In jeder jüdischen Gemeinde findet man Vereine und auch Institutionen der Wohlfahrtspflege, die sich um die Sterbenden bzw. Toten kümmern. Hierfür gibt es Männervereine für jüdische Männer und Frauenvereine für die weiblichen Gemeindemitglieder. Sie betrachten es als ihre heilige Pflicht, dem Sterbenden in seiner letzten Augenblicken beizustehen und die einfachen, aber in ihrer Schlichtheit bedeutsamen feierlichen Handlungen zu vollziehen, die sich aus frühester Zeit durch die Jahrhunderte bis heute erhalten haben. Diese Männer und Frauen bereiten den Hingeschiedenen für seinen letzten Gang vor, so dass sich die Familie nicht darum kümmern, noch darum sorgen muss. Das ist das Werk dieser frommen Vereine, die seit je dafür zuständig sind und denn auch den wohlverdienten Namen Chewra Kadischa führen, übersetzt ungefähr die »Heilige Vereinigung«, offizieller jedoch als »Beerdigungsbruderschaft«. In der Geschichte und in der Gemeinde sind sie im Allgemeinen unter dem Namen Gemilut Chessed, Gemilut Chassadim oder Gemilut Chessed ve-Emet eingetragen.
Der Niederländer S.Ph. De Vries entschlüsselte in seinem bemerkenswerten Buch Jüdische Riten und Symbole den jüdischen Glauben und dessen Ausübung. 48 Jahre lang war er Rabbiner der Gemeinde Haarlem und ein guter Bekannter des aus Euskirchen-Flamersheim stammenden Josef Weiss. Beide Männer waren auch in Bergen-Belsen. Während aber der letzte Judenälteste dieses Konzentrationslager überlebte, verstarb De Vries dort schon im Frühjahr 1944. Sein Buch wurzelt tief in der jüdisch-orthodoxen Überlieferung und trägt noch heute viel zum Verständnis zwischen Juden und Nichtjuden bei. So sind seine Ausführungen auch zum Verständnis des vorliegenden Beitrags von Bedeutung.
Die in Oberwinter lebende 19jährigen Marie-Christine Metternich, Abiturientin am Nicolaus-Cusanus-Gymnasium in Bonn-Bad Godesberg - mit dem Studienwunsch: Archäologie im Bereich des Denkmalschutzes – verfasste im Frühjahr 2010 eine englische Facharbeit - im Fach Geschichte bilingual - mit der Überschrift „The Chevra Kadischa of Remagen“. In ihrer Introduction erklärt sie, warum sie sich dieses seltenen und regionalhistorischen Themas angenommen hat:
I chose this topic, because when my mother told me about it some time ago, it directly kept my attention and I wanted to find out more about it. Furthermore, it attracted me to write about a regional topic and because I was interested in searching the archives for material .
I was delighted by the idea of writing about a theme where there are no written secondary sources available in our time and that connects Jews not with the historical topic of the Holocaust or Shoah, which is of course always especially about Jewish people dying, but with another, completely different topic, which is about the way of life of Jews in Germany.
In my essay, I am trying to point out what made the Chevra Kadischa of Remagen to such a special one, which differs from other Chevrot Kadischa (plural) which in those days, around 19th-20th century existed or even still exist at many places in several different countries not only in Germany.
The story of the Chevra Kadischa is especially interesting, as it was forgotten about for quite some time and even the archivist in Remagen did not know anything about it, until some years ago, when my mother discovered several articles in old newspapers, which attest that there must have been a Chevra Kadischa in Remagen.
During my research, I found out that the Chevra Kadischa of Remagen was not just a usual burial society, as it changed its purpose several times and became a socio-political important organisation.
The research for this Facharbeit was not one of the easy kind. Although I already had several material about it, it did not deliver the information I expected or I would have liked to have, as most sources where just newspaper-articles. Another difficulty was, that almost all of the sources I used were in German and had to be translated.
