Vor 210 Jahren: Zur ersten Hinrichtung eines „räuberischen Juden“ in Köln

von Hans-Dieter Arntz
Quelle:
Hans-Dieter Arntz, Judaica - Juden in der Voreifel , Euskirchen 1983, S. 39 – 41  (Auszug ohne Fußnoten)

18.08.2012

GeschichteEtwa seit 1798 streiften im Roerdepartement lichtscheues Gesindel und Mord- und Diebesbanden umher, die auch der Voreifel zu schaffen machten. Auch die Umgebung von Euskirchen wurde oft in den Akten des Justizkommissars Keil und von Becker, dem Sicherheitsbeamten des Bezirkes Simmern, genannt. Einsam gelegene Gehöfte wurden überfallen, die Bewohner misshandelt oder ermordet.

Die von Keil hinterlassene „Actenmäßige Aufstellung der von den niederrheinischen Banden verübten Diebstähle" erwähnt u. a. einen verwegenen Raubüberfall auf das einsam gelegene Gehöft Düdling in der Nacht zum 20. Mai 1800. Dieser Bauernhof an der Chaussee Zülpich-Gemünd lockte damals 43 Verbrecher an, darunter ein unter dem Spitznamen „Der Zölleche Wellem" bekannter Bandit aus Zülpich. Mit einem schweren Baumstamm rannten sie die Haustüre ein, schlugen dem aus dem Schlafe geschreckten Eigentümer Johann Nießen mit Pistolen und Gewehrkolben Arme und Beine entzwei, knebelten und misshandelten auch die übrigen Bewohner in barbarischer Weise. In dem von den Räubern angelegten Brand kamen zwei Menschen um. Das Dienstmädchen, das sich vor Angst in den Hühnerstall geflüchtet hatte, konnte später den Schwerverletzten Hilfe bringen.
Von diesen Verbrechern wurden Peter Züll und Peter Brand aus Hergarten vom Kriminalge­richt des Rhein- und Moseldepartements zum Tode verurteilt und in Köln durch das Fallbeil hingerichtet.

In diesem Zusammenhang wurden auch viele Juden als Täter genannt.

GeschichteDas „Signalement der Räuber der Mersischen, Crefelder, Neuwieder und Westphälischen Bande" beschreibt steckbriefartig die gesuchten Täter, von denen die meisten Juden waren. An Unruhen sollen u. a. Hirz aus Zülpich und besonders Moyses Nöthgen aus Sinzenich beteiligt gewesen sein. Besonders schlimm war ihr „christlicher" Kumpan Johann Müller, der aus Schönau bei Münstereifel stammte und zu den grausamsten Mördern der damaligen Zeit gehörte. Auch der Jude David Isaak aus Nideggen hatte einen schlimmen Ruf. Zur gleichen Zeit hatte sich ein gewisser Engelbert Jungblut, aus Flamersheim gebürtig und von Beruf Gerber, mit drei Handelsjuden aus der Zülpich-Dürener Gegend zusammengetan. Als Nathan Hirtz und Simon Elias wurden zwei von ihnen auf den Steckbriefen bezeichnet. Alle wurden am 10. Dezember 1802 in Köln zum Tode verurteilt.
Ein ähnliches Schicksal wird Moyses Nöthgen aus Sinzenich bei Zülpich gehabt haben, denn seine Taten unterschieden sich kaum von denen seiner in Banden organisierten Glaubens­brüder.

Auch der in der Voreifel recht aktive, aus Gilgenbach im Rhein/Rur-Departement stammende Jude Michel Meyer wurde endlich vor Gericht gebracht. Listig gab er vor, von den Räubern unterwegs mit Gewalt fortgeschleppt und zum stetigen Diebstahle gezwungen worden zu sein. Er wurde jedoch für schuldig befunden und „von dem peinlichen Tribunal zum Tode verurtheilt". Ein Rabbiner bereitete ihn auf seinen Tod vor. Seine Hinrichtung am 9. Vendemiaire des 10. Jahres (frz. neue Zeitrechnung) war die erste, die in Köln an einem Juden vollzogen wurde. Da sein letzter Gang aus berufener Feder beschrieben wurde und in gewisser Hinsicht dem von Moyses Nöthgen glich, soll er hier exemplarisch festgehalten werden:

„... Seitdem das Todes-Urtheil gegen ihn ausgesprochen war, hatte der Capuziner, Pater Asterius, unter dem Namen des Ursuler Predigers bekannt, verschiedene Versuche gemacht, ihn zur Annahme der catholischen Religion zu bewegen! Meyer blieb aber bey dem unerschütterlichen Entschlüsse, in dem Glauben seiner Väter zu sterben. Mit sehr vieler Fassung hatte er die Verkündigung seiner bestätigten Sentenz angehört, und mit ausserordentlicher Standhaftigkeit erduldete er ihre Vollziehung: bis zu dem Augenblick, wo das Messer herabfiel, sang er die heiligen Lieder seiner Religion. Ein Rabbiner und ein Schulmeister begleiteten ihn bis auf das Gerüst; eine Anzahl von seinen Glaubensgenos­sen folgte ihm nach.

Der Rabbiner, ein Mann von hohem Alter, hatte die Erlaubniß erlangt, eine Anrede an das Volk zu halten; er hatte sich vorgenommen, diesem besonders die Lesung des 4. und 5. Capitels des Buches Hiobs anzuempfehlen. Allein von dem schauervollen Eindruck der Hinrichtung übermannt, mußte der ohnehin schwächliche Greis auf das Vorhaben Verzicht thun, und sich von den Umstehenden unterstützen lassen. Die im Kreise versammelten Glaubensgenossen des Hingerichteten deuteten das alttestamentalische Kleiderzerreissen an und wuschen ihre Hände; seinen Körper, den sie reclamirt hatten, brachten sie nach Brühl. Die Polizey hatte sich zum besondern Augen­merk genommen, allen Unordnungen, die durch das Ungewohnte des Ereignisses, bey dem nicht vorurtheilsfreyen Theile des Publicums, hätten entstehen können, kräftig vorzubeugen.

Der Maire selbst hatte deshalb sich zu Pferde im Kreise eingefunden. Nur hie und da wurden nach der Hinrichtung einige Spottrufungen gehört; aber sie kamen nur aus dem Munde des niedrigsten Pöbels und der verworfensten Gassenbuben. Die Masse der Cölner betrug sich mit dem Anstände und der feyerlichen Sammlung, die dem Menschen bey dem Tode des Mitmenschen natürlich ist!

Der jüdische Räuber Moyses Nöthgen aus Sinzenich lebt heute noch in manchen Erzählungen fort; historisch ist wenig über ihn in den Archiven noch zu finden!

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