Kaiserbesuche in Euskirchen:
Wilhelm I., die Landesmutter und der Kronprinz kamen im Sonderzug —
1877, 1906 und 1911 war der Kaiser im Kreis Euskirchen zu Gast

von Hans-Dieter Arntz
19.09.2007

Das Stadtmuseum Euskirchen präsentiert zurzeit die Ausstellung „Kaiserzeit im Altkreis Euskirchen“. Diese wird begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm, das im Laufe der nächsten drei Monate Vorträge und Stadtführungen vorsieht. Höhepunkt wird wohl das Festbankett im Parkhotel am Euskirchener Bahnhof sein, das am 24. November ab 19 Uhr stattfindet. Aufgetragen wird nach historischen Rezepten und Gangfolgen. Laut lokaler  Zeitungsberichte wird selbst das Ambiente im Hotel der Originalzeit nachempfunden: es gibt ein passendes Unterhaltungs- und Musikprogramm und von den Gästen wird eine passende Abendgarderobe oder ein historisches Kostüm erwartet.

Diese Aktivitäten erinnern mich an einen Beitrag, den ich vor genau 25 Jahren für das Jahrbuch des Kreises Euskirchen schrieb (Euskirchen 1982, S.14-23):  

Kaiserbesuche in Euskirchen
Wilhelm I., die Landesmutter und der Kronprinz kamen im Sonderzug —
1877, 1906 und 1911 war der Kaiser im Kreis Euskirchen zu Gast

Prominenz in Euskirchen (870 n. Chr. –1842)

Schon früher war es so, dass die Voreifel selten die „High Society“ der Regierenden und Herr­schenden zu sehen bekam. Wer will es also der Bevölkerung von Euskirchen oder Münstereifel  ver­übeln, dass sie diese Distanz mit Glorifizierung und Verherrlichung zu ertragen suchten, wäh­rend früher die Bewohner der Rheinstadt Bonn ein viel nüchterneres Ver­hältnis zum Adel und Kaiserhaus hatten.

Die wenigen Tage, an denen sich Könige oder Kaiser in unserer Umgebung aufhielten, waren Höhepunkte im Leben eines jeden Eifel-Chronisten. Mit Stolz vermerkte im Jahre 870 der Mönch Regino die „Villa Regia Nomine Flamereshem“, wo König Ludwig beim Einsturz eines Gebälkes zwei Rippen gebrochen habe. Es handelte sich um die „Kleinpfalz“  und den Königshof Flamersheim, der aber in der Nähe von Kastenholz lag. Bis zur Napoleonischen Zeit war es dann recht unruhig in unserer Gegend. Berühmte Feldher­ren suchten auch die Voreifel heim und quar­tierten sich und ihre Soldateska in allen Orten ein, so dass die meist ländliche Bevölkerung sehr darunter zu leiden hatte und Hassgefühle gegen jegliche Obrigkeit internalisierte. Dass Kaiser Napoleon nach verlorener Russland­schlacht durch das Höhengebiet bei Münstereifel nach Paris geflüchtet sei, wird nicht nur in Effelsberg gemunkelt.

Mit der produktiven Industrialisierung und dem wachsenden Reichtum der hiesigen Land- und Stadtbevölkerung ging eine Phase gewisser Gemächlichkeit einher. Die Mixtur mi­litanten und repräsentativen Preußentums mit dem Hochgefühl seit 1871, einem Deutschen Reich anzugehören, die Vollbeschäftigung und die auch bei uns herrschende Freude an Pres­seextrakten schaffte gerade in der Voreifel eine Stimmung des Konservativen und der Tradi­tion. Nicht umsonst griffen der wohlhabende Fabrikant und der schollenbewusste Bauer zum „Kreisintelligenzblatt für Euskirchen und Rheinbach“. So war es mehr als eine Genugtuung, wenn man zum Beispiel am 3. Juni 1891 in der Euskirchener Zeitung las:

 

