Erste nationalsozialistische Aktivitäten in der Selbstdarstellung der Orte Metternich, Weilerswist und Lommersum

von Hans-Dieter Arntz
veröffentlicht im Juni 2009 in: „Weilerswister Heimatblätter“ des Geschichts- und Heimatvereins Weilerswist e.V.,
Heft 37, S. 10-16
30.06.2009

Die Entwicklung des Nationalsozialismus in der Eifel und Voreifel unterschied sich vor der „Machtergreifung“ nicht unbedingt von der in anderen ländlich strukturierten Gebieten des Rheinlandes. Die Anonymität, die Ballung der Bevölkerung und die wirtschaftliche Lage seit 1929 schienen wohl in den Städten eher zu den originären Ursachen für spontanes Protestverhalten und politische Aggressivität zu gehören als auf dem Lande. Lapidar könnte man vermuten, dass hier Sesshaftigkeit, Religion, Mentalität und eine „schollenbestimmte“ Haltung das Interesse an der NS-Ideologie nicht beschleunigte (1). Auch die unterschiedlich lange Dauer der Besatzungszeit in unserer Region wird Ursache dafür gewesen sein, wann es zu den ersten nationalsozialistischen Aktivitäten in der Eifel und Voreifel kam. Drei Besatzungszonen sollten gemäß des Rheinlandstatuts des Versailler Vertrages zu unterschiedlichen Terminen frei gegeben werden. Euskirchen war erst am 25. November 1929 „befreit“, die Region um Weilerswist wesentlich früher.

Diese Tatsache betonten die „Alten Kämpfer“ der kleinen Ortschaften Metternich, Weilerswist und Lommersum. Die Entwicklung von Groß- und Klein-Vernich soll an dieser Stelle grundsätzlich miteinbezogen werden.

 

Kreisführer

Kreisführer-Tagung Euskirchen, Somer 1935, mit Führern der NS-Formationen von Metternich, Weilerswist,
Groß-Vernich und Lommersum (Zeitungsarchiv: Hans-Dieter- Arntz)

 

Aber es ist eine Tatsache, dass hier trotz des „zeitlichen Vorsprungs“ die ersten nationalsozialistischen Aktivitäten nur vereinzelt, fast unbemerkt und unbedeutsam waren. Spätestens nach dem 30. Januar 1933 jedoch wurde deutlich, dass der NSDAP die politische Zukunft gehören sollte. Auch auf dem Land und in den Dörfern entwickelte sich nun ein weit gefächertes Spektrum von Sympathisanten: von indifferentem, konformem Verhalten, Anpassung, Loyalität und Mitläufertum über partielle und offene Mitarbeit bis hin zu fanatischer Unterstützung des Regimes.

Es soll darauf hingewiesen werden, dass auch noch vor der „Machtergreifung“ der Mikrokosmos einer ländlichen Region leicht und oft von einer Minderheit bestimmt und kontrolliert werden konnte. Wenn man intellektuellen Fähigkeiten der ersten ländlichen NS-Potentaten bewerten müsste, dann gelten für sie sicher die bissigen Worte des Wiener Satirikers Karl Kraus: „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.“

Die erste Selbstdarstellung der Nationalsozialisten von Metternich, Weilerswist und Lommersum aus dem Jahre 1935, die sicher propagandistisch und selbstbewusst wirken sollte, war kämpferisch und stolz auf bereits Geleistetes (2). Interessant ist, dass Metternich die erste Ortsgruppe hatte und Lommersum zeitmäßig erst am Schluss zu nennen ist. Dennoch war in diesem großen, historisch gewachsenen Dorf eigentlich die größte Basis für die neue Ideologie. Die deutschnationale Potenz der Stahlhelm-Formationen, die sich hier massiv formiert hatten, war wahrscheinlich die eigentliche Grundlage für die Entwicklung des Nationalsozialismus.

