Der Autor des Buches, Hans-Dieter Arntz, ist mit der jüngeren Vergangenheit der Nordeifel eng verbunden. Schon seit annähernd 30 Jahren beschäftigt sich der seit Juli 2006 pensionierte Oberstudienrat engagiert mit der Geschichte des Dritten Reiches auf kommunaler Ebene. Aufgrund seiner verschiedenen und weit umspannenden Publikationen über die Geschichte des Dritten Reiches ist er sowohl mit der Täter- als auch der Opferseite vertraut und hat auch die Folgen des Dritten Reiches mit dem Kriegsende in der Eifel ausführlich und fachkundig beschrieben.
Das im Vergleich zu anderen Publikationen über Vogelsang recht dünn gehaltene Buch im DIN A5- Format ist das fünfte Buch, welches sich mit diesem Thema beschäftigt. Für den Preis von weniger als 8 Euro ist es nicht nur äußerst informativ, sondern auch auf dem neuesten Stund.
Als Hardpaper-Ausgabe ist es robust aber auch handlich genug, um auf einem Rundgang über die Ordensburg Vogelsang mitgenommen zu werden. Reichhaltig bebildert und übersichtlich gedruckt bekommt der Leser eine geballte Ladung Wissen vermittelt. Aber, und das unterscheidet dieses Buch von Werken mit ähnlichem Anspruch, es ist dabei weder belehrend noch moralisch gefärbt.
Nach einer kurzen Einweisung in die Geschichte der Burg folgt gleich die erste Ernüchterung: So bedeutend war die Ordensburg Vogelsang als Ordensburg (noch) nicht. Kein Lehrgang wurde vollständig beendet, auch die eingeschlagene Karriere als fanatischer Ordensjunker und „Führeranwärter" kam nur selten zustande. Das provoziert, und wer wissen will, wie es zu dieser Aussage kommt, der liest weiter. Doch Geduld ist angesagt, zuerst folgt ein kurzer Abriss über die Entstehungsgeschichte der Idee zu den Ordensburgen, eng verbunden mit dem Namen Robert Ley und der Deutschen Arbeitsfront. Nicht verschwiegen wird auch, welche arbeitsmarktpolitische Rolle dabei die Baustelle der Ordensburg für den damaligen Kreis Schleiden gespielt hat und dass man in der Bevölkerung zumindest in der Anfangsphase der eher kurzen Geschichte von Vogelsang recht dankbar für die Standortwahl war.
Von der Baustelle geht es rasch zu den Bauten selbst, wobei hier eine Unterlassung in den Erklärungen zu finden ist, die allerdings nur dann auffällt, wenn man genau hinschaut. Die Baupläne der Ordensburg sind nachgezeichnet. Sie sind erst weit nach 1945 entstanden und beziehen sich auf den Besuch des Architekten der Clemens Klotz im Jahr 1953 auf der Ordensburg. Zu diesem Anlass hatte er das Entwurfsblatt aus dem Jahr 1936 (Plan 15.1 Abb.25) nachgezeichnet - allerdings das Hakenkreuz gegen ein christliches Kreuz ausgetauscht. Dies ist aber auch die einzige Anmerkung in dem Buch, die fehlen könnte.
Und weiter geht es mit der Demontage der Ordensburg: Hitler kam nur zur Stippvisite, die SS stellte nur die Wache. Und ob Göring tatsächlich so oft auf der Burg zu Besuch war, wie bisher vermutet, muss bezweifelt werden. Aber, es waren auch andere Besucher auf der Burg, und Hans-Dieter Arntz beschreibt, dass ihre Anwesenheit durchaus (ein)prägend für die Ausbildung der Ordensjunker war und dass hier eine gefährliche Saat gesät wurde, die aufgrund der kurzen Lehrgangszeit zum Glück nicht immer aufging.
Reich bebildert bringt der Autor dem Leser den schwer verdaulichen Werdegang eines Ordensjunkers und den Tagesablauf auf der Ordensburg nahe. Als pensionierter Oberstudienrat mit 40 Jahren Berufserfahrung fachlich versiert, setzt er sich dabei auch mit der Durchführung des Lehrprogramms auseinander, an dessen oberster Stelle die Rassenlehre stand. Das führt automatisch zur Frage, wie denn während der Judenverfolgung und des Zweiten Weltkrieges der weitere Werdegang der Ordensjunker war.
Der Antwort hat er weit mehr als ein Kapitel gewidmet. Soviel steht fest, auch wenn Vogelsang ein „Täterort“ gewesen war, er brachte nicht massenweise Täter hervor. Zum Glück fehlte den meisten Junkern der Intellekt, um das parteipolitisch gefährliche Wissen zu verarbeiten und auch umzusetzen. Es waren nur einzelne Ordensjunker, die später an der Ermordung von Hunderttausenden beteiligt waren, nicht die Masse. Und so räumt Hans-Dieter Arntz mit weiteren Gerüchten auf und untermauert die Aussage, dass die gesamte Ausbildung doch noch ziemlich in den Kinderschuhen gesteckt habe.