Der orthodoxe Rabbiner De Vries sieht in einer Chewra Kadischa: Wohltätigkeit ausüben, uneigennützige Liebesdienste erweisen. Denn, so werden sie begründet, die dem Sterbenden oder Verstorbenen erwiesenen Dienste sind Akte der Nächstenliebe, für die sie keinen Lohn erwarten können. Wer sie empfängt, kann sie nicht mehr belohnen. Und wer dieseMizwa erfüllt, kann nichts anderes gewinnen, als das befriedigende Gefühl einer erfüllten Pflicht. Der vollbrachten Tat. Der höchsten und edelsten Tat! De Vries ergänzt:
Auf seinem Sterbebett erbat sich der Stammvater Jakob diesen Liebesbeweis von seinem Sohn Joseph. Denn das meinte er, als er im Zusammenhang mit seinem Begräbnis um Chessed ve-Emet bat, um »Hingebung und Aufrichtigkeit«, zwei Worte, die zusammengehören (Raschis Kommentar zu 1. Mose 47, 29). Von diesem Gedanken der aufrichtigen Nächstenliebe leitet die Chewra Kadischa ihren Sinn und ihre Berufung her. Ihre aktiven Mitglieder sind nicht nur Schriftgelehrte oder geistige Führer. Außerdem bilden diese Verbände keinen eigenen Orden mit landesweiten Querverbindungen. Ihr Betätigungsbereich geht nicht über ihre Gemeinde hinaus. Ihre Mitglieder stammen aus allen Ständen, allen Berufs- und Wirtschaftszweigen, die es innerhalb der jüdischen Bevölkerung gibt. Sie werden allein von der Mizwa beseelt, sie ist ihr Ansporn, und sie stellen sich in ihre Dienste, wenn die Pflicht sie ruft. Selbst in der kleinsten Gemeinde gibt es Diener und Dienerinnen für dieses Liebeswerk. Wegen der geringen Mitgliederzahl ist man dort auch stärker aufeinander angewiesen. In den größeren Gemeinden wurden dagegen schon allmählich feste Angestellte für die unmittelbare Hilfe und bestimmte Dienstleistungen der Wohlfahrtspflege ernannt. So gibt es zum Beispiel Wächter und Wächterinnen, die die irdische Hülle des Verstorbenen von seinem Tod bis zur Beerdigung hüten. Dabei wechseln sie sich ab, im Auftrag und entsprechend den Regeln der frommen Einrichtung, die ja den Familienangehörigen die Sorge für alle Formalitäten abgenommen und sich selbst aufgebürdet hat. In sehr großen Gemeinden ist das nicht mehr ausschließlich Sache nur dieser Einrichtung. In vielen größeren und auch kleineren Gemeinden ist dieser Einrichtung auch eine Bestattungsvereinigung angeschlossen, die die Beerdigungskosten aus den Mitgliedsbeiträgen deckt. Sie ist es denn auch, der die Organisation dieses Liebesdienstes übertragen wurde. Und innerhalb dieser Beerdigungs-vereinigung wird er in der überlieferten Form wahrgenommen. Noch immer führt die Chewra Kadischa in den jüdischen Gemeinden ihr uneigennütziges, segensreiches Werk aus. Es beginnt dort, wo der Tod seinen Schatten wirft. Dann bringt sie das tröstliche Licht ihres Beistands.
Wie fast überall, wo Juden wohnten und noch wohnen, gab es auch in Remagen eine „Chewra Kadischa“. Hier sind Juden seit dem 14. Jahrhundert bekannt, und ihre Geschichte ist über viele Jahrhunderte gekennzeichnet von Unterdrückung und sozialer Benachteiligung, besonders der Zugang zu den Handwerksberufen wurde ihnen lange Zeit verwehrt.
