Die neueste Dokumentation über das Konzentrationslager Bergen-Belsen und die 710 Seiten starke Biografie von Josef Weiss (1893-1976) soll nicht nur in Deutschland, sondern demnächst auch in den Niederlanden und in Israel der Presse vorgestellt werden. Der Helios Verlag Aachen war jedoch dankbar, dass der Landrat des Kreises Euskirchen, Günter Rosenke, als erster - im Rahmen einer Pressekonferenz - die Möglichkeit nutzte, den letzten Judenältesten von Bergen-Belsen posthum als charismatische jüdische Persönlichkeit zu würdigen. Diese amtliche Form der Buchvorstellung soll auch von jüdischen Kreisen als eine besondere Form der posthumen Ehrung und moralischen Wiedergutmachung verstanden werden. Als Repräsentant des Kreises Euskirchen - der eigentlichen Heimat des in Flamersheim geborenen Josef Weiss - möchte sich Landrat Rosenke, stellvertretend für seine Bürger, zu der „jüngsten deutschen Vergangenheit“ bekennen.
Bereits am 27. September stellte haGalil onLine, das „größte jüdische online-Magazin in deutscher Sprache“, die Weiss-Biografie seinen Lesern vor. Die Kölnische Rundschau brachte am 24. Oktober einen ausführlichen Bericht über den Autor und seine Forschungen. Einzelheiten sind zudem der regionalhistorischen Homepage von Hans-Dieter Arntz zu entnehmen.
Die Online-Ausgabe des WOCHENSPIEGELs publizierte am 1. November 2012 einen Bericht des Euskirchener Journalisten Wolfgang Andres über die erste Vorstellung des Buches von Hans-Dieter Arntz:
(v.l.) Buchautor Hans-Dieter Arntz, Landrat Günter Rosenke, Verleger Karl-Heinz Pröhuber (Aachen). Foto: W.Andres
„Viele Menschen verdanken ihm das Leben"
Auf internationale Resonanz stößt das Buch des Euskirchener Regionalhistorikers Hans-Dieter Arntz über Josef Weiss, den letzten Judenältesten von Bergen-Belsen. Unter anderem wurde der Autor zu Buchvorstellungen nach Jerusalem, Amsterdam, Westerbork (Niederlande) und Bergen-Belsen eingeladen. Doch vorab hat es sich Landrat Günter Rosenke nicht nehmen lassen, das Buch in der ehemaligen Heimat von Josef Weiss zu würdigen.
Josef Weiss (1893 bis 1976) hat seine Kindheit und Jugend in Flamersheim verbracht, später lebte und arbeitete er in Köln. Mit Beginn der NS-Herrschaft im Jahre 1933 geriet sein Leben immer mehr aus den Fugen. Jüdisches Leben war fortan in Deutschland nicht mehr erwünscht, die menschenverachtende NS-Ideologie mündete schließlich im Holocaust.
Mitten in dieser industriellen Vernichtungsmaschinerie stand auch Josef Weiss, dem es als »Judenältesten« im KZ Bergen-Belsen gelang, unzählige Menschen vor dem sicheren Tod zu bewahren. Dazu muss man wissen, dass die Rolle dieser Judenältesten durchaus ambivalent war. Als verlängerter Arm der SS waren diese »Funktionshäftlige« häufig nur Handlanger der Nazis, die nur danach trachteten, die eigene Haut zu retten.
Solch ein Mensch war Josef Weiss mitnichten! Im Gegenteil. Er vertrat in erster Linie die Interessen seiner Mithäftlinge und tat sein Bestes, um so viele Menschen wie möglich vor dem sicheren Tod zu retten. Das waren im Nachhinein oft Kleinigkeiten, aber wenn er beispielsweise die Listen mit den verstorbenen Lagerinsassen ein paar Tage zurückhielt, dann bedeutete das für die anderen zusätzliche Brotrationen.
Wie hoch ihm das die Überlebenden nach dem Krieg angerechnet haben, sieht man auch daran, dass die 2000 Überlebenden des »Sternlagers« ihn weiterhin als ihren Repräsentanten ansahen. Im Gegensatz zu vielen anderen Judenältesten wurde Josef Weiss nach dem Krieg mit offenen Armen in Israel empfangen.
»Viele Menschen verdanken ihm das Leben«, betont Hans-Dieter Arntz (71), der sich in der vergangenen fünf Jahren intensiv mit Josef Weiss beschäftigt hat. Dabei profitierte er von seinen hervorragenden Kontakten, die sich im Laufe der Zeit (und seiner bisherigen 15 Bücher) ergeben haben. Insofern verwundert es nicht, dass er für die Weiss-Biografie auf zahlreiche Quellen zurückgreifen konnte, die der bisherigen Forschung nicht zur Verfügung standen. