Das Ende der französischen Besatzungszeit in Euskirchen (1929)
(TEIL 2)

von Hans-Dieter Arntz
In: Kölner Stadt-Anzeiger, Teil  Euskirchen, v. 1./2.12.1979
23.01.2007

Die Feuer brannten auf allen Hügeln
Am Ende der Besatzung erklang das Deutschlandlied
Goldene Lettern sollten von der Freiheit künden: Bürgerbegeisterung war einhellig

 

In unserer gestrigen Ausgabe hatten wir anlässlich des 50. Jahrestages der Beendigung der französischen Besatzung im linksrheinischen Gebiet - einschließlich Euskirchen - den ersten Teil eines historischen Berichts von Oberstudienrat Hans-Dieter Arntz gebracht. Heute schließen wir das Thema mit dem zweiten Teil  ab.

Mitte Oktober 1923 begannen die Separatistenunruhen auch in Euskirchen. Tatsächlich vermuteten zu dieser Zeit viele Bürger, bald nicht mehr einem ungeteilten Deutschland anzugehören. In der Nacht vom 23. zum 24. Oktober wurden das Rathaus, Landratsamt, Postgebäude und der Bahnhof von den Separatisten gestürmt und besetzt. Am Euskirchener Rathaus wurde die grün-weiße Flagge gehisst und die Polizeiwachtstube von den Separatisten belegt. Beim Ansturm auf das Rathaus gab es keinen Widerstand, da die Polizeibeamten auf Anordnung der Kreisdelegierten von der Waffe keinen Gebrauch machen durften. Mit dem 5. Dezember 1923 hatte die Separati­stenzeit für Euskirchen ein Ende. Das Rathaus wurde wieder geräumt.

Nur der Besatzung schrieben die Euskirchener die immer größer werdende Wohnungsnot zu. Anfang des Jahres 1924 erhielten die ausgewiesenen Eisenbahner die Erlaubnis, mit ihren Familien zur Dienstleistung wieder in das besetzte Gebiet zurückzukehren. Ihre Wohnungen blieben jedoch von den Franzosen und Belgiern weiter belegt. Für die vielen zu­rückgekehrten Familien mussten Notwohnungen geschaffen werden, die von dem Quartieramt mit Möbelstücken versehen wurden.

Erst allmählich zogen die „Regie-Familien“ der Ausländer wieder ab, so dass die geräumten Wohnungen notdürftig wieder instand gesetzt werden konnten. Insgesamt hatten 245 Männer während des passiven Widerstandes Euskirchen verlassen müssen.

Am 16. Oktober 1926 besuchte der Rheinminister Dr. Bell Euskirchen und ließ sich im Rathaus durch Rücksprache mit den geladenen Persönlichkeiten und Deputationen über die Euskirchener Verhältnisse berichten. Als erster trug er sich in das neue  Gästebuch der Stadt ein – mit folgendem Wunsch: „Möge bald in das goldene Buch mit goldenen Lettern die goldene Freiheit sich eintragen!“

Die bei Räumung der Kölner Zone erhoffte Befreiung der Kessenicher Gemarkung unter­blieb jedoch. Erst nach Jahresfrist wurde die beauftragte Grenzziehung nördlich des damals be­bauten Stadtgebietes erreicht. Seit dem 1.5.1927 lief die Grenze der zweiten Zone nördlich der Zuckerfabrik zur Erft. „Dann diese entlang bis vor Hamechers Wehr, und nördlich vom Josefshof und Friedhof biegt sie an dessen Westseite außerhalb des Honecker'schen Besitztums auf die Dürener Strecke zu“. So steht es wörtlich im Euskirchener Ratsprotokoll der damaligen Zeit. 


