„Der letzte Judenälteste von Bergen-Belsen“: Buchvorstellung in der Gedenkstätte Bergen-Belsen (in: Berger Kurier vom 20. Oktober 2013)
„Der letzte Judenälteste von Bergen-Belsen“: Buchvorstellung in der Gedenkstätte Bergen-Belsen (in: Celler Presse vom 11. Oktober 2013)
BERGEN-BELSEN. In Anwesenheit von Dr. Thomas Rahe, dem wissenschaftlichen und stellvertretenden Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, überreichte der aus dem Rheinland angereiste Autor Hans-Dieter Arntz dem Bürgermeister der Stadt Bergen, Rainer Prokop, sein umfangreiches Werk „Der letzte Judenälteste von Bergen-Belsen“. Es erschien im letzten Jahr und wurde sofort von Außenminister Dr. Guido Westerwelle und den Medien als Fachliteratur gewürdigt. Was lag also näher, als das Buch nun auch in Bergen-Belsen offiziell vorzustellen.
Die Gedenkstätte Bergen-Belsen in der südlichen Lüneburger Heide ist seit 1945 ein internationaler Erinnerungsort, da besonders dieses Konzentrationslager zu einem Synonym für Terror, Gräuel und verhungerte Menschen in der Zeit der NS-Diktatur wurde. Zwischen 1941 und 1945 kamen hier mehr als 70.000 Menschen um. Die seit 2007 bestehende Dauerausstellung des Dokumentationszentrums präsentiert die vielschichtige Geschichte, besonders die Endphase 1944/45, von der das neu erschienene Buch „Der letzte Judenälteste von Bergen-Belsen“ handelt.
Hans-Dieter Arntz aus Euskirchen stellte vor einigen Tagen in dieser niedersächsischen Gedenkstätte seine 710 Seiten starke Dokumentation vor, die eigentlich als Biografie von Josef Weiss (1893-1976) zu verstehen ist, der zu den bisher unbesungenen Helden dieser Zeit gehörte.
Arntz konnte den Anwesenden klar machen, dass in der Befehlskette des deutschen NS-Terrors ein „Judenältester“ ein Funktionshäftling war, der als exponierte Persönlichkeit einerseits williger Befehlsempfänger, aber andererseits auch Repräsentant eines „Judenrates“ und Helfer der unzähligen, für den Holocaust vorgesehenen jüdischen Opfer sein konnte. Aus dieser Problematik heraus entstand ein Balanceakt, der nie ganz frei vom Vorwurf der Kollaboration und Korruption war. Dass in einem solchen Inferno Josef Weiss, ein Jude aus der Voreifel, zum Vorbild und zur Hoffnung vieler gequälter Menschen werden konnte und als „letzter Judenältester“ schließlich zur charismatischen Persönlichkeit wurde, widerspricht der grundsätzlichen Diskriminierung aller Funktionshäftlinge. Das vorgelegte Material ergibt weiterhin einen eindringlichen Überblick über die eigentlich unbeschreibbaren Verbrechen im Konzentrationslager Bergen-Belsen (1944/45).
Insofern ist die vorliegende Dokumentation nicht nur eine Biografie über den aus dem Rheinland stammenden Josef Weiss, sondern auch der exemplarische Beginn einer bisher in Deutschland kaum angelaufenen Forschung. Die Reputation der „Judenältesten“ ist bis heute durch viele Vorwürfe schwer belastet.
Noch heute wird er besonders in den Niederlanden und Israel als Lebensretter vieler gequälter Juden verehrt. Hans-Dieter Arntz erwähnte, dass ihm einst der Vater von Anne Frank persönlich sagte, dass er durch Josef Weiss, der 1944/45 auch Leiter der „inneren Lagerleitung“ und Registratur des Lagers Bergen-Belsen war, vorzeitig über den Tod seiner Tochter Anne informiert worden sei. Erst Monate später wurde dies vom Roten Kreuz offiziell bestätigt.
Der Autor konnte in seiner Dokumentation unzählige bisher nicht veröffentlichte Zeugenaussagen und Dokumente als historischen Beleg heranziehen und dem aus Flamersheim stammenden Juden Lob und Respekt zollen. Am 16. Mai wurde Josef Weiss auch posthum durch die 15-minütige WDR-Radiosendung „Zeitzeichen“ sowie durch die Benennung einer „Jupp-Weiss-Straße“ und Anbringung einer Gedenktafel in seinem Geburtsort geehrt.
Daher lautet der Untertitel der Biografie: „Josef Weiss – würdig in einer unwürdigen Umgebung.“ Der Historiker Hans-Dieter Arntz hat 5 Jahre lang an seinem umfangreichen Werk gearbeitet.
Das Buch „Der letzte Judenälteste von Bergen-Belsen“ von Hans-Dieter Arntz ist zurzeit im Gespräch, da erstmals eine „positive" Biografie eines Judenältesten vorgelegt werden konnte. Vor einigen Monaten wurde diese auch im Zusammenhang mit dem Film von Claude Lanzmann – „Der Letzte der Ungerechten“ - bei den Filmfestspielen in Cannes diskutiert. Der berühmte französische Produzent hatte nämlich hier einen ausgezeichneten Dokumentarfilm über den letzten Judenältesten von Theresienstadt vorführen lassen, dessen Reputation nicht so makellos war.
Bürgermeister Rainer Prokop, der auch in entsprechenden Gremien mit der Gedenkstätte Bergen-Belsen zu tun hat, bedankte sich für die persönliche Anwesenheit des Autors und das Buch, das er künftig auch den Bürgern zur Verfügung stellen möchte.
Hans-Dieter Arntz: Der letzte Judenälteste von Bergen-Belsen. Josef Weiss – würdig in einer unwürdigen Umgebung. Helios Verlag, Aachen 2012, 710 Seiten mit 100 Fotos. ISBN 978-3-86933-082-2.