Für den Kreisparteitag im Sommer 1935 in Euskirchen hatten alle NS-Formationen, Institutionen, Ortsgruppen etc. Berichte zu verfassen, die der Lokalausgabe des Westdeutschen Beobachters im Juni/Juli als Grundlage mehrseitiger Berichte dienen sollten. Dem Verfasser dieses Artikels liegen einige Entwürfe (3) vor, die meist handschriftlich oder offenbar mühsam mit einer Schreibmaschine verfasst wurden. Gelegentlich sind sie nicht frei von Rechtschreibfehlern und eitler Nichtigkeiten. In einem Interview (1986) sagte mir der ehemalige Gauleiter Josef Grohe´, dass er sich persönlich damals einige „übertrieben wirkende Artikel übereifriger Parteigenossen“ zur inhaltlichen Genehmigung hätte vorlegen lassen. Die tatsächliche „Kampfzeit“ nämlich müsse für den Leser des WDB ehrlich und nachvollziehbar sein. So wirken die drei Eigenberichte der NSDAP-Mitglieder von Metternich, Weilerswist und Lommersum tatsächlich recht sachlich.

Es ist davon auszugehen, dass auch die am 8. Juli 1935 publizierte Selbstdarstellung der Nationalsozialisten von Metternich redigiert und dennoch im eigenen Selbstverständnis „optimal“ ist. Der Leser möge selbst seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen. Auf jeden Fall wäre ein Bericht wie der von Reichspressechef Dr. Otto Dietrich nie für die drei genannten Dörfer als realistisch akzeptiert worden:

Die nationalsozialistische Bewegung stellte ihre Gewehre nicht 5 Minuten zu früh an die Wand, sondern griff ohne Rücksicht auf Verluste immer wieder an, bis der Gegner am Boden lag; das ist es, weshalb gerade das Jahr 1932, in dem der Endkampf um die Macht einen so unerhört harten Austrag fand, mit Recht als das Jahr der Entscheidung in die Geschichte eingehen wird. (4)

Bei den Reichstagswahlen am 4. Mai 1928 wurden nur wenige Stimmen für die Nationalsozialisten im Kreis Euskirchen registriert. In Weilerswist gab es 11 und in der wesentlich größeren Kreisstadt Euskirchen nur 15 Wähler. Der Historiker Dr. Reinold Weitz resümiert:

Man darf also mit Fug und Recht sagen, dass die Hitler-Bewegung, wie sie im Allgemeinen damals benannt wurde, hierzulande bis zum Ende des Jahrzehnts eine zu vernachlässigende politische Größe war, sektiererisch und statistisch wie in der öffentlichen Meinung unauffällig. (5)

Der Weg der NSDAP im Kreis Euskirchen

Am 7. Juni 1935 berichtet der Lokalteil des „Westdeutschen Beobachters“ rückblickend über die erste nationalsozialistische Versammlung im Juni 1929 im Stadtzentrum von Euskirchen. Daraus resultierte die Gründung einer kleinen NSDAP-Ortsgruppe im Oktober 1929. Weitere Aktivitäten waren mit den größten Schwierigkeiten verbunden, da die französischen Besatzungsbehörden selten entsprechende Genehmigungen gaben oder dann auch nur mit Beobachtern persönlich präsent sein wollten. Weiterhin heißt es in der nationalsozialistischen Selbstdarstellung des „Westdeutschen Beobachters“:

Nach dem Abzug der Franzosen im Jahre 1929 ging nun eine Versammlungswelle über das nunmehr befreite Gebiet und überall, auch in den kleinsten Orten, sprachen berufene Vertreter der Idee Adolf Hitlers zu den Volksgenossen. (…) Aus der Gruppe dieser Parteigenossen, die sich mit Begeisterung der neuen Idee verschrieben hatten, entstand nun auch die erste SA (Sturmabteilung). Diese kleine Schar der SA war nun fast Tag für Tag unterwegs, um nationalsozialistische Versammlungen gegen den roten Terror zu schützen. (…) Uniformverbote im Zeichen der Severing-Polizei konnten auch den Siegesmarsch der Bewegung nicht aufhalten, wenn auch mancher Nationalsozialist aus unserem Kreis sich für sein Eintreten für die Idee Adolf Hitlers vor Gericht zu verantworten hatte. (…) Im September 1930 wurden von einer Versammlung zurückkehrende SA-Leute von zehnfacher roter Übermacht überfallen und durch Messerstiche, Fußtritte, Steinwürfe zum Teil schwer verletzt (…). (6)

