Der 94jährige jüdische „Medienstar“ Fred Voss erinnert sich
immer wieder an seine Aachener Heimat

von Hans-Dieter Arntz
01.08.2014

Bewundernswert ist die Aktivität des in den USA lebenden Fred Voss (*1920 in Aachen) und auch sein Engagement, besonders Jugendliche auf sein jüdisches Schicksal aufmerksam zu machen und vor jeglicher Diktatur zu warnen. Er stammt aus einer jüdischen Familie, die im Gebiet der Eifel und Voreifel ansässig war. Entfernte Nachkommen sind im Kreis Euskirchen nachweisbar und haben in der Zeit der Judenverfolgung auch in Kall und Zülpich ihre Spuren hinterlassen.

 

Friedhof der Stadt Mechernich 1 Friedhof der Stadt Mechernich 1



Ein berühmtes Foto erinnerte mich an diesen Namen, als ich Kontakt mit Fred Voss aus Ithaca, State New York, aufnahm. Der engagierte, heute in Bielefeld lebende Genealoge und Buchautor Stefan Kahlen hatte mir dies ermöglicht. Im Jahre 2004 lokalisierte er die ersten nachweisbaren Vorfahren der Familie Voss (Voß) in Müntz/Titz bei Düren. Diese Familiengeschichte setzt sich dann in Würselen und schließlich in Aachen-Burtscheid fort.

Ich selber bezeichne Fred (Alfred) immer wieder als „Medienstar“, weil er – trotz seines hohen Alters - nicht nur diesbezüglich in deutschen und amerikanischen Presseartikeln, sondern auch in kleinen Fernsehreportagen präsent ist. Zwei Beispiele für seine TV-Auftritte:

Verschollener Brief aus dem zerstörten Aachen: Lokalzeit aus Aachen vom 08.05.2014

Die Aachener Familie Voss wurde im Dritten Reich aus der Stadt vertrieben, weil sie Juden waren. Enteignet und ihrer Heimat beraubt landete die Familie in den USA. Der Sohn Fred Voss, heute 94 Jahre alt, kehrte später als amerikanischer Soldat zurück nach Aachen. Aus dieser Zeit stammt ein Brief, in dem er seinen Eltern berichtet, wie das zerstörte Aachen aussieht. Jetzt ist der verschollen geglaubte Brief mit Fotos wieder aufgetaucht.

92 Year Old Holocaust Survivor Receives High School Diploma (YouTUBE) 22.06.2012

Fred Voss was expelled from his school in Germany when the Nazi Government took control.

 

In meinen NEWS vom 31. Juli 2012 genau an diese Stelle gehen stellte auch ich den 92-jährigen als ältesten diplomierten High School-Absolventen vor. Das ist Fred, ehemals Alfred Voss aus Aachen!

 

Als jüdischer Schüler verfolgt, aber jetzt mit 92 Jahren der älteste diplomierte High School-Absolvent: Fred Voss aus Aachen

 

Ein deutscher Zeitungsartikel und ein kleiner YouTube-Film machten vor einigen Tagen die Bewohner unserer Region auf Fred (einst Alfred) Voss (*1920) aufmerksam. Die Aachener Nachrichten vom 13. Juli 2012 berichteten erfreut, dass der ehemalige jüdische Mitbürger seit einigen Tagen der älteste Abiturient der Vereinigten Staaten ist. Stolz heißt es in den Schlagzeilen: „Der älteste US-Abiturient kommt aus Aachen. Fred Voss hat mit 92 Jahren sein Highschool-Diplom erhalten. Als 15-Jähriger wurde er als Jude von der Knaben-Mittelschule in der Sandkaulstraße gejagt.“

Voss 2 Zahlreiche Mitarbeiter der Associated Press und viele lokale Fernsehsender waren bei der Feier anwesend. Seine Auszeichnung erregte USA-weit Aufsehen. Auch mir stellte Fred stolz seine Fotos zur Verfügung, die ich hiermit gerne präsentiere. Die Aachener Nachrichten erwähnen ein Kuriosum: „Mein Enkel Ari hat sein Abitur einen Tag vor mir gemacht. Seine Schule hat rote Talare und meine Schule blaue.“

Die Leser meiner regionalhistorischen Homepage kennen wahrscheinlich schon Alfred Voss, da ich ihn in meinem Online Artikel Was sagt ein jüdischer Großvater seinem Enkel über den Holocaust? im November 2009 ausführlich vorgestellt habe.
Nach einer behüteten Kindheit durchlitt Fred Voss in den Jahren 1933 bis1939 - und insbesondere am Tag der „Reichskristallnacht“ – das nationalsozialistische Unrechtsregime. Im Frühjahr 1939 emigrierte seine Familie Julius Voss schließlich über Belgien nach England, später nach Amerika.

Während des 2. Weltkrieges diente er als Sergeant in einer Combat-Engineer-Einheit der US Army, in dessen Eigenschaft er 1945 auch Aachen und Würselen besuchte. Die inzwischen große Familie Voss-Machauf lebt seit einigen Jahren glücklich in ihrer Wahlheimat, in Ithaca/New York.

Voss 2Als Zeitzeuge sieht sich Fred Voss – dank seines hervorragenden Gedächtnisses - in der Pflicht, zu berichten und zu erinnern. Sein Argument: „Wie kann der Mensch für die Zukunft aus Vergangenem lernen, wenn es nicht Zeugen gäbe, die wahrheitsgemäß darüber berichten, was wirklich geschah?“ Seit einem halben Jahrhundert hält Fred Vorträge vor Schülern und Studenten; nicht nur gegen den Antisemitismus, sondern auch gegen jede Form von Intoleranz, Gewalt und Unterdrückung. Er ist u.a. Charter Member des Holocaut Memorial Washington und ein persönlicher Freund von Elie Wiesel sowie der bekannten Bürgerrechtlerin Rosa Parks († 2005).

Fred Voss hat bis heute sein Leben in den Dienst der Aufklärung und Mahnung gestellt. Als Mitbegründer des United States Holocaust Memorial in Washington, aber auch in zahllosen Vorträgen und Diskussionsrunden erinnert er exemplarisch an das Schicksal seiner Familie und seine 68 Verwandten, die der Shoa zum Opfer fielen. Dann aber weist er immer wieder auf die 6 Millionen ermordeten Juden und anderen Opfer hin, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Und er wendet sich immer wieder deutlich gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus, Hass und Intoleranz, wo immer dies auch in der Welt geschieht. 

So ist es auch nicht verwunderlich, dass er ein überaus lesenswertes und in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Buch mit dem Titel Miracles, Milestones and Memories verfasste. Es erschien vor einigen Jahren in englischer Sprache und wird seitdem stark beachtet. Weitere Artikel, Bilder und Informationen über die Familie Voss – zusammengetragen von Iris Gedig, Peter Bücken und Stefan Kahlen – sind im „Familienbuch Euregio“ zu finden.

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