5.) Iversheim und Münstereifel: Von den Nöthener Tannen rollen die Panzerwagen nach Münstereifel

 

Der ehemalige Oberstudiendirektor Martin Schumacher schildert den Einmarsch der Amerikaner am 7. März 1945 – US-Arzt unterstützt Hebamme in Iversheim

Kriegsende 1945:
Eine 7teilige Serie des „Euskirchener Wochenspiegels“ von Hans-Dieter Arntz (24.02.-14.04.2010)

Auszüge aus dem Dokumentationsband von H.-D. Arntz KRIEGSENDE – Durch die Voreifel zum Rhein,
 Helios-Verlag Aachen 2007, ISBN 978-3-938208-61-8

 

Kriegsende Serie 05

 

Ein regionalhistorisch bedeutsames Dokument befindet sich heute in Bad Münstereifel, im Nachlass des 1969 verstorbenen Oberstudiendirektors Martin Schumacher.

Jahrzehntelang führte der ehemalige Leiter des St.-Michael-Gymnasiums und spätere FDP-Nestor der Kurstadt ein Tagebuch, das die wissenschaftliche Qualifikation des Historikers und Philologen beweist. Am 7. März 1945 schreibt er u.a.:

„Mittwoch. Es hält einen nicht im Bette. Man spürt es, ein schwerer Tag steht Münstereifel bevor. Alle Soldaten sind fort. In der Stadt eine unheimliche Ruhe. Von den Nöthener Tannen rollen Panzerwagen herun­ter. Ich eile in die Schule und dann ins Archivzimmer, um Ausschau zu halten. Da - an der Ecke Schulte und gegenüber: eins, zwei, drei, vier amerikanische Soldaten mit schussbereitem Gewehr in der Hand. Es ist 9.30 Uhr. Bald rollen der erste, zweite, dritte und immer mehr Pan­zerwagen heran. Bald zeigen sich auf den Straßen die ersten Zivilis­ten, immer mehr finden sich zusam­men. Ruhig, gefasst und froh, dass das Schlimmste nicht eingetreten ist (...). Zwei amerikanische Offiziere verlassen ihren Wagen, gehen in die Jesuitenkirche, nehmen aber beim Eintreten ins Gotteshaus den Helm ab; die Leute stellen es mit Freude fest. Die Panzerspitzen der Ame­rikaner fahren die Werther Straße herunter. - Gegen 3 Uhr nachmit­tags klopft jemand an meine Tür. Ein amerikanischer Feldwebel!(....)
'Sind Sie der Direktor der Schule?' - 'Jawohl.' Vorsichtig mustert er mich, vorsichtig schaut er sich nach allen Seiten um. Meiner Aufforde­rung, Platz zu nehmen, kommt er nicht nach. Er fordert mich auf, in der Schule die Türen zu öffnen. Wir gehen zur Schule. Ein zweiter Ame­rikaner (Walter) gesellt sich hinzu. In die Aula. Alle Betten werden nach Pistolen durchsucht. Dann in die Lehrerbücherei. Im Vorhof stellen sie die Waffen des Volkssturmes fest. In der Lehrerbücherei selber mus­tern sie fachmännisch die Bücher. 'Glänzend, phänomenal, herrliche Bücher!'

(...) 5.30 Uhr nachmittags. Noch immer rollen amerikanische Panzerwagen, Kanonen, Maschinengewehre usw. von der Nöthener Straße durch die Werther Straße rechtsab ins Schleid­tal zum Ahrtal. Überall in den Stra­ßen amerikanische Soldaten. Wo gestern noch deutsche Soldaten den Verkehr regelten, stehen heute Ame­rikaner, als wenn es schon immer so gewesen wäre. Geschäftig eilen die Zivilisten durch die schlammigen Straßen; denn in den Geschäften werden Lebensmittel, die der Gros­sist Monheim unten im Badehof noch gelagert hatte, ohne Karten verkauft. Die Zivilbevölkerung darf nur in den Stunden von morgens 8-10 Uhr und nachmittags von 4-5.30 Uhr auf den Straßen sein. Einer von den 'Gewaltigen unten' hat schon das Gesetz von Schuld und Sühne erfahren. Amerikanische Soldaten haben die Wohnung des (...) ausge­plündert und alles zertrümmert, wie er es im November 1938 in den Ju­denhäusern getan hatte. Der Tag geht zur Neige. Man kann es noch nicht fassen. Flieger über uns, Kanonendonner in der Ferne: Al­les lässt einen ruhig. Überstanden!! Welch ein Gefühl, sich ruhig wieder ins Bett legen zu können.“

Am gleichen Tage marschieren die amerikanischen Truppen auch in Iversheim ein. Kurz zuvor hatten zurückweichende Pioniere noch die Erftbrücke gesprengt. Unmittelbar danach hängten die Dorfbewohner weiße Bettücher aus den Fenstern.

Das Buch KRIEGSENDE – Durch die Voreifel zum Rhein erinnert an eine sehr persönliche Geschichte.

Am Abend des 7. März 1945 begannen bei Barbara Pütz geb. Rang die Wehen. Im Haus 5 von Iversheim hatte man anderes zu tun, als sich um den Einmarsch der meist schwarzen Besatzungssoldaten zu kümmern. Ihr Ehemann, Malermei­ster Kaspar Pütz, befand sich im Felde und konnte seiner Frau in den schwe­ren Stunden nicht beistehen. Trotz der Hektik, in der das Dorf eingenommen wurde, verhielten sich die Amerikaner sehr korrekt. Als bei Barbara Pütz die Wehen am Morgen des 8. März in kür­zeren Abständen auftraten, holten die Nachbarn die ortsansässige Hebamme, Frau Decker aus der „Unteren Gasse". Die Geburt schien kompliziert zu werden, so dass ein farbiger Arzt hin­zugezogen werden musste. Der letzte deutsche Arzt war kurz vorher verun­glückt.

Mit gemeinsamer Anstrengung hal­fen die deutsche Hebamme und der amerikanische Arzt einem Mädchen, Roswitha Margareta, um 19.20 Uhr das Licht der Welt zu erblicken. Wegen der wirren Zeiten wurde die Geburt bei Bürgermeister und Lehrer Peter Thömmes erst 15 Tage später amtlich beglaubigt.

Doch in dieser Zeit hatten sich die bürokratischen Zustände geändert. Mit einem Taschenmesser wurde das obli­gatorische Hakenkreuz aus dem Amts­siegel entfernt, wobei der Stempel recht deutlich beschädigt wurde. Bür­germeister Thömmes war so aufgeregt, dass er irrtümlich den Mädchennamen der Mutter („Rang") in das Familien­buch eintrug. Dies musste dann am 19. Mai 1945 offiziell vom Münstereifeler Standesbeamten Nuß in „Pütz" geän­dert werden. Jetzt hatte alles wieder seine Richtigkeit.

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