Das Datum 30. Januar erinnerte mich soeben nicht an den Beginn einer judenfeindlichen Politik und den NS-Terrors, sondern spontan an den Neubeginn der jüdischen Gemeinde von Köln. Als ich gerade in meinem Zeitungsarchiv durch Zufall den Artikel „Synagogengemeinde Köln entsteht wieder“ vom 5. Oktober 1945 fand, fiel mir das Zitat von Schiller ein: „Und neues Leben blüht aus den Ruinen“! Ein früherer Hinweis in der von der Militärregierung genehmigten Zeitung „Kölnischer Kurier“ ist mir nicht bekannt.
Bereits vor einigen Tagen hatte ich einen kleinen Beitrag zur Neugründung der jüdischen Gemeinde von Berlin (1945) verfasst, so dass der Abdruck des Kölner Beitrages eine Ergänzung darstellen könnte.
Dass die Geschichte der Juden von Köln keineswegs an der Peripherie meines eigentlichen Forschungsgebietes Eifel und Voreifel liegt, zeigte ich bereits im Jahre 1982, als der Kölnische Geschichtsverein meinen Beitrag Religiöses Leben der Kölner Juden im Ghetto von Riga in seinem Jahrbuch Nr.53 publizierte. Er erschien mit der geeigneten Illustration auch im Jahre 1983 in meinem Buch JUDAICA – Juden in der Voreifel auf den Seiten 351-369. Welche Bedeutung das Hinterland von Köln – nämlich die Voreifel und Eifel bis hin nach Belgien und die Niederlande – hatte, ist in meinem Buch Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet detailliert nachzulesen.
3. November 1944: Jüdischer Sabbath-Gottesdienst an der „Siegfried-Line“ bei Aachen.
Foto des Pentagon Armee-Archivs Washington
in: ARNTZ, Hans-Dieter, Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet, Euskirchen 1990, S. 683.
Folgender Artikel „Synagogengemeinde Köln ersteht wieder“ erschien am 5.Oktober 1945 in der dünnen Zeitung „Kölnischer Kurier“. Er konstatiert, dass die jüdische Gemeinde erstmals wieder am 29. April 1945 in Erscheinung trat – also als das Deutsche Reich noch nicht kapituliert hatte -, beschreibt die Institutionalisierung der Verwaltung und den Neubeginn des religiösen und sozialen Lebens ohne Terror und Verfolgung:
Synagogengemeinde Köln ersteht wieder
Gleich nach Ankunft der amerikanischen Truppen hat sich der Rest der ehemals etwa18. 000 Juden zählenden jüdischen Gemeinde Kölns zusammengefunden und beschlossen, mit dem Aufbau der Synagogengemeinde baldigst wieder zu beginnen. Dieser kleine Rest setzte sich aus wenigen Menschen zusammen, denen es gelungen war, sich mit Hilfe ihrer christlichen Freunde während langer Zeit versteckt zu halten und sich somit dem Zugriff der Gestapo zu entziehen.
Wieder jüdischer Gottesdienst
Am 29. April 1945 trafen sich in den Trümmern der Synagoge Roonstraße die in Köln anwesenden Juden und beschlossen die Erneuerung der Kölner Synagogengemeinde. In einer Sitzung, welche mit Erlaubnis der amerikanischen Militärbehörde stattfand, wurden die Repräsentanten und der Vorstand nach demokratischen Grundsätzen gewählt.
Die erste Aufgabe war die Wiedererrichtung eines ständigen jüdischen Gottesdienstes. Nachdem die Gottesdienste notgedrungen zuerst in der zerstörten Synagoge Roonstraße stattgefunden haben, und zwar der erste Gottesdienst unter Leitung eines amerikanischen Feldgeistlichen nach siebenjähriger Unterbrechung, konnte in dem ehemaligen Jüdischen Asyl in Ehrenfeld ein Betsaal errichtet werden. Durch Entgegenkommen der Militärregierung wurde das Jüdische Asyl der jüdischen Gemeinde wieder übergeben. Außer dem Betsaal wurden dort einige Gemeindebüros errichtet, wodurch die Gemeinde in die Lage versetzt wurde, den Aufbau wieder systematisch zu beginnen.
Ein Heim für die Naziopfer
Der nach Köln zurückkehrende Teil der Juden, die aus Konzentrationslagern befreit wurden, machte es notwendig, für diese Menschen ein eigenes, rein jüdisches Heim zu schaffen. Auch in diesem Falle kam die Militärregierung der jüdischen Gemeinde entgegen, indem sie das Haus Blankenheimer Straße 55 an die jüdische Gemeinde zur Errichtung eines Flüchtlingsheims übergab. Durch allgemeine Hilfe, insbesondere der Stadtverwaltung, war es möglich, das Heim innerhalb von etwa drei Monaten aufnahmefähig zu gestalten. Heute sind dort diejenigen jüdischen Menschen untergebracht, welche aus den Konzentrationslagern kommen und keinerlei Wohnung haben. Es kann gesagt werden, daß nunmehr die Voraussetzungen zur Lösung der zahlreichen Probleme gegeben sind. Zwölf Jahre ärgster Judenverfolgung haben naturgemäß vieles zerstört, aber die jahrhundertalte jüdische Gemeinde Kölns besteht wieder und der offizielle Titel „Synagogengemeinde Köln" ist selbstverständlich beibehalten worden. Die Gemeinde hat die Rechte der alten Synagogengemeinde übernommen und ist nach Wiederherstellung der Religionsgemeinschaften wieder eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Es sei noch bemerkt, daß die Synagogengemeinde eine rein religiöse Gemeinschaft ist und frei von jeder politischen Tendenz.“
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Vorstellung des gleichnamigen Buches von Hans-Dieter Arntz in der deutschen, belgischen und israelischen Presse |