany”. So a “Jewish Elder” seldom became popular after the Holocaust. But a lot of interviews by the German historian Hans-Dieter Arntz showed that Joseph Weiss seemed to be a person who was able to really do the best for the Jewish prisoners in Bergen-Belsen.
Right in the middle of murder, hunger and desperation he wrote down the names of people who had passed away in Bergen-Belsen. Among 596 prisoners who died on the first day of Pesach - Seder 1945 - were 500 Jews!
Pessach und Seder 1945: Erinnerung an ein Ereignis in Bergen-Belsen und „Jupp“ Weiss
Bergen-Belsen nach der Einnahme durch die Engländer (Foto: Imperial War Museum, London)
Das Pessach-Fest fällt häufig auf den gleichen Termin wie das christliche Osterfest. Das siebentägige Fest erinnert jährlich an die Geschichte der Juden und deren Auszug aus Ägypten. Es beginnt mit der häuslichen Feier des Sederabends nach einem bestimmten Ritual. Am Vortag fasten die Erstgeborenen in Erinnerung an die Verschonung der Israeliten bei der Tötung der ägyptischen Erstgeburt.
Es ist eigentlich gar nicht vorstellbar, dass eine jüdische Sederfeier inmitten des Infernos von Bergen-Belsen abgehalten werden konnte. Während Tausende von Toten unbeerdigt in diesem Konzentrationslager lagen und die Überlebenden jederzeit den Tod vor Augen haben mussten, saßen etwa 30 meist elternlose Kinder mit einem Flamersheimer Juden zusammen und richteten sich trotz der großen Not nach den vorgeschriebenen Regeln ihrer Religion.
Der aus Flamersheim - heute ein Stadtteil von Euskirchen - stammende Joseph („Jupp“) Weiss (16.5.1893-12.9.1976) verfasste den Artikel „Seder 1945 im Kinderhaus von Bergen-Belsen“ wenige Monate nach der Befreiung. Als „Judenältester von Bergen-Belsen“ hatte er das danteske Purgatorium miterleben müssen. Umso größer ist der Kontrast zu dieser Sederfeier im Kinderhaus, die erstmals Hans-Dieter Arntz 1983 in seinem Buch „JUDAICA – Juden in der Voreifel“ (S. 441/442) in deutscher Sprache veröffentlichen konnte. Übersetzungen liegen bereits in mehreren Sprachen vor.
Eine neue Dokumentation: „REICHSKRISTALLNACHT“ - Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande (Gerichtsakten und Zeugenaussagen am Beispiel der Eifel und Voreifel)
Verleger Karl-Heinz Pröhuber (l.),
Autor Hans-Dieter Arntz (r.)
Der Helios-Verlag www.helios-verlag.de ist ein in Aachen ansässiger Fachbuchverlag und wurde 1913 gegründet. Übernommen wurde er Anfang der neunziger Jahre von Karl-Heinz Pröhuber, dem heutigen Geschäftsführer. Pröhuber, der politische Wissenschaften und Soziologie studierte, stammt aus einem deutsch-belgischen Elternhaus mit „linkem“ Hintergrund. Schwerpunkt der verlegerischen Arbeit ist die militärische Zeitgeschichte, Regionalliteratur, Literatur zur Judenverfolgung. Darüber hinaus gibt er auch Belletristik heraus. Derzeit werden die Werke von über 100 Autoren verlegt. Sein Vater, Karl Pröhuber, ein Mitbegründer der KPD (1919), befreundet mit K. Radek, aktive Teilnahme an der Münchener Räterepublik, war im 2. Weltkrieg Angehöriger eines Strafbataillons.
Bezüglich dieses Dokumentationsbandes teilt der Helios-Verlag mit:
„Dies könnte mehr als nur ein Versuch sein, die `Reichskristallnacht´ auf dem Lande aus verschiedenen Aspekten detailliert und meist exemplarisch darzustellen. Auch anhand anderer `Synagogenbrand-Prozesse´ kam der Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz zu der Ansicht, dass selbst nach 70 Jahren der Novemberpogrom von 1938 noch nicht vollständig aufgearbeitet ist. Es reicht nicht, die konstatierten Fakten – als Nachweis der Zerstörung jüdischen Eigentums und vieler Synagogen sowie brachialer Gewalt gegen jüdische Mitbürger - historisch nachzuweisen. Vielmehr sollten auch die Gerichtsakten der Nachkriegszeit und entsprechende eidesstattliche Zeugenaussagen konkret untersucht und analysiert werden. Vieles wurde vergessen, übersehen oder aus heutiger Sicht fragwürdig beurteilt. Die Frage nach einer manchmal nicht mehr nachvollziehbaren Rechtsprechung in der Besatzungszeit und der jungen Bundesrepublik könnte das wirkliche Geschehen beim `Reichspogrom 1938´ differenzierter erklären. Manches war historisch und menschlich doch anders, als es nach dem 2. Weltkrieg juristisch beurteilt wurde.
Was dieses Buch von ähnlichen Dokumentationen unterscheidet, sind auch die seltenen historischen Fotos und der Nachweis, dass `auf dem Lande´, wo einer den anderen persönlich kennt, vieles anders als in den Großstädten verlief. Hier gab es selten die Anonymität der `Brandstifter im Räuberzivil´, sondern hier waren es meist bekannte Fanatiker aus der Nachbarschaft.
Diese persönliche und soziale Komponente erschwerte bisher die vollständige Erforschung und Bewertung sowie die objektive Auswahl von Archivunterlagen und Zeugenaussagen. Die Darstellung der `Reichskristallnacht´ in der Eifel und Voreifel beschränkt und konzentriert sich somit auf einen lokal überschaubaren Raum im Rheinland, einen spezifischen Teil der Eifel und Voreifel. Sie umfasst topografisch und inhaltlich die Ortschaften Bad Münstereifel, Zülpich und Sinzenich, Euskirchen und Flamersheim, Weilerswist und Lommersum, Mechernich und Kommern, Kall, Gemünd sowie Hellenthal/Blumenthal. Die Dokumentation beginnt also in der nahen Rheingegend und endet in westlicher Richtung in einem Eifeltal, das zur Zeit des Novemberpogroms 1938 verhältnismäßig isoliert von den Vorgängen in den Großstädten Bonn, Köln und Aachen war.
Oft wird man feststellen, dass die Ausschreitungen im Mikrokosmos der Eifel brutaler als in rheinischen Großstädten waren. In Mechernich wurden mehr als 10 Häuser systematisch zerstört und eingerissen. Der Ortsgruppenleiter wurde nach dem 2. Weltkrieg freigesprochen, weil er angeblich aus `lokalpolitischen“´ und `bautechnischen Gründen´ gehandelt habe. Der Hellenthaler Amtsbürgermeister inszenierte nach dem Inbrandsetzen der Blumenthaler Synagoge einen `Prangermarsch´ und gehörte nach dem 2. Weltkrieg u.a. auch zu den Angeklagten im `Schleidener Lynchprozess´, der die öffentliche Erschießung eines amerikanischen Piloten im September 1944 zu klären hatte.
Der Euskirchener Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz fasst seine jahrzehntelangen Forschungen in der vorliegenden Dokumentation zusammen und bringt sie eindrucksvoll auf den neuesten Stand.“
18.03.2008
Buch „Ordensburg Vogelsang – Im Wandel der Zeiten“: 1. Auflage bereits ausverkauft
Großes Interesse bei historisch interessierten Lesern fand die Publikation „Ordensburg Vogelsang – Im Wandel der Zeiten“, die im Juli 2007 vom Helios-Verlag Aachen herausgegeben wurde. Die Nachfrage war derart, dass nun bereits nach wenigen Monaten die erste große Auflage ausverkauft ist.
Eine Buchvorstellung wurde bereits auf dieser Homepage publiziert. Eine detaillierte Rezension stammt aus der Feder von Oberstleutnant Thomas Enke.
Das viel beachtete Buch verstand sich als Kurzfassung des Standardwerkes von Hans-Dieter Arntz „Ordensburg Vogelsang 1934-1945 – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich, dessen 5. Auflage im Verlag Landpresse Weilerswist im Sommer 2006 erschien. Auch diese Auflage ist inzwischen fast vergriffen, aber noch in den nächsten 3-4 Monaten im guten Buchhandel erhältlich.
