Mit dem Begriff „Wiedergutmachung“ hatte ich mich erstmals Anfang der 1980er Jahre befasst, als ich am 37. Kapitel meines Buches JUDAICA (S. 473 – 503) arbeitete. Hier ging es nicht nur exemplarisch um die Rehabilitierung der wenigen heimgekehrte jüdischen Mitbürger aus dem Gebiet der Eifel und Voreifel und die Realisierung berechtigter Ansprüche, sondern auch um Aspekte deutscher Wiedergutmachungspolitik. Unter diesem Begriff konstatiert Wikipedia einleitend:
Das Wort „Wiedergutmachung“ darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass erlittenes Leid und jahrelange Entrechtung, Freiheitsentzug und Gesundheitsschäden nicht durch Geldleistungen abgegolten und „wieder gut gemacht“ werden können. Der Fachbegriff ist jedoch in der Literatur gebräuchlich und kaum ersetzbar.
Folgender Exkurs (H.-D. Arntz, JUDAICA, S.473) konstatiert, wie ein aus unserer Region stammender jüdischer Volkswirtschaftler bereits 1944/45 Einfluss auf die internationale politische Weichenstellung der „Wiedergutmachung“ nehmen konnte:
Michael Marx II aus Großvernich bei Weilerswist hatte einen Sohn, Benedict Marx (1889-1956), der 1920 in den Aufsichtsrat der Arbeiterbank in Berlin berufen und dann in den Reichswirtschaftsrat gewählt wurde. Bis 1933 war er dann Hauptgeschäftsführer des Allgemeinen Verbandes der Bankangestellten. Er emigrierte nach England, avancierte zum Berater des späteren britischen Außenministers Bevin und konnte in dieser Position Einfluss auf die Planungen für ein besiegtes Deutschland nehmen. Tatsächlich war er daran beteiligt, den britischen Außenminister und Premierminister Winston Churchill zur Ablehnung des für Deutschland so nachteiligen „Morgenthau-Plans" zu bewegen. Der Vernicher Wirtschaftsexperte, dessen Ansicht von „Wiedergutmachung" wohl nicht von blindem Hass geprägt war, starb 1956 in Bad Godesberg.
Mehr als 30 % der 750.000 israelischen Rentner sind Holocaust-Überlebende und befinden sich unterhalb der Armutsgrenze. Zu ihnen zählen nicht nur viele Juden aus Osteuropa, sondern auch Jeckes, über die und deren kulturellen Einfluss ich bereits berichtet habe. Ihnen bietet sich vielleicht jetzt noch die letzte Chance für eine finanzielle
„Wiedergutmachung“.
Aufgrund einiger Reaktionen auf meine regionalhistorische Homepage und mit Bezug auf mehrere E-mails, die sich mit speziellen Fragen nach dem Besitz jüdischer Vorfahren befassen, möchte ich behilflich sein. Besonders frühere Mitbürger aus Euskirchen und Umgebung, deren Roots nach Polen gehen, soll dieser Online-Artikel erreichen. Nicht nur viele Verwaltungen, sondern auch Regionalhistoriker, Archive und andere Institutionen haben sich seit 1945 darum bemüht, den Holocaust-Überlebenden Dokumente, Nachweise und Belege zu besorgen, mit denen geringe Rentenansprüche meist „erkämpft“ werden konnten. Jetzt gibt es eine wohl letzte Form der materiellen Wiedergutmachung bzw. einen neuen Weg, eventuell wieder zu einem kleinen Teil des früheren Familienbesitzes zu kommen. Das Stichwort lautet: „Project Heart“.
A Holocaust survivor at a ceremony of remembrance on Monday at the Yad Vashem Holocaust memorial in Jerusalem (Archivfoto von Gali Tibbon/ The New York Times).
