Obermayer German Jewish History Awardee Hans-Dieter Arntz (English/German by Michael Levtin/USA 2009)

Januar 2009

Obermayer German History Award

HANS–DIETER ARNTZ

Euskirchen, Nordrhein-Westfalen

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Vorgeschlagen von Miriam Bruderman, Kfar-Saba, Israel; Doris Doctor, Wayne, NJ; Emmy Golding, Edgware, UK; Yvonne Gradwolh, Basel, Schweiz; Evelyn Heilbronn, Modesto, CA; Charlotte Hillburn, Forest Hills, NY; Leo Hoenig, New York, NY; Janet Bernd Isenberg, Glen Rock, NY; Wolf Murmelstein, Ladispoli, Italien; Ilse Nathan, Birmingham, AL; Esther Eckstein Schwarz , Bridgewater, NJ; Laura and Scott Shields, Campbell, CA; Ruth Siegler, Birmingham, AL; Shulamit Spain-Gayer, Glasgow, Schottland; Doris Ruhr Strauss, Riverdale, NY; Gerald Weiss, Forest Hills, NY

Hans-Dieter Arntz’ Leidenschaft für die jüdische Geschichte begann im Jahr 1978, am 40. Jahrestag der Reichskristallnacht, „als niemand darüber sprach, niemand etwas darüber wusste. Und als Gymnasiallehrer war es mir wichtig, meinen Schülern gerade etwas über den Teil der Geschichte zu vermitteln, über den niemand reden wollte.“

Im gleichen Jahr wurde der Fernsehmehrteiler „Holocaust“ ausgestrahlt, der eine landesweite Diskussion über die deutsche Vergangenheit auslöste, und Arntz begann mit seinen Recherchen in den regionalen Archiven. Er entdeckte bislang völlig unbekannte Dokumente und spürte jüdische Überlebende auf, die in Euskirchen, seiner 50.000-Einwohnerstadt westlich von Bonn, gelebt hatten. Nachdem sein erster Diavortrag gleich 200 Mitbürger faszinierte, wusste er, „dass das der Anfang war.“

Seit dieser Zeit ist Arntz (67) unermüdlich als Lehrer, erfolgreicher Aktivist und äußerst produktiver Autor tätig gewesen. Mit Sachkenntnis und Geduld gelang es ihm, zahlreiche Menschen mit ihrer Geschichte zu verbinden und so Hunderte jüdischer Familien in aller Welt zu erreichen.

„Ich sehe mich selbst als Bindeglied zwischen der Region, in der ich lebe, und den Orten, an denen die ehemaligen jüdischen Mitbürger heute leben“, so Arntz. Dank seiner akribischen Recherchen, die aufzeigten, wo Juden gelebt und gearbeitet hatten und wer ins Gefängnis oder Konzentrationslager kam, konnten ehemalige jüdische Mitbürger in einigen Fällen sogar Rentenleistungen in Deutschland beantragen, die sie sonst nicht erhalten hätten. In anderen Fällen spürte Arntz Dokumente auf, aufgrund derer Juden in aller Welt Eigentum zurückerhielten, das ihnen während des Holocaust genommen worden war.

Am häufgsten jedoch ist Arntz Anziehungspunkt und wichtige Informationsquelle für Nachfahren, die die lange Reise nach Euskirchen unternehmen, um etwas über ihre Vergangenheit zu erfahren.

„In den 1980er Jahren kamen jüdische Menschen zu uns nach Hause und baten um Hilfe bei der Beschaffung von Dokumenten“, erinnert er sich. „Sie klopften an unsere Fenster. Es waren so viele – ich kann gar nicht sagen, wie viele Levis und Weiss’ an unsere Tür kamen, denen ich die Häuser ihrer Eltern und Großeltern zeigte. Ich bin der Punkt, an dem alles zusammenläuft. Wenn jemand in unsere Stadt kommt und Fragen stellt, schickt man ihn zu mir.“

Wenn Arntz nicht gerade damit beschäftigt ist, mit Menschen zu reden, schreibt er über sie. Er hat Hunderte von Artikeln und 14 Bücher verfasst – sein 30 Jahre zurückreichendes Archiv ist auf seiner ausgefeilten Website, www.hans-dieter-arntz.de, zu sehen. Besondere Anerkennung und eine gewisse Berühmtheit erlangte er durch sein erstes Buch „Judaica – Juden in der Voreifel“ (1986), einem fundamentalen Werk zur jüdischen Geschichte in der Region Euskirchen, das jedoch nicht von Anfang an positiv aufgenommen wurde.