16.03.2008
Gerd Friedt: Verdienste um jüdische Kultur im Rheinland
Seit 25 Jahren pflegen Gerd Friedt und ich kollegiale und freundschaftliche Beziehungen. Beide arbeiten wir am Thema „Judentum im Rheinland“, wobei nicht nur die systematische Archivarbeit im Vordergrund steht, sondern auch das stete Bemühen, Kontakte zu den einst hier beheimateten jüdischen Familien und deren Angehörigen lebendig zu halten. Diese persönlichen Kontakte sind offenbar den jüngeren Wissenschaftlern heute nicht mehr möglich. Zum Spezialgebiet von Gerd Friedt gehören die Region Bergheim und der heutige Rhein-Erft-Kreis, obwohl er seit 1980 mit seiner Familie in München lebt.
Gerd Friedt wurde 1945 in Köln geboren, verbrachte einige Jahre in Oberaußem und besuchte dort die Volksschule. Seit 1980 arbeitet der Elektro-Maschinenbauer am Institut für Physiologische Chemie der Ludwig-Maximilian-Universität München. Den Anstoß für sein Interesse an der jüdischen Geschichte erhielt er bei einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt im Moschaw Kfar Jedidiya, einer landwritschaftlichen Kooperative in Israel. Hier lebte er inmitten einer jüdischen Familie und lernte so Sitten und Bräuche kennen. Bei der Gelegenheit lernte er auch Hebräisch und fand so einen Schlüssel zur Erkundung der jüdischen Kultur.
Seit 1975 forscht und schreibt Gerd Friedt zu unterschiedlichen Themen. Seine Publikationen gehören sicher auch zur Standardliteratur zum Judentum am linken Niederrhein. Bekannt wurden Arbeiten wie „Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bergheim“, „Die jüdischen Friedhöfe in Bergheim, Niederaußem und Paffendorf. Eine Bestandsaufnahme“, „Die Familie Kommerzienrat Adolf Silverberg in Bedburg“, oder „Juden in Bedburg an der Erft - Spurenfragmente einer Minderheit“. Gerd Friedt wurde für seine Arbeiten 2000 mit dem Bundesverdienstkreuz und im Jahre 2006 für die landschaftliche Kulturpflege mit dem Rheinlandtalerausgezeichnet.
Ein besonderer Grund hierfür war auch die Bearbeitung jüdischer Landfriedhöfe im Rheinland, für deren Erhalt er sich auch nach seiner Übersiedlung nach München 1980 weiterhin einsetzt. Durch seine Kenntnisse der hebräischen Sprache konnte Gerd Friedt - teils in Zusammenarbeit mit anderen Heimatforschern und Genealogen - Übersetzungen des Grabsteinbestandes von jüdischen Friedhöfen erarbeiten und somit vor dem Verfall retten.
Am 19. Februar wandte sich ein Mitglied der vom Regensburger Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller eingesetzten Historischen Kommission zur Bearbeitung der Causa Theresia Neumann (CThN) an mich und bat um Mitarbeit beim zurzeit laufenden Selig- und Heiligsprechungsprozess von Therese Neumann. Die bayerische Bauenmagd wurde weltweit durch ihre Stigmata bekannt.
Über die Website zur Geschichte des Gymnasiums Marienschule Euskirchen auf dieser regionalhistorischen Homepage stieß Toni Siegert als Mitarbeiter an der der Causa Theresia auf Informationen über Maria Müller, die Gründerin des einstigen Euskirchener Mädchengymnasiums. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie nach ihrer pädagogischen Arbeit auch in kirchlichen Kreisen der Domstadt Köln als Verlegerin bekannt. In diesem Zusammenhang hatte sie Kontakt zu Therese Neumann (1898-1962), ein Umstand, der offenbar als zeitgeschichtliche Rahmeninformation nicht unwichtig ist.
Maria Müller, gebürtig aus Wisskirchen, taucht 1930/31 wiederholt in den diesbezüglichen Akten auf, die zurzeit von der CThN begutachtet werden. Gar nichts ist über ihre Tätigkeit aus der Zeit von 1898-1930 bekannt. In dieser Hinsicht kann die Euskirchener Stadthistorie etwas helfen.
In dem Schreiben der Historischen Kommission an mich heißt es dann ergänzend:
„Daher besteht eine sachliche Relevanz zwischen Maria Müller und der Causa. Rein formal ist daher in jenen Aktenteilen, die für Rom aufbereitet werden sollen und wo die Frau genannt wird, auch eine kurze Biographie beizulegen.“
Eifeler und Voreifeler Regionalhistorie bei dem Online-Forum: www.shoa.de
Allen, die sich für die Aufarbeitung der „jüngsten Vergangenheit“ interessieren, soll an dieser Stelle ausdrücklich ein Internetforum empfohlen werden, das sich in den letzten 5 Jahren bereits große Verdienste erworben hat:
Auf seiner Homepage stellt sich der Arbeitskreis Shoa.de als organisierter Verein dar. Er besteht seit 2003 und ist als gemeinnützig anerkannt. Die ehrenamtlich wirkende Redaktion befasst sich verstärkt mit Drittes Reich, Holocaust, Zweiter Weltkrieg, Nachkriegsdeutschland "Zukunft braucht Erinnerung" - so das Motto des Internetforums Shoa.de.
In der Selbstdarstellung stellt sich Shoa.de als Initiative vor, die sich unter dem Gedanken zivilgesellschaftlichen Engagements der wissenschaftlich-didaktischen Auseinandersetzung mit den Themen Drittes Reich, Antisemitismus und Holocaust sowie ihren Nachwirkungen bis in die Gegenwart widmet. Ohne jegliche institutionelle Förderung und allein durch das Engagement von über 80 ehrenamtlichen Autoren, bietet das Portal einen einzigartigen, virtuellen Informations- und Gedenkort, der jedem Interessierten auch die Möglichkeit eröffnet, sich einzubringen und das Portal aktiv mitzugestalten.
Als Plattform für interdisziplinäre Information und interaktiven Austausch bietet Shoa.de seinen monatlich über 180.000 Besuchern ein facettenreiches Spektrum: redaktionelle Artikel, einen Linkkatalog, ein Online-Diskussionsforum, Zeitzeugenberichte, Rezensionen, einen monatlichen Email-Newsletter, moderierte Chats u.v.a. Politisch-historisch interessierte Jugendliche und Erwachsene erhalten mit dem Portal ein zeitgemäßes Informationsmedium, das wissenschaftlich fundierte Inhalte auch für ein nicht-wissenschaftliches Publikum verfügbar macht und darüber hinaus Diskussion und Austausch anregt und ermöglicht.
Nach anfänglichen Geburtswehen, über die ich bereits in meinen NEWS vom 15. Februar 2008 berichtet habe, gab es in sehr kurzer Zeit bereits die ersten 3 Auflagen des Buches JUDAICA – Juden in der Voreifel. Stellvertretend für die vielen Rezensionen sei der Bericht von Manfred van Rey, Ltd. Städt. Archivdirektor im Bonner Stadtarchiv, angeführt. Die recht ausführliche Darstellung in den ANNALEN DES HISTORISCHEN VEREINS FÜR DEN NIEDERRHEIN (1985, Heft 188, S.318-321) begann mit folgenden Ausführungen:
„Der Autor, Gymnasiallehrer in Euskirchen, hat in jahrelanger mühevoller und kostenträchtiger Arbeit die historischen Spuren, auch die kleinsten und unscheinbarsten, der jüdischen Bevölkerung der Voreifel gesucht, festgehalten und in vorliegendem Buch veröffentlicht. Dass er gerade auch das darzustellen versucht, was sich in vielen Briefen, Interviews, Tagebuchauszügen und Zeitungsartikeln und weniger bzw. weniger plastisch in den Akten der einschlägigen Archive als individuelle Lebenswirklichkeit jüdischer Bewohner der Voreifel und besonders Euskirchens wiederfindet, von Arntz etwas unglücklich als „Kleinkariertes" bezeichnet, macht sein umfangreiches Buch überaus lebendig und spannend.
Dies und sein zeitlich gut platziertes Erscheinen schon im Frühjahr des 50. Jahrestags der nationalsozialistischen „Machtergreifung" ließ die Medien aufmerksam werden, so dass der Verfasser, zudem unzweifelhaft journalistisch begabt, inzwischen zu zahlreichen Interviews gebeten wurde. Das kann seinem moralisch-politischen und pädagogischen Anliegen, nämlich „Besinnung und Warnung vor Diskriminierung von Minderheiten" (so die Widmung des Buches), nur förderlich sein.
