Der Alte Markt soll noch im Jahre 1980 ein neues Gesicht bekommen. Nach der Maikirmes wird mit der Plattierung begonnen. Anschließend gehört der historisch bedeutsame Platz den Fußgängern. Wie in alten Tagen können die Euskirchener hier flanieren, ohne im Slalom um parkende Autos herumlaufen zu müssen. Attraktiver Blickfang wird ein Brunnen sein. Die Stadtväter allerdings sind sich noch nicht einig, wie er aussehen soll. Stadtdirektor Dr. Heinrich Blaß plädiert für einen Pumpenbrunnen in moderner Gestalt. Er ist dagegen, die Nostalgie zu weit zu treiben. Eine Unterkommission des Planungsausschusses wird über die Gestaltung am morgigen Donnerstag um 17 Uhr eine Vorentscheidung treffen. Die Vorschläge reichen von einem überdimensionalen Schachbrett, über eine Pumpe bis hin zu den unterschiedlichsten Brunnenausführungen.
Solche Überlegungen, das zeigt die Stadtgeschichte, sind nicht neu. So wollte zum Beispiel bereits im Jahre 1914 die Stadtverwaltung dem Marktplatz, der stets der Mittelpunkt kreisstädtischen Geschehens war, ein besseres Gesicht geben. Damals wurde eine Anzahl Bäume gepflanzt, die jedoch aus irgendeinem Grunde eingingen.
Alte Pumpe
Bekannt ist, dass etwa noch bis 1910 auf dem Marktplatz eine alte Pumpe stand, obwohl es schon seit 1886 eine Wasserleitung in Euskirchen gab. Der verstorbene Heimatforscher Hubert Lückerath erzählte gerne von dem Schild an der Pumpensäule: „Verunreinigung verboten! Die Polizeiverwaltung", was nicht immer von Nachtschwärmern beachtet wurde.
Wenn auch der Markt sein Gesicht geändert hat oder noch ändern wird, er bleibt Mittelpunkt der Stadt, des geschäftlichen Lebens und der Geschichte. Hier wurde am 8. Oktober 1794 von den einmarschierenden französischen Revolutionstruppen der Freiheitsbaum aufgerichtet, hier fluteten im 1. und 2. Weltkrieg siegreiche und geschlagene Truppenverbände vorbei, ja, hier wurde 1859 noch ein kapitaler Hirsch, der sich verlaufen hatte, erlegt.
Die Nationalsozialisten nutzten den geschichtsträchtigen Markt für Massenkundgebungen. Die Euskirchener Zeitung vom 22. März 1933 berichtete über den „Tag nationaler Hochstimmung":
„Auf dem Markte formierte sich der Zug um einen brennenden Holzstoß, und hier geschah etwas, was als Ausdruck der geeinten Kraft und des geeinten Willens gewertet werden muss: Hier wurden Kommunismus und Marxismus der Vernichtung übergeben. Die Banner mit Hammer und Sichel Moskauer Prägung, der Sozialdemokratie und die Fahnen Schwarz-Rot-Gold wurden hier unter dem Beifall der Tausenden verbrannt . . ."
Zum „Tippen“
Den ältesten Euskirchenern wird noch bekannt sein, dass zur Osterzeit der Marktplatz eine beliebte Stätte sichtbaren Eifeler Brauchtums war. Nach dem Hochamt in der St.-Martins-Kirche traf man sich zum „Tippen" mit gefärbten Eiern auf dem Marktplatz. Alt und jung beteiligten sich daran, wenn es darum ging, möglichst viele Eier zu „zertippen", um sie dann als „Beute" mit nach Hause zu nehmen.
Dennoch waren nicht politische, sondern städteplanerische Gründe ausschlaggebend dafür, sich ab 1934 Gedanken über die Umgestaltung des Euskirchener Marktplatzes zu machen. Im gleichen Jahr diskutierte die lokale Presse dieses alle Bürger interessierende Thema und betonte, „dass man dem Markt ein der Neuzeit entsprechendes Bild geben müsse, das auch den heutigen Verkehrsverhältnissen Rechnung trage".
