Denkmal oder Gedenktafel für „Kaare Willi“?

von Hans-Dieter Arntz
13.06.2011

Karre WilliFast jedes Dorf oder jede Gemeinde hat besondere Mitbürger, deren Anderssein im Alltag auffällt oder gar wegen spezieller Einmaligkeit unvergessen ist. Als Unikum zu Lebzeiten belächelt, nach dem Tode gelegentlich hervorgehoben: das sind - oder waren - die von der Nostalgie umwobenen „Originale“. In Flamersheim war das zum Beispiel der „Knochenflicker Wilbert“ oder in Rheder die „Robbelstante“ oder der „Moenichs Halfe“.

Keiner konnte so lebhaft und humorvoll die Eigenarten stadtbekannter „Originale“ darstellen wie der ehemalige Euskirchener Standesbeamte und Heimatforscher Hubert Lückerath. Beispielsweise beschrieb er gerne den Zitherspieler Schoops Löhr, der in den Gaststätten das Geläute der Salzburger Glocken nachahmen konnte. Persönlich kannte ich noch „Dahmens Marie“ von der Münstereifelerstraße, die nicht nur als ehemalige Opernsängerin, sondern auch wegen ihres extraordinären Gehabes in der Nachkriegszeit häufig zu Gesprächen Anlass gab. Erst neulich stellte ich Maria Dahmen auf meiner regionalhistorischen Homepage vor. Alle blieben den älteren Bürgern der Kreisstadt Euskirchen wegen ihrer „Ursprünglichkeit“ und als „Typ“ in Erinnerung.

„Kaare Willi“ (1936-2003), unser einstiger Mitbürger, der ohne seinen voll beladenen Karren nicht aus dem Stadtbild wegzudenken war, ist im weitesten Sinne auch ein solches „Original“. Zwar hatte er nicht die physiologischen Erfahrungen als „Knochenflicker“ oder die Kräuterkenntnisse einer „Robbelstante“, nicht den musikalischen Unterhaltungswert eines „Schoops Löhr“ und erst recht nicht die Diva-Präsenz von „Dahmens Marie“, aber er war er sich selber – er selbst mit seinem Karren. Insofern könnte die Definition des Euskirchener Bürgermeisters stimmen: „Ein Original ist eine Persönlichkeit, die aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken ist.“ Ob das in letzter Konsequenz tatsächlich eine vollständige Definition ist, bleibt sicher in vielen Fällen eine Ansichtssache.

Damit auch jüngere Generationen noch von Früherem erfahren, initiieren Mitbürger aus besonderem Grund Mahnmale oder Gedenktafeln. Anders als Gedenktafeln realisieren die meist aus Stein bestehenden „Mahnmale“ den Imperativ: „Mahn mal!“ Sie rufen zur Erinnerung und zum Gedenken auf, heben den jeweiligen Mitbürger im wahren Sinne des Wortes auf einen Sockel und präsentieren ihn als Vorbild, das man nicht vergessen soll. Sie mahnen und ermahnen. Ein Denkmal bzw. eine derartige Hervorhebung wäre manchmal auch durch die Benennung einer Straße erreichen, was zwar ebenso von Dauer sein kann, aber wesentlich weniger kostet. Dass auch Versuche gemacht wurden, mit dem Namen wirklich verdienstvoller Bürger Missbrauch zu treiben, kam schon in einem anderen Zusammenhang in Euskirchen vor.

Nichts gegen die Idee einer Gruppe Euskirchener Bürger, die persönliche Erinnerung an einen besonderen „Öskerche Jong“ wachzuhalten und dies im Internet zu begründen. Aber es hat sich inzwischen herausgestellt, dass nur wenige Mitbürger bereit sind, ein derartiges Projekt zu finanzieren. Das ist verständlich, denn ein Denkmal ... – woran soll denn gedacht werden? Nun gut, an „Kaare Willi“ und an was dann?

Sicher, er war im Stadtzentrum „bekannt wie ein bunter Hund“, wurde aber meiner Meinung nach seit Ende der 1990er Jahren künstlich hochstilisiert. In Gastwirtschaften bekam er Freibier. Gespräche mit ihm wurden oft in einer betont ironischen Form geführt. Besonders am Rosenmontag ließ man sich gerne mit ihm fotografieren. Willi tat mir irgendwie etwas leid. Aus meinen sporadischen Begegnungen und Gesprächen ergab sich jedoch das Gesamtbild eines sehr schlichten, aber oft unbeherrschten und jähzornigen Menschen. Oft ließ er sich ausnutzen und machte sich bei einigen Leuten durch preiswerte Dienstleistungen recht beliebt. Bei der Erinnerung an „Kaare Willi“ taucht vor meinen Augen das Bild auf, wie er die Hälfte eines Autos schwer atmend auf seinem Karren wegzieht.

Im Gegensatz zu den engagierten, o.a. Euskirchenern habe ich eine ganz bestimmte Euskirchener Gruppe vor Augen, die früher ostentativ leutselig war und Willi am Tresen wie einen gleichberechtigten Freund behandelte. Dass dies eine reine Show war, hat Willi Pauli nie mitbekommen. Aber gegen die private Initiative aktiver „Willi-Fans“, am Hochrelief seiner Stammkneipe - auf einem Privatgrundstück mitten im Euskirchener Stadtzentrum -, eine Gedenktafel anzubringen, ist nichts einzuwenden. Auch in einem Zeitungsinterview zu diesem Thema vertrat ich nachweislich die Ansicht: „ Zum Andenken an diesen eigentlich bemitleidenswerten Menschen reicht die jetzt avisierte Gedenktafel vollends.“

Am 10. Juni 2011 befasste sich auch die Lokalpresse mit dem Thema: Kölnische Rundschau, Lokalteil Euskirchen, vom 10. Juni 2011:

 

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