Dass Arntz und sein Buch den Anstoß dafür gaben, die ehemaligen jüdischen Bürger von Flamersheim 1984 in ihre alte Heimat einzuladen, bezeugt eindringlich die Wirkung seines starken Engagements. Eine reiche Frucht, wie der Rezensent, seit Jahren die von der Stadt Bonn eingeladenen ehemaligen jüdischen Bürger begleitend, urteilen möchte.“
Zu den prominenten jüdischen Namen der Stadt Euskirchen gehören u.a. die Familien Schwarz (Evenari) und Wallach, Oster, Baumgartner, Cleffmann und Weiss.
Während erst nach einer beschämenden Prozedur der jüdische Mediziner und SPD-Ratsherr Dr. Hugo Oster (1878-1943) mit dem Dr.Hugo-Oster-Platz verewigt wurde, geriet der Reichsbahndirektor Alfred Baumgartner (1875- 1951) völlig in Vergessenheit.
Seine eigentliche Leistung bestand in der Organisation des Fahrplanwesens, die besonders im 1. Weltkrieg voll zur Geltung kam. In seinem Nachruf stellte die Deutsche Bundesbahn fest, dass die von Alfred Baumgarten veranlagte völlige Umgestaltung der Fahrplanbücher und Aushänge sowie die Methode ihrer Herstellung für viele ausländische Bahnverwaltungen vorbildhaft wurden. Weitere Untersuchungen von Hans-Dieter Arntz ergaben, dass es der Euskirchener war, der ab 1916 die großen Stockungen im Osten und den kriegswichtigen Nachschub zu regulieren vermochte.
Vor 35 Jahren erschien meine erste Publikation zur Geschichte der Stadt Euskirchen: „Die Entwicklung des Euskirchener Schulwesens unter Berücksichtigung der Industrialisierung“. Das 100 Seiten starke Buch wurde im Jahre 1973 von der Euskirchener Stadtverwaltung herausgegeben und Anfang Dezember der regionalen Presse vorgestellt.
Der Kölner Stadtanzeiger leitete seinen Beitrag am 1./2. Dezember 1973 u.a. mit folgenden Worten ein:
„Dieses erste und fleißige Werk über die Entwicklung des Euskirchener Schulwesens schließt eine echte Lücke in der Heimatforschung und bietet dabei aufschlussreichen und interessanten Wissensstoff, von dem es eigentlich erstaunlich ist, dass er solange ungesichtet blieb. Studienrat Hans-Dieter Arntz ist Erziehungs- und Sozialwissenschaftler am Mädchengymnasium Marienschule in Euskirchen. Er hat in monatelanger Kleinarbeit Archive in Aachen, Koblenz, Brühl, Düsseldorf durchforstet, insbesondere aber auch das Euskirchener Stadtarchiv - nach entsprechenden Hinweisen seines damaligen Leiters, des 1971 verstorbenen Redakteurs Carl Brandt.“
Immer wieder sind ehemalige jüdische Mitbürger erstaunt, dass man zum Gedenken an ihre Familien so genannte „Stolpersteine“ setzt. So wird an ihre Existenz erinnert und an ihren Untergang im Holocaust. Dies allerdings setzt voraus, dass man die jüdischen Namen und die Lebensdaten der Betroffenen genau kennt, damit nichts Falsches verewigt wird. In dieser Hinsicht hat auch Euskirchen manchmal Probleme, weil sich das Stadtarchiv nur auf frühere und oft unvollständige Listen bezieht und sich nicht vergewissert, ob es nicht neuere Erkenntnisse gibt. Dies ist sicher nicht im Sinne der „Spender“, die mit lobenswerter Absicht diese „Stolpersteine“ sponsern.
Da ich seit etwa drei Jahrzehnten die persönlichen Kontakte zu etwa 80 jüdischen Familien, deren Angehörige aus der Eifel und Voreifel stammen, intensiv pflege, werde ich neuerdings häufig auf unvollständige genealogische Angaben hingewiesen. Dieses ehrenamtliche Engagement kann natürlich nicht von einer Person alleine geleistet werden, so dass ich auf Freunde und Bekannte in aller Welt angewiesen bin. In diesem Zusammenhang möchte ich auf den amerikanischen Genealogen Leo Hoenig aus New York hinweisen, mit dem mich seit 1981 eine diesbezügliche Freundschaft verbindet. Als ehemaliger Präsident entsprechender genealogischer Vereinigungen hilft er mir unentwegt und ist in meine Arbeit stark involviert.
Leo Hoenig (geb.1937) war studierter “social studies teacher” an einer Junior High School. Er lebt jetzt im Ruhestand und kann nun seinem Forschungsgebiet verstärkt nachgehen. Seit 1967 ist der inzwischen recht bekannt gewordene Genealoge aktiv, als er erstmals vor den Gräbern seiner jüdischen Vorfahren in Mertloch (bei Polch, Mayen und Koblenz) stand. Leo, dessen Verwandte heute auch an verantwortlicher Stelle in der Kölner und Koblenzer Synagogengemeinde tätig sind, stammt aus New York, wo er seinerzeit seine Kollegin, Doris Lovett, heiratete. Mit der ebenfalls engagierten, inzwischen pensionierten Sprachenlehrerin an einer High School hat er zwei Töchter und zwei Enkel.
Leo is a retired junior high school social studies teacher. He first became interested in genealogy in 1967 when he visited his ancestors' graves in the Jewish cemetery in Mertloch (near Polch, Mayen and Koblenz). He has been actively involved in research ever since. Born in New York City in 1937, he is married to Doris Lovett, a retired New York City high school teacher of French and English as a Second Language. They have two daughters, Gail and Helene, and two grandchildren.
Der nationalsozialistische „Reichsnährstand“ war für die Produktion, Verteilung und Preisgestaltung im Deutschen Reich zuständig. Wie beurteilte er aber die „Arier“ des Kreises MONSCHAU? Wer sich aber mit der Erforschung des Judentums befasst, sollte wissen, dass er auch für die ideologische Erziehung und Überwachung der so genannten Blutreinheit zuständig war. In den diesbezüglichen Aktenbeständen des Hauptstaatsarchivs in Düsseldorf lagern in diesem Bereich noch viele ungesichtete Unterlagen. Einige Beispiele:
„Wir haben in unserem Kreis 2 Dörfer, in denen sich die Bevölkerung ziemlich vor Vermischung rein erhalten hat und zwar Strauch und Kalterherberg.
Im ersteren finden wir einen echten Bauerntyp, wie auch das Dorf ein reines Bauerndorf ist; im zweiten einen für unsere Gegend auffälligen Typus mit ziemlich dunkler Hautfarbe. Es geht die Erzählung, dass die Bevölkerung von Kalterherberg ein Überbleibsel der Hunnenzüge sei. Die Schädelbildung würde die Ansicht berechtigen, und ich glaube, dass es die obige Tatsache wert wäre, einmal eingehend geprüft zu werden.
Außer obigen beiden Dörfern haben wir noch eines, EICHERSCHEID, das durch seine Bevölkerung stark aus dem allgemeinen Rahmen herausfällt. Durch dauernde Heiraten in nahen Verwandtschaftgraden, - um immer nur das Vermögen zu erhalten, wie man sagt -, ist ein Menschenschlag herangewachsen, der weit unter dem Durchschnitt unangesehen dasteht, wenigstens in körperlicher Hinsicht. Am letzten Sonntag hatte ich anlässlich eines Dorfabends Gelegenheit, diese Tatsache ganz einwandfrei festzustellen. Man sagt immer, dass in ganz Eicherscheid nicht ein einziges nettes Mädel sei, und ich glaube, man ist damit nicht zu weit gegangen. Heil Hitler (…)“
Nur wenigen Menschen gelang es, Auschwitz, dem Zentrum des Holocaust, zu entrinnen. Zu diesen Überlebenden gehören die Geschwister Ilse (geb. 1924) und Ruth Scheuer (geb. 1927) aus Sinzenich. Sie leben heute in den Vereinigten Staaten und zählen zu den etwa 80 jüdischen Familien aus der Eifel und Voreifel, die seit 20-30 Jahren mit mir in Kontakt stehen. Während ihre Eltern, Jakob und Helene geb. Daniel, nicht mehr in ihre Zülpicher Heimat zurückkehren konnten, grenzt es fast an ein Wunder, dass beide Schwestern der Vernichtungsmaschinerie entkommen konnten.