ARLOFF, 1. Jui 1891

Verflossenen Freitag morgen gegen 1/2 11 Uhr passirten Se. Durchlaucht Prinz Adolf von Schaumburg-Lippe, Ritt­meister beim Husaren-Regiment in Bonn, nebst Gemahlin, Königliche Hoheit Prinzessin Victoria von Preußen, Schwester unseres Kaisers, zu Pferde unsern Ort und ritten über Kirspenich und Flamersheim nach Bonn weiter. Die hohen Herrschaften kamen vom Schlosse Wachendorf, wo Hochdieselben zum Besuche des Freiherrn A. v. Solemacher-Antweiler, Königlicher Kammerjunker der Prinzessin Victo­ria, geweilt hatten. Letzterer nebst Gemahlin gaben ihrem hohen Besuche eine Strecke Wegs per Wagen das Geleite, worauf das prinzliche Paar die Reitpferde bestieg und weiter ritten. Wohl Niemand im Orte war auf die Passage des hohen Paares vorbereitet, sonst würde gewiß mancher die Gelegenheit benutzt haben, die Schwester unseres Kaisers nebst Hochderen Gemahl zu sehen und zu grüßen.

Von offiziellen Anlässen her weiß man, dass gerade die Eifelbewohner ihrem Kaiser ein be­geistertes, aber „stets unterwürfiges Vivat“ zurie­fen. Seitdem der Hochadel anlässlich großer Manöver die Euskirchener Landschaft bevor­zugte, wuchs auch seine Liebe zur rustikalen und wilden Eifel sowie seinen ausgedehnten Jagdgebieten. Manches Jagdschloss entstand somit vor rund 150 Jahren.

Am 5. September 1842 „stand das 8. Armee­korps bei Großbüllesheim in Parade vor dem König Friedrich Wilhelm IV.“ Die Kreisstadt Euskirchen glich damals einem Heerlager.

Als aber der Kaiser wirklich einmal nach Eus­kirchen kam, da wollte ihn jeder sehen!

1877: Der Kaiser in der Kreisstadt Euskirchen

Ein imponierender Stahlstich, heute im Besitz eines Euskirchener Bürgers, zeigt die Kaiser­parade des 8. Armeecorps im Jahre 1877 bei Euskirchen. Im Vordergrund des Bildes sieht man den alten, damals 80jährigen Kaiser Wil­helm l., der sein Regiment, die Bonner Königs-Husaren, der Kaiserin vorführt. Dieses große Ereignis wurde durch eine Notiz der Euskirchener Zeitung vom 10. April 1877 angekündigt:

„Der Herr General von Goeben besichtigte in voriger Woche das Terrain zwi­schen hier und Zülpich, woraus man schließt, dass die hiesige Gegend bei den Herbstmanö­vern mit in Anspruch genommen werde.“ Damals stand man sicher noch stark unter den Eindrücken des siegreichen Krieges 1870/71 und des neuen Kaiserreiches. Und General von Goeben war der siegreiche Führer des rheinischen 8.Armeekorps in diesem Kriege.

 

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Kaiserparade des 8. Armeecorps im Jahre 1877 bei Euskirchen. Der 80jährige Kaiser Wilhelm I. (rechts)
führt sein Regiment, die Bonner Königs-Husaren, der Kaiserin vor.

 

Auch viele Euskirchener hatten in den rheinischen Regimentern gekämpft. Am 1. Mai teilte  die Zeitung mit, dass die großen Herbstübungen vor dem Kaiser vom 8. bis 15. September in den Kreisen Euskirchen, Rhein­bach und Düren stattfänden und für diese Übungen der Raum Zülpich-Euskirchen-Rheinbach ausersehen sei.

Wörtlich heißt es dann:

Der Paradeplatz ist nördlich von Euskirchen bei Wichterich ge­plant, und das versammelte 8. Armeekorps ausschließlich der Offiziere in Stärke von exakt  20.834 Mann und 4.402 Pferden soll im 1 1/2meiligen Umkreis vom Paradeplatz dislokiert werden.

Da der Kaiser mit der Eisenbahn nach Euskir­chen kommen sollte, wurden in der Kreisstadt die ersten Vorbereitungen getroffen. Die Tagungen des Stadtrates häuften sich, der Eus­kirchener Kriegerverein, dessen Protokollbücher erhalten blieben, entwickelte kühne Initia­tiven, und in den Schulen wurden „vaterlands­treue“  Gedichte gelernt.