„Zuerst fragten mich alle: ‚Warum recherchierst du so ein Thema?‘ Kein Verlag wollte das Buch herausbringen. Selbst Stadtverwaltung und Stadtrat stellten kein Geld bereit“, um das 600-Seiten-Werks voller bislang unentdeckter Dokumente und Bilder drucken zu können. Das änderte sich jedoch, als der Nobelpreisträger Heinrich Böll im Radio ein Gespräch mit Arntz zu seinen Bemühungen hörte. Böll trat daraufhin mit ihm in Kontakt und bot seine Hilfe an. Der berühmte Autor führte ein paar Telefonate und „plötzlich wollte mir jeder helfen. In den Büchereien lagen Listen aus, in die sich

Interessenten eintragen konnten, die das Buch kaufen wollten. Selbst die Geschäfte waren interessiert.“

Das Buch kam schließlich in drei Aufagen heraus. Es folgten weitere Erfolge wie „Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet“ (1990), ein igantisches 800-Seiten-Werk über die deutschen Organisationen und Einzelpersonen, die jüdischen Flüchtlingen aus Österreich bei der Flucht über die belgische Grenze

halfen. Sein aktuellstes Buch „Reichskristallnacht“ wurde 2008 publiziert. Arntz’ Aktivitäten erstrecken sich über das Lehren und Schreiben hinaus bis in die Politik hinein: Er setzte sich für etliche Denkmäler und die Benennung von Straßen in der Region nach jüdischen Mitbürgern ein. Dabei ging es zunächst um ein Denkmal zur Erinnerung an Euskirchener Juden auf der Grünfäche, wo früher die Synagoge stand. 1981 wurde dieses Denkmal schließlich errichtet. Bei der Benennung einer Straße nach einem beliebten jüdischen Arzt, der den Armen in Euskirchen geholfen hatte, kämpfte er 10 Jahre, bis 1994 schließlich ein ganzer Platz nach Doktor Hugo Oster benannt wurde.

Seit zwei Jahren bemüht sich Arntz um die Benennung einer Straße zu Ehren von Josef Weiss, dem legendären „Judenältesten“ von Bergen-Belsen, der den Krieg überlebte und dem eine persönlich zusammengestellte Namensliste Tausender Juden der Region zu verdanken ist, die im Lager starben. Auch wenn Bürgermeister und Stadtrat noch zustimmen müssen, ist Arntz überzeugt: „Ich bin sicher, dass es gelingen wird.“

Arntz’ konfrontativer Ansatz und seine enorme Schaffenskraft, die er praktisch in zwei Vollzeitberufe steckte, forderten jedoch auch ihren Tribut. Nach eigenen Angaben schlief er oft nur drei oder vier Stunden, wenn er mit Recherchen beschäftigt war, verpasste aber dennoch in seiner 40-jährigen Lehrerlaufbahn nur neun Unterrichtstage. Einen höheren Preis zahlte er wohl in anderer Hinsicht: Aufgrund seiner hartnäckigen Aktivitäten zur Erforschung der jüdischen Geschichte der Euskirchener Region, wo einst um die 600 Juden lebten, erhielt er eine Flut anonymer Briefe, Anrufe und Drohungen, und einmal wurden sogar seine Autoreifen aufgeschlitzt.

„Den Menschen gefelen meine Aktivitäten nicht“, berichtet Arntz, der unter anderem auch Vorträge zum Thema Judenverfolgung in Schulen, Volkshochschulen, bei Jugendvereinen und Kirchengemeinden hielt.

„Man schickte mir Schmähbriefe, sogar aus dem fernen Südafrika. Wenn man Bücher schreibt und sich um Denkmäler kümmert, Artikel verfasst und Vorträge hält, ist man quasi das Feigenblatt der Gesellschaft, das die Blöße bedeckt.“

Die meisten Menschen unterstützen Arntz jedoch in seiner Arbeit, und er hat nach wie vor großen und konstruktiven Einfuss. Dabei handelt er immer nach seinem wichtigsten Motto: „Bewältigung der Vergangenheit“.

„Einfache und normale Schicksale sind für mich wichtig [um darüber zu schreiben], da ich damit mehr helfen kann als wenn ich über Prominente schreibe“, so Arntz. „Es macht mich stolz, diese Art von Arbeit veröffentlichen zu können, motiviert durch so viele persönliche Kontakte, die zu Freundschaften geworden sind – nicht nur mit Großeltern, sondern auch mit Eltern und ihren Kindern.“

„Und es gibt kein Ende“, fügt er hinzu. „Es wird nie zu Ende gehen, weil immer wieder neue Verbindungen entstehen.“

 

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HANS–DIETER ARNTZ

Euskirchen, North Rhine-Westphalia

 

Nominated by Miriam Bruderman, Kfar-Saba, Israel; Doris Doctor, Wayne, NJ; Emmy Golding, Edgware, UK; Yvonne Gradwolh, Basel, Switzerland; Evelyn Heilbronn, Modesto, CA; Charlotte Hillburn, Forest Hills, NY; Leo Hoenig, New York, NY; Janet Bernd Isenberg, Glen Rock, NY; Wolf Murmelstein, Ladispoli Italy; Ilse Nathan, Birmingham, AL; Esther Eckstein Schwarz , Bridgewater, NJ; Laura and Scott Shields, Campbell, CA; Ruth Siegler, Birmingham, AL; Shulamit Spain-Gayer, Glasgow, Scotland; Doris Ruhr Strauss, Riverdale, NY; and Gerald Weiss, Forest Hills, NY