Ortsgruppe Metternich

Eigentlich sollte man vermuten, dass Weilerswist aufgrund seiner topographischen Lage und Größe zuerst mit dem neuen Gedankengut konfrontiert wurde. Auch die direkte Anbindung zum Rhein und zur Domstadt Köln, wo die beiden ersten NSDAP-Demagogen Josef Grohe´ und Richard Schaller aktiv waren, hätte als Präferenz für Weilerswist dienen können. Aber hier entwickelte sich anfangs keineswegs eine „Hochburg“ der neuen Ideologie. Der eigentliche Grund für das zeitlich so „günstige“ Datum der NSDAP-Ortschronik Metternich (1928) war die Tatsache, dass hier jahrelang mit Franz Josef Commer nur ein einziges Parteimitglied aktiv fungierte und all das, was dieser allein dachte, plante und organisierte, später natürlich ihm selber und „seiner“ NSDAP zugeordnet wurde. An 8. Juli 1935 konstatierte der „Westdeutsche Beobachter“:

Metternich trat im Jahre 1928 zuerst für die NSDAP in Erscheinung. Bei den Wahlen im Mai 1928 hatte die NSDAP eine Stimme, im November 1929 schon 33 Stimmen, im September 1930 bereits 128 Stimmen. Von da ab schwoll die Stimmenzahl bei den Wahlen mit einigen Schwankungen immer mehr an, bis zur letzten Abstimmung im August 1934 ein Jastimmenergebnis von 93,6 % für Metternich das beste Ergebnis für den Kreis Euskirchen verzeichnete.

Von 1929 bis 1932 war der heutige Ortsgruppenleiter Franz Josef Commer einziger Parteigenosse in Metternich. Was es heißt, 4 Jahre lang in einem Dorf mit allerlei Vorurteilen Pg. zu sein, wird jeder alte Kämpfer an sich selbst ermessen können. Allerhand Schmähschriften, Anzeigen, Denunzierungen und persönliche Bedrohungen wurden gegen den, der sich Nationalsozialist nannte, losgelassen, um ihn unmöglich zu machen. Im Jahre 1932 kamen 4 weitere Mitglieder hinzu. 1929 gehörte Metternich zur Ortsgruppe Euskirchen, ab 1. Juli 1930 zur Ortsgruppe Heimerzheim, später zur Kreisleitung Rheinbach und ab dem 1. September 1932 zur Kreisleitung Euskirchen. Metternich war erst Stützpunkt mit dem Stützpunktleiter Franz Josef Commer, später Zelle und wurde am 1.Juli 1934 Ortsgruppe mit 84 Pg. aus Metternich, Müggenhausen, Pfingstmühle Neukirchen und Schwarzmaar.

Von Metternich aus wurde in den Kampfjahren die Propaganda für die Umgebung besorgt. Der erste Westdeutsche Beobachter wurde im Jahre 1928 durch Commer bezogen, der nach und nach 5-6 ständige Bezieher warb und auch damit der erste Zeitungsbote für Metternich wurde.
Die erste Versammlung wurde in Metternich im Oktober 1929 abgehalten. Namhafte Redner der NSDAP haben im Laufe der Zeit hier gesprochen. Der Geist innerhalb der Ortsgruppe Metternich im Anfang und heute ist noch gut, außer einigen Hetzern und Stänkern, die aus unbefriedigtem persönlichen Geltungsbedürfnis meinen, in Vereinen und Gliederungen alles gegeneinanderhetzen zu müssen, damit nur nicht die große Volksgemeinschaft Wirklichkeit werden solle (…).

Ortsgruppe Weilerswist

Das politische Leben im Deutschen Reich war seit der Niederlage im 1. Weltkrieg stark eingeschränkt, zumal im Rheinland die Besatzungstruppen die Einhaltung des Versailler Vertrages ausgesprochen schikanös kontrollierten. (7) Seit dem 1. Februar 1926 wurden in der 1. Zone die Besatzungstruppen abgezogen, so dass auch bald die Ortschaften um Weilerswist herum „befreit“ waren, während Euskirchen und das Hinterland bis zum 1. Dezember 1929 vertragsgemäß besetzt blieb. (8) Insofern hätte man sich eigentlich in Metternich, Weilerswist und Lommersum politisch eher engagieren können als in der nahen Kreisstadt. Es lässt sich aber feststellen, dass sich in Metternich, das 1934 die besten Wahlergebnisse im Kreisgebiet hatte, bis zur „Machtergreifung“ parteimäßig eigentlich gar nichts getan hatte.

