Erinnerung an den jüdischen Religionslehrer Dr. Salomon Heilberg
aus Euskirchen

von Hans-Dieter Arntz
19.04.2009

Der seit etwa Anfang des 20. Jahrhunderts in Euskirchen wirkende jüdische Religionslehrer Dr. Salomon Heilberg (1871-1942) hatte in der ganzen Voreifel wegen seines jüdischen Internates auf der Oststraße 22 und seines Engagements einen sehr guten Ruf. Er gehörte zudem zum Kollegium des heutigen Emil-Fischer-Gymnasiums. Als Emigrant starb er am 16. März 1942 in Tilburg/Niederlande. Unterlagen über das Schicksal der prominenten Familie und die Grabrede vom 18. März 1942 befinden sich in meinem Archiv.

Rosa (Rosetta) Heilberg, geb. Ruhr (1876-1964) und Dr. Salomon Heilberg (1871-1942)

 

Dr. Salomon Heilberg war mit seinem jüdischen Kollegen Moses Fernbach der Einzige, der im Raum der Eifel und Voreifel kontinuierlichen jüdischen Religionsunterricht erteilte. Beide wurden dabei von dem Euskirchener Rabbiner Dr. Ferdinand Bayer betreut. Der Pädagoge Heilberg galt als Führer des orthodoxen Flügels der Synagogengemeinde und war jahrzehntelang in jüdischen Institutionen und Gremien des Rheinlandes aktiv. Im Jahre 1924 zum Beispiel fungierte er auch als Mitglied des Kreis-Wohlfahrtsausschusses.

Im Oktober/November 1938 verließen auch die letzten Mitglieder der großen Familie Heilberg endgültig die Kreisstadt Euskirchen. Ihr Schicksal wird im Buch JUDAICA-Juden in der Voreifel detailliert dargestellt. Erwähnenswert ist hier u.a. die abenteuerliche Flucht des Sohnes Carl Heilberg, deren Beschreibung sich (S.417- 420) wie ein Abenteuerroman liest. Sein Bruder Ernst (1917-1969) baute nach dem Kriege eine florierende metallverarbeitende Firma auf, die 1964 von der britischen Top-Firma Tom Martin und Co. übernommen wurde (SW Bensford Ltd.).

Der älteste Sohn, Dr. Leopold Heilberg (Lionel Hillburn) (1904-1983) geriet 1933 in die Gesetzesmaschinerie des NS-Staates. Tragisch verlief meine geplante Begegnung mit ihm, der seine juristische Karriere im Rheinland begonnen hatte, dann aber zu denjenigen zählte, die spektakulär am „Boykottag“ (1. April 1933) aus dem Dienst entfernt wurden. Der danach in Amerika zum Karriere-Anwalt und Notar arrivierte Jurist verstarb nur wenige Stunden vor unserem lang geplanten Treffen an einem Herzschlag in einem Kölner Hotel. Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete am 26. Oktober 1983 über diesen tragischen Vorfall, der mich persönlich sehr bewegte.

Um der Deportation zu entge­hen, flohen die Angehörigen über die Nieder­lande nach Brüssel. Dennoch wurde ein weiterer Sohn, Alfred Heilberg (geb.1909), verhaftet und kam in ein Konzentrationslager. Seine Frau Liselotte, geb. Moses (Wesseling), wurde nach Auschwitz deportiert. Dennoch konnten beide überleben und wussten bis zur Befreiung nichts voneinander - und ihrem Sohn Lutz, der in einem Kloster untergebracht worden war, wo ihn die Nonnen bis zur Befreiung versteckt hielten.

Ohne jetzt auf weitere Details der Familiengeschichte einzugehen, soll erwähnt werden, dass die Eltern in die Niederlande flüchteten. Während seine in Kall geborene Ehefrau Rosa (Rosetta), geb. Ruhr (1876-1964) während des NS-Terrors von nicht-jüdischen Freunden in Brüssel als taub­stumme Verwandte ausgegeben wurde und auch hier die Befreiung erlebte, starb der beliebte Pädagoge Dr. Salomon Heilberg in der Emigration. Seine heute noch ungemein geistig aktive Witwe, Mrs. Charlotte Hillburn, lebt heute in Forest Hills/New York. Sie würde sich sicher freuen, wenn demnächst vor dem Hause Oststraße 22 ein „Stolperstein“ an ihren Schwiegervater und den prominenten jüdischen Religionslehrer, Dr. Salomon Heilberg, erinnern würde. Leser dieser Homepage könnten sich an das Euskirchener Stadtarchiv wenden, um sich als Sponsor anzubieten.

Die Gedenkrede vor einer großen Trauerversammlung blieb erhalten. Ein Auszug soll exemplarisch an die jüdische Emigranten erinnern, die ihre einst geliebte deutsche Heimat verloren hatten:

Tilburg, 18. 3. 1942

(…) Unser Emigranten-Schicksal hat uns aus der Heimat vertrieben und verstreut über die weite und lieblose Welt, und wir müssen jeden Tag ein neues Unheil befürchten! Dieses, unser schweres Schicksal hat sehr viele Emigranten verbittert und reizbar gemacht! Wir leben nicht mehr in der gefestigten Sphäre unseres früheren Berufes. Viele sind streit­süchtig geworden, und Reibereien sind alltäglich.

Da lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß dieser Mann, der hier liegt, in ganz Tilburg keinen Feind hatte (…). Und darum ist auch der Kreis, der sich um diese Bahre schart, so ungewöhnlich groß.

(…) Jahrzehnte hindurch hat er in Euskirchen seinem Gott gedient in der Synagoge und seinen Glaubensbrüdern gedient in der Schule, indem er ihre Kinder erzog zu guten Juden und pflichttreuen Menschen (…). Nun hat er gefunden, was wir alle mit heißem Herzen ersehnen: den Frieden! Wir gönnen ihm seinen Frieden, wenn wir jetzt von dieser Stätte wieder hinausziehen in den Kampf, der uns täglich mit seinen Zufällen und Wechselfällen bedroht.

Wir nehmen Abschied von unserem toten Freunde und Abschied von diesem Bethscholaum von diesem Friedhof, d. h. dieser Stätte des Friedens, und gedenken des alten, so trostreichen Wortes:

Was wir bergen
In den Särgen,
Ist jedoch nur das Kleid!
Was wir lieben,
Ist geblieben,
Bleibt in Ewigkeit.

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