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Chewra Kadischa: Der heilige Verein der Remagener Juden
Übersetzte Auszüge der englischen Facharbeit im Fach Geschichte bilingual
von Marie-Christine Metternich
Die Ursprünge der Remagener Chewra liegen im Dunkeln. Am besten dokumentiert ist die Zeit der späten 70er Jahre des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Am 6. Juni 1887 meldete die jüdische Zeitschrift Der Israelit (1) das 50jährige Jubiläum des „hiesigen israelitischen Wohlfahrtsvereins“ und meldete Erfolge bei der Hebung des Bildungsniveaus und der sozialen Verhältnisse der Juden. Die Remagener Chewra war der 1. jüdische Verein der Region, der sich auch um die Ausbildung jüdischer Kinder zu Handwerkern bemühte. Zum Jubiläum fanden ein Festgottesdienst und eine Generalversammlung in der Remagener Synagoge statt, bei der man in Anwesenheit von Rabbiner Dr. Wedell aus Düsseldorf der toten Mitglieder gedachte. Im Anschluss wurde ein Festmahl abgehalten.
1888 wurde der Name des Vereins abgeändert in „Verein zur Hebung und Verbesserung der sozialen Lage der Juden“ unter diesem Namen wurde zum 1. Mal ein Geschäftsbericht vorgelegt (2). Die Namensänderung sollte auch nach außen dokumentieren, dass man vom Image des reinen Wohltätigkeitsvereins wegwollte und die Stärkung der jüdischen Selbsthilfe durch bessere Bildungs- und Berufsmöglichkeiten im Vordergrund stand. Die Förderung des Handwerks wird in die neuen Statuten erstmals als Hauptzweck aufgenommen. Da durch die zunehmende Landflucht der Juden diejenigen, die in den Dörfern und Kleinstädten zurück blieben, weiter isoliert wurden, war ein weiterer Zweck des Vereins, der im Geschäftsbericht aufgeführt wurde, „das Band der religiösen Gemeinschaft aufrecht (zu) erhalten und zwar durch Veranstaltungen von populären Vorträgen über jüdische Wissenschaft“. Auswärtige Mitglieder wurden satzungsgemäß gleichgestellt, um dem Verein die Möglichkeit zur Expansion zu geben.
Im Geschäftsbericht 1889 wird ein außerordentlicher Zuwachs an Mitgliedern verzeichnet, von denen viele aus Landgemeinden stammen. Diese positive Entwicklung wird auf die Vorträge über jüdische Wissenschaft und Erfolge bei der Förderung des Handwerks zurück geführt. Zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls wird das Chanukka (Lichter-)fest vom Verein in der Synagoge mit einem Abendgottesdienst gefeiert, bei dem der Kinderchor der Synagogengemeinde singt und Rabbiner Dr. Cohn aus Bonn einen Vortrag über „Moses Mendelssohn – Eine Leuchte des Judentums“ hält. Im Anschluss daran findet ein Festessen mit Gästen von Nah und Fern statt (3/4). Bei der Generalversammlung im Jahr 1892 hielt Rabbiner Dr. Cohn aus Bonn die Gedächtnisrede auf das Ehrenmitglied, den zuvor verstorbenen Rabbiner Dr. Wedell aus Düsseldorf. Der jüdische Lehrer Mannheimer trug mit seinen Schulkindern zu diesem Anlass Lieder vor.
Im Geschäftsbericht für 1894 wird besonders darauf hingewiesen, dass eine „hohe, gesetzgebende Körperschaft“ sich anschickt, den Hausier- und Viehhandel einzuschränken, von dem sich besonders viele Juden ernähren. Hierdurch erhielt der Zweck des Vereins, jungen Juden eine Berufsausbildung zu ermöglichen, noch einmal eine besondere Bedeutung (5). 1895 hielt Rechtsanwalt Gottschalk aus Köln in Bad Neuenahr (6) einen Vortrag über Dr. Gabriel Rießer und nebenbei erfahren wir, dass Abraham Cahn nun seit 25 Jahren Vorsitzender ist. Im Geschäftsbericht für dieses Jahr werden die Ausgaben für die Ausbildung, die aus Mitgliedsbeiträgen finanziert werden, mit ca. 800 Mark angegeben (7).
