Schon wieder ein Buch über das Kriegsende, da gibt es doch schon so viele. So mag man denken, wenn man den Titel das erste Mal liest. Es gibt die Wehrmachtsberichte, es gibt die Chroniken der einzelnen Divisionen und Verbände auf deutscher und alliierter Seite und es gibt Biografien fast sämtlicher Heerführer. Doch dieses Buch ist anders, es soll auch anders wirken.
21.10.1944 (Samstag)
Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt:
....nach 19 Tagen blutigen Ringens und gewaltigem Materialeinsatz auf engstem Raum zerschlugen die tapferen, aber zusammengeschmolzenen Verteidiger von Aachen auch gestern noch starke Angriffe gegen den Nordrand der Stadt, die durch das wochenlange amerikanische Artilleriefeuer und durch starke Luftangriffe umfangreiche Zerstörungen erlitten hat. Um einzelne Häusergruppen tobt noch ein erbitterter Kampf Mann gegen Mann. Seit dem 10. Oktober wurden von der Besatzung 25 Panzer vernichtet...
Mit dem Fall von Aachen beginnt an der Westfront das letzte Kapitel des Zweiten Weltkrieges. Von der Grenze des Deutschen Reiches mit seinem Westwall beginnt für die Alliierten nun der Marsch zum Rhein. Unterbrochen, oder besser gesagt für eine Weile aufgehalten, wird dieser Marsch durch die Hürtgenwaldschlacht und die Ardennenoffensive, den letzten Materialschlachten im Westen. Welche gewaltigen Kräfte sich dort im Winter 1944/45 immer noch gegenüberstanden, schildert der Autor Hans-Dieter Arntz in dem ersten Kapitel seines Buches. Doch dann geht es in den darauf folgenden 54 Kapiteln weniger um die große Militärgeschichte, sondern um die Menschen, die Einzelschicksale in der Bevölkerung. Dabei ist der Grad zwischen einer objektiven Berichterstattung und einer Verherrlichung bzw. Verdammung der Handlungen in diesem letzten Kriegswinter schwierig zu begehen. Vor allem dann, wenn im Vorwort des Verlages unter der Überschrift „Warum militärische Zeitgeschichte?“ die Messlatte sehr hoch angelegt wird.
Es ist nicht einfach über „den Krieg“ zu schreiben, wenn man ihn nicht bewusst erlebt hat. Deshalb lässt der Autor Zeitzeugen sprechen und verknüpft diese Aussagen mit historischen Dokumenten aus Plakaten, Zeitungen und niedergeschriebenen Rundfunkreportagen. Hans-Dieter Arntz kommentiert nur die Randbedingungen und rundet das Bild mit Fotos und Schriftstücken aus dem persönlichen Bereich oder Umfeld der jeweiligen Zeitzeugen ab. Er ist in seiner Zusammenstellung der einzelnen Kapitel scheinbar wahllos und hält sich nur in groben Zügen an eine geographische und kalendarische Reihe. Jedes Kapitel ist aber für sich abgeschlossen und behandelt eine Facette aus der jüngeren Kriegsgeschichte der Nordeifel. Nach einem Kapitel über die Lage in dem kleinen Ort Kommern im Februar 1945 folgt eine Episode aus dem Städtchen Münstereifel im Herbst 1944 und darauf die Geschichte der Besetzung der Kreisstadt Euskirchen. Nur Anfang und Ende des Buches sind festgelegt durch die Ardennenoffensive und das große Kriegsgefangenenlager in der „Goldenen Meile“ bei Remagen, hier wird der Bogen gespannt. Sieger und Besiegte werden gleichermaßen in Szene gesetzt, dabei wird kein Aspekt des Krieges ausgelassen. Deserteure und Kriegshelden, Schokolade verteilende Soldaten und Plünderer, alles wird in dem Buch genannt und nichts verheimlicht. So setzt sich das Buch glücklicherweise von den vielen dokumentarischen und teilweise auch reißerischen Erzeugnissen der Kriegshistorie ab und zeigt, dass die beschriebenen Einzelschicksale zwar exemplarisch, aber doch für eine Masse von vielen Schicksalen in dem Kriegswinter 1944/1945 stehen.
Dabei stellt sich in dem Buch vor allem eine Frage nicht: Sind die Berichte authentisch? Dazu ist der Autor zu gewissenhaft. Dazu gehört aber auch, dass in den gezeigten Dokumenten weder die Hakenkreuze noch die SS-Runen retuschiert wurden. Die Realität war eben so, und auch hier ist der Autor penibel korrekt in der Darstellung der Quellen. Wer ihm hier eventuell eine Werbung für rechtsradikale Ziele unterstellt, dem sei auf den Lebenslauf des Autors verwiesen, der auf der Rückseite des Einbandes abgedruckt ist. Hier ist der Autor über jeden Zweifel erhaben.
Jeder Bericht ist mit einem Quellennachweis versehen, jedes Foto, jedes Flugblatt und jeder Zeitungsausschnitt sind mit einer Archivangabe nachvollziehbar. Hinzu kommt ein Literaturverzeichnis, so dass dieses Buch durchaus für weitere persönliche und wissenschaftliche Recherchen genutzt werden kann.