So schlug der „Westdeutsche Beobachter" am 29. August 1934 an Hand einer detaillierten Skizze vor, den mittleren Teil des Marktplatzes in eine großzügig ausgebaute Grünanlage umzubauen. Ein großer Springbrunnen in der Mitte sollte im Sommer Kühlung spenden. Rasenflächen und Blumenbeete sollten das Auge des Bürgers erfreuen, der - laut Zeitungsartikel - „sich auf den aufgestellten Bänken abseits von dem Verkehr und trotzdem mitten in Getriebe unserer Stadtmitte einige Minuten der Erholung gönnt". Zu einer unterirdischer Toilettenanlage sollte oberirdisch ein Verkaufskiosk und eine öffentliche Fernsprechzelle kommen. Die Anlagen sollten etwas erhöht angelegt werden und nach vornezu durch eine Bruchsteinmauer eingefasst werden.
„Parkbetrieb ohne Störung“
Zwanzig Parkplätze waren dort vorgesehen, wo die Rathausgasse einmündet. „Da die Rathausgasse für jeden Durchgangsverkehr gesperrt ist, dürfte sich der Parkbetrieb hier einwandfrei und ohne Störung entwickeln." Heute dagegen ist man sich einig, dass es besser ist, die Autos wieder vom Markt zu verbannen.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Aufstellung der Schaubuden während der Kirmes. Hierzu war ein „Platz hinter der Carmannstraße" eingeplant, „der als Viehmarkt vorgesehen war". Heute wissen wir, dass der Charleviller Platz längst in das Kirmesgeschehen integriert ist.
Eine vielen Euskirchenern bekannte Zeichnung von Jean Spessart wurde am 21. 9. 1934 vom „Westdeutschen Beobachter" als Diskussionsgrundlage vorgestellt.
„Sie ist eine Vermittlung zwischen den verschiedenen Ansichten über die Umgestaltung des Alten Marktes. Alle Einwendungen, die behaupten, dass der Charakter des Alten Marktes als Marktplatz durch eine Umgestaltung verlorengehen würde, sind durch die anschauliche Darstellung von vornherein, widerlegt, denn gerade durch die Anbringung eines Marktbrunnens wird, wie bereits erwähnt, der Charakter eines Marktes besonders unterstrichen".
Nur angedeutet
„Die ziemlich weit auseinander stehenden Bäume lassen den Durchblick auf alle Geschäftshäuser offen und geben trotzdem mit ihren grünen Baumkronen einen Ruhepunkt im städtischen Straßengetriebe. Die Figur des Brunnens ist im Bild nur angedeutet und könnte aus der Geschichte der Stadt Euskirchen entnommen werden, oder sich auf die Industrie unserer Vaterstadt beziehen. Der Eingang einer unterirdischen Toilettenanlage wird sich hinter dem Brunnen befinden und kaum sichtbar werden. Der ganze Markt würde als Autoparkplatz frei bleiben, und mancher Marktbeschicker wäre froh, wenn er sich im Sommer einmal unter dem Schatten eines Baumes für einen Augenblick ausruhen kann."
Soweit die Lokalredaktion des „Westdeutschen Beobachters" vom 21.September 1934.
Im Jahre 1980 ist man sich einig, dass der Alte Markt nicht durch etwas „Supermodernes" verschandelt werden soll. Da die Verwaltung bei der Gestaltung des Brunnens mit Kosten zwischen 50 000 und 150 000 Mark rechnet - wovon wahrscheinlich 75 Prozent durch Zuschüsse getragen werden -, sollte sich die neu gegründete „Brunnenkommission", der je zwei Vertreter der Ratsfraktion angehören, auf die Stadtgeschichte besinnen. Denkbar beispielsweise wäre es, die einst blühende Tuchindustrie Euskirchens bei der Gestaltung des Brunnens zu berücksichtigen. Sicher findet außerdem der bereits 1934 geäußerte Wunsch nach Bäumen, die die geplanten Kunststein- und Natursteinflächen unterbrechen, auch heute noch Freunde.
Das heutige Aussehen des Euskirchener Marktplatzes: 30 Jahre nach dem Zeitungsartikel vom 9. April 1980