Die Amis sind da! Die in Schutt und Asche liegende Kreisstadt Euskirchen wird am 5. März 1945 von den amerikanischen Streitkräften besetzt. Peter Schiffer, damals der letzte Fahrdienstleiter des Euskirchener Bahnhofs, erinnert sich an jenen Tag, an dem er von den GIs verhaftet wurde.
„Man führte uns in die damalige Postgarage Gansweide, wo im Laufe der nächsten zwei Stunden etwa 50 weitere Männer zusammenkamen. Meist waren es ältere Leute. Dann mussten wir auf der Walramstraße in Dreierreihe antreten. Unser Abmarsch ging in Richtung Kolpingstraße, Weststraße, Frauenberger Straße - über unzählige Bombentrichter. Anfangs befand ich mich mitten in der Gruppe, doch war es mein Ziel, unauffällig zum Ende zu kommen. Bei jedem Trichter machte ich einen kleinen Umweg und fiel dadurch immer etwas zurück. Doch die amerikanischen Soldaten stießen mich unsanft zurück.
Am Friedhof auf der Frauenberger Straße war es mir gelungen, linker Flügelmann in der letzten Dreierreihe zu sein. Hinter uns ging nur noch ein einzelner Euskirchener, dessen Stelle ich unbedingt einnehmen wollte. Da nun aber kein Bombentrichter zu sehen war, riss ich mir schnell meinen Schuhriemen auf und band ihn wieder. Sofort bemerkte ich, dass drei Maschinenpistolen auf mich angelegt wurden. Ich sprang auf, versuchte offensichtlich den Vorsprung der anderen aufzuholen - und kam als letzter an die Gruppe heran. Mehr wollte ich gar nicht.
Wieder in Freiheit
Auf halber Strecke in Richtung Frauenberg begegneten uns vier Jeeps. Ein hoher Offizier gab unseren Bewachern den Auftrag, uns in Richtung Elsig marschieren zu lassen. Zehn Männer mit weißem Haar oder Glatze, die also schon einen betagten Eindruck machten, sollten jedoch nach Hause geschickt werden. Unbemerkt konnte ich mich zu dieser Gruppe durcharbeiten und gewann meine Freiheit wieder - obwohl ich doch erst 44 Jahre alt war. Wir banden uns weiße Taschentücher um den Arm, da schon wieder amerikanische Panzer auffuhren und marschierten glücklich nach Euskirchen zurück!"
In Schutt und Asche
Der Dokumentationsband KRIEGSENDE – Durch die Voreifel zum Rhein berichtet über den Zustand von Euskirchen: Die Stadt war zu 80 Prozent zerstört. Von den 2400 Gebäuden hatten nur 170 den Krieg ohne Schäden überstanden. 530 Häuser lagen am Boden, 380 mussten abgebrochen werden, 400 waren zur Hälfte zerstört. Alle übrigen Gebäude wiesen größere oder kleinere Schäden auf. Annähernd 10 000 Sprengbomben und über 40 000 Brandbomben hatten Euskirchen in einem Ausmaß zerstört, wie es die Geschichte dieser Stadt nicht aufzuweisen hat. Die Amerikaner durchsuchten in den ersten Tagen jeden Keller. Ließ sich eine Tür nicht mühelos öffnen, half die Pistole nach. Gefundene Weinvorräte veranlassten kleine Siegesfeiern.
Bonbons für die Kinder
Aus dem Cafe Kramer schleppten sie einen Flügel auf die Straße und spielten zum Tanz auf. Im Keller eines Großhändlers fanden sie einige Zentner Bonbons. Sie packten die Süßigkeiten auf einen Jeep und stellten an jede Straßenkreuzung ein Glas mit Bonbons auf. Das war eine süße Überraschung für die entwöhnten Euskirchener, die sich in jenen Tagen vielfach aus den Abfalleimern der Amerikaner Brot und Konservendosen holten, um etwas Essbares zu haben.