Am 20. Juli 1877 besuchte dann der kommandierende General von Goeben in Begleitung des Generalstabchefs Oberst von Hänisch erneut den in Aussicht genommenen Paradeplatz an den Sieben-Wegen. Die Presse erfuhr, dass eine Festhalle, in welcher der Kaiser das ihm vom Kreis Euskirchen angebotene Frühstück am 15. September einnehmen werde, auf dem alten Marktplatz der Stadt Euskirchen erbaut werden solle.

Die Enttäuschung darüber, dass der Marktplatz für das Festzelt nicht in Frage kommen würde, spricht aus dem Zeitungsartikel der Euskirche­ner Zeitung vom 25. 7. 1877:

Leider wird das Kaiserzelt nicht, wie angenommen worden war, auf dem Marktplatz, sondern auf dem freien Platze vor dem Stationsgebäude dahier errich­tet werden, und das ist jammerschade: denn erstens hätte sich das gewiß in baulicher Hin­sicht prachtvoll werdende Zelt auf dem mit geschmückten Häusern eingerahmten Markt­platze weit schöner ausnehmen müssen als es sich auf dem Platz am Bahnhof ausnehmen wird, und zweitens wäre den Einwohnern die Freude zu Theil geworden, ihren geliebten Landesvater in ihrer Mitte bewillkommnen zu dür­fen. In der Chronik würde man eintragen kön­nen, daß der Deutsche Kaiser `Wilhelm der Siegreiche´ im gesegneten Jahre 1877 in ei­nem auf dem Marktplatze der Kreisstadt Eus­kirchen errichteten prachtvollen Zelte ein Früh­stück eingenommen habe. Die späteren Gene­rationen würden auf einen solchen Vermerk in den Annalen mit Stolz und Liebe zurückblicken, während ein Frühstück am Bahnhof kaum ge­bührend beachtet werden dürfte, da ein sol­ches Vorkommniß bei Allerhöchsten Herrschaf­ten keine Seltenheit ist!

Die weiteren Vorbereitungen zu den Festtagen beginnen mit der Nachricht, dass am Tage vor­her (3. August) ein höherer Postbeamter hier gewesen sei, um die „Lokalitäten zur Unterbrin­gung von 40 Postillonen mit 40 Wagen und 160 Pferden zu beschaffen, und der Kaiserliche Marstall, 80 Pferde zählend“, würde der Presse­notiz gemäß bereits zu Oberwichterich, wahr­scheinlich dem Mittelpunkte des Manöverfeldes, hergerichtet.

Zu Deputierten der Stadt Euskirchen, die zur Vorstellung beim Kaiser gelangen sollten, wurden die Tuchfabrikanten Josef Schiffmann und Josef Weber von den Stadtverordneten gewählt.

 

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    „Festgruß  der Stadt  Euskirchen“  anlässlich des 1. offiziellen Kai­serbesuches in der Kreisstadt

 

Dass Euskirchen stark mit militärischer Einquartierung bedacht wurde, bestätigt die Tatsache, dass in der Zeit vom 8. -12. September 1877 etwa 74 Offiziere, 1981 Soldaten und 55 Pferde sowie danach weitere 60 Offizie­re, 1727 Mann mit 46 Pferden untergebracht werden sollten.

Die Vorfreude auf das für damalige Verhältnis­se bedeutende Ereignis wurde durch die Vor­bereitungen auf die am 2. September stattfin­dende Sedan-Feier gesteigert. Am 28. August publizierte die Euskirchener Zeitung das Pro­gramm, das morgens um 11 Uhr in der Ele­mentarschule beginnen sollte. Alle Mitbürger wurden zur „Betheiligung an diesem nationa­len Feste“ aufgefordert. Es gäbe einen Festzug „zur Besitzung des Herrn Hänisch im Kleinenfeldchen. Daselbst Ansprache, Concert und Bewirthung der Kinder. Abends: Rückzug zum Marktplatz!“

Wer einen Platz auf der „eleganten Zuschauer-Tribüne“anlässlich der Kaiserparade am 10. September haben wollte, konnte gegen „Baarzahlung“ oder Postnachnahme vom Bauunter­nehmer Jacob Schmitz aus Euskirchen eine „numerierte Loge ersten Ranges für 10 Mark“ bekommen. Unnummerierte Sitze waren für 3 Mark erhältlich.

