Vor 25 Jahren: Jüdische Gäste in Euskirchen-Flamersheim bei Bundespräsident Karl Carstens (Juni 1984) – Ein Wiedersehen mit einer Totgeglaubten

von Hans-Dieter Arntz
 (Unter Anfügung eines Artikels von Peter Klein, Kölner Stadt-Anzeiger, vom 25.06.1984)
23.01.2009
Villa Hammerschmidt

Ehemalige jüdische Mitbürger aus Bonn, Euskirchen-Flamersheim und Wesseling sowie ihre Begleiter zu Gast bei Bundespräsident Karl Carstens in der Bonner Villa Hammerschmidt (Foto: Presseamt der Stadt Bonn)

Schon 25 Jahre ist es her, dass der Ortsteil Flamersheim seine ehemaligen jüdischen Mitbürger zu einem Wiedersehen (21.-24.06.1984) eingeladen hatte. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Gäste bereit waren, sich wirklich „versöhnen zu lassen“, war die Tatsache, dass ihre kostspielige Anreise aus Israel, USA und Australien aus eigener Tasche bezahlt wurde. Vier Tage lang wurde man jedoch privat untergebracht und verlebte unvergessliche Tage.

Villa HammerschmidtDas Programm für das viertägige Fest war sehr vielseitig, aber die Einladung, gemeinsam mit den jüdischen Gästen von Bonn Gast des Bundespräsidenten sein zu dürfen, war eine besondere Würdigung.

Ein Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers, Lokalteil Euskirchen, vom 25. Juni 1984 schildert ein bewegendes Erlebnis. Die ehemaligen jüdischen Mitbürger von Euskirchen-Flamersheim trafen ihre frühere Nachbarin aus Euskirchen-Kirchheim, Frieda Daniel verh.Pfeuffer, die alle für tot gehalten hatten. Dieses Ereignis nahm Bundespräsident Karl Carstens betroffen zur Kenntnis. Der Fotograf hielt diesen Augenblick im Bilde fest.

 


Villa Hammerschmidt

Jüdische Gäste aus Flamersheim mit ihren Begleitern im Gespräch
mit Bundespräsident Karl Carstens

 

Im Park der Villa Hammerschmidt stand Flamersheimerin vor totgeglaubter Freundin: Ein Wiedersehen bei Carstens Präsident empfing aus Deutschland emigrierte Juden: „Von der Begegnung tief bewegt"


von Peter Klein, Kölner Stadt-Anzeiger, vom 25.06.1984

 Mein Gott, Frieda! Dich haben wir jahrelang in aller Welt ge­sucht. Und im Garten des Bun­despräsidenten finden wir dich wieder!" Die Wiedersehensfreude galt der 78jährigen ehe­maligen Flamersheimerin Frieda Daniel. Ort der Begegnung mit 15 weiteren Juden, ehemaligen Flamersheimern, war der Park der Bonner Villa Hammerschmidt, wo Bundespräsident Karl Carstens am vergangenen Freitag einen Empfang für aus Deutschland emigrierte Juden gab. Die verschollen geglaubte Frieda war aus den U. S. A. mit einer Bonner Besuchergruppe angereist.

Der Bundespräsident gab am Ende seiner Amtszeit in seiner Residenz eine letzte Audienz fürs „einfache Volk". Ehe das Staatsoberhaupt die Stufen seines Amtssitzes herunterschritt und das persönliche Gespräch mit der internationalen Gäste­schar suchte, erfreuten sich die Besucher an der prächtigen Kulisse.

Bonn kannten die meisten ehemaligen Flamersheimer noch aus ihrer Jugend. Das Panorama mit dem vorbeifließenden Vater Rhein hatte jedoch noch keiner aus diesem Blickwinkel genießen können. Der Präsident gab sich väterlich und gerührt zugleich. Er nannte das mittlerweile im Bonner Raum zur festen Einrichtung gewordene Zusammentreffen mit Juden-Deutschen eine ihn „tief bewegende Begegnung".

 

„Bald Privatmann"

Mit Genugtuung sehe er die Verbrüderung mit den ehemali­gen jüdischen Mitbürgern aus Flamersheim und Wesseling. Denen, die heute in aller Welt verstreut ein neues Zuhause ge­funden haben, sicherte Carstens sein Mitgefühl fürs schwere Schicksal während des Dritten Reiches und die Sympathie des deutschen Volkes zu. Für persönliche Anliegen könne er jedoch nicht mehr allzuviel tun. Er sei eben bald„nur" noch Privatmann.

Noch aufregender als der Auf­tritt des Präsidenten war für viele ehemalige Flamersheimer das Wiedersehen mit Frieda Da­niel. Tränen der Rührung standen der Freundin von einst, Martha Stanley, geborene Her­mann, in den Augen, als sie die schon Totgeglaubte in die Arme schloss. Der Euskirchener Histo­riker H.-Dieter Arntz erzählte der überraschten älteren Dame, was man bei der Vorbereitung des Flamersheimer Treffens alles versucht habe, ihrer „habhaft" zu werden.

 

Erfolglos gesucht

Bei den Recherchen zu seinem Judaica-Buch über das Schick­sal der ehemaligen Flamershei­mer Juden war Arntz auch auf die Familie Frieda Daniels gesto­ßen. Obwohl Bekannte glaubten, dass Frieda noch „irgendwo" bei guter Gesundheit leben müsse, sei die Suche nach ihr erfolglos geblieben. Frieda hatte es nach ihrem Fortgang aus Euskirchen nach Bonn verschlagen. Dort hei­ratete sie und wanderte mit ihrem Mann in die U. S. A. aus. Nur der Zufall, dass am vergan­genen Wochenende auch die Bonner Besuchergruppe beim Bundespräsidenten weilte, führte Frieda Daniel und ihre Flamersheimer Jugendfreundin­nen und -freunde wieder zusammen.

LINKS
link
link
link

« zurück zum Seitenanfang