Am 9. Juni 1898 hält Rabbiner Dr. Rosenthal aus Köln im Hotel Victoriaberg in Remagen einen Vortrag über die Frau im Judentum (8) und Moritz Fassbender, der jetzt als Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Handwerks unter den Juden in Remagen zeichnet, sucht mit einer Zeitungsanzeige eine Stelle für einen Küfer. Vermutlich handelt es sich hierbei um einen von der Chewra ausgebildeten Jungen (9).
1901 veröffentlicht die Chewra einen Nachruf auf ihr verstorbenes Ehrenmitglied Rabbiner Dr. F. Cohn aus Bonn (10) und am 22.06.1902 findet im „Hof von Holland“ eine General-Versammlung der „Chebroh Kadischoh“ statt, bei der durch den neuen Rabbiner Dr. Rülf aus Bonn der verstorbenen Mitglieder gedacht wird. Bei dieser Versammlung wird die Beantragung der Eintragung des Vereins im Vereinsregister beschlossen. Außerdem will man Werbung bei den jüdischen Gemeinden im Regierungsbezirk Koblenz machen (11), damit sie ausbildungswillige Jugendliche melden.
1903 (12)wird erwähnt, dass der Geschäftsbericht der „Chebroh Kadischoh – Verein zur Hebung und Verbesserung der sozialen Lage der Juden, gegründet 1837“, erschienen ist. Weiter heißt es dort: „Derselbe sucht Knaben und Mädchen von jüdischen unbemittelten Eltern, welche Lust und Fähigkeit für ein Handwerk oder für technische sowie für landwirtschaftliche Berufsarten besitzen, um dieselben ein solches erlernen zu lassen, bzw. deren Eltern oder Vormünder zu diesem Zweck mit Rat und Geldmitteln zu unterstützen.“ Der Vorstand bestand aus den Herren Moritz Fassbender Remagen (Vorsitzender), A. J. Wolf, Remagen (Stellvertreter), Abraham Gottschalk, Ahrweiler, Daniel Wallach und Hermann Hirsch, Linz sowie S. Sander aus Erpel. Man bittet außerdem um die Meldung von jüdischen Handwerkern, die bereit sind, jüdische Lehrlinge während der Ausbildung ihren religiösen Pflichten nachkommen zu lassen.
Zum 70jährigen Stiftungsfest im Jahr 1907 spricht Rabbiner Dr. Kalischer aus Bonn und hebt hervor, dass sich die Chewra von einer religiösen Vereinigung zu einer sozialpolitisch bedeutsamen Organisation entwickelt habe und mit ihrem Engagement nicht mehr nur für die kleinen Gemeinden des Rheinlands eine Bedeutung für die Verbesserung der sozialen Lage aller Juden erreicht habe (13).
Für das Jahr 1913 ist uns ein kompletter Geschäftsbericht erhalten geblieben (14). Zu diesem Zeitpunkt schrieb sich der Verein „Chebroh Kadischoh Verein zur Förderung des Handwerks unter den Juden“ mit dem Zusatz „eingetragener Verein, Sitz: Remagen“. In diesem Jahr wurde ein Darlehensfonds gegründet, der die jungen Handwerker bei der Existenzgründung unterstützen sollte.
Im Jahr 1927 feierte die „Chebroh-Kadischoh – Verein zur Förderung des Handwerks und der technischen Berufe unter den Juden“ bei einer General-Versammlung am 16. Juni ihr 90jähriges Bestehen (15). Rabbiner Dr. Levy aus Bonn gab die Zusage, die Festrede zu übernehmen (16). Die Feier begann mit einer Gedächtnisansprache von Lehrer Würzburger aus Linz für die verstorbenen Gründer und Förderer und Rabbiner Dr. Levy hielt eine Ansprache über die Vereinschronik. Da Moritz Fassbender aus Altersgründen zurücktrat, wurde sein bisheriger Stellvertreter, Carl Hirsch aus Sinzig zum Vorsitzenden gewählt (17).