Nach dem 2. Weltkrieg fanden sie in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat, wo sie auch Familien gründeten. Ihre Cousine, Evelyn Levy (verh. Heilbronn), lebt ebenfalls in den USA, weil sie einige Tage nach der „Reichskristallnacht“ mit ihrer Familie dorthin emigrieren konnte.
Die vorliegende Darstellung, wie die Schwestern Ilse und Ruth Scheuer Theresienstadt und Auschwitz überlebten, überhaupt, ihre ganze Lebensgeschichte wird auch von dem Birmingham Holocaust Survivors Committee online wiedergegeben. Der Originalbericht für ein Video zum Projekt von Steven Spielberg „Survivors of the Shoah“ Auschwitz II (Birkenau) (February 1944):
“The family was transported on a cattle train to Auschwitz. There were about 50-60 people in their train car. They got some food to last a few days and stopped only once for water. There was a pail in the corner for waste. “To this day when I hear the whistle of a train, it makes me shriek,” Ilse said on her 1996 video tape for Steven Spielberg’s “Survivors of the Shoah” project (…).
24.02.2008
Wiederbelebung von Musik, die Hitler eigentlich „ausmerzen“ wollte
Nachdem sie in den Vereinigten Staaten meine NEWS vom 22. Februar 2008 gelesen hatten, die ein besonderes Konzert in Bad Münstereifel ankündigte, wiesen mich heute die Angehörigen einer 1936 aus Euskirchen geflüchteten jüdischen Familie auf ihren Bekannten, Musikdirektor Colon, und dessen Arbeit hin. Unter dem Motto „Recovered Voices“ inszeniert Colon nun in der zweiten Session die Aufarbeitung von Opern und weiteren Musikstücken, die von den Nationalsozialisten unterdrückt wurden.
Direktor Colon von der Oper in Los Angeles hat es sich zum Ziel gesetzt, eine besondere Art von Musik wieder zum Leben zu erwecken. Es handelt sich hier um Opern, Choraufführungen und Tänze, die den Machthabern im Dritten Reich nicht systemkonform erschienen und deswegen aus dem künstlerischen Zyklus der Nationalsozialisten verschwinden mussten. Werke von Walter Braunfels, Ernst Krenek, Erich Wolfgang Korngold und anderen gehören regelmäßig zum Repertoire von Colon, der ebenfalls Musikdirektor des Ravinia Festivals in der Nähe von Chicago und dem Mai-Festival ist. Im letzten Dezember hatte er an der Juilliard School die Choreographie für eine Aufführung übernommen, die die Musik von Zemlinsky, Franz Schreker and Erwin Schulhoff wiederbelebte.
Unter der Überschrift „New Life For Works Hitler Tried To Kill” publizierte am 10. Februar 2008 der Journalist David Mermelstein in der New York Times einen Bericht über Musikdirektor Colon. Er wurde am 22. Februar vom Canadian Institute for Jewish Research (Vgl. Volume VIII, Number 1,788) online veröffentlicht. Wörtlich heißt es dort u.a.:
Next Sunday Mr. Conlon, 57, is to conduct the project’s first fully staged production, a double bill of “Der Zwerg” (“The Dwarf”) by Alexander Zemlinsky and “Der Zerbrochene Krug” (“The Broken Jug”), which Viktor Ullmann composed not long before being interned in the Theresienstadt concentration camp. (He died two years later in Auschwitz.)
“All my life questions of social justice and injustice have been very alive in my consciousness,” he said. “This is what I think fires me up more than anything else, the anger that in the 60 or 70 years since these events occurred, the perpetrators succeeded in wiping out any trace of the art of these people. You cannot undo the injustice of the lost lives or the cruelty. But in the case of the composers you can do the one thing that would have meant the most to them, which is to perform their music.”
Die o.a. Homepage findet seit Monaten immer mehr Beachtung, was die vielen Zugriffe numerisch nachweisen. Nett sind die Kontakte zu vielen Schülern und Studenten, die Hilfe bei Referaten und Facharbeiten erbitten. Wertvoll sind die Sendungen aus aller Welt, die mir Fotos und Archivmaterial zukommen lassen, weil mancher Haushalt aufgelöst wird und Angehörige mit Sammlungen und Unterlagen ihrer Vorfahren - zur Thematik Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg und Judentum im Bereich der Eifel und Voreifel - nichts mehr anzufangen wissen.
Die Suche nach Angehörigen ist besonders bewegend. In diesem Zusammenhang wandte sich am 13. Januar 2008 Neil G., aus Edmonds, Washington/USA, an mich, da er das Grab seines Großvatersvaters, Bernhard Th., suchte, der in der Nähe der Ordensburg Krössinsee 1943 verunglückt war. Die an Rolf Sawinski weitergeleitete Frage konnte von ihm sehr erfolgreich beantwortet werden, und der Enkel erhielt nicht nur den genauen Hinweis auf die Grabstätte, sondern auch einen Totenzettel sowie einen Nachruf aus der Burgzeitschrift. Wenn auch die eigentliche Leistung von Rolf Sawinski, dem Autor den Buches über die Ordensburg Krössinsee (vgl. NEWS vom 7. August 2008) erbracht wurde, so freut man sich doch über einen derartigen Dank, der eigentlich auch der modernen Internet-Technik gelten könnte:
“I have been contacted by Herr Sawinski and have replied to him. The information you have given me from Herr Sawinski is so overwhelming that I am almost brought to tears by it. The story of my grandfather has always been somewhat of a mystery to me and my cousins, we of that generation who were born after the war. My mother and uncles talk but there’s a feeling that they are not telling the whole story. If it were not for the internet and email, it would not be possible. I cannot begin to thank you enough for the information you shared and for putting me in touch with Herr Sawinski. I will keep you posted of any findings that come my way. My warmest regards…“.
Für die jetzt in den USA lebenden und aus Sinzenich (bei Zülpich) stammenden jüdischen Damen Evelyn Heilbronn, Ruth Siegler und Ilse Nathan ist laut deren Mitteilung die regionalhistorische Homepage seit einiger Zeit eine neue Verbindung zur alten Heimat. Sie dankten für die Publikation eines Artikels des Journalisten W. Andres, der am 20. Februar im Euskirchener Wochenspiegels erschien: Zwei kleine Landsynagogen haben „überlebt“: 70 Jahre nach dem Novemberprogrom – Eine Spurensuche im Kreis Euskirchen.
Uri Schwarz, Direktor der Public Relations beim Shaare Zedek Medical Center in Jerusalem, ließ in einer E-mail am 17. Februar wissen, dass der Beitrag „Ein jüdischer Arzt als Pionier in Erez Israel – Dr. Moshe Wallach gründet das Shaare Zedek Hospital in Jerusalem“ am 14. Februar für die Historie des bekannten Krankenhauses sehr wichtig sei, und fügte hinzu: „Thank you for writing this. We always try to live up to Dr. Wallach and his spirit is still felt in our hospital.”
Dass Musik Brücken zu den verschiedenen Religionen, Rassen oder Ländern baut, ist bekannt. Wenn es sich in diesem Fall aber um eine Form der kulturellen Zusammenarbeit von Musikern jüdischer, palästinensischer und deutscher Herkunft handelt, die gemeinsam ein Benefizkonzert in Bad Münstereifel geben, dann ist das etwas Besonderes.
Ein solches Ereignis findet am 2. März 2008 in der evangelischen Kirche von Bad Münstereifel statt. Das Ensemble OR ZARUA hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch die Peace Academy Jerusalem bei deren Versöhnungs- und Friedensarbeit zu unterstützen. Diese Einrichtung fördert die Vermittlung ethischer Grundwerte in Bildung und Erziehung in Israel sowie in den palästinensischen Gebieten. Daher geht der Erlös dieses Benefizkonzertes an diese Institution, damit die vielseitige Verständigungsarbeit weiterhin gefördert werden kann.
Die Art der Musik enthält viele Elemente aus dem Repertoire der Gruppe „Musicians4Peace“, zu der ein Teil des Ensembles gehörte, das bereits 2005 in Bad Münstereifel auftrat und einen bleibenden Eindruck hinterließ.