Am 1. September 1877 riss man sich die Zeitun­gen aus der Hand. Schwarz auf weiß konnte man lesen, wer alles zu den Ehrengästen ge­hörte. Da sollte der General-Feldmarschall von Moltke anwesend sein sowie alle Prinzen von Preußen (…).

Selbstverständlich wollte die Gastronomie am Umsatz beteiligt sein. So annoncierte die Gast­wirtschaft von Johannes Tieffenthal in Lommersum am 5. 9.: „Ab 1 Uhr: Table d'hóte, feinstes Lagerbier, Caffee und Liqueur!“ — Bondy & Leeser aus Köln priesen „Einquartie­rungsbetten, bessere Betten und elegante Bet­ten“ an, und Adolph Balg aus der Neustraße in Euskirchen teilte mit, dass bei ihm die Fahnen und Flaggen besonders preiswert wären. Am 8. 9. 1877 kündigten die Euskirchener Buchhändler F. Kreuder und J. Mertens an, dass man bei ihnen den Plan „des Parade- und Manöver-Terrains“ kaufen könne.

 Am 12. September brachte dann die Euskir­chener Zeitung einen längeren Bericht über die Parade, die am 10. September stattgefunden hatte. Unter den vielen bemerkenswerten Per­sönlichkeiten, die ihr beiwohnten - außer dem Kaiser, dem Kronprinzen, dem Großher­zog von Baden -, seien erwähnt: der General-Feldmarschall von Manteuffel, Prinz Friedrich von Preußen („Der Bezwinger von Metz“), Of­fiziere aus vielen ausländischen Staaten, Ge­nerale aller Grade.

Es muss eine „glänzende Suite“ gewesen sein, der die Euskirchener sicher größtes Interesse abgewannen.

Am 11. September fand dann der kaiserliche Besuch der Kreisstadt Euskirchen statt. Eine große Menschenmenge hatte sich morgens vor dem Bahnhof versammelt, um den Sonderzug zu erwarten. Die ausführliche Be­schreibung dieses denkwürdigen Tages folgte am 12. September 1877 in der konservativen „Euskirchener Zeitung“:

Der heißersehnte Wunsch, unseren geliebten Heldenkaiser Wilhelm I. von Angesicht zu An­gesicht sehen und begrüßen zu können, ist endlich erfüllt worden; aber nicht nur allein unseren Kaiser, sondern auch seine hohe Ge­mahlin, die Kaiserin, unsere geliebte und hoch­verehrte Landesmutter, sowie den Kronprin­zen(…)  Vor dem Bahnhof (…) zogen mehrere Tausend Schulkinder der Schulinspektion Eus­kirchen einen Kreis. Fast alle Mädchen waren weiß gekleidet mit blauer Schärpe und trugen Blumensträuße und Kränze in ihren Händen. Auf dem Perron waren die Stadtverordneten und andere Beamte versammelt, um den Kai­ser zu begrüßen. Nach deren Vorstellung durch den Herrn Landrath unterhielt sich der Kaiser längere Zeit mit unserem Bürgermeister Selbach, dem Herrn Kreisschulinspektor Dr. Schö­nen und dem Herrn Sanitätsrath, Kreisphysikus Dr. Flecken, und trat dann hinaus vor den Bahn­hof, allwo auch der hiesige Kriegerverein Auf­stellung genommen. Sofort schritt der Kaiser mit dem Kronprinzen auf den mit dem eisernen Kreuze decorirten Präsidenten des Kriegerver­eins zu, sprach freundliche Worte mit diesem und einigen Veteranen aus dem Befreiungskriege und machte dann die Runde bei den Schulkindern, welche die `Wacht am Rhein´ sangen. Der Kaiser war sehr heiter gestimmt, das konnte man ihm ansehen, denn er lächelte beständig. Hier und da sprach der Kaiser mit einigen der Kinder und klopfte ihnen auf die Wangen.

