Eine Serie von Hans-Dieter Arntz (Teil 8)
Am 9. Juni 1937 unterbrach Reichsorganisationsleiter Robert Ley seine Inspektionsreise durch Deutschland, um den zweiten Lehrgang der „Führeranwärter" (1. Juni 1937 - 8. Juli 1938) auf der Ordensburg Vogelsang zu begrüßen. Die neuen Schüler traten zum ersten Mal eingekleidet an.
Hier muss nun auf das Gesamtkonzept der Reichsorganisationsleitung hingewiesen werden. Leys verschiedenen Plänen lagen folgende Absichten zugrunde: Einfluss der Partei auf die Volksschulen. Auslesestufen nach der Grundschule, Kontrolle der Berufsbildung sowie eine systematische „Schule des Wissens", die Zusammenfassung von Führungsaspiranten in „Gauburgen", praktische Bewährung und eventuelle Hinführung zu einer der drei Ordensburgen, Lehrerakademie für die NSDAP-Ausbildungsleiter.
In dieser Hinsicht war es logisch, in unmittelbarer Nähe der Ordensburg Vogelsang eine „Gaulehrwerkstätte" zu institutionalisieren, in der von der Deutschen Arbeitsfront der neuartige Versuch gemacht wurde, Facharbeiter in NS-Verständnis heranzubilden. Unter der Leitung von SS-Obersturmführer Sehr, vom Amt für Berufserziehung der RGB „Bau" waren die Lehrjungen der Firmen, die auf Burg Vogelsang die Arbeiten ausführten, internatsmäßig zusammengefasst worden. Nach drei Monaten begann die Baulehre. Jedoch blieben die Jungen aus der Maurer- und Installationszunft bis zu ihrer Gesellenprüfung durch lang« Kurse mit der Bau-Werkstätte verbunden.
Robert Ley erklärte am 27. April 1939 dem, der immer noch nicht genau wusste, was Ordensburgen waren, die Zielsetzung: „Die nationalsozialistische Partei führt, betreut und erzieht die deutschen Menschen. Auf den Ordensburgen der Partei werden die „Herrenmenehen", die zusammen mit den Propagandisten der Partei und der Arbeitsfront die fanatischsten Träger unserer nationalsozialistischen Weltanschauung sind, erzogen!"
Wenn auch Unteroffiziere der Deutschen Wehrmacht vergeblich versuchten, ihre Karriere durch die Ausbildung als „Führeranwärter" an den drei Ordensburgen zu verbessern, so ließ sich bei der Reichsorganisationsleitung nicht mehr verheimlichen, dass die Zielsetzung der Burgen nicht realisiert werden konnte Schon 1938 hatte Hans Dietel - ab dem 13. Juni 1939 kommissarischer Leiter von Vogelsang die intellektuellen Fähigkeiten der Junker in Frage gestellt. Immerhin kamen die meisten aus der unteren Mittelschicht hatten Volksschulbildung und glaubten fest an die absolute Präferenz von Rassenreinheit und körperlicher Stärke. Dies jedoch stellte sich als nicht ausreichend dar.
Gauschulungsleiter Kölker legte am 1. Juli 1939 eine bisher fast unbekannt gebliebene vertrauliche Studie vor, nach der die Ordens-Junker auf Vogelsang als ,.dümmlich, intellektuell nicht flexibel und sportlich einseitig ausgerichtet" beschrieben wurden. Fast alle hätten einen Höhenfimmel. Kölker konstatierte wörtlich: „Die meisten fühlen sich nach ihrer Entlassung von der Burg sofort eher, der als Nichtschwimmer die Ordensburg Vogelsang betrat, verließ sie auch als solche wieder, da nur besondere Talente gefördert würden. Geistige Arbeit und Vorlesungen würden immer mehr in den Hintergrund treten...
Da sich ab 1938 immer weniger Teilnehmer zu den Ordensburgen meldeten, wurden sogar Männer zugelassen, die noch gar nicht Partei-Mitglieder waren.
Schlagzeilen gab es auch über gewisse Festivitäten an den Ordensburgen. Fast 10% der ausgewählten Vogelsang-Junker wurden wegen ungebührlichen Verhaltens und Trunksucht vorzeitig entfernt Als am 23. November 1936 die Ordensburg Sonthofen eingeweiht wurde, enthüllte die damals noch wurde. Das Verhalten der NS-Garde hatte Aufsehen und Ärger im gesamten Allgäu erweckt. Verschiedene Gau- und Kreisleiter trafen in Sonthofen mit kostspieligen Luxusautos ein. Es gab Zechgelage und Belästigungen junger Mädchen. Im Gasthaus „Zum Ochsen" schoss ein Funktionär ein Kruzifix von der Wand.
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NS-Ordensburg Vogelsang: Irritationen um Aufarbeitung der Geschichte |