Zu einem beeindruckenden Erlebnis wurde das, was man mit „Versuch zur Versöhnung und Wiedergutmachung« bezeichnen könnte: das Wiedersehen mit einst im „Judendorf Flamersheim“ beheimateten jüdischen Mitbürgern (21.-24-Juni 1984). Was hier damals in einem kleinen Voreifeldorf mit etwa 2.000 Einwohnern geschah, wurde zwar von den Medien aufmerksam verfolgt, hinterließ aber bei allen Beteiligten einen nachhaltigeren Eindruck als dies jemals in einer größeren Gemeinde bzw. in einer anonymen Großstadt möglich ist!
Etwa 20 jüdische Mitbürger bzw. deren direkte Angehörigen im Alter von 75 bis 10 Jahren waren angereist, wurden privat beherbergt und bewirtet. Sie lebten bei ehemaligen Freunden, der Haushälterin, dem früheren Sportskameraden oder Dorfbewohnern, zu denen man vor der Diskriminierung durch die Nationalsozialisten einen besonders guten Kontakt hatte.
Was sich in und vor den stattlichen Fachwerkhäusern abspielte, wurde vom 3. Programm des Fernsehens vefolgt und am 20. September vom »Landesspiegel" (21.45-22.15) übertragen. Die Radiosendung „Zwischen Rhein und Weser" berichtete live.
Die wenigen offiziellen Veranstaltungen unterschieden sich jedoch wenig von denen anderer Großstädte, selbst - wenn auch die Begegnung mit Bundespräsident Karl Carstens und Bundestags-Vizepräsident Stücklen einen besonderen Eindruck hinterließ. Mehr als 50 jüdische Gäste, die zusätzlich – teilweise unter beschwerlichen Umständen – am letzten Tag nach Flamersheim angereist waren, erlebten, dass sich der Geist im einstigen „Judendorf“ nicht geändert hatte.
Erinnerung einer Flamersheimer Jüdin an den Schlagerstar Heino
Der Initiator des „Wiedersehenstreffens“, Hans-Dieter Arntz, mit Schlagerstar Heino in Bad Münstereifel
Vielen Bewohnern der Ortschaft Flamersheim, seit 1969 ein Stadtteil von Euskirchen, ist das 4tägige „Wiedersehensfest“ mit einst hier beheimateten jüdischen Mitbürgern (21.-24. Juni 1984) unvergessen. Das Fernsehen drehte über dieses Ereignis einen 30minütigen Film, der am 20. September 1984 erstmals vom WDR in der Reihe „Länderspiegel“ ausgestrahlt wurde. Friedhelm Melder und der Regisseur Hanno Brühl hatten über das erstmalige Wiedersehen mit dem „Judendorf Flamersheim“, in dem es vor dem 2. Weltkrieg 11% jüdische Bewohner gegeben hatte, den eindrucksvollen Film „Juden in Flamersheim“ gedreht.
Zu den jüdischen Gästen gehörte auch die damals 75jährige Else Oster, die als Witwe von Walter Oster der Einladung gefolgt war. 1984 lebte sie in Südafrika, nahm aber dennoch (auf eigene Kosten) die kostspielige Anfahrt auf sich. Alle Gäste waren jedoch privat untergebracht. Schon am ersten Tag wurde deutlich, dass ihr Idol der Schlagerstar Heino aus Münstereifel war, der ihrer Ansicht nach am ehesten an die deutsche Heimat erinnerte.
Am ersten Tag der „Wiedersehensfeier“ fand auch ein Besuch in der deutsch-jüdischen Galerie Lammel in Bad Münstereifel statt. Vor dem mittelalterlichen Stadttor der Orchheimerstraße gab es eine unerwartete Begegnung mit Heino. Für Else Oster aus Südafrika war dieses Treffen unvergesslich, zumal Heino es sich nicht nehmen ließ, alle jüdischen Gäste im Bus zu begrüßen.
Wenn auch die damals begeisterte jüdische Dame inzwischen längst verstorben ist, blieb ein Farbfoto von dieser Begegnung erhalten. Verwandte aus Australien, die immer noch im Besitz dieses Bildes waren und in der Presse vom jetzigen schlechten Gesundheitszustand des deutschen Schlagerstars gehört hatten, schickten es an den Inhaber dieser Homepage.
Erinnerung an einen Euskirchener Buchdrucker und Verleger: Wilhelm Kümpel
Es kommt heute nicht mehr nicht alle Tage vor, dass ein Handwerksmeister über 50 Jahre in seinem Beruf tätig ist. Einer dieser Ausnahmefälle war der im Jahre 1904 geborene Wilhelm Kümpel, der als Schriftsetzer, Buchdrucker und Verleger in der Kreisstadt Euskirchen jahrzehntelang als Garant seriöser Druckerzeugnisse galt. Durch ihn erhielt nach dem 2.Weltkrieg auch die Heimatforschung und regionale Literatur wichtige Impulse.
Wilhelm Kümpel absolvierte seine Lehre in der Druckerei Thelen in Siegburg. An seinem ersten Arbeitstag durfte er Visitenkarten drucken, die in dieser Zeit besonders bei jungen Leuten reißenden Absatz fanden. Gearbeitet wurde per Handsatz, zur Verfügung standen aber Hochdruckmaschinen. Die Ausbildung in den getrennten Berufszweigen Drucker und Schriftsetzer dauerte insgesamt vier Jahre. Die Ausbildungsvergütung war nicht allzu hoch. Im 1. Lehrjahr gab es eine Beihilfe von etwa 2 Euro nach heutiger Rechnung.
Danach arbeitete er beim Hamburger „Fremdenblatt", das als die größte Tageszeitung in Nord- und Westdeutschland firmierte. Es folgte die Übersiedlung in die Voreifel und verschiedene Anstellungen, so auch bei der Münstereifeler Zeitung und der Euskirchener Volkszeitung, wo er bald zum Betriebsleiter emporstieg. 1932 bestand er die Meisterprüfung als Schriftsetzer und Buchdrucker. Diese Prüfungen legte Wilhelm Kümpel in den Fächern Handsatz und Buchdruck ab („Schweizer Degen“).
1947 machte sich Wilhelm Kümpel selbstständig. Sein erstes Geschäft befand sich in der Neustraße. Er kaufte sich von einem Winzer eine Bostonpresse, die dieser für die Herstellung von Winzeretiketten gebraucht hatte. Des Weiteren suchte er aus dem Schutt einer Firma in Düren wochenlang Schriftzeichen. Das war nötig, weil unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg der Markt keinerlei Bleibuchstaben anbot. Obwohl Kümpel sich die Schriftzeichen selbst aus dem Schutt gesucht hatte, musste er dafür bezahlen. Papier erwarb er gegen Naturalien, die er sich gemeinsam mit seiner Frau in Nebenarbeit auf einem Euskirchener Bauernhof verdiente.
In der Zeit von 1947 bis 1983 bildete er etwa 30 Lehrlinge zum Buchdrucker und Schriftsetzer aus. Die Lokalzeitung „Volksblatt“ kaufte er bald auf, überließ sie aber in den 5Oer Jahren der großen Tageszeitung „Kölnische Rundschau“. Die weiterhin in der Region bekannte Volksblatt-Druckerei sowie der Buchverlag befanden sich auch noch nach seinem Tode bis Anfang des 21. Jahrhunderts in der Kolpingstraße. Die Fassade des ehemaligen Kolpinghauses steht inzwischen unter Denkmalschutz.
Neben den obligatorischen Geschäftsdrucksachen gehörte nach wie vor der Buchdruck zu den Aufgaben des Betriebs. So wurde im Jahre 1955 die zweibändige „Festschrift zur 650-Jahr-Feier der Stadt Euskirchen“ publiziert, die bis heute die Grundlage einer wissenschaftlichen Regionalhistorie darstellt. Auch die Dokumentationen des Regionalhistorikers Hans-Dieter Arntz - JUDAICA – Juden in der Voreifel (1983), Kriegsende1944/45 zwischen Ardennen und Rhein (1984), Ordensburg Vogelsang 1934-1945 (1986) sowie Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet (1990) - wurden vom Kümpel-Verlag Euskirchen neben anderen Büchern herausgegeben. Wilhelm Kümpel, der mit 85 Jahren am 29. Dezember 1989 verstarb, schuf eine Grundlage für die regionalhistorische Literatur.