`Hurrah, hoch´ und abermals `hoch´ tönte es fort und fort ohne Ende, und viele Augen wurden feucht vor freudiger Rührung. Die Kaiserin fuhr einige Minuten früher ab als der Kaiser und die übrigen hohen Herrschaften. Bahnhof und alle Häuser und die Straßen, durch welche der Kaiser fuhr, sind herrlich geschmückt mit Triumphbögen, Kränzen, Fahnen, Inschriften usw. Kein Haus ist ungeziert! Einen freundli­chen Blick warf der Kaiser auf den Marktplatz, woselbst ihm zu Ehren ein Fahnenthurm errich­tet und die Mannschaften der Feuerwehr Auf­stellung genommen hatten. Unter immerwäh­renden Hurrahrufen der Bevölkerung und Glockengeläute fuhr der Kaiser hinaus zum Corps­manöver. Das Wetter war ein `Kaiser­wetter!´

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Da die Manöver in der Umgebung von Euskirchen stattfanden, durchfuhr die kaiserliche Familie in den folgenden Tagen mehrfach die Kreisstadt. Dass die Euskirchener Presse ihre Aufgabe recht ernst nahm und „schwerpunktmäßig“ be­richtete, sei anhand folgender Notiz vom 19. September 1877 bewiesen:

„Am Freitag durchzog Se. Maj. der Kaiser und der Kronprinz mit hohem Gefolge, vom Manö­ver kommend, abermals die Stadt von der Commerner Straße aus zum Bahnhof hin. Wie­der derselbe Jubel, dieselbe Begrüßung sei­tens der Bevölkerung und der freundliche Dank der Bevölkerung. Der Kronprinz saß im zweiten Wagen und rauchte ganz gemüthlich sein Jagdpfeifchen, was dem Volke so außerordent­lich gefiel, daß es laut aufjauchzte bei diesem Anblick.“(!)

Am letzten Manöver-Tag, Samstag, dem 15. September 1877, nahm der Kaiser mit Gefolge endlich doch noch sein Frühstück in der Fest­halle am Bahnhof ein. Der damalige Berichter­statter beschrieb beeindruckt die reich ge­schmückten „mit dem deutschen Reichsadler gezierten Ehrensitze“ und vermerkte „mit Ver­gnügen, daß Ihre Majestäten durch die getrof­fenen Arrangements sichtlich erfreut waren“.

Nach dem kaiserlichen Besuche in Euskirchen ergoss sich ein wahrer Ordenssegen über die Stadt und den Kreis Euskirchen.

1887: Kaiser-Denkmal in Lommersum

Im September des Jahres 1884 fand wieder ein großes Kaisermanöver im Gebiet von Lommer­sum statt. Der hochbetagte Kaiser und König Wilhelm I. nahm selbst die Besichtigung des ganzen 8. Armeecorps und die Begrüßung der Kriegervereine vor. Dass er auch die Parade, hoch zu Rosse sitzend, stundenlang anführte, erregte die Bewunde­rung der vielen Zuschauer.

Am 25. Juli 1886 beschloss das landwirtschaftli­che Casino von Lommersum, zum Gedenken an diesen denkwürdigen 22. September 1884 ein Denkmal zu errichten. Die Begeisterung für diese„patriotische Tat“ war groß: Spenden trafen ein, und mehrere Plätze zur Aufstellung des Denkmals wurden unentgeltlich angebo­ten. Schon am 26. Juli 1886 traf sich die Bevöl­kerung in der Gastwirtschaft Joh. Tieffenthal, um den Plänen des Präsidenten des landwirt­schaftlichen   Casinos,   Gutspächter   Johann Schüller zu Schneppenheim, und des Schrift­führers Hubert Frohn, Lehrer in Lommersum, sofort zuzustimmen.