Trotzdem gab es auch dunkle Wolken über der Eifel: Kirchenaustritte und „braune Hochzeiten“, die vom Autor anschaulich geschildert werden und zur Mahnung gereichen sollen. Auch bedenklich und der jüngeren Generation zur Mahnung reichend, sind seine Schilderungen über die Besuche der Parteiführung auf der Ordensburg und die Reaktionen aus der Bevölkerung. Demnach stand die Eifelbevölkerung diesen Besuchen durchaus positiv gegenüber - dabei beruft sich der Autor nicht nur auf die Artikel aus der damals gleichgeschalteten Presse.
Nach dem Kriegsende der Neuanfang? Anschaulich schildert Hans-Dieter Arntz die Situation der Bevölkerung vor Ort und das Entstehen neuer Gerüchte über die Aktivitäten auf der Burg in den Jahren 1936 bis 1945, geschürt durch die neuen Platzherren, der britischen Rheinarmee.
Die folgenden 50 Jahre der belgischen Verwaltung werden in einem kurzen Kapitel abgehandelt. Knapp, aber korrekt und neutral, wird der Kontakt zur Bevölkerung beschrieben, der sicher nicht einfach und von vielen Reibungspunkten geprägt war. Aber es werden auch die vielen positiven Aspekte beschrieben: Aktive Sozialarbeit, Tage der offenen Tür bei hohem Interesse der Bevölkerung und die abschließende Feststellung, dass bis zur Aufgabe des Truppenübungsplatzes im Jahr 2005 nur Soldaten auf dem Gelände übten, die als Auftrag die Sicherung der Demokratie in ihren Ländern hatten.
Auch der Bundeswehr, die mit dem so genannten Deutschen Militärischen Vertreter in den Jahren 1997 bis 2005 nur ein kurzes Gastspiel auf dem Truppenübungsplatz Vogelsang gab, wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Neben den Aufgaben der Vertretung werden die wichtigsten Ereignisse in dieser Zeit genannt. Dabei wird herausragend die Zusammenarbeit mit der belgischen Kommandantur und die Vorbereitung der Konversion zum Nationalpark Eifel erwähnt. Und wer genau hinschaut, kann auf der Seite 58 im unteren Bild den Autor mit einem Leistungskurs Geschichte auf einem seiner häufigen Besuche auf der ehemaligen Ordensburg Vogelsang erkennen.
Abgerundet - und damit aktuell auf dem neuesten Stand – folgt ein Ausblick auf die schon begonnene Zukunft des ehemaligen Truppenübungsplatzes und der Ordensburg. Nachdem schon einige Seiten vorher die gigantischen Ausmaße der Ordensburg genannt wurden (allein fast 11 km Dachrinne), wird nun die Rechnung aufgemacht.
Mahnende Worte zum Schluss zeigen auf, dass es Sinn macht, dieses Bauwerk zu erhalten, aber dass man auch verantwortungsvoll mit der Vergangenheit dieser Ordensburg umgehen muss.
Dem Autor Hans-Dieter Arntz ist es hier gelungen, fast 75 Jahre Geschichte auf engstem Raum zu konzentrieren. Die knappe Information wird dabei weder trocken noch einseitig vermittelt. Vom Preis-Leistungsverhältnis, der Wissensvermittlung und einen trotz ernsten Themas nicht abzustreitendem Unterhaltungswert eine runde Sache!
Wer Appetit auf mehr zur Geschichte der Ordensburg Vogelsang bekommen hat, der sollte sich das erste, überarbeitete und neu aufgelegte Werk von Hans-Dieter Arntz nicht vorenthalten: „Ordensburg Vogelsang 1934-1945. – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich“. Hier werden vor allem der ideologische Hintergrund, die geplanten Ausbildungswege und die Bauausführung beschrieben. Beide Bücher ergänzen sich sehr gut, ohne dabei redundant zu erscheinen.
Hans-Dieter Arntz Ordensburg Vogelsang – Im Wandel der Zeiten, Aachen 2007
Das ungewöhnlich preiswerte Buch ist im guten Buchhandel, aber auch online zu erwerben. Es ist als Kurzfassung des Standardwerkes Ordensburg Vogelsang 1934-1945 – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich zu verstehen. Aufgrund der vielseitigen Nachfrage sei auf folgende Informationen hingewiesen:
Arntz, Hans-Dieter: Ordensburg Vogelsang – Im Wandel der Zeiten, 64 Seiten, 60 Abbildungen, fest gebunden, ISBN 978-3-938208-5