Seit 1840 Karneval in Euskirchen Hanswürste" gaben den Ton an –
was erlaubt war, bestimmte die Polizei

von Hans-Dieter Arntz
08.01.2008

Kölnische Rundschau (Lokalteil Euskirchen) am 8.2.1985 sowie in der
Euskirchener Rosenmontagszeitung, 35. Jahrgang, Session 1986

 

Seit Jahrhunderten feiert man in der Voreifel Karneval;  früher allerdings anders als heute. Oft musste eine ganze Reihe von Vorschriften beim närrischen Treiben beachtet werden. Zu den ersten Quellen über den Karneval in hiesigen Breiten gehört die Verordnung der Stadt Münstereifel: „Einstellung der vorhandenen Mommereyen" (1651).

Im Bad Münstereifeler Stadtarchiv liegen Unterlagen, die es beweisen: Damals empfanden die Stadtgewaltigen den Karneval als „gegen den göttlichen Befehl gerichtet". Alle, die sich trotzdem verkleideten, wurden als Gotteslästerer betrachtet, „alldiweil Gott allmächtig dadurch hoch erzürnt".

 

karneval

 

Der Polizei wurde bei Strafe von fünf Goldgulden auferlegt, keine auswärtigen  Narren zur Karnevalszeit in die Stadt hineinzulassen. Den Bürgern und Junggesellen sollte jedoch „ehrbarer Erlustigung sich zu befleißigen unbenommen und freygestellt bleiben".

Die Persiflage des französischen Militärs (1794 bis 1814) gab dem heimischen Karneval einen besonderen Sinn. Die ersten Gesellschaften bildeten sich, und die „Narretei an den Fastnachtstagen" wurde jetzt organisiert. In einem „Programm zu den Festlichkeiten oder besser gesagt Tollheiten, welche in diesem Jahre zu Euskirchen während der Karnevalstage 1842 stattfinden werden", heißt es wörtlich: „Die Thorheit muss einmal im Jahre ausgähren, damit sie das Faß nicht sprenge."

Da wurde den Bürgern nahe gelegt, sich am Karnevalssonntag frisch gewaschen und gekämmt in gewissen Wirtschaften vorzustellen, um dann zum ermäßigten Preis von zwei Silbergroschen einen Spezialwein in Empfang zu nehmen. Wer „mehr als ein Dutzend zu trinken beliebe, dem werde geraten, sich nach der Fütterung noch ein bisschen aufs Ohr zu legen, um am Abend für eine karnevalistische Theatervorstellung vorbereitet zu sein".

Die Vorführung hieß übrigens: „Der Bürgermeister in tausend Ängsten". Am Sonntag, dem 28. Januar 1844, fand im Saale Engels die vierte Generalversammlung der „Karnevalsfreunde" statt. Der Speisezettel für den Abend bot allerhand Genüsse: „Pro primo: Wurst-Picknick, gehalten von elf Hanswurstlichen Liebhabern. Pro secundo: Schnätzer met un ohne Sauerkraut. Pro tertio: Ein wässeriger Aufsatz als Dessert. Als Zwischengericht: Neu gebackene Lieder mit anmutigen Flüssigkeiten".

Da der Prinz Karneval zu jener Zeit „Hanswurst" genannt wurde, entsprach das genannte „Wurstpicknick, gehalten von elf Hanswürstlichen Liebhabern", den heutigen Büttenreden. Auch die Namen der Karnevalsvereine entsprachen dem zeitgenössischen Frohsinn: „Radau", Ebbe und Flut" „Alt Oeskerche", „Große Karnevalsgesellschaft", „Damen-Comitee der Gesellschaft Grielächer", „Carnevalsgesellschaft Heiteredei", „Uhzvögel", „Frohsinn" aus Stotzheim, „Hispania Lommersum".

 Als der ehrsame Euskirchener Schmiedemeister M. im Jahre 1846 den „Beschlag eines Fastnachtsschiffwagens mit 22 Thalern und 16 Groschen" berechnete, erhielt er sein Geld nicht mehr. Die trinkfreudige Gesellschaft „hatte bankrodt gemacht". Das Euskirchener Stadtarchiv kann übrigens belegen, warum die Euskirchener Karnevalisten ein Schiff gebaut hatten, das unter dem Motto: „Mer jöcken et noh Amerika" auf den engen Straßen segelte. Zeitkritisch spielte man auf die ersten Auswanderer an, die ihr Glück in der neuen Welt suchten.