Wer vor zwei oder drei Jahrzehnten die zaghaften Anfänge einer lokalen Aufarbeitung der jüngsten deutschen Zeitgeschichte miterlebt hat, der wird sich erinnern, mit welchen „Geburtswehen“ die Publikation des 540 Seiten starken Buches JUDAICA – Juden in der Voreifel (Kümpel Verlag, Euskirchen 1983, 3. Aufl. 1986) zu tun hatte. In dieser Zeit diskutierte man noch im Euskirchener Stadtrat über eine derartige Thematik. Zwei im Stadtparlament vertretene Parteien, die namentlich christliche und liberale Positionen vertraten, waren trotz des Drucks aus der Öffentlichkeit nicht bereit, dem Verlag eine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Es war dem verdienstvollen Verleger Wilhelm Kümpel zu verdanken, dass das Buch dennoch bald erschien und auch ein Erfolg wurde. Das alles ist jetzt 25 Jahre her.
Als Autor ist es mir heute eine Genugtuung zu wiederholen, dass das Desinteresse der Kommunalpolitiker in den Medien Aufsehen erregte und dadurch eigentlich zur Beachtung und zum Erfolg der Dokumentation beitrug. Große Artikel in der Boulevardpresse, Radiointerviews und eine Leserbriefkampagne in der Regionalpresse (November/Dezember 1982) artikulierten den Protest der Bevölkerung. Danach setzten sich die ALLGEMEINE JÜDISCHE WOCHENZEITUNG, die deutschsprachige israelische Zeitung ISRAEL NACHRICHTEN und englische Journale ein. Als schließlich der Nobelpreisträger Heinrich Böll aktiv wurde und alter Erster ein Buch beim Kümpel Verlag Euskirchen orderte, kam Bewegung in die Angelegenheit. Ebenfalls der russische Schriftsteller Kopelew war zur Hilfe bereit. Innerhalb kurzer Zeit war die Liste der Subscribenten so umfangreich, dass das Buch JUDAICA gedruckt werden konnte und im Frühjahr 1983 in den Verkauf kam. Innerhalb von knapp 3 Jahren gab es auch 3 umfangreiche Auflagen. Das Vorwort zu meinem Erstlingswerk schrieb Prof. Dr. Joseph Walk, der Direktor des berühmten Leo Baeck Instituts in Jerusalem.
Dr. Moshe (Moritz) Wallach
Archiv Shaare Zedec Medical Center Jerusalem
Dr. Moshe (Moritz) Wallach, ein aus Köln stammender orthodoxer Jude, berufen zur praktizierten Nächstenliebe und in seiner Lebensleistung vielleicht mit einem Albert Schweitzer vergleichbar, gründete das berühmte Shaare Zedek Krankenhaus in Jerusalem. Sein Vater stammte aus Euskirchen, seine Mutter aus Münstereifel. Der Ehrenbürger von Jerusalem hat seine Wurzeln in der Voreifel.
Als sich im Frühjahr des Jahres 1984 eine Reisegruppe aus Euskirchen-Flamersheim für eine Woche in Jerusalem aufhielt, wies der arabische Reiseführer auf das jüdische Shaare Zedek Krankenhaus (Shaare Zedek) hin und resümierte sehr objektiv, dass dieses wohl das traditionsreichste Krankenhaus des Nahen Ostens mit ausgezeichneter Reputation wäre. Damals wusste wahrscheinlich keiner, dass der verdienstvolle Gründer dieser Institution ein gewisser Moritz Wallach (1866-1957) war, dessen Vater aus Euskirchen stammte. Die Lebensleistung seines Sohnes, des berühmt gewordenen Dr. Moshe (Moritz) Wallach, weist diesen als eine herausragende Persönlichkeit des deutschen Judentums und als einen medizinischen Pionier des damaligen Palästina und heutigen Staates Israel aus.
Die Einweihung des Shaarei Tzedek Hospital am 27. Januar 1902 war nicht nur für den jungen Direktor Dr. Moshe Wallach ein großes Ereignis, sondern auch für die Stadt Jerusalem. Zu den Ehrengästen zählten Jawad Pasha in seiner Funktion als türkische Gouverneur der Stadt Jerusalem, der deutsche Konsul Dr. Schmidt, der Askenasi-Rabbiner Salant und der Sephardi-Oberrabbiner Haham Bashi Eliashar.
Die Stadt Jerusalem bedankte sich bei Dr. Moshe Wallach (1866-1957) für seine Lebensleistung mit der Verleihung des Titels „Yakir Yerushalayim" (Ehrenbürger von Jerusalem). Die medizinische Fakultät der Hebräischen Universität in Jerusalem verlieh ihm zu seinem neunzigsten Geburtstag die erste Ehrendoktorwürde, die dort vergeben wurde. Zu derselben Zeit fungierte an der Hebrew University Prof. Dr. Evenari (1904-1989) als Vizepräsident, und man kann davon ausgehen, dass er die Ehrung des aus dem Rheinland stammenden Glaubensbruders durch seine Hochschule sicher auch befürwortet hat. Und jetzt bekommt der Artikel auf dieser regionalhistorischen Homepage einen wirklich heimatspezifischen Aspekt: Der Vater von Prof. Evenari stammte ebenso aus der Kreisstadt Euskirchen wie der Vater von Dr. Moshe Wallach. Hier treffen sich die Zweige einer lokalen Genealogie, zumal feststeht, dass sich die beiden jüdischen Männer früher persönlich gekannt haben.
Die Themen Nationalsozialismus und Judenverfolgung waren es wohl, die in Verbindung mit dem berüchtigten Datum 30. Januar das Interesse an der vorliegenden Homepage ausdrückten. Erstmals sprang die Zahl der monatlichen Zugriffe auf über 100.000. In diesem Zusammenhang bedankt sich der Autor Hans-Dieter Arntz für die vielen Kontakte und E-mails, die sein regionalhistorisches Archiv erweitern. Das zugeschickte Material bezog sich hauptsächlich auf das neue Buch REICHSKRISTALLNACHT – Der Novemberpogrom1938 auf dem Lande, das im Frühjahr beim Helios-Verlag in Aachen erscheinen wird, sowie auf die NS-Ordensburg Vogelsang.
Gibt es heute noch Synagogen in der Voreifel und Eifel oder genauer gefragt: Haben einige Synagogen in der Nordeifel den Novemberpogrom von 1938 überstanden? Diese Frage wird sich mancher Bürger der Altkreise Euskirchen, Schleiden sowie Monschau stellen, wenn am 9.und 10.November dieses Jahres - nach 70 Jahren - wieder ein Rückblick auf die so genannte „Reichskristallnacht“ erfolgt. Die Antwort ist: JA!
Im heutigen Kreis Euskirchen, der zu den größten Flächenkreisen der Bundesrepublik Deutschland zählt, gibt es offenbar nur noch zwei – sehr kleine und unscheinbare – Landsynagogen, die den Novemberpogrom aus verschiedenen Gründen überlebt haben, nämlich in LOMMERSUM/bei Weilerswist und in SINZENICH/bei Zülpich.
Während die erste inzwischen bekannt ist und unter Denkmalschutz steht, wurde das kleine Gebäude in Sinzenich bis in die Gegenwart hinein völlig vergessen.
Auch sie überstand die „Reichskristallnacht“ unbeschadet. Der wesentliche Unterschied zu Lommersum besteht allerdings darin, dass sie sich 1938 noch im Privatbesitz des jüdischen Parnes Leo Horn befand. Somit ist der Hinweis auf dieses Gebäude wichtig. Es handelt sich bei der Landsynagoge von Sinzenich um das einzige jüdische Gotteshaus im heutigen Kreis Euskirchen - der sich heutzutage aus den Altkreisen Schleiden und Euskirchen zusammensetzt -, das den Novemberpogrom 1938 vollständig überstand und somit als Landsynagoge bis heute erhalten geblieben ist. Sie steht nicht unter Denkmalschutz.
Das Datum 30. Januar erinnerte mich soeben nicht an den Beginn einer judenfeindlichen Politik und den NS-Terrors, sondern spontan an den Neubeginn der jüdischen Gemeinde von Köln. Als ich gerade in meinem Zeitungsarchiv durch Zufall den Artikel Synagogengemeinde Köln entsteht wieder vom 5. Oktober 1945 fand, fiel mir das Zitat von Schiller ein: „Und neues Leben blüht aus den Ruinen“! Ein früherer Hinweis in der von der Militärregierung genehmigten Zeitung „Kölnischer Kurier“ ist mir nicht bekannt.
