4.) Oberelvenich (Zülpich): Fünf Jugendliche wollen die Amis aufhalten – und bezahlen mit ihrem Leben

 

2./3. März: Niederelvenich wird von den Amerikanern überrollt – Wilhelm Falkenberg, ein Bauer, wird zum Bürgermeister ernannt – 2 Stunden Ausgehzeit

Kriegsende 1945:
Eine 7teilige Serie des „Euskirchener Wochenspiegels“ von Hans-Dieter Arntz (24.02.-14.04.2010)

Auszüge aus dem Dokumentationsband von H.-D. Arntz KRIEGSENDE – Durch die Voreifel zum Rhein,
 Helios-Verlag Aachen 2007, ISBN 978-3-938208-61-8

 

Kriegsende Serie 04

 

Noch in den letzten Kriegstagen wurde in der Voreifel erbittert Widerstand geleistet. Christine Pelzer geb. Falkenberg aus Niederelvenich teilte dem Chronisten mit, dass etwa fünf Jugendliche - mit Panzerfäusten bewaffnet - zwei Tage lang die Feinde vor Rövenich- Siechhaus aufgehalten hätten. Darauf­hin wurde Rövenich mit einem Bom­benteppich belegt. Die fünf jungen Männer kamen dabei ums Leben.

Jetzt erst konnten die Amerikaner einrücken. Lichterloh brannten die Feldscheunen und Fruchtschober, die man im Herbst wegen der Tiefflieger nicht mehr hatte ausdreschen können.

Am 2. März wurden die Dörfer Ober­elvenich, Niederelvenich und Mül­heim-Wichterich von feindlicher Artil­lerie unter Beschuss genommen. Dabei spielten sich noch einige Tragödien ab. So wurden z. B. in Wichterich 5 deutsche Soldaten, die wegen der Aussichtslosigkeit nicht mehr weiterkämpfen wollten, von fanatischen Angehörigen spezieller Kommandos in einem Eisenbahn-Waggon eingesperrt, ohne jegliche Nahrung. Von der Be­völkerung wurden diese Männer jedoch durch einen schmalen Spalt mit Lebensmit­teln versorgt. Wenige Stunden vor Ein­treffen der Amerikaner wurden sie von dem Sonderkommando erschossen. Sämtliche Papiere und die Erkennungsmarken waren ihnen abgenommen worden, so dass die fünf Männer heute noch in Wichterich als unbekannte Soldaten auf dem Friedhof ruhen.

Ein weiterer Fall, der die Dorfbevöl­kerung erschütterte: Eine Mutter war mit ihren drei Töchtern aus dem Dürener Raum zu ihrer Tochter nach Mülheim- Wichterich geflohen. Ihr Mann und der einzige Sohn waren gefallen. In Mül­heim-Wichterich verlor sie dann durch eine einschlagende Granate auch noch die 3 Töchter. Ein Zivilist, der nach Wichterich zum Bäcker wollte, wurde auf diesem Wege ebenfalls durch eine Granate tödlich getroffen.

In der Nacht zum 3. März 1945 ging niemand zu Bett. Die Bewohner der genannten Dörfer saßen in ihren Kel­lern und warteten voller Angst das Ge­schehen ab. Christine Pelzer geb. Falkenberg berichtet weiter:

„Die Straßen waren voll von feind­lichen Soldaten, die, das Gewehr im Anschlag haltend, in die Häuser eindrangen. Mit erhobenen Händen mussten die Zivilisten aus ihren Kellern herauskommen. Man trieb alle Menschen in ein Haus bzw. ein Gehöft und untersuchte jeden nach Waffen oder sonstigen verbotenen Gegenständen. Alles spielte sich im Dunkeln ab, da das Stromnetz durch Bomben und Beschuss unterbrochen war. Ein Dolmetscher wies darauf hin, dass tagsüber eine Ausgehsperre verhängt würde.

Da ich in der Schule Englisch gelernt hatte, musste ich künftig als Dolmetscherin fungieren. Mein Vater, Wilhelm Fal­kenberg, von Beruf Bauer, wurde von den Amerikanern unverzüglich zum Bürgermeister von Niederelve­nich ernannt und führte ab dem 12. März 1945 die 'Dienstgeschäfte'. Aufgrund einer handgeschriebenen ,Permission 'durfte er im Radius von 6 km tätig sein!"

Die Ausgehzeit beschränkte sich lediglich auf je eine Stunde am Mor­gen und am Abend. Nur in diesen zwei Stunden pro Tag durfte das Haus verlassen werden. In der kurzen Zeit musste der Tagesbedarf an Nahrung für Mensch und Vieh herbeigeschafft werden. Es funktionierte keine Was­serleitung mehr. Das Vieh wurde zum Bach getrieben, während die Bevöl­kerung sich um den einzigen im Dorf befindlichen Brunnen versammelte, um in der kurzen zur Verfügung ste­henden Zeit die nötige Wassermenge heraufzuholen. Es gab keine Lebens­mittel mehr zu kaufen. Die Landwirte mussten ihre Produkte (Milch, Eier, Butter, selbstgeschrotetes Korn) mit der anderen Bevölkerung teilen. Dennoch: eine große, zufriedene Gemeinschaft! Jeder freute sich und war glücklich darüber, dass nun alles vorbei war.

Die bei den Landwirten tätigen Kriegsgefangenen wurden jedoch aufsässig und woll­ten ihre Arbeit nicht mehr verrichten. Wiederholt drang man in einige Häu­ser ein und holte sich das heraus, was man brauchen konnte. Dem machten die Amerikaner schnell ein Ende, und die Gefangenen mussten ihr Diebesgut wieder zurückbringen. In dem Buch KRIEGSENDE – Durch die Voreifel zum Rhein setzt die heute noch in Niederelvenich wohnende Christine Pelzer geb. Falkenberg ihren Bericht fort:

„Neben den 'offiziellen Institutionen´ - repräsentiert durch Bürger­meister und Dorfpolizist - richteten die Amerikaner in jedem Ort eine Kommandantur ein, die von ihnen besetzt war. Sämtliche Genehmi­gungen, z. B. in einem anderen Dorf eine Besorgung zu machen, mussten hier eingeholt werden. Ein kleines Begleitpapier ebnete dann den Weg. Im Übrigen erwiesen sich die Besat­zungstruppen als sehr hilfsbereit. So wurde ein damals 20jähriges Mäd­chen, das an Diphtherie erkrankt war, von ihnen ärztlich betreut und sogar in das damalige Ausweich­krankenhaus nach Burg Kirspenich gebracht. Ältere Leute achtete man besonders. So halfen die amerika­nischen Soldaten z. B. einer alten Frau beim Wasserschleppen. Hin und wieder wurde ein Päckchen Zigaretten oder Bohnenkaffee un­auffällig zugeschoben - Werte, von denen man damals nur träumen konnte! Infolge der Ausgehsperre und des mangelnden Saatgutes konnte die Frühjahrs-Feldbestel­lung nur notdürftig erfolgen."


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