Mit dem Ausbau der Kreisstadt Euskirchen verschwindet manches markante Gebäude; aber die supermodernen Neubauten wecken bei vielen Bürgern eher nostalgische Erinnerungen.
Mit Recht sind wir auf die „Stadt der Schulen" stolz; doch diese Bezeichnung wurde erst durch etwa 150jährige Bildungs- und Schulpolitik unserer Stadtväter erworben. Neben der Institutionalisierung verschiedenartiger Schultypen wurde am 18. Mai 1909, also vor genau 70 Jahren, das Städtische Lehrerseminar Euskirchen gegründet.
Viele erinnern sich an das ehemalige Seminargebäude auf der Kommerner Straße, das zur Zeit noch als Kreisberufsschule fungieren muss, aber nach dem Bezug eines großzügigen Neubaus in absehbarer Zeit abgerissen wird.
In Euskirchen gab es seit 1877 eine private Präparandenanstalt für Knaben, die 1907 drei Stufen und 58 „Zöglinge" hatte. Ostern 1907 durften keine Neuaufnahmen mehr stattfinden, damit die Auflösung der Anstalt bis zum 1. April 1909 trotz eifriger Bemühungen des Leiters und der Stadt von der Unterrichtsverwaltung durchgesetzt werden konnte.
Der Euskirchener Bürgermeister Dr. Sester sandte am 11. April 1907 „durch die Hand des Königlichen Provinzial-Schulkollegiums“ ein Schreiben an den Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten, Dr. Studt, nach Berlin. Darin führte er aus, ihm sei zu Ohren gekommen, dass die Königliche Unterrichtsverwaltung „die Errichtung eines staatlichen Lehrerseminars nebst Präparandenanstalt" im Regierungsbezirk Köln erwäge. Er wies auf die langjährige fruchtbare Arbeit der privaten Präparandenanstalt hin und bat den Minister, bei einer Entscheidung die Stadt Euskirchen zu bedenken.
Dem Schreiben war ein Auszug aus dem Protokollbuch des Stadtverordneten-Kollegiums beigefügt, das folgenden Wortlaut hat:
„Das Stadtverordnetenkollegium erklärt sich auf Vorschlag des Bürgermeisters bereit dem Herrn Minister ein zur Errichtung eines staatlichen Lehrerseminars nebst Präparandenanstalt geeignetes und dem Provinzial-Schulkollegium genehmes Terrain unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, auch die Anstaltsgebäude nach Anordnung der Schulbehörde zu errichten und diese Gebäudlichkeiten dem Staate gegen eine mäßige Verzinsung zu überlassen".
Dieser Antrag wurde vom Regierungspräsidenten in Köln befürwortet unter Hinweis auf den Charakter der Kreisstadt Euskirchen, „die in völlig ländlicher Umgebung liegt. Ein Einwohner gehören dem bürgerlichen Mittelstand an und leben in ruhigen und einfachen Verhältnissen, so dass die ordnungsgemäße Unterbringung der Zöglinge gewährleistet ist. Die steuerlichen Verhältnisse der Gemeinde sind geregelt."
Den Bestrebungen der Stadt gelang es tatsächlich, die Genehmigung zur Errichtung eines staatlichen Präparandenkurses zu erlangen, der am 1. Oktober 1907 unter der Leitung des Lehrers Dinkelbach eröffnet wurde. Diesem Vorbereitungskurs sollte nun im Herbst 1910 ein Lehrerseminar folgen. Wegen des großen Lehrermangels jedoch wurde die Errichtung schon am 1. April 1909 vollzogen. Seminar- und Präparandenzöglinge wurden im alten Gymnasium untergebracht. Hier waren bisher die Präparandinnen untergebracht, die nun umziehen mussten. Dies geschah in erster Linie aus disziplinarischen Gründen, da eine Trennung der Seminarzöglinge von den jungen Damen im Gymnasialgebäude schwierig war. Es kam nicht zu, einem termingerechten Beginn des Unterrichts am Seminar, da noch wichtige Utensilien fehlten. In einem Schreiben an das Unterrichtsministerium in Berlin wurde aber dann gemeldet: „Das Lehrerseminar in Euskirchen ist am 18. Mai 1909 mit 35 Zöglingen eröffnet worden."
Nach einer Bauzeit von einem Jahr und 5 Monaten konnte am 15. November 1913 das neue Gebäude an der Kommerner Straße unter großer Anteilnahme der Bevölkerung eingeweiht werden.
Der in Stotzheim im Ruhestand lebende Pädagoge Fritz Potthoff hat in manchen Berichten Seminarlehrer und Schulleben treffend zu schildern gewusst. Auch die Festschrift zur „Abschlussfeier am Staatlichen Lehrerseminar in Euskirchen am 30. Mai 1926", verfasst vom damaligen Schulamtsbewerber Josef Odenbach, heute Schulrat i.R., gibt dem Stadthistoriker guten Aufschluss über die Aktivitäten der Euskirchener Lehrerbildungsanstalt.
So wurde u.a. festgehalten, dass in 17 Jahren 376 Lehrer ausgebildet wurden. Wegen der „Überproduktion" von Lehrern, die teilweise bis zu 10 Jahre auf ihre Einstellung warten mussten, war auch die Euskirchener Anstalt zu schließen.
Wenn auch später die Staatliche Aufbauschule, Berufs- und Berufsfachschulen in das alte Gebäude einzogen, so heißt der jetzt trostlose Bau auf der Kommerner Straße immer noch bei den Euskirchenern: das Lehrerseminar.
Tausende von Schülern haben z. B. bei folgenden, in unserem Kreis eingesetzten „Seminaristen" Unterricht gehabt: Stefan Barion, Josef Baum, Josef Blaumeister, Franz-Josef Dederichs, Wilhelm Engelen, Wilhelm Engels, Peter Gebertz, Nikolaus Keul, Peter Kirch, Jean Koch, Gerhard Kolvenbach, Josef Metz, Engelbert Misgeld, Josef Odenbach, Peter Odenbach, Johann Ophoves, Robert Padberg, Gregor Platten, Franz Schmitz, Matthias Strick, Egidius Wassong, Heinrich Weber, Philip Josef Weitzel, Matthias Zinken.