Am 2. Mai 2011, dem Holocaust Memorial Day (Yom Ha-Shoah) – vgl. hierzu meine NEWS vom 2. Mai -, veröffentlichte das „Jerusalem Journal“ der „New York Times“ einen diesbezüglichen Artikel mit der Überschrift: Property Lost in Holocaust Is Cataloged Online. Die Journalistin ISABEL KERSHNER informierte über das „Project HEART“ der Holocaust Era Asset Restitution Taskforce – Project HEART). Grundsätzlich heißt es in dem einleitenden Aufruf:
WENN SIE ODER IHRE JÜDISCHEN VERWANDTEN EIGENTUM BESASSEN, DAS WÄHREND DER HOLOCAUST-ZEIT BESCHLAGNAHMT, GEPLÜNDERT ODER ZWANGSVERKAUFT WURDE, KÖNNEN SIE UNTER BESONDEREN UMSTÄNDEN AM PROJEKT HEART TEILNAHMEBERECHTIGT SEIN
Der Zweck von Projekt HEART ist, Personen mit Entschädigungsansprüchen für Eigentum, das während der Schoah-Zeit konfisziert, geplündert oder zwangsverkauft wurde, zu helfen. Hierfür ist eine Website bzw. online database eingerichtet worden. Der gesamte Vorgang wird folgendermaßen erklärt:
Der erste Schritt in diesem Prozess ist, die Personen zu identifizieren, die während dieser Zeit Eigentum verloren haben und Sie zu ermutigen, den Fragebogen einzureichen. Auf dieser Webseite finden Sie die Informationen, die Sie brauchen, um festzustellen, ob Sie oder jemand, den Sie kennen, am Projekt HEART teilnahmeberechtigt sind und ob Sie für konfisziertes, geplündertes oder zwangsverkauftes Eigentum möglicherweise Anspruch auf eine Entschädigung haben. Befolgen Sie die Anweisungen auf dieser Webseite Schritt für Schritt, um den Fragebogen einzureichen und Ihren Antragsprozess beginnen zu können. Außerdem beschreibt diese Webseite, die Eigentum Arten und die Orte, dass das Projekt HEART umfasst und nicht umfasst und bietet weitere Informationen und Fristen zu Ihrer Verfügung.
Projekt HEART ist ein gemeinnütziges Projekt der Jüdischen Agentur für Israel (Jewish Agency for Israel - JAFI), das von der israelischen Regierung finanziert und unterstützt wird.
Projekt HEART konzentriert sich auf die Identifizierung der Personen mit potenziellen Ansprüchen bezüglich Eigentums. Um förderfähig zu sein, muss das beanspruchte Eigentum, ALLE der folgenden Kriterien erfüllen, um berücksichtigt zu werden:
- Das Privateigentum, befand sich in Ländern, die zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Holocaust-Zeit von den NS-Streitkräften oder den Achsenmächten kontrolliert waren.
- Das Privateigentum, befand sich im Besitz jüdischer Personen, wie sie nach den Rassengesetzen der Nationalsozialisten oder der Achsenmächte definiert wurden.
- Das Privateigentum, wurde von den NS-Streitkräften oder den Achsenmächten während der Holocaust-Zeit konfisziert, geplündert oder zwangsverkauft.
- Nach der Holocaust-Zeit wurde keine Entschädigung an Sie für dieses Eigentum getätigt.
Das ultimative Ziel des Projekt HEART besteht in der Bereitstellung von Hilfsmitteln, Strategien und Informationen, um es der israelischen Regierung, dem Projekt HEART und seinen Partnern zu ermöglichen, anspruchsberechtigte jüdische Opfer und ihre Erben und dem jüdischen Volk ein kleines Maß an Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Projekt HEART möchte förderberechtigte Personen, jüdischen Opfern des Holocausts und ihren Erben auf der ganzen Welt erreichen, die oder deren Familien bewegliches, unbewegliches oder immaterielles Privateigentum besaßen, das in Ländern konfisziert, geplündert oder zwangsverkauft wurde, die während der Holocaust-Zeit von den NS-Streitkräften oder den Achsenmächten kontrolliert oder besetzt wurden. Jüdische Bewerber müssen folgende Hinweise beachten:
Anspruchsberechtigtes Eigentum für Projekt HEART umfasst Privateigentum unterschiedlicher Art:
- UNBEWEGLICHES EIGENTUM, ein Eigentumsgegenstand, der nicht bewegt werden kann, ohne dass er zerstört oder verändert wird. Dies umfasst Immobiliengegenstände wie zum Beispiel Land, Land mit Gebäude und Land ohne Gebäude.
- BEWEGLICHES EIGENTUM, jegliches Eigentum, das von einem Ort zu einem anderen Ort transportiert werden kann. Dies kann unter anderem Kunstwerke, Judaica, Nutztiere, professionelle Hilfsmittel, Edelmetalle, Edelsteine, Schmuck und sonstiges bewegliches Eigentum umfassen.
- IMMATERIELLES PRIVATEIGENTUM, persönliches Eigentum, das weder bewegt, berührt noch gefühlt werden kann, aber einen Wert darstellt. Dies kann unter anderem verhandelbare Instrumente wie Aktien, Anleihen, Versicherungen, Sparkonten, angemeldete Patente, Aussteuer- Policen und sonstiges immaterielles Privateigentum umfassen. Hierbei sind auch negative Vermögenswerte – wie etwa Schulden und Verbindlichkeiten gegenüber der Person – wie ausstehende Kredite und Hypotheken.
WER IST TEILNAHMEBERECHTIGT?
Um den Fragebogen für Projekt HEART einzureichen, müssen Sie eine der folgenden Kriterien erfüllen:
- Der individuelle Anspruchsteller muss eine jüdische Person sein, die während der Holocaust-Zeit unter den Rassengesetzen der Nationalsozialisten oder der Achsenmächte verfolgt wurde, ODER der ein Erbe einer solchen Person ist.