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Titelseite der Euskirchener Zeitung „VOLKSBLATT“ am 30. November 1929: Das freie Euskirchen wurde beschworen.
(Foto: H.-D. Arntz)

Ohne Provokationen

Am 9. Oktober 1929 teilte die Euskirchener Zeitung unter der Überschrift „Wenn die Frei­heitsglocken läuten... “ den baldigen Abzug der Besatzungstruppen mit. 50 Euskirchener Vereine hatten ihre Vertreter in den Sitzungssaal des Rathauses gesandt, um mit Bürgermeister Disse die Gestaltung des „Befreiungstages“ zu planen. Er sollte wahrscheinlich am 1. Dezember 1929 gefeiert werden und ohne Provokationen, aber doch in einhelliger Freude und Begeisterung vonstatten gehen. Schlusssatz des Artikels: „Dass eine würdige Befreiungsfeier den Abschluss einer über zehnjährigen drückenden Fremdherrschaft krönen muss, dafür werden wir uns mit aller Macht einsetzen!“

Schon am 11. November war Euskirchen auf den großen Tag vorbereitet. Das Programm der Befreiungsfeier war veröffentlicht worden. Danach sollten die Euskirchener am 1. Dezember morgens um sechs Uhr von einem Trommlerkorps geweckt werden. Es würden  Fanfarenkorps folgen, Dankgottesdienste abgehalten, Sternläufe der Vereine, Brieftaubenflüge und Glockengeläut stattfinden. Für 18 Uhr waren die Bürger aufgefordert, sich zum Fackelzug zu vereinigen. Höhepunkt sollte sein: „Zusammenwerfen der Fackeln auf dem neuen Markt unter Absingen des Niederländischen Dankgebetes und des Deutschlandliedes“.

Die Stadtverwaltung von Mechernich kündigte Freudenfeuer auf allen Hügeln an; überall sollte die Polizeistunde aufgehoben werden. Allgemeines Flaggen und Illuminieren der Häuser wurde als staatsbürgerliche Pflicht deklariert.

Noch nie bis 1929 – und auch später nicht mehr – hat die Stadt Euskirchen so begeistert gefeiert wie am 1. Dezember 1929! Die Schlagzeigen der beiden Euskirchener Zeitungen spiegeln dies wider: Aus Nacht zum Licht! – Nun danket alle Gott! – Frei!! – Teures Rheinland! – Im freien Euskirchen! – Lasst flattern die Fahnen! – Euskirchen feiert die Befreiung!

Im wahren Sinne des Wortes: Es gab keine Parteien mehr, keine Schichten, keine Rangunterschiede. Selbst die stets loyale Synagogengemeinde Euskirchen lud zu einem stark besuchten Festgottesdienst ein. Die Festpredigt hielt Rabbiner Dr. Wolf aus Köln.

Alle Vereine hatten für „vaterländische Programme“ gesorgt. Das heutige Emil-Fischer-Gymnasium imponierte mit einer „schneidigen“ Feier, aus der die Ansprachen von Dr. Klee und Prof. Heinrichs sowie Darbietungen des Schülerchores herausragten. Der Euskirchener Sportklub 1913 e.V. enthüllte seine neue Vereinsfahne, die Freiwillige Sanitätskolonne vom Roten Kreuz traf sich vor dem Kriegerdenkmal in der Oststraße und die Schützenvereine der Kreisstadt sammelten sich zu Umzügen.

Zwölf helle Glockenschläge, dröhnender Salut, Wirbel der Trommler und Pfeifen vieler Korps: Das waren die ersten Eindrücke vom historischen 1. Dezember 1929! Auf dem Annaturmplatz flatterten die Fahnen an hohen Masten in den Reichs-, Staats- und Euskirchener Farben. Das mit Lorbeerkränzen geschmückte Rednerpult war von Honoratioren umgeben.

Nach einem Musikstück der Feuerwehrkapelle trafen die Schlussläufer der Befreiungsstaf­feln der Euskirchener Sportvereine ein und „überreichten dem Bürgermeister deutsche Frei­heitsgrüße“ (Euskirchener Volksblatt). Punkt zwölf Uhr zog das Flugzeug D 1677 mehrere Schleifen und warf unter dem brausenden Beifall der jubelnden Menge einen Lorbeerkranz ab. 2500 Brieftauben stiegen auf, Ansprachen wurden gehalten… Die Besatzungszeit war vorbei! Den Höhepunkt bildeten der angekündigte Fackelzug sowie die Rede des Reichsministers Dr. Wirth.

 

feuer_huegel 02Stafettenläufer  der Euskirchener Vereine treffen auf dem Annaturmplatz in Euskirchen ein.
(Repro: H.-D. Arntz)

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