Der Artikel „Synagogengemeinde Köln ersteht wieder“ erschien am 5.Oktober 1945 in der dünnen Zeitung „Kölnischer Kurier“. Er konstatiert, dass die jüdische Gemeinde erstmals wieder am 29. April 1945 in Erscheinung trat – also als das Deutsche Reich noch nicht kapituliert hatte –, beschreibt die Institutionalisierung der Verwaltung und den Neubeginn des religiösen und sozialen Lebens ohne Terror und Verfolgung.
Der Pulheimer „Verein für Geschichte e.V.“, der früher als „Verein für Geschichte und Heimatkunde“ firmierte, steht in enger Kooperation mit dem Euskirchener Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz. Im Internet kann man sich von den Forschungsergebnissen der Pulheimer Historiker überzeugen: Von besonderem Wert sind die beiden Bände „Juden in Stommeln“, die 1983 herausgegeben wurden und einen Wert für die rheinische Landeskunde darstellen. Besonders lesenswert sind die Beiträge über die 1972 „entdeckte“ Synagoge von Stommeln, die seit ihrer vollständigen Renovierung ein kulturelles Zentrum der Region zu betrachten ist.
27 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde erstmals in einer Veröffentlichung des Historischen Vereins für den Niederrhein auf die Stommelner Synagoge, - „die einzige alte Synagoge, die im Regierungsbezirk Köln erhalten ist“ -, hingewiesen. Es war Klaus H.S. Schulte, der unvergessene Nestor der rheinischen Judaica-Forschung, der bereits 1972 die von ihm entdeckte Synagoge von Stommeln beschrieb.
Zu empfehlen ist zudem folgende CDROM: Manfred Backhausen: Jüdische Regionalgeschichte, Jüdische Gemeinden im Kölner Umland - Ein historischer Abriss. Erweiterte und bebilderte Neuauflage; MJB – Verlag & Mehr, Pulheim, 2007.
Die Chronik der jüdischen Gemeinde von Berlin und auch WIKIPEDIA müssen wohl etwas ergänzt werden. Durch Zufall stellte sich heraus, dass einer der Mitbegründer, der ehemalige jüdische Religionslehrer MOSES FERNBACH (1893-1983) aus Schleiden völlig vergessen wurde. Dies hatte aber auch einen Vorteil: nach mehr als einem halben Jahrhundert konnten zwei jüdische Familien zusammengeführt werden.
Vor wenigen Tagen ereignete sich etwas, was den Verfasser dieser Zeilen sehr bewegt hat. Am 17. Januar 2008 wandte sich durch Zufall Dr. Werner Rosenthal aus Berlin an mich, um eine genealogische Frage zu klären. Es stellte sich durch Zufall heraus, dass Erich Nehlhans sein Großonkel war. Stolz berichtete er von der Benennung einer „Erich-Nehlhans-Straße im Jahre 2005. Nehlhans (1899-1950) war Mitbegründer und später 1.Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.Der Großneffe erinnerte sich vage an die Erzählungen anderer Mitglieder der Synagogengemeinde über den Neubeginn im Jahre 1945 und die Zusammenarbeit mit „einem irgendwie aus der Eifel stammenden Moses Fernbach“, der aber in der Chronik vergessen wurde. Erich Nehlhans und Moses Fernbach waren tatsächlich die Ersten, die gemeinsam in den ersten Tagen nach dem 2.Weltkrieg die Berliner Synagogengemeinde wieder ins Leben riefen. In wenigen Stunden konnte per Telefon und Internet ein Kontakt zwischen Mirja Brudermann geb. Fernbach, der Tochter des jüdischen Religionslehrers, und Dr. Werner Rosenthal, dem Großneffen von Erich Nehlhans, hergestellt werden. Nach etwa 6 Jahrzehnten konnten zwei Familien wieder Beziehungen zueinander aufnehmen.
16.01.2008
Erneute Anerkennung für das Standardwerk über „Ordensburg Vogelsang 1934-1945“
Wenn auch seit 30 Jahren die Aufarbeitung des Themas „Judentum in der Eifel und Voreifel“ das eigentliche Forschungsgebiet des Euskirchener Regionalhistorikers Hans-Dieter Arntz ist, so ergänzen doch auch die Dokumentationen und Bücher über den Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg die gesamte Problematik. Bewusst will sich der Euskirchener Autor nicht als Holocaust-Autor eingrenzen lassen, wenn auch im Frühjahr eine umfangreiche Publikation unter der Überschrift „REICHSKRISTALLNACHT – Der Novemberpogrom in der Eifel und Voreifel“ vom Helios-Verlag in Aachen herausgegeben wird.
Als im Jahre 1986 das Standardwerk „Ordensburg Vogelsang 1934-1945 – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich“ erschien, konnten Verlag und Autor nicht ahnen, dass inzwischen 5 Auflagen in fünfstelliger Stückzahl erscheinen würden. Noch heute zählt das zur Geschichte der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang sowie zur politischen und pädagogischen Ausrichtung der „Junker“ zur Fachliteratur. Es ist die wohl zurzeit immer noch einzige Dokumentation, die die Geschichte sowie auch die Methodik und Didaktik der NS-Ordensburgen im Dritten Reich aufzeigt. Im Juni 2006 wurde es noch einmal dem Institut für Zeitgeschichte in München vorgelegt, das auch nach 21 Jahren keine fachlichen und wissenschaftlichen Fehler kritisierte.
Als neue Anerkennung ist sicher auch die Entscheidung des NRW-Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Düsseldorf zu werten. Nach Überprüfung des Standardwerkes durch die Landeszentrale für politische Bildung NRW teilte der Leiter des Referates für Printmedien, Prof. Dr. Andreas Kost, mit, einen Teil der 5. Auflage zu erwerben. Das Buch „Ordensburg Vogelsang 1934-1945 – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich“ soll „ in fachspezifischen Kontexten der Gedenkstättenarbeit in der Landzentrale für politische Bildung NRW“ eingesetzt werden. Der Euskirchener Autor Hans-Dieter Arntz freut sich über diesen Entscheid, da für das übliche Printmedienverzeichnis die Dokumentation eigentlich etwas zu speziell ist. In der Regel präferiert die Landeszentrale allgemeinere Überblicksliteratur – so auch beim Thema Gedenkstätten. Das Standardwerk ist natürlich weiterhin im guten Buchhandel und im Besucherforum der Burg Vogelsang im Nationalpark käuflich zu erwerben.
MITTEILUNG DES VERLAGES LANDPRESSE, WEILERSWIST
Die 5. aktualisierte Auflage des Standardwerkes „Ordensburg Vogelsang“ erscheint künftig
in unserem Hause und ist ab sofort im Buchhandel erhältlich.
ISBN-Nummer: 3-935221-69-X
Die AUSLIEFERUNG erfolgt durch:
Druckservice Frank Lanzrath
Frauenbergerstraße 187
Begegnung mit Anita Lasker-Wallfisch in Bergen-Belsen
Während meiner langjährigen Erforschung des Judentums im Rheinland habe ich viele Menschen kennen gelernt, über deren Schicksal ich erst später Bescheid wusste. Zu diesen Persönlichkeiten gehörte auch Frau Anita Lasker-Wallfisch, mit der ich Ende Oktober 2007 in Bergen-Belsen vor den Gräbern unzähliger Opfer diskutierte, ohne zu wissen, dass diese ungemein dynamische Dame zu dem Auschwitz-Transport gehörte, der im Herbst 1944 mit Anne Frank in das berüchtigte Konzentrationslager kam. Die heute 82jährige Anita Lasker-Wallfisch ist eine der letzten bekannten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz. Seitdem lebt sie in London.