- Die Person oder seine/ihre jüdischen Verwandten müssen privates unbewegliches, bewegliches oder immaterielles Eigentum besessen haben oder Anspruch darauf haben, das sich während der Holocaust-Zeit (i) in den Ländern befand, die von den NS-Streitkräften oder Achsenmächten regiert oder besetzt waren und (ii) das konfisziert, geplündert oder zwangsverkauft wurde.
- Nach der Holocaust-Zeit wurde keine Entschädigung and Sie für dieses Eigentum getätigt.
Das „Project HEART“ ist bisher in Deutschland nicht sehr bekannt, und somit möchte ich es durch diesen Online-Artikel meinen jüdischen Lesern vorstellen. Die New York Times weist mit folgenden Worten auf das wichtige Projekt hin:
This is the first worldwide list of property confiscated, looted or forcibly sold during the Holocaust era to be made available to survivors and their heirs. Compiled from hundreds of European archives, including tax records and voter registries, it includes real estate and land, movable property like art and jewelry, and intangible personal property like stocks, bonds and savings accounts.
Ähnliche Projekte werden nun ergänzt. Die deutsche Übersetzung der englischsprachigen Ausschreibung, die spätestens bis zum Jahresende 2011 beachtet werden muss, lautet wörtlich:
Diese Webseite beschreibt die Prozedur zur Eintragung Ihrer Informationen und Ihrer Teilnahme am Projekt HEART. Wenn Sie teilnahmeberechtigt sind, bitte füllen Sie einfach den Fragebogen auf dieser Webseite aus und reichen Sie ihn ein. Sie können den Fragebogen online über diese Webseite einreichen, oder ihn an die im Abschnitt KONTAKT PROJEKT HEART angegebene Faxnummer senden, per E-Mail an german@heartwebsite.org senden, oder ihn per Post, abgestempelt spätestens am 1. Dezember 2011, an die im Abschnitt KONTAKT PROJEKT HEART angegebene Adresse schicken.
WER IST NICHT TEILNAHMEBERECHTIGT?
Antragsteller werden nicht berücksichtigt, wenn sich ihr Eigentum in Gebieten befand, die folgende einschließen, sich aber nicht auf sie beschränken:
- Regionen und Territorien, die vor dem 23. August 1939 von der ehemaligen Sowjetunion kontrolliert oder besetzt wurden.
- Regionen und Territorien, die vom Japanischen Kaiserreich kontrolliert oder besetzt wurden bzw. mit ihm verbündet waren.
FRAGEBÖGEN MÜSSEN BIS SPÄTESTENS 1. DEZEMBER 2011 AN EINER DER FOLGENDEN ADRESSEN EINGEREICHT WERDEN:
PROJECT HEART |
PROJECT HEART |
PROJECT HEART |
FRAGEBÖGEN KÖNNEN AUCH ONLINE ÜBER DIESE WEBSEITE,
PER E-MAIL AN GERMAN@HEARTWEBSITE.ORG
ODER PER FAX AN: +1-414-961-2746 EINGEREICHT WERDEN
Innerhalb von zwei bis drei Monaten nach der Einreichung des Fragebogens wird Ihnen eine Poskarte zugeschickt, die den Empfang Ihres Fragebogens bestätigt und Ihnen die Kontroll-Nummer des Fragebogens mitteilt. Bitte rufen Sie nicht an, um sich über den Empfang des Fragebogens zu erkundigen. Die Bestätigung wird Ihnen zugesandt, sobald der Fragebogen bearbeitet worden ist.
Wenn Sie vom Projekt HEART ausgeschlossen werden möchten, müssen Sie einen schriftlichen Antrag für Ihren Austritt an die folgende Adresse schicken:
PROJECT HEART
PROJECT ADMINISTRATOR
EXCLUSIONS
c/o A.B. DATA, LTD.
PO BOX 170700
MILWAUKEE, WI 53217-8091
USA
Ihr Umschlag mit Ihrer Postkarte oder Ihrem Brief sollte spätestens am 15.Juni 2011 abgestempelt werden. Der Antrag auf den Austritt muss Ihren Namen, Adresse und Telefonnummer beinhalten. Sie müssen den Antrag auf den Austritt persönlich unterzeichnen. Bitte senden Sie Ihren Antrag auf den Austritt nicht per Fax oder E-Mail an.
Wenn Ihr Antrag auf Austritt rechtzeitig vor dem 15. Juni 2011 abgestempelt ist, wird der Projektverwalter Sie vom Projekt HEART ausschließen, und Sie werden weder von den Ergebnissen eingebundet, noch werden Sie Anspruch auf mögliche Leistungen aufgrund der Ergebnisse von Projekt HEART haben.