Wenn auch an anderer Stelle die Gründung einer Weilerswister NSDAP-Ortsgruppe auf das Jahr 1930 terminiert wird (9), so ist dies doch später gewesen. Die Selbstdarstellung der Weilerswister Nationalsozialisten vom 2. Juli 1935 stellt dies selber fest. Recht sachlich und durchaus glaubhaft nennen sie zudem die zahlreichen wirtschaftlichen Nöte und stellen deren Abhilfe demonstrativ in den Vordergrund:

Im Jahre 1930 fanden die ersten Versammlungen in Weilerswist für Weilerswist, Metternich und Groß- und Klein-Vernich statt. Anfänglich erschienen nur 5-6 Personen. Die ersten Mitglieder der Bewegung wurden den Ortsgruppen in Heimerzheim und Friesheim zugeteilt. Der Anfang war für die Partei in Weilerswist sehr schwer, da eine scharfe Gegnerschaft in stark vertretenen Kommunisten und SPDisten vorhanden war. Die bürgerlichen Parteien nahmen uns wenig ernst. Saalschlachten und Schlägereien sind durch das disziplinierte Verhalten der Parteigenossen und Sympathisierenden nicht vorgekommen. Bei jeder Wahl nach 1930 nahmen die Stimmen für den Nationalsozialismus zu. (…)

 1933 nach der Machtergreifung musste die inzwischen selbstständige Ortsgruppe Weilerswist in zwei Ortsgruppen aufgeteilt werden, und zwar Ortsgruppe Weilerswist mit den Orten Weilerswist, Groß- und Klein-Vernich und der Ortsgruppe Metternich mit den Orten Metternich, Neukirchen und Schwarzmaar. Die bereits 1930 große Arbeitslosigkeit vermehrte sich zusehends. Überall nahm das Elend größere und sichtbarere Formen an. (…) Allein 900 Betreute hat die NSV in ihrem Ortsbereich. Und es sprechen die nachstehenden Zahlen ein deutliches Bild von der ungeheuren Not, die das Winterhilfswerk in den 6 Wintermonaten Oktober 1934 bis einschließlich März 1935 lindern half (…). Eine große Anzahl schon hoffnungsloser Volksgenossen fand im Laufe der letzten zwei Jahre wieder seinen Arbeitsplatz.

Es darf an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass es unserem jetzigen Ortsgruppenleiter, Pg. Schäfer, zu verdanken ist, dass eine große Anzahl Volksgenossen überhaupt und zusätzlich in Arbeit kam. Die Ortsgruppe zählt heute 187 Mitglieder. Der Geist der Ortsgruppe spricht aus der Tatsache, daß die Werbung für Kinderlandverschickung 55 Freiplätze brachte und daß außerdem eine Spende in Höhe von 750,50 Mark aufgebracht wurde. (10)

Die Aufstellung der Weilerswister Zuteilungen der letzten 6 Monate sah folgendermaßen aus: Lebensmittel: 5.936.-, Kohlen: 1512.-, Textilwaren, Kinderbetten und Schuhe: 2652.- und „getragene Sachen“: 81.

Ortsgruppe Lommersum

Wie Katholizismus und Nationalsozialismus in Lommersum aufeinandertrafen, wies ich bereits am Beispiel des Theologen Heinrich Althausen nach. (11) Dennoch schien man sich offenbar später arrangiert zu haben. Interessant ist, dass das historisch gewachsene Dorf auch 5 Jahre nach Aufhebung der Besatzung offiziell nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun gehabt hatte. Erst 11 Monate vor der „Machtergreifung“ gab es auch hier symbolhaft - wie bei Hitlers Parteigründung 1920 im Cafe´ Gasteig in München – sieben Männer, die die Initiative in die Hand nahmen:

Erst im Februar 1932 fanden sich in Lommersum die ersten Mitglieder der NSDAP zusammen. Es waren sieben, die den ersten Stützpunkt der Bewegung gründeten. Alle sieben waren auch SA-Männer. Nach einigen Monaten fanden sich weitere 5 Pg. ein, und mit 13 Mitgliedern (sic!/d.V.) entstand erstmalig eine Ortsgruppe Lommersum. Gegen Ende des Jahres 1932 wurde sie jedoch wieder als Stützpunkt der Ortsgruppe Nemmenich angegliedert, da ein weiteres Anwachsen der Bewegung nicht erfolgt war.

