Schändung des jüdischen Friedhofs von Euskirchen-Flamersheim – Anmerkungen und Fotodokumentation

von Hans-Dieter Arntz
21.05.2009

Die Schändung des jüdischen Friedhofs von Euskirchen-Flamersheim sollte zum Nachdenken anregen. Anlässlich einer Besichtigung am 16. Mai 2009 stellte ich fest, dass wohl einige Tage vorher Epitaphe besudelt und mit antisemitischen Schmierereien versehen wurden.

 

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 Da jüdische Friedhöfe meist außerhalb des Bebauungsgebietes liegen, fällt derartiges so schnell nicht auf. Aber der kurze Rasenschnitt und die ansonsten gepflegte Anlage lassen vermuten, dass sich der Vorfall erst wenige Tage vorher ereignet hat oder nicht zur Kenntnis genommen wurde. Somit sollte man vielleicht der Euskirchener Stadtverwaltung nicht voreilig Vorwürfe machen, zumal ich noch in meinen NEWS vom 3. Mai den würdigen Eindruck des zentralen Mahnmals zur Erinnerung an die jüdischen Holocaustopfer – auf der Annaturmstraße der Kreisstadt – betont hatte.


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Der Flamersheimer Judenfriedhof ist aber jetzt mindestens zum vierten Male innerhalb der letzten 80 Jahre geschändet worden. Einige Fotos sollen auf den derzeitigen Zustand hinweisen.

Am 17. November 2007 berichtete Focus online  im Zusammenhang mit „Antisemitismus“ über Schändungen jüdischer Friedhöfe in Deutschland. Unter der Überschrift „Wöchentliche Friedhofsschändung“ hieß es:

In den vergangenen fünf Jahren sind in Deutschland im Schnitt jährlich fast 50 jüdische Friedhöfe geschändet worden. Der Zentralrat der Juden forderte einen Bundesbeauftragten zur Bekämpfung von Antisemitismus. Zwischen 2002 und 2006 war es insgesamt zu 237 solcher Taten gekommen.(…) Das habe die Antwort des Bundesinnenministeriums nach einer Anfrage der Linken-Politikerin Petra Pau bekannt gegeben. Umgerechnet bedeutet das, dass es nahezu jede Woche zu einer Schändung komme. Die meisten Übergriffe gab es demnach in diesen Jahren mit 60 im Jahr 2002, vergangenes Jahr kam es zu 39 Taten. Bundesweit gibt es dem Bericht zufolge etwa 2000 jüdische Friedhöfe.

 

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Antisemitische Aktionen im eigentlichen Sinne gibt es im Kreis Euskirchen kaum. Allerdings fallen Israel-feindliche und politische Graffitis auch in der Kreisstadt gelegentlich ins Auge. Beispiele wurden in meinen NEWS vom 17. Januar 2009 gezeigt. Zwar sind Graffitis eine spezielle Form visuell wahrnehmbarer Kommunikation, aber es gibt genügend Streit darüber, ob sie eine Form der Kunst, der politischen Äußerung oder eine Art des Vandalismus sind. Das müsste im Falle Euskirchen-Flamersheim auch überlegt werden.

Im Jahre 2007 stand die Extremismus-Expertin der Unionsfraktion, Kristina Köhler, dem Vorschlag, baldigst einen „Bundesbeauftragten zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Antisemitismus“ einzusetzen, skeptisch gegenüber. In dem o.a. Focus-Beitrag hieß es:

Das würde bedeuten, dass der Verfassungsschutz nicht ausreicht“, sagte sie der Zeitung. Köhler halte zunächst eine Anhörung von Wissenschaftlern und anderen Fachleuten im Bundestag für sinnvoll. Dabei solle ausgelotet werden, wie viele Rechtextremisten und wie viele fanatisierte Muslime unter den antisemitischen Tätern sind.

