Kölner Prälat rettete Thorarolle während der „Reichskristallnacht“

von Hans-Dieter Arntz
20.09.2008

Der Geschäftsführer der Synagogengemeinde Köln, Herr Benzion Wieber, überließ mir freundlicherweise einige Exemplare des Gemeindeblattes. Die monatlich erscheinenden Hefte sind mit  durchschnittlich 60 Seiten recht aufwändig und wirken von der Aufmachung her keineswegs wie ein „Blatt“, sondern eher wie ein modernes Journal. Wer keinen Bezug zum regionalen Judentum hat, weiß eigentlich nichts über das offenbar rege Gemeindeleben in unserer Nachbarschaft. Auffallend ist die Zweisprachigkeit der Beiträge, was durch die starke Zuwanderung russischer Juden begründet ist.

Die offensichtlich erfolgreiche Integrationsarbeit innerhalb der Kölner Gemeinde, die als Körperschaft des Öffentlichen Rechts in der Ottostraße 85, 50823 Köln (Ehrenfeld) ihren Sitz hat, beinhaltet auch den Bezug zum Christentum, wie die November/Dezember Ausgabe von 2007 beweist.

Besonders gefiel mir diesbezüglich der Hinweis auf den Kölner Domprälanten Gustav Meinertz, der während der „Reichspogromnacht“ eine Thorarolle aus der brennenden Synagoge in der Glockengasse rettete und sie später der Synagogen-Gemeinde Köln zurückgab. Das jüdische Gemeindeblatt Köln berichtet darüber:

„In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zündeten die Schergen der Nationalsozialisten unter Aufsicht der Regierenden Synagogen in ganz Deutschland an. Auch bei uns in Köln brannten die Synagogen. Aus der brennenden Synagoge in der Glockengasse (heute Opernhaus) rettete Domprälat Gustav Meinertz eine schwer beschädigte Thora-Rolle und gab sie nach dem Krieg der Synagogen-Gemeinde Köln wieder zurück. Diese Thora-Rolle wurde jetzt mithilfe des Erzbistums Köln in Israel restauriert und wird am 9. November 2007 im Rahmen einer feierli­chen Gedenkveranstaltung wieder eingebracht (…)“.

Bernhard Riedl erklärt in einem halbseitigem Artikel: „Wer war Gustav Meinertz?“ Zudem wird dort seine Leistung während der Pogromnacht 1938 zitiert. Für die Leser meiner regionalhistorischen Homepage dürfte ein Auszug informativ sein, der von dem inzwischen verstorbenen Gemeindemitglied Ernst Simons im Jahre 2002 verfasst wurde und den Freiburger Rundbrief Nr. 4/2002, Seite315 als Quelle angibt:

„Meine Mutter rief mich an und erzählte mir von der bewunderns­werten Tat eines katholischen Geistlichen (…). Sie erzählte mir un­ter Tränen, dass dieser Geistliche eine Thorarolle aus der brennenden Synagoge in der Glocken­gasse heraus getragen hat. Trotz Hunderter johlender Menschen fand nur er allein den Mut, diese Thorarolle aus dem brennenden Gebäude herauszuholen und für die Nachwelt zu retten. Erst nach meiner Rückkehr nach Köln erfuhr ich von dem damaligen Vor­sitzenden der neu erstandenen jüdischen Gemeinde, dass Prälat Gustav Meinertz die gerettete Thorarolle bei sich zu Hause ver­steckt hatte und wenige Tage nach Beendigung des Krieges der jüdischen Gemeinde zurückbrachte (…). Bei allen Synagogen­führungen wird darauf hingewiesen, dass es Prälat Meinertz war, der diese einzige Thorarolle für die jüdische Gemeinde gerettet hat. Auch werden alle Besucher der Synagoge (…) daran erinnert, dass Prälat Meinertz denjenigen Menschen, die nach dem Grund seines Handelns fragten, geantwortet hatte: , Hier wird nicht nur die Bi­bel der Juden zerstört, sondern auch die Bibel der Christen. Es ist die gleiche, nämlich das Alte Tes­tament.' Prälat Meinertz erhielt bereits 1949 vom Staat Israel eine Einreiseerlaubnis".

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