Am 6. Juli 1887 berichtete dann die „Euskir­chener Zeitung“ von der Enthüllung des Denk­mals, das übrigens noch heute in fast unveränderter Form im Ortszentrum zu betrachten ist. Das gesamte Dorf war auf den Beinen, um den Fest­zug anzusehen, der auch auswärtige Krieger­vereine und Honoratioren, die Geistlichkeit und Vereine umfasste. Johann Schüller begründete in einer Rede den Bau des Denkmals und erinnerte sich an 1884:

Wir sehen heute im Geiste den greisen Helden, trotz seiner 87 Jahre alle Strapazen des Manövers mitma­chen, wir sehen ihn namentlich am Tage der großen  Kaiser-Parade,   umgeben  von  einer glänzenden Zahl fürstlicher Gäste, trotz Staub und übermäßiger Hitze vier Stunden ohne Ruhepause zu Pferde sitzen, uns Allen ein leuch­tendes Vorbild treuster Pflichterfüllung!

Dann lobte er die Euskirchener Firma Pfeifer & Langen für die tatkräftige Unterstützung des Unternehmens. Beim Krachen der Böller wurde das Kaiser-Denkmal enthüllt, und „es präsen­tierte sich ... in seiner ganzen imponierenden Schönheit.“

 

Der damalige Berichterstatter fuhr fort:

Nach Absingen der Nationalhymne wurde Parade-Aufstellung genommen, und es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, daß der nun folgen­de Parademarsch in tadelloser Weise ausge­führt wurde. Das Tanzvergnügen, welches dann im Tieffenthal'schen Festsaale in seine Rechte trat, erfreute sich, wie auch später der Festball, ungeachtet der herrschenden Hitze, eines großen Zuspruchs. Den ganzen Nachmit­tag über war das Denkmal der Zielpunkt eines zahlreichen Zuschauerkreises. Von einem Ad­ler mit ausgebreiteten Flügeln überragt, ist das mustergültig ausgeführte Denkmal in Obelis­kenform errichtet; auf der Vorderseite zeigt sich oben das von einem Kranze umschlungene Eiserne Kreuz und darunter (alles in Steinhau­er-Arbeit) das wohlgelungene Medaillon — Porträt Kaiser Wilhelms. Auf dem unteren Teile ist eine Marmortafel mit folgender Inschrift an­gebracht:


Zur Erinnerung an Seine Majestät, WILHELM DEN SIEGREICHEN, wie Er mit jugendlicher Kraft im hohen Alter von 87 Jahren die glän­zende Parade über das 8. Armeecorps am 22. September 1884 in den Fluren dieser Gegend abhielt. — Errichtet durch das landw. Casino zu Lommersum im Jahre 1887.

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Kaiser-Denkmal in  Lommersum  (eingeweiht 1887)

 

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Repros: H.-D. Arntz

1911: Kaiserbesuch in Euskirchen

Inzwischen waren die jährlichen Feiern anlässlich des Geburtstages „unseres gütigen Kai­sers“ Höhepunkte der Euskirchener und Münstereifeler Ballsaison. Am 28. November 1908 wurde sogar das „Kaiserin-Auguste-Victoria-Gymnasium“ eingeweiht, das sich zum heutigen Emil-Fischer-Gymnasium weiterentwickelte.

Wen will es da wundern, dass die kurze Notiz der „Euskirchener Zeitung“ vom 12. Oktober 1911 jeden einheimischen Monarchisten be­wegte, nach der„Seine Majestät der Kaiser am 18. des Monats nach der Enthüllung des Kaiser-Friedrich-Denkmals in Aachen eine nach­mittägliche Autofahrt über Gemünd nach Bonn“ plante. Dass Euskirchen nur durchfahren werden sollte, kränkte auch diesmal keinen. Gerne erinnerte man sich des letzten Besuchs des Monarchen am 19. Oktober 1906, an dem man ähnlich „vaterländisch erregt“ war.