Die Schmierereien in Flamersheim gehen in dieselbe Richtung. Getränkedosen an einem Kaninchenbau am Ende des jüdischen Friedhofs weisen zwar auf eine nächtliche Zusammenkunft hin, und auch die Liebesdemonstration an der Innenseite der Einfriedungsmauer muss nicht unbedingt auf antisemitisches Verhalten hinweisen. Aber die Tatsache, dass Spraydosen sicher nicht zufällig mitgebracht worden sind, lässt andere Vermutungen zu. Der berüchtigte Buchstabe „J“ ist auf zwei Grabsteinen zu erkennen. Der Begriff „Nazi“ sowie ein seitenverkehrtes Hakenkreuz lassen eine gewisse Geisteshaltung erkennen.

 

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Der Flamersheimer Judenfriedhof ist schon lange vor 1790 nachgewiesen und befand sich auf der Parzelle „Auf Hall“. 1828 erfolgte eine weitere Erwähnung in den Kataster­unterlagen. Die jüdischen Gräber befinden sich „Im obersten Driefeldchen" (Flur 6, Flurstück 358, 1034 qm groß). Etwa 26 Grabsteine sind noch vorhanden. Einige davon sind jedoch zerschlagen oder nicht mehr lesbar. Mehrere liegen inzwischen umgeworfen neben den Getränkedosen. Am Ende des Friedhofes sieht man einige umgeworfene Grabsteine.

Regionalhistorisch erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass 1939 – beim Tod von Rosalie Daniel geborene Berlin aus Kirchheim – nicht nur jüdische, sondern auch christliche Familien aus den Dörfern Flamersheim und Kirchheim an der Beerdigung teilnahmen. Die 1860 in Meckenheim geborene Rheinländerin war mit ihren Angehörigen so in der Dorfgemeinde verwurzelt, dass es selbst die wenigen Nationalsozialisten angeblich nicht wagten, die Feierlichkeiten auf dem Flamersheimer Friedhof zu stören.

 

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Die letzte Beerdigung eines Flamersheimer Juden fand ebenfalls 1939 statt. Die später in New York lebende Else Oster (verheiratete Salomon) teilte mir vor Jahren schriftlich mit, wel­che bedrückende, aber auch etwas tröstliche Situation ihr in Erin­nerung geblieben ist:

Als mein Vater, Gustav Oster, 1939 starb, konnten wir keinen Leichenwagen bekommen. Aber unser nächster Nachbar, Franz Scheuer, hatte sich nicht ängstigen lassen. Er brachte auf seinem Mistwagen den Sarg zum jüdischen Friedhof. Meine Brüder und Freunde haben das Grab ausgegegraben und zugeschaufelt...

Nachdem der jüdische Friedhof in den Jahren 1928 und 1938 bereits geschändet worden war, wiederholten sich die antisemitischen Zerstörungen etwa 1956. Dasselbe geschah nun im Mai 2009. Das bereits erwähnte Grab von Gustav Oster (18.10.1879-2.3.1939) wurde ebenfalls mit Farbe beschmiert. Aber offenbar hatte man versucht, die Zeichen auszulöschen. Sie sind aber erkennbar.

 

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Dasselbe gilt für die Buchstaben am Grabmal der Familie Cleffmann, deren Angehörige mit dem französischen Außenminister Robert Schumann verwandt sind. Auffallend ist, dass auch hier manches schon verblichen oder nur noch schwach zu sehen ist. Wollten die Täter frühere Graffitis unkenntlich machen? Oder waren bereits Angehörige des Friedhofamtes tätig gewesen? Nichts kann jedoch verheimlichen, dass es antisemitische Schmierereien gibt. Es sollte ergänzt werden, dass der jüdische Friedhof von Flamersheim seit 1988 in die Denkmalliste der Stadt Euskirchen eingetragen ist.

Den Bewohnern des Dorfes Flamersheim gilt jedoch ein Lob. Ihre Gedenkstätte zur Erinnerung an die einst aus 12 % bestehende jüdische Bevölkerung macht einen würdigen und gepflegten Eindruck!

 

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