Dass  Frauen - der damaligen Zeit entsprechend - karnevalistisch „emanzipiert“  waren, kann man dem Inseratenteil des Euskirchener Wochenblattes vom 2. Februar 1850 entnehmen. Der „Hanswurst" lud die Euskirchener Damenwelt in herrlichem Platt besonders herzlich ein. Das lange Gedicht endete mit: „Dröm dhot üch net schenieren, on kort ongescheut, denn Ihr hat söcher Freud."

Das 1. Damen-Comitee der Gesellschaft „Grielächer" lud Euskirchener Gäste zu einem karnevalistischen Programm in den Saal des Herrn Jacob Reinkens ein. Am 10. Januar 1869 betrug der Eintritt zweieinhalb Silbergroschen pro Person. Der Zeitungsanzeige wurde ein besonderer Vermerk beigefügt: „Für die Töchter gebildeter Eltern sind die besten Plätze reserviert!"

Auch die Honoratioren der Stadt Euskirchen waren völlig in den rheinischen Karneval integriert. Die Junggesellen-Bruderschaft, aus der 1858 die Allgemeine Schützen-Gesellschaft hervorging, zählte eine stattliche Reihe ulkiger Karnevalisten zu ihren Mitgliedern, zum Beispiel den Tuchfabrikanten und Bürgermeister Ruhr, dann auch den Rechtkonsulenten de  Laforque, der mehr als nur die Missstände in der Stadt Euskirchen in beißendem Spott zu geißeln verstand.

Am 26. Februar 1870 teilte das Euskirche­ner Wochenblatt den Lesern die sensationelle Nachricht mit: „So etwas ist noch nie da gewesen! Die Karnevalsgesellschaft  ,Neu-Euskirchen' wird zur Beendigung ihrer diesjährigen Karnevalsfreuden einen Maskentanz und am selben Abend einen Gala-Maskenball veranstalten!" Der Zug bewegte sich tatsächlich ab 11 Uhr durch die Straßen der Stadt Euskirchen bis zum Marktplatz, „woselbst Seine Hoheit der Hanswurst als Repräsentant von Neu-Euskirchen sich mit der Juffer aus Alt-Euskirchen vermählte, um den allgemei­nen Frieden wieder herzustellen.

 Wer die Einladung zur „letzten berathenden Sitzung der Euskirchener Carnevals-Gesellschaft Uzvüggel" von 1873 studiert, wird erfahren, dass man sich wohlwollend darüber beriet, ob man an einigen Ecken der Stadtmauer Straßenlaternen anbrin­gen sollte, um „amouröse Leidenschaften einzudämmen.“

Für 1875 hielt das Intelligenzblatt vom 13. Februar fest, dass auch von Frauenberg eine Gesellschaft kostümierter Leute in einem Karnevalswagen herüber ge­kommen war. Im benachbarten Stotzheim jedoch seien Schlägereien vorgekommen. Beim Wirte des Lokals „In der Krimm" wurden Gläser, Stühle, Möbel und Fenster demoliert. Sogar aus einer „Schrotflinte wurde gefeuert.

Ganz besonders schön muss der am Dienstag, 5. März 1886, durchgeführte Euskirchener Karnevalszug gewesen sein. Alle Vereine nahmen am „Maskenzug" teil und zogen drei Stunden lang durch die Straßen. Höhepunkt waren die Wagen des Raucherclubs und der Gesellschaft „Mieh jon och noch möt".

Aber auch Auswüchse waren im Euskirchener Karneval bekannt. Humoristisch annoncierte am 11. Februar 1888 der Kaufmann Johann Heinrich Rick im Eus­kirchener Volksblatt, dass bei ihm jeder Mann, der in Verlegenheit sei, einen Hausschlüssel nachmachen lassen könne. Seit 1882 galt eine vom Bürgermeister Selbach für die Kreisstadt erlassene Verordnung, die in acht Paragraphen den Karneval reglementierte.

Diese konzentrierte sich besonders auf „Verkleidungen, die gegen die Religion und guten Sitten verstießen" oder irgendwie beleidigend wirkten. Das Tragen von Gesichtsmasken war zudem bei hoher Strafe nicht gestattet. Was damals freizügig war, entschied der Vertreter der Obrigkeit. Wie hieß es doch seit 1882 im Paragraphen 5: „Ob eine Person als maskiert zu betrachten sei, ist im einzelnen Falle von dem Dienst tuenden Polizeibeamten zu entscheiden."

 

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