Aus dem Jahr 1934 stammt die letzte erhaltene Quelle: ein Nachruf der Chebroh Kadischoh Remagen auf ihren langjährigen Vorsitzenden und Ehrenvorsitzenden Moritz Fassbender und auf das Vorstandsmitglied Rabbiner Dr. Alfred Levy aus Bonn (18).
Mitgliedschaft und Mitgliederentwicklung:
Mitgliederzahlen stehen für die Anfangszeit gar nicht und später nur für wenige Jahre zur Verfügung, es wird jedoch deutlich, dass der Verein weit mehr Mitglieder hatte, als jemals Juden in Remagen gewohnt haben. Die statistisch belegte höchste Zahl der Juden in Remagen (mit Oberwinter und Bad Bodendorf) betrug 64 Personen im Jahr 1863 (19), 1889 nimmt der Verein 65 neue Mitglieder auf (20) und 1892 werden zum ersten Mal Zahlen genannt: der Verein hat 219 Mitglieder (21). Die meisten kamen aus der näheren Umgebung (z.B. von der Ahr, aus Andernach, aus Bonn, Köln und Unkel). Jedoch fällt auf, dass auch viele Mitglieder weit weg wohnten, selbst in Sevilla gab es ein Mitglied, was die überregionale Bedeutung, die sich die Vereinigung erworben hatte, unterstreicht.
Ausbildung von Lehrlingen:
Für 1891/92 wird erstmals mitgeteilt, dass 2 Knaben und 2 Mädchen auf Kosten des Vereins erzogen und ausgebildet wurden (22).1913 waren es 2 Näherinnen, 3 Schuhmacher, 2 Bäcker, 1 Gärtner, 2 Metzger (23). Damit ist von 1891 (4 Lehrlinge) bis 1913 (10 Lehrlinge) eine deutliche Steigerung der Aktivität feststellbar.
Die bekannten Vorsitzenden:
Der erste Vorsitzende war vermutlich Salomon Cahn, geboren am 28. März 1813 in Remagen als Sohn von Gottfried Cahn. Er war das älteste von 8 Kindern und heiratete Sybilla Gottschalk aus Thür. Sie hatten 9 Kinder. Er handelte mit Landesprodukten und war Lieferant des Kölner Proviantamtes. Er war zudem Mitglied der „St. Sebastianus-Schützenbruderschaft“ und nahm als solches auch an der jährlichen „Corpus-Christi“ Prozession teil. Er starb am 15. Mai 1886 und wurde auf dem alten jüdischen Friedhof in Remagen beerdigt.
Er wirkte aktiv am Wandel von einer Beerdigungsgesellschaft zu einer sozialpolitisch aktiven Vereinigung mit. Unter anderem engagierte er einen Lehrer namens Goldfinger, der die Kinder armer jüdischer Eltern unterrichtete. Außerdem ließ er die Synagoge erbauen, die 1870 eingeweiht wurde.
Abraham Cahn (geboren am 18. April 1822 in Remagen) war sein Nachfolger. Er heiratete Elise Wolf, die Ehe blieb kinderlos. Neben einer Kohlenhandlung hatte er einen Baustoffhandel und war Vorsitzender des Remagener Verschönerungsvereins. Er verstarb 1901 und ist mit seiner Frau Elise auf dem neueren jüdischen Friedhof beerdigt. Seine Grabinschrift lautet: „Hilfreich war er, edel und gut und das erhob ihn über viele“.
Es ist belegt, dass er von 1870 an Vorsitzender der Chewra war (24), 1902 veröffentlichte „Der Israelit“ seinen Nachruf (25).
