Der Holocaust in bewegender Lyrik: „Bitte, vergiss mich nicht...“

von Hans-Dieter Arntz
10.08.2012

Shoa oder Holocaust sind Begriffe, die im Zusammenhang mit der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten verwendet werden. Heute erinnern zahlreiche Mahnmale und Museen in der ganzen Welt an diese unfassbare Form des Antisemitismus und die nicht nachvollziehbare Menschenverachtung (vgl. Liste der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus). Nicht nur unzählige Initiativen und Organisationen leisten daher seit Jahrzehnten ihren Beitrag zur Erinnerung und Aufarbeitung des Holocaust, sondern – aus beachtenswerten Beweggründen und Motiven heraus - auch viele Einzelpersonen. All dies sind Beiträge zur Erinnerungskultur und Bewältigung der „jüngsten Vergangenheit“.

Bitte, vergiss mich nichtWährend man sich über die historische, juristische oder moralische Auseinandersetzung überall informieren kann, bleibt vielen jedoch eine lyrische oder poetische Bewältigung unbekannt. Daher mein heutiger Hinweis auf das beachtenswerte Buch Bitte, vergiss mich nicht... des Professors für Germanistik und Philosophie Werner Janssen (*1944). Gerne weise ich die Leser meiner regionalhistorischen Homepage auf diesen wichtigen literarischen und künstlerischen Ansatz hin, der zum Nachdenken, Erinnern und Mahnen anregt. Das fünfsprachige Buch enthält Erzählungen, Betrachtungen und Gedichte vom Autor selbst sowie Zeichnungen und Gemälde des bereits von mir vorgestellten Malers und bildenden Künstlers Rafael Ramírez Máro. Dass sich hinter dem Pseudonym und zusätzlich genannten Co-Autor und Dichter Heinz Hof ebenfalls Werner Janssen versteckt, tut der verdienstvollen Arbeit sicher keinen Abbruch. Auf die Darstellungen von Rafael Ramírez Máro hatte ich bereits früher in meinem Online-Artikel Bilder gegen das Vergessen! Holocaust-Zyklus von Rafael Ramírez Máro hingewiesen. Insgesamt handelt es sich bei dem Buch „Bitte, vergiss mich nicht...“ um die beeindruckende Möglichkeit, den Holocaust in bewegender Lyrik, Prosa und künstlerischer Darstellung zu thematisieren.

Ich selber hatte erstmals ein Beispiel der eigentlich problematischen Holocaust-Poesie in meinem 1982 erschienenen Artikel Religiöses Leben der Kölner Juden im Ghetto von Riga erwähnt. Ähnliche Themata befinden sich auf meiner Website, die auch auf Italienisch übersetzt wurden (vgl. Canti Di Ebrei Deportati).

In dem Zusammenhang Poesie und Holocaust wies ich u.a. auch in meinen NEWS vom 15. März 2010 auf Manfred Bohn aus Bergheim hin, der ebenfalls Lyrik als eine besondere Möglichkeit versteht, „das Vergessen des unsäglich Geschehenen zu verhindern“. Er gehört zu den wenigen - mir bekannten - gegenwärtigen Lyrikern der Region Bonn – Köln – Aachen, deren Schaffen sich auch mit der Aufarbeitung der Shoa befasst. Vor einigen Jahren konnte man sich davon anlässlich einer Rezitation beim „Stolberger Holocaust-Zyklus“ der Steinweg-Galerie Stolberg überzeugen.

Weiterhin wies ich in meinen NEWS vom 1. Juli 2012 exemplarisch auf die Lyrikerin Stella Rotenberg (*1916) hin, die im Jahre 1985 persönlich Kontakt mit mir aufnahm und mich mit der Möglichkeit vertraut machte, über ihre Form der Vergangenheitsbewältigung nachzudenken. Seitdem interessiere auch ich mich für ihre lyrische Bearbeitung des Holocaust, die von Siglinde Kaiser-Bolbecher von der Universität Salzburg im Jahre 2002 charakterisiert wird:

 

Stella Rotenberg 1   Stella Rotenberg 2

 

... Ihre Lyrik bezieht sich , auf die unfassbaren Verbrechen des Nationalsozialismus, deren
Schrecken durch den zeitlichen Abstand, durch die zwischen die Zeit der Vernichtung und die Gegenwart gelegten Jahre des Überlebens, nicht gemildert, verwischt worden sind, sondern vielmehr an emotionaler Wucht und plastischer Schärfe nur gewonnen haben. Gedichte begeben sich auf Spuren-Suche und schildern in der historischen Dimension, was konkret geschah. In Gedichten wie „Transport nach Treblinka", „Kinderlied aus Mauthausen", „Dänemark 1940-1945", „Freiheit anno 1939" oder „Passahfest 1944" stellt sich eine Identifikation mit den Leiden des jüdischen Volkes und dem Widerstand ein. Das Gedicht wird zur Instanz der Erinnerung, darin triumphiert es gegen die Vernichtung aller Spuren.

 

Auschwitz Gedicht

 

Das erwähnte, 120 Seiten starke Buch „Bitte, vergiss mich nicht...“ von Werner Janssen - das laut Vorwort den Jugendlichen gewidmet ist, die im Jahre 2008 in Herzogenrath am Schweigemarsch teilnahmen und im Anschluss daran mehrsprachige Gedichte am Mahnmal vor dem Rathaus rezitierten -, bewegt in seiner Vielseitigkeit durch die Prosatexte, Gedichte und zeichnerischen Darstellungen.

Die Seiten 30/31 zum Thema „Auschwitz“ beweisen dies. Der Schlussteil löst sich von der eigentlichen Beschreibung und ruft den Leser zum Nachdenken auf.

 

Ankunft Gedicht

 

Das Gedicht „Ankunft“ (S. 41/42) befasst sich besonders intensiv mit der Vergangenheit und Gegenwart von Auschwitz. Auch hier kommt Werner Janssen erneut zur wahrhaften Schlussfolgerung. Das Interesse am schrecklichen Geschehen und die Begegnung mit dem Ort des Verbrechens ist heutzutage wichtiger denn je:


Aber in ihnen, unter ihnen, zwischen ihnen
die, welche wir nicht vergessen können,
nicht vergessen wollen, dürfen, sollen.
Wir brauchen sie
zum Leben

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