Die späte Gründung der Bewegung, erst ein Jahr vor der Machtübernahme, hat ihre Ursache darin, dass Lommersum eine starke und alte Stahlhelm-Ortsgruppe hatte. Sie bestand schon zur Besatzungszeit und trat 1926 öffentlich in die Erscheinung. Zuletzt hatte sie über 100 Mitglieder. 1927 war innerhalb des Jungstahlhelms ein Spielmannszug gegründet worden, der 16 Mann stark war. Diesem gelang es auch, das hier bestehende Tambourcorps „Rot-Gold“ („Schwarz hatte man schamhaft verschwiegen) zu sprengen. Zur Zeit befanden sich auch viele Euskirchener als aktive Mitglieder im Lommersumer Stahlhelm, da Euskirchen zu dieser Zeit noch besetzt war.

Der 18. Januar 1928 war nach langer schmachvoller Fremdherrschaft für Lommersum ein Tag, der alle deutschen Herzen höherschlagen ließ. Die Stahlhelm-Ortsgruppe Lommersum feierte nämlich an diesem Tage ihr erstes Gründungsfest. Aus allen Gauen fanden sich die Stahlhelmkameraden zusammen. 1400 graue uniformierte Stahlhelmleute nahmen am Aufmarsch teil. Für den kleinen Ort Lommersum ein Ereignis, das bisher nie dagewesen war. Fast war Lommersum zu klein, um alle Gäste, die auch in Zivil erschienen waren, zu fassen. Bei dem denkwürdigen SA-Aufmarsch in Euskirchen, als auch am Vormittag die rote Pest demonstrierte, hatte unser Spielmannzug, der in grauer Uniform und Hakenkreuzbinde teilnahm, sein erstes Kampferlebnis in unserer Gegend. Es sollte nicht das letzte bleiben.

In Kalk, Frechen und an vielen anderen Hochburgen der Kommune hatte sich die Ortsgruppe Lorbeeren, aber oft auch ehrenvolle Wunden geholt. Die Stahlhelm-Ortsgruppe ließ es sich nicht nehmen, an allen Reichsfrontsoldatentreffen im Reich, sogar in Berlin, Hamburg, München, Breslau und Koblenz, teilzunehmen. Im Ort Lommersum fanden selbst Kämpfe nicht statt, da alle Versammlungsversuche der Roten im Keime erstickt wurden.

Außer den eingangs erwähnten sieben Gründern der Ortsgruppe der NSDAP waren seit 1932 einige Stahlhelmer Mitglieder der Partei. Nach der Machtübernahme traten viele alten Stahlhelmer zur NSDAP über, und im Laufe des Jahres 1933 wurden alle restlos in die SA, SS oder PO überführt, so dass von der Stahlhelm-Ortsgruppe heute nichts mehr übrig ist. Sie alle sind heute treue Anhänger des Führers und Beispiel für diejenigen, die 1933 und 34 erst ihr Herz für den Stahlhelm entdeckten. So konnte 1933 die Ortsgruppe der NSDAP neu erstehen und ihre Mitgliederzahl auf rund hundert anwachsen. (12)

Grohè Rede

Josef Grohé, Gauleiter von Köln-Aachen, anlässlich des Kreisparteitages 1935 (Foto: Archiv Hans-Dieter Arntz)

Die Selbstdarstellung der Ortsgruppen im Altkreis Euskirchen zelebrierte im Grunde genommen den Erfolg der „Machtergreifung“ und wollte bewusst einen Gegensatz zur Weimarer Republik setzen. Anlass war der Kreis-Parteitag der NSDAP vom 29./30. Juni 1935 in Euskirchen, an der auch Gauleiter Josef Grohe´ teilnahm. Foto Nr. 2 (Grohé)

Dieser Rückblick aus regionalhistorischer Perspektive (13) stand unter dem Motto „Von wenigen Parteigenossen zur Volksgemeinschaft“ (14). Fast 8 Jahrzehnte später legte der Geschichtsverein des Kreises Euskirchen e.V. eine ausgezeichnete Studie zum Thema „Nationalsozialismus im Kreis Euskirchen – Die braune Vergangenheit einer Region“ (15) vor, die es ermöglicht, die Historie bis 1945 zu verfolgen.