Anlässlich der Einweihung des neuen Dokumentationszentrums in Bergen-Belsen war ich auf der Suche nach Zeitzeugen, die sich an den aus Euskirchen-Flamersheim stammenden Josef („Jupp“) Weiss, den letzten Judenältesten des Sternlagers, erinnerten. Diese charismatische Persönlichkeit hatte sich die in den letzten Monaten vor dem Untergang und dem Ende des Holocaust großer Verdienste würdig gemacht. WIKIPEDIA stellt die bekannte Cellistin und Autorin folgendermaßen vor:
„Anita Lasker ist eine von drei Töchtern des jüdischen Rechtsanwalts Alfons Lasker (einem Bruder des US-amerikanischen Schach-Meisters Edward Lasker und dessen Ehefrau Edith, einer Geigerin. Ende 1939 gelingt es den Eltern, die älteste Schwester Marianne nach England in Sicherheit zu bringen. Die beiden jüngeren Schwestern Renate und Anita müssen jedoch in Breslau bleiben. 1942 werden die Eltern deportiert und ermordet. Die Töchter kommen in ein Waisenhaus und müssen in einer Papierfabrik arbeiten. Die zwei jungen Mädchen versuchen, mit Hilfe eigenhändig gefälschter Pässe nach Frankreich zu entkommen, werden aber schon am Bahnhof verhaftet und am 5. Juni 1943 wegen Urkundenfälschung zu Zuchthausstrafen verurteilt. Als erste wird Anita nach Auschwitz deportiert. Als verurteilte Kriminelle wird sie mit einem Sonderzug in das Lager gebracht und entgeht so der Massenselektion und sofortigen Ermordung in der Gaskammer, welche bei Ankunft von Großtransporten üblich war. Da bekannt wird, dass sie Cello spielen kann, wird sie Mitglied im Lagerorchester unter Alma Rosé.
Später wird auch Renate nach Auschwitz deportiert. Die Schwestern finden einander wieder und ertragen gemeinsam das schwere Lagerleben. Im November 1944 werden sie mit anderen Mitgliedern des Orchesters nach Bergen-Belsen verlegt, wo sie am 15. April 1945 von alliierten Truppen befreit werden.“
Nach dem 2. Weltrieg spielte die Cellistin im weltberühmten „English Chamber Orchestra“. Anita Lasker-Wallfisch ist insofern auch für den Kreis Euskirchen ein Begriff, als sie vor zwei Jahren in Schleiden von ihren erschütternden Erlebnissen von Auschwitz und Bergen-Belsen berichtete. Der lang anhaltende Beifall Hunderter von Zuhörern im Pädagogischen Zentrum des Clara-Fey-Gymnasiums zeugte von der Hochachtung und dem Respekt gegenüber einer beeindruckenden Zeitzeugin. Dem möchte ich mich hiermit anschließen.
Dem stets im Hintergrund wirkenden Webmaster dieser Homepage sei zum Jahresbeginn ein Dank ausgesprochen. Nach knapp 1½ Jahren kann sich dank seiner Hilfe diese regional-historische Online-Publikation einer wachsenden Leserschaft erfreuen. Besonders am Ende des Jahres 2007 schienen sich immer mehr Leser für die Beiträge zu interessieren, die mit der Region der Eifel und Voreifel zu tun haben. Etwa 145.000 Zugriffe in den Monaten November/Dezember konnten registriert werden.
Die regionalhistorische Homepage www.hans-dieter-arntz.de befasst sich mit folgenden Themen: Geschichte des Judentums, Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg sowie Geschichte der Eifel und Voreifel und ist folgendermaßen gegliedert:
Neuerscheinungen: neue Publikationen und Vorstellung dieser Bücher News: Nachrichten, kleinere Artikel und kürzere Berichte Bücher: Erscheinungen von 1973-2008 Artikel: Detaillierte Abhandlungen zu den o. a. Gesamtthemen
Seit 30 Jahren recherchiert der Autor bereits zu den Themen „Nationalsozialismus und Judentum in der Eifel und Voreifel“. Die Ergebnisse fanden in zahlreichen Büchern, Zeitungsserien und Vorträgen ihren Niederschlag. Bereits vor 30 Jahren veröffentlichte die Kölnische Rundschau eine diesbezügliche Serie von Hans-Dieter Arntz unter der Überschrift „Die Judenverfolgung im Kreis Euskirchen“ (9. bis 16. November 1978). Berichte über Vorträge folgten. Im Frühjahr 2008 erscheint nun im Helios-Verlag Aachen die umfangreiche Dokumentation „REICHSKRISTALLNACHT – Der Novemberpogrom in der Eifel und Voreifel“.
70 Jahre nach diesem Ereignis soll der neueste wissenschaftliche Stand dargestellt werden.
Die seit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten beginnende Verfolgung und Entrechtung der Juden hatte mit der so genannten „Reichkristallnacht“ im November 1938 einen vorläufigen Höhepunkt, war aber tatsächlich ein Wendepunkt in der deutschen Politik gegenüber den Juden.
In der Nacht vom 9. zum 10. November, aber auch noch Tage danach, brannten Synagogen in ganz Deutschland, wurden jüdische Geschäfte und Wohnungen demoliert und über 30.000 Menschen in Konzentrationslager verschleppt. Die danach einsetzende systematische Verfolgung führte zum Holocaust. Ein Artikel des inzwischen verstorbenen Redakteurs Bruno Schlüter vom 17./18. Februar 1979 im Kölner Stadt- Anzeiger berichtete vor 30 Jahren über eine diesbezügliche Unterrichtsreihe an einem Euskirchener Gymnasium.
Seit Jahrhunderten feiert man in der Voreifel Karneval; früher allerdings anders als heute. Oft musste eine ganze Reihe von Vorschriften beim närrischen Treiben beachtet werden. Zu den ersten Quellen über den Karneval in hiesigen Breiten gehört die Verordnung der Stadt Münstereifel: „Einstellung der vorhandenen Mommereyen" (1651). Im Bad Münstereifeler Stadtarchiv liegen Unterlagen, die es beweisen: Damals empfanden die Stadtgewaltigen den Karneval als „gegen den göttlichen Befehl gerichtet". Alle, die sich trotzdem verkleideten, wurden als Gotteslästerer betrachtet, „alldiweil Gott allmächtig dadurch hoch erzürnt".
Unter der Überschrift „Hanswürste" geben den Ton an – was erlaubt ist, bestimmt die Polizei“ wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Euskirchen der rheinische Karneval gefeiert.
Seit 1882 galt sogar eine vom Bürgermeister Selbach für die Kreisstadt erlassene Verordnung, die in acht Paragraphen den Karneval reglementierte. Diese konzentrierte sich besonders auf „Verkleidungen, die gegen die Religion und guten Sitten verstießen" oder irgendwie beleidigend wirkten. Das Tragen von Gesichtsmasken war zudem bei hoher Strafe nicht gestattet. Was damals freizügig war, entschied der Vertreter der Obrigkeit. Wie hieß es doch seit 1882 im Paragraphen 5: „Ob eine Person als maskiert zu betrachten sei, ist im einzelnen Falle von dem Dienst tuenden Polizeibeamten zu entscheiden."
03.01.2008
Erwin (Schalom) Weiss aus Givat Chen (Raanana)/Israel (†)
Erwin Weiss (Mitte) mit seiner Ehefrau Rut und seinem BruderKurt (ganz rechts) anlässlich eines Empfangs bei Bundespräsident Prof. Karl Carstens in Bonn (1984)
Wie ich gerade von dem Nestor der bekannten jüdischen Familie(n) WEISS, Gerald Weiss (USA) erfuhr, ist Erwin Weiss (geb. 14.06.1924), jüngster Sohn des einstigen Synagogen-Vorstehers von Flamersheim (Arthur Weiss), am 25. Dezember in Givat Chen bei Raanana/ISRAEL verstorben. Mit seinen Eltern folgte er wenige Wochen vor der „Reichskristallnacht“ den beiden älteren Brüdern nach Palästina. Hier gründete er eine eigene Familie und baute große Obstplantagen an, die im Frühjahr des Jahres 1985 von einer Besuchergruppe aus der ehemaligen deutschen Heimat besucht wurde. Er gehörte zu denjenigen, die ein „Wiedersehensfest" in Flamersheim (1984) angeregt hatten und den Bürgern mit seiner Anwesenheit das Gefühl gab, dass durch die NS-Zeit kein endgültiger Bruch stattgefunden hat. Seine Eltern und er nahmen 1938 eine Thorarolle mit nach Palästina, so dass diese nach dem Novemberpogrom das einzige Überbleibsel von der einst so blühenden jüdischen Gemeinde in der Voreifel blieb. Erwin (Schalom) Weiss ist ein Neffe des legendären Josef („Jupp“) Weiss, der als „Judenältester von Bergen-Belsen“ bekannt wurde.