Wesentlich geprägt wurde die Chewra Kadischa durch Moritz Fassbender, der am 7. März 1849 in Remagen geboren wurde. Er war mit Emma Pappenheim verheiratet, mit der er 4 Kinder hatte. Er hatte ein „Schumacherartikel und Leder-Engros-Geschäft mit Schaftenfabrikation“, das an jüdischen und christlichen Feiertagen geschlossen war und schmückte an christlichen Feiertagen, z. B. während der Prozessionen, sein Haus. Lange Zeit war er Synagogenvorsteher und Kassierer im Verschönerungsverein, Ehrenvorsitzender des Turnvereins und Fördermitglied der Feuerwehr (26).
1907, als die Chewra Kadischa ihr 70jähriges Bestehen feierte, wurde sein 25jähriger Vereinsvorsitz gefeiert (27). Für sein vielfältiges soziales Engagement unter anderem als Vorsitzender der städtischen Armenkommission wurde er 1928 vom Minister für Volkswohlfahrt ausgezeichnet (28).Er starb am 31.12.1933 und wurde unter großer Anteilnahme auf dem neuen jüdischen Friedhof in Remagen bestattet.
Sehr wenig wissen wir über Karl Hirsch, den letzten bekannten Vorsitzenden. Er wurde am 10.07.1873 in Sinzig geboren und führte die Chewra Kadischa seit 1927. Im Jahre 1938 wurde er in Sinzig beerdigt.
Weitere Nachrichten über die Chewra fehlen. Unter der zunehmenden Entrechtung und Vertreibung der deutschen Juden, die schließlich im Völkermord endete, verliert sich auch das Ende dieser Gemeinschaft im Dunkeln. Nicht einmal der Vereinsregistereintrag ist erhalten geblieben und so wurde für lange Zeit auch die Erinnerung an diese außergewöhnliche Vereinigung, die in Remagen gegründet wurde und ihren Sitz hatte, ausgelöscht.
Anmerkungen
1) Nr. 47, 1887.
2) Der Israelit Nr. 82, 1889.
3) Der Israelit Nr. 2, 1890.
4) Der Israelit Nr. 76/77 1890.
5) Allgemeine Zeitung des Judentums Nr. 24, 1895.
6) Allgemeine Zeitung des Judentums Nr. 31, 1895.
7) Der Israelit Nr. 50, 1896.
8) Der Israelit Nr. 41, 1898.
9) Der Israelit Nr. 21, 1898.
10) Allgemeine Zeitung des Judentums Nr. 11, 1901.
11) Der Israelit Nr. 52, 1902.
12) Allgemeine Zeitung des Judentums Nr. 42, 1903.
13) Frankfurter Israelitisches Familienblatt Nr. 23, 1907.
14) Geschäftsbericht für das Jahr 1913 der Chebroh Kadischoh Remagen, Leo-Baeck-Institute New York.
15) CV-Zeitung Nr. 24, 1927.
16) Der Israelit Nr. 22, 1927.
17) Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Bonn und Umgebung vom 01.08.1927
18) CV-Zeitung Nr. 9, 1934.
19) Die jüdische Gemeinde in Remagen und ihre Vernichtung, Maschinenschriftliche Ausfertigung von Rudolf Menacher, Remagen 2009.
20) Der Israelit Nr. 2, 1890.
21) Der Israelit Nr. 54, 1892.
22) Allgemeine Zeitung des Judentums Nr. 23, 1892.
23) Geschäftsbericht für das Jahr 1913 der Chebroh Kadischoh Remagen, Leo-Baeck-Institute New York.
24) Allgemeine Zeitung des Judentums Nr. 24, 1895).
25) Nr. 52, 1902.
26) Ries, Gisela: Und bin ich auch ein Israelit... Geschichte der Familie Fassbender aus Remagen.
27) Frankfurter Israelitisches Familienblatt No. 23, 1907.
28) Gemeindeblatt der Synagogengemeinde Bonn und Umgebung vom 01.08.1927.
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