Dass „Stolpersteine“ zu einer Eifeler Jüdin und indirekt sogar zu Anne Frank führen, beweisen folgende Ausführungen. Einleitend ist zu sagen, das es besonders den Stolpersteinen des Künstlers Gunter Demnig zu verdanken ist, dass sich die Regionalhistorie wieder verstärkt mit den einstigen Synagogengemeinden und dem individuellen Schicksal ihrer Mitglieder befasst. Diese Form kleiner Gedenktafeln soll an den Verbleib der jüdischen Menschen erinnern, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Die Stolpersteine sind kubische Betonsteine mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern, auf deren Oberseite sich eine individuell beschriftete Messingplatte befindet.
Auch in Emdetten waren die Bürger bereit, „ihrer“ Juden zu gedenken, aber offensichtlich hatte die westfälische Stadt an der Ems keine diesbezüglichen Opfer des Nationalsozialismus. Diese rassistische Ideologie schien sich zudem kaum in der damals überwiegend katholischen Gemeinde richtig durchgesetzt zu haben. Aber die neuesten regionalen Forschungen haben etwas Interessantes ergeben und tangieren insofern sogar den heutigen Kreis Euskirchen sowie die Ortschaft Kommern (heute Stadtteil von Mechernich). Über die hier geborene Jüdin Maria (Sara) Horn führen sogar Spuren zu Anne Frank. Ein noch nicht bekanntes Foto zeigt das damals noch nicht berühmte Mädchen mit Marias Neffen Hermann und Herbert Wilp.
Am 19. August 2010 berichtete die Lokalausgabe der Emsdettener Volkszeitung über die Krankenschwester Luzia Winter, die sich mit der Geschichte der Emsdettener Juden befassen wollte, aber vorerst feststellen musste, dass von hier aus keine Spuren zum Holocaust führten. Dann aber konnte die Redakteurin Larissa Loges mitteilen, dass die Heimatforscherin nun doch inzwischen auf einen Alfons Wilp gestoßen ist, den Ehemann der aus Kommern stammenden Maria (Sara) Horn. Nur am Rande sei erwähnt, dass ein Teil der jüdischen Familie Horn Anfang des 20. Jahrhunderts nach Euskirchen verzog und dort ein kleines Kaufhaus hatte. Die amerikanische Studentin Samantha Horn, Urenkelin von Sara (Maria), stattete mir noch im Juni 2009 einen Besuch ab.
Nun zurück zu Maria (Sara) Horn und ihr Bezug zu Emsdetten: Sie wurde in Kommern geboren und machte Emsdetten zu ihrer Wahlheimat. Zweimal war sie verheiratet und hatte drei Söhne. Und sie war eine Großmutter, die ihr Enkelkind 1943 in Auschwitz verlor. Dies sind Eckdaten eines Lebens, das die Emsdettenerin Luzia Winter nun wie ein Mosaik wieder zusammensetzt.
Sara Horn hieß eigentlich Maria, musste sich aber im Dritten Reich durch die Namensänderungverordnung ab Januar 1939 umbenennen lassen. Der erwähnte Emsdettener Zeitungsartikel nennt zwar den 15. Dezember 1873 als Geburtsdatum, aber meine Nachfrage im Mechernicher Stadtarchiv ergab jedoch, dass der 5. Dezember 1873 beurkundet ist. Das Archiv teilte weiterhin mit, dass sie die Tochter des Lumpensammlers Heinrich Horn (31 Jahre) und der gewerbslosen Judula Eiffeler (36 Jahre) war. Eine genaue Adresse sowie Hinweise auf einen Heirats- oder Sterbeeintrag fehlen hier. Offenbar war Abraham Horn, der noch 1939 in Kommern, Kölnerstraße 125, wohnte, ein Verwandter.
Die Heimatforscherin Luzia Winter ihrerseits konnte in Emsdetten erfahren, dass die jüdische Rheinländerin in jungen Jahren nach Emsdetten kam und dort einen Tabakladen führte. Im Jahre 1898 ehelichte sie den Schneider Gerhard Wilp und bekam die Söhne Alfons, Adolf und Felix. Als Sohn von Maria (Sara) und Gerhard Wilp war auch der Sohn Alfons Halbjude und wohnte definitiv während des Krieges in Emsdetten.
Offensichtlich gelang es damals dem Bürgermeister, ihn vor der Deportation zu bewahren.
Sein 1901 geborener Bruder Adolf hatte weniger Glück. Mit seiner jüdischen Ehefrau Frieda Meyer entschied er, die gemeinsamen Kinder Hermann und Herbert zunächst nach Holland zu schicken. Es gibt Hinweise darauf, dass sich diese Wilp-Söhne mit Anne Frank in Amsterdam angefreundet haben, deren Familie sich zeitweise der elternlosen Jungen angenommen haben soll. Als Frieda und Adolf Wilp die Kinder schließlich nach Deutschland zurückholten, wurden sie bald als Volljuden klassifiziert und im Februar 1943 mit der gesamten Familie nach Auschwitz deportiert. Nur der Vater Adolf und sein Sohn Hermann überlebten, kehrten kurz zurück nach Emsdetten.
Frieda und der 15-jährige Herbert starben im Konzentrationslager. Eine Geschichte, die Winter berührt: „Es waren unsere Mitbürger. Emsdettener wie ich.“ Nach dem Krieg kehrte Sara, beziehungsweise Maria 1946 nach Emsdetten in die Heimat ihres ersten Mannes und ihres Sohnes Alfons zurück. Nach dem Tode Gerhard Wilps kehrte sie 1922 zunächst in ihre Heimat Kommern zurück, um dort 1923 ein zweites Mal zu heiraten. Als sie den Bäckermeister Wilhelm Rütter ehelichte, war sie 50 Jahre alt. Nach seinem plötzlichen Tode zog sie wieder nach Emsdetten um. Als Maria Rütter lebte sie kurzzeitig bei ihrem Sohn am Wasserturm, zog dann zur Schulstraße und in die Hedwigstraße, bis sie mit 79 Jahren in einem Stift des Franziskus-Ordens starb.
Die vorliegende regionalhistorische Homepage möchte nun der Hobbyforscherin Luzia Winter aus Emsdetten helfen und besonders Bewohner des Altkreises Schleiden und Euskirchen fragen, ob jemand Kontakt zu Maria Rütter oder Sara Rütter, verwitwete Wilp und geborene Horn hatte. Auch Zeitzeugen, die die Söhne Alfons, Adolf und Felix oder die Enkel Hermann und Herbert kannten, werden gesucht. Bekannt ist, dass die bereits erwähnten Freunde von Anne Frank mit ihren Eltern im Februar 1943 von Koblenz aus deportiert wurden.
Der erwähnte Zeitungsartikel lässt erkennen, dass in Emsdetten schon an ein Mahnmal für die jüdische Familie Horn-Wilp und an eine Straße zur Erinnerung an Maria (Sara) Horn gedacht wird. Die Heimatforscherin Luzia Winter meint: „Immerhin ist Maria die Mutter von Alfons, der nachgewiesen im Dritten Reich hier lebte. Und sie ist zurückgekehrt und in Emsdetten verstorben.“