 

Anmerkungen

Vgl. jedoch hierzu die Anmerkungen von Dr. Reinold Weitz, in: Nationalsozialismus im Kreis Euskirchen, Jahresschrift Nr. 20 des Geschichtsvereins des Kreises Euskirchen e.V., Euskirchen/Weilerswist 2006, Bd.1, S. 95.

(1) Erstmals referierte ich zu diesem Thema im Rahmen der „Weilerswister Jubiläumsveranstaltungen“ der Gemeinde- und Schulbücherei am 6. Mai 1983. Das Thema lautete: „Nationalsozialismus und Judentum zwischen Erft und Swist 1928-1938“.

(2) Archiv Nr. 89-3 von Hans-Dieter Arntz (Redaktionelle Reste des WDB).

(3) Otto Dietrich, 1932 – Das Jahr der Entscheidungen, in: Deutschland erwacht, Zigaretten-Bilderdienst Hamburg-Bahrenfeld 1933, S. 65.

(4) Reinold Weitz, Die Entwicklung der NSDAP im Spiegel der Wahlen, in: Nationalsozialismus im Kreis Euskirchen, a.a.O. , Bd.1, S. 95, mit folgender Fußnote (S.155): „Euskirchener Volksblatt vom 21. und 29.5.1928 und Euskirchener Zeitung vom 22./23.5.1928. Die Landtagswahlergebnisse 1924 und 1928 unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der Reichstagswahlen.“

(5) Der Weg der NSDAP im Kreise Euskirchen, in: Westdeutscher Beobachter, Lokalteil Euskirchen, v. 7. Juni 1935

(6) Westdeutscher Beobachter vom 8. Juli 1935: Ortsgruppe Metternich.

(7) Diesbezüglich sollte auf das umfangreiche Werk Occupations – Besatzungszeiten (Das Rheinland) hingewiesen werden, das zweisprachig vom Geschichtsverein des Kreises Euskirchen im Jahre 2007 publiziert wurde.

(8) Vgl. die Zeitungsartikel von Hans-Dieter Arntz: Das Ende der französischen Besatzungszeit in Euskirchen (1929), Teil 1: „Zur Befreiung Fahnen und ein Fackelzug“ in Kölner Stadt-Anzeiger. Lokalteil Euskirchen, v. 30.11.1979 sowie Teil 2: Das Ende der französischen Besatzungszeit in Euskirchen (1929) „Die Feuer brannten auf allen Hügeln“, in: Kölner Stadt-Anzeiger, Lokalteil Euskirchen, v. 1./2.12.1979. Die Artikel sind auch auf der Website des Autors: http://www.hans-dieter-arntz.de/franzoesische_besatzungszeit.html

(9) Vgl. Dr. R. Weitz, a.a.O. , Kapitel 2, S. 125. Die diesbezügliche Fußnote gibt hier an (Vgl. S. 156): Landeshauptarchiv Koblenz 403-16737, Bl. 171, sowie Westdeutscher Beobachter vom 29. Juni 1935.

(10) Westdeutscher Beobachter, Lokalteil Euskirchen, am 2. Juli 1935.

(11) Hans-Dieter Arntz, Widerstand gegen den judenfeindlichen Nationalsozialismus – Die Flugblatt- Aktion des katholischen Theologiestudenten Heinrich Althausen aus Lommersum (1934), in: Weilerswister Heimatblätter, hrsg. vom Geschichts-und Heimatverein der Gemeinde Weilerswist e.V., Nr. 36, November 2008.

(12) Selbstdarstellung der Ortsgruppe Weilerswist, in: Westdeutscher Beobachter, Teil Euskirchen, v.2. Juli 1935.

(13) Vgl. auch diesbezüglich weitere online- Beiträge von Hans-Dieter Arntz im Internet:
 http://www.hans-dieter-arntz.de/artikel.html

(14) Schlagzeile im „Westdeutschen Beobachter“, Teil Euskirchen, vom 29. Juni 1935

(15) Nationalsozialismus im Kreis Euskirchen – Die braune Vergangenheit einer Region, Jahresschrift Nr. 20 des Geschichtsvereins des Kreises Euskirchen e.V., Euskirchen/Weilerswist 2006, Bd.1/2

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