Hans-Dieter Arntz’s passion for Jewish history began in 1978 on the 40th anniversary of Kristallnacht, “when nobody spoke about that, nobody knew anything about that, and as a teacher at gymnasium I wanted to teach my pupils especially about that part of history nobody wanted to talk about.” It was the same year the television series “Holocaust” appeared sparking a nationwide discussion about Germany’s past, and Arntz took it upon himself to delve into the regional archives. He uncovered never-before seen documents and managed to track down old Jewish survivors of Euskirchen, his city of 50,000 just west of Bonn. When his frst speech and slideshow drew a crowd of 200 fascinated locals, he knew, “that was the beginning.”

Since then, Arntz, 67, has worked tirelessly as a teacher, a successful activist and a prolifc writer—one whose skill and patience to connect living individuals to their histories has impacted hundreds of Jewish families across the globe. “I see myself as a connection between the area where I live and that place where its former Jewish people live now,” he says. Arntz’s meticulous research providing details about where Jews lived, where they worked, and which ones were sent to prisons or to concentration camps, has in some cases allowed Israeli retirees to claim pensions they would not otherwise receive. Other times he has tracked down rare documents permitting Jews from around the world to reclaim possessions lost in the Holocaust.

More often, he has been a magnet—and a fountain of information—for relatives of Jews who make the long trek to Euskirchen seeking information about their past. “In the 1980s Jewish people came to our house. They wanted help getting documents,” he recalls. “They knocked on our windows. So many people—I can’t say how many Levi’s and Weiss’s came to our door—and I showed them around to the houses of their parents and grandparents. I am that point where everything comes together; when somebody comes to our town, they send them to me.”

When Arntz isn’t busy talking to people, he is busy writing about them. The author of hundreds of articles and 14 books—his 30-year-long archive can be viewed on his polished website, www.hans-dieter-arntz.de—Arntz achieved special recognition, and also notoriety, for his frst book, “Judaica: Jews in the Voreifel,” (“Judaica: Juden in der Voreifel”) (1986) a foundational work on Jewish history in the region around Euskirchen. “At frst everyone wanted to know, ‘Why are you researching something like that?’ No company wanted to publish the book. Even the administration and town council did not want to give any money to print” the 600-page text flled with undiscovered documents and pictures, he recalls. But when the Nobel laureate Heinrich Böll heard Arntz discussing his efforts on a radio program, Böll contacted him and offered to help. The famous author made a few phone calls and “suddenly everyone wanted to help me. In the libraries there were lists you could write your name on so that you could buy the book if it were published. Even the shops were interested.”

The book ran through three printings and was followed up by successes like Arntz’s giant, 800-page work based on groundbreaking research, “Persecution of the Jews and Help in their Escape from the German-Belgian Border Region,” (“Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischem Grenzgebiet”) (1990) about the German organizations and individuals who helped Jewish refugees from Austria fee across the border to Belgium. His most recent book, “Reichskristallnacht,” was published in 2008.

Yet Arntz’s activities extend even beyond teaching and writing, into politics, where he has fought for some eight monuments and streets to be named after Jews in his area. His first struggle involved building a monument to Euskirchen’s Jews on the green space where the former synagogue stood, which he succeeded in establishing in 1981. Another battle—to name a street after a popular Jewish doctor who helped Euskirchen’s poor—took 10 years to resolve and fnally resulted in 1994 in the naming of an entire square, Doktor Hugo Oster Platz.

Two years ago Arntz pushed for a street name in honor of Josef Weiss, the legendary “oldest Jew” of Bergen-Belsen who carried back from the war a personally compiled list of thousands of Jewish dead from the region. Although the mayor and town council have yet to agree, Arntz says, “I can tell you I will be successful.”

Arntz’s confrontational approach and his productivity—dedicated full-time to two professions—did not come without costs. He claims he often slept three or four hours a night while engaged in research, yet missed only nine days of class in a 40-year teaching career.

A higher price, perhaps, was the spate of anonymous letters, phone calls and threats he received—including having his car tires slashed—for his dogged investigation of Jewish history in the Euskirchen area where some 600 Jews once lived. “People did not like to see what I did,” which included speaking at schools, adult education centers, youth organizations and church communities on the subject of Jews’ persecution, he says.

“I got abusive letters even from as far away as South Africa. When you write books and worry about monuments and write articles and give speeches, you are the feigenblatt, or fg leaf, exposing the nakedness of the communities.” Most people, however, support Arntz’s work, and he continues to have a wide and constructive infuence following what he considers his most important motto: “Overcoming the past.”

“Simple and normal fates are important for me [to write about] because I can help more than if I write about prominent people,” he says. “It makes me proud to publish this kind of work, motivated by so many personal contacts which end in friendships not only with grandparents, but with parents and their children, too.

“There is no end,” he adds. “There will never be an end because there are always new connections.”

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