Nun stellt sich die Frage nach dem Leser. Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende erscheint ein Buch über die Zerstörung der Nordeifel. Muss das sein und warum gerade jetzt? Die Generationen der Nachgeborenen - satt in einer heilen Welt lebendend, bestimmte Computerspiele als Zeitströmung betrachtend und so genannte Kollateralschäden aus den Berichten der Tagespresse hinnehmend, wie den täglichen Wetterbericht, sowie die Berichte der Kriegsgeneration als Geschichten von anno dazumal abtuend - , sie sollten aufmerksam lesen und in der Konsequenz zu einem „Nie Wieder...“ kommen.
Die Generation der Kriegsbetroffenen hat hier ein Werk in Händen, mit dem man Kindern und Enkeln die jüngste Geschichte der Heimat nahe bringen kann. Alle soll es für die Zukunft mahnen – gerade jetzt in einer Zeit des militärischen Umbruchs, in der wieder deutsche Soldaten bewaffnet weit jenseits der Grenzen des eigenen Staatsgebietes stehen. Aber auch jene, die Mahnungen in Form von Mahnmalen aggressiv in Frage stellen.
Werden die hohen Ziele aus dem Vorwort erreicht? Die im Vorwort propagierte kritische Objektivität hat ihren Preis, aber der Autor schafft es, diesen Maßstäben gerecht zu werden. Ohne subjektive Übertreibung führt er dem Leser die komplexen Zusammenhänge des Kriegswinters 1944/45 vor Augen. Dabei ist das Buch weitgehend unmilitärisch. Keine Gefechtsfeldlyrik und auch keine großen strategischen Überblicke werden dem Leser zugemutet. Dann nimmt man auch leicht in Kauf, dass die militärischen Fachbegriffe nicht immer korrekt sind. Aber, die Gewissensnöte des einfachen Volkssturmmannes werden dabei genauso geschildert wie die Sorgen eines Generalfeldmarschalls. Persönliche Angriffe und Wertungen fehlen in dem Buch – und das ist auch gut so. Und somit kann man beruhigt das Vorwort zu diesem Buch so stehen lassen.
Damit fügt sich das Buch in eine ganze Reihe von kriegshistorischen Büchern des Helios-Verlags. Mit bewährtem Layout, das sich von Buch zu Buch nur in Nuancen unterscheidet, wird dem Leser die jüngere deutsche Geschichte so dar gebracht, wie sie eben war. Der Druck ist gut lesbar, die Fotos als Originale erstaunlich gut erhalten und bei ganzseitigen Ablichtungen aufgrund der Detailtreue gut gewählt, so dass man auch bei einigen Fotos mehr als nur 10 Sekunden verweilen kann.
Thomas Enke
Neuerscheinung des Buches „KRIEGSENDE – Durch die Voreifel zum Rhein“
von Hans-Dieter Arntz:
162 Seiten, fest gebunden mit Schutzumschlag, 220 Abbildungen, 2 Karten,
23 x 28 cm; ISBN 978-3-938208-61-8; 29,70 €
Ab sofort im Buchhandel!
Nach mehr als sechs Jahrzehnten verblasst die Erinnerung an den 2. Weltkrieg und das Kriegsende. Umso wichtiger ist heutzutage eine Dokumentation, die eindringlich die Not der damals in der Voreifel zurückgebliebenen Bevölkerung darstellt. Mit der erfolgreichen Abwehr der Ardennen-Offensive - ab dem 16. Dezember 1944 und dem danach folgenden Vormarsch in das Rheinland - beginnt für die amerikanischen Truppen die Schlussphase des Krieges im Westen.
Diese Epoche stellt der Euskirchener Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz, der sich seit etwa 20 Jahren mit der Schlussphase des 2. Weltkrieges im Raum der Ardennen bis zum Rhein beschäftigt, detailliert dar. Er konzentriert sich in dem vorliegenden Buch auf den Bereich Mechernich, Münstereifel, Euskirchen, Zülpich, Weilerswist, Brühl, Rheinbach und Meckenheim - die letzte Bastion vor der später berühmten Brücke von Remagen. Der Autor befasst sich einleitend mit dem operativen Beginn dieser Phase, verzichtet dann aber wieder bewusst auf die Darstellung weiterer militärstrategischer Operationen.
Die Auswertung vieler Augenzeugen-Berichte sowie das ausgezeichnete Fotomaterial aus deutschen und ausländischen Archiven vermitteln einen beeindruckenden Überblick auf das Kriegsende 1944/45. Viele Tagebuch-Aufzeichnungen, Briefe und Akten erhellen zudem repräsentative Einzelschicksale. Hans-Dieter Arntz schildert die Ängste des HJ-Jungen, die Nöte des Volkssturmmannes und das Bangen der Mutter, die vor Jabos und Bomben im Keller Schutz sucht. Im Bombenhagel teilt der Lehrer seinen Schülern die Abgangszeugnisse aus; in Rheder und Wichterich werden deutsche Fahnenflüchtige und russische Fremdarbeiter standrechtlich erschossen. Im Januar 1945 besucht der Sohn des berühmten Generalfeldmarschalls Model zum letzten Mal seinen Vater im Führerhauptquartier "Felsennest" bei Münstereifel…
Arntz, Hans-Dieter; Kriegsende - Durch die Voreifel zum Rhein
162 Seiten, fest gebunden mit Schutzumschlag, 220 Abbildungen, 2 Karten,
23 x 28 cm; ISBN 978-3-938208-61-8; 29,70 €
Helios-Verlag, Karl-Heinz Pröhuber
Brückstr. 48, 52080 Aachen, Tel.: 0241-555426
Tel.: 0241-555426
E-Mail: helios-verlag@t-online
www.helios-verlag.de