„Ein Fort für den Krieg“ – Hysterie um Hitler-Besuch:
Die Furcht der Belgier und der „Höhepunkt der Burg-Geschichte“

von Hans-Dieter Arntz
(Aus: Aachener Volkszeitung, 24. Juni 1986)
23.01.2007

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Eine Serie von Hans-Dieter Arntz (Teil 7)

 

Die Reaktion des Auslandes auf die Ordensburg Vogelsang war zuerst abwartend. Im Sommer 1936 empfing das Deutsche Reich Gaste aus aller Welt Die Olympischen Spiele in Berlin sollten erkennen lassen, wie friedlich und gastfreundlich das Land war.

Selbst die Schleidener Lokalredaktion des „Westdeutschen Beobachters" wurde angehalten, vorläufig die Diffamierung der Juden einzustellen. So ist ab März 1936 der heimatspezifische „Judenspiegel" nicht mehr nachweisbar. Doch besonders das benachbarte Belgien befürchtete ein deutsches Grenzfort. Erst eine Besichtigung durch ausländische Journalisten beruhigte-kritische Stimmen. Die heute im Bundesarchiv Koblenz lagernden Zeitungsartikel bezeichnen die Ordensburg Vogelsang eher als ein Kloster denn ein militärisches Fort, als Tempel der NS-Bewegung, als sportlich-geistige Ausbildungsanstalt nach dem klassischen Vorbild der Antike, als ein an dem Lehrplan der englischen Public-Schools orientiertes Institut usw.

Nur die damalige niederländische Zeitung „Nieuwe Rotterdamsche Courant" vermißte eine Kirche oder Kapelle auf dem Burggelände und mutmaßte, dass in der Eifel „der deutsche Mensch verherrlicht werden" sollte.

In der Zeit vom 1. Mai 1936 bis zum 2. September 1939 fand die körperlich ungemein harte, spartanische Erziehung sowie die ideologische Ausrichtung auf den nationalsozialistischen Staat in Vogelsang statt.

Es darf nicht geleugnet werden, dass in den Kursen viele Männer [grundlegend im Hinblick auf ihnen Charakter und ihr Wertverständnis geformt wurden. Besonders der Kameradschaftsgeist - in positiver wie auch in negativer Hinsicht - fand eine Prägung, die vielleicht heute nicht mehr begreifbar ist.

Viele ausländische Politiker reiften in die Eifel, um das „völlig Neue der deutschen Pädagogik" kennenzulernen. So empfing Reichorganisationsleiter Robert Ley unter anderem den italienischen Arbeiterführer Tullio Cianetti und den Korporationsminister Lantini. Es folgten in kürzeren Abständen Tagungen und Versammlungen, die so stark besucht waren, dass die Junker regelmäßig andere Unterkünfte aufsuchen mußten.

 

vogelsang

 

Dadurch wurde der Ausbildungsbetrieb unterbrochen. Heute kann konstatiert werden, dass - auch wegegen des Urlaubs - jährlich hochstens neun Monate lang unterrichtet und ausgebildet wurde.

Für viele überzeugte Nationalsozilisten war wohl der Besuch Adolf Hitlers der Höhepunkt ihres Aufenthaltes in der Eifel gewesen. Adolf Hitler besuchte die Ordensburg Vogelsang zweimal: am 20. November 1936 anlässlich der Tagung von 800 Gauamtsleitern und am 29. April 1937 wegen der Kreisleiter-Tagung.

Beide Anlässe nutzte er, um Führungskräfte mit seinen Ansichten vertraut zu machen und um sich bei seiner Hin- und Rückfahrt der Bevölkerung zu zeigen. Wenn man heute seine damals gehaltenen Reden analysiert, stellt sich heraus, dass er nie einen direkten Bezug zu den Ordensburgen und ihren Aufgaben nahm. Er schien sich eigentlich nicht für die klassischen Städte der NSDAP-Führerausbildung zu interessieren.

Auch Hitlers Vogelsang-Besuche sind ein Beispiel dafür, was man als Massenpsychose bezeichnen könnte. Die Begeisterung, die der „Westdeutsche Beobachter" in seinem Lokalteil vom 21. November 1936 mit „Jubel um den Führer" in Form einer Schlagzeile beschrieb, wird tatsächlich noch heute von Zeitzeugen bestätigt. Besonders der Aufmarsch der Parteielite, die es sich nicht nehmen ließ, statt mit der Eisenbahn gelegentlich sogar im offenen Wagen vorzufahren - trotz des stürmischen Eifelwetters - fand auch in etwas gemäßigteren Eifelzeitungen umjubelte Beschreibung. In der Schleidener Lokalausgabe des „Westdeutschen Beobachters" vom 20. November 1936 konstatierte die damalige Mechernicher Stadtverwaltung, dass erst der Nationalsozialismus dem Bleibergwerk wieder neuen „Daseinszweck" geschaffen hätte. Auch an die Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers vom Frühjahr 1933 wurde eifrig erinnert. Die beiden Tagungen für Gauamtsleiter (10. bis 20. November 1936) und Kreisleiter (22. bis 29. April 1937) mit Präsenz der Parteielite und Adolf Hitlers waren die politischen und wahrscheinlich auch psychologischen Höhepunkte in der Chronik der Ordensburg Vogelsang. Nie wieder stellte sich dort die NS-Prominenz in solcher Ballung dar, so dass es bald stiller um die Ausbildungsstätte der NSDAP wurde. Der Alltag zog ein.

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