Dieser dritte Kaiserbesuch — nach 1877 und 1906 — sollte besonders nachhaltig sein. Der 16. Oktober 1911 war voll hektischer Unru­he. „Euskirchener Zeitung“ und „Volksblatt“ publizierten einen Generalstabsplan, nachdem jedem Verein an der „Commernerstraße, Ka­pellenstraße, Hochstraße, Vuvenstraße, am Markt, an der Neustraße, Mühlbachstraße und Cölnerstraße ein Jubelplatz“ zugewiesen wur­de. Dabei war immer noch unklar, ob der Kai­ser mit dem Automobil oder der Eisenbahn Euskirchen passieren sollte. Am 17. 10. 1911 wurde das „traditionelle Hohenzollern-Wetter“   prophezeit.  

 

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Die Neustraße in Euskirchen um die Jahrhundertwendey

 

Nun stand auch fest, dass die Durchfahrt der Kreisstadt am Mittwoch, dem 18. Oktober abends, und die Rückkehr von Bonn am 19. des Monats stattfin­den sollte. Der offiziell mit „Kaiserbesuch“ titu­lierte Termin ging tatsächlich in die Annalen der Kreisstadt ein. Im Euskirchener Stadtarchiv kann man sich einen Überblick über die großen Vorbereitungen zum Empfang des Monarchen machen.

Ein Raketensignal vom Rathausturm kündigte gegen 19 Uhr das Nahen des Kaisers an. Das Wetter war herrlich, die Schaufenster und Häu­ser waren geschmückt und illuminiert. Der da­malige Berichterstatter hielt fest: „Die Neustra­ße glich einer via triumphalis, die überreiche Beflaggung, die Lichteffekte der zahlreichen, hellerleuchteten Schaufenster und die Lam­pions tragenden, spalierbildenden Schüler, dies alles verband sich zu einem wundervollen Gebilde in dieser Straße. Fackelträger und zischende Raketen, dröhnen­de Kanonenschläge und das Geläute der Glocken kündeten der harrenden Menge an, dass der Kaiser in den Bannkreis unserer Stadt ge­kommen war (…). Dann, ein Hurra aus vielen Kehlen, als das kaiserliche Automobil als er­stes von sechs in langsamer Fahrt vorüberfuhr. Der Kaiser trug Garde-du-Corps-Uniform und schien ernst gestimmt. Auf dem Viehplätzchen an der Kapellenstraße hatte der Turn- und Fechtverein Pyramiden errichtet. Das Hotel Joisten am Markt war bengalisch beleuchtet. Auf der Kölner Straße, zu beiden Seiten der Überbrückung des Veybachs, sprühten künstli­che Wasserfontänen im Lichte bengalischer Flammen.

Über Kuchenheim ging die Fahrt weiter nach Bonn, wo der Kaiser die Nacht bei seinen Verwandten (Schaumburg-Lippe) verbrachte. Am kommenden Vormittag passierte der gleiche Konvoi auf der Fahrt von Lechenich und Zülpich erneut Euskirchen, wo ihm die Bevölke­rung wieder zujubelte. Der 20. und 22. Oktober 1911 bescherte der Stadt Münstereifel kaiserliche Präsenz.

 

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Hotel Joisten am Markt, Kaiserlicher Hoflieferant

 

Eine Eifelrundfahrt wurde hier unterbrochen. Kaiser und Gefolge besichtigten die Stiftskirche, nahmen eine Parade von Veteranen ab und trugen sich in das Goldene Buch der Stadt Münstereifel ein. Der Journalist von anno dazumal konnte beruhigt zusammenfassen: „Der Kaiser wird durch unsere treudeutsche Stadt den Eindruck mitgenommen haben, daß für ihn in unseren Lan­den noch tausendfach königstreue Herzen schlagen!“

 

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Fotos/Repros: Stadtarchiv Euskirchen und Hans-Dieter  Arntz

 

Dieser Beitrag von Hans-Dieter Arntz wurde erstmals publiziert im Jahrbuch des Kreises Euskirchen 1982, S. 14-23

Quellen:

Gissinger: Geschichte der Stadt Euskirchen, 1902 Protokollbücher des Euskirchener Kriegervereins und Zeitungsarchiv ARNTZ, Euskirchen-Rheder. Weiterhin diesbezügliche Akten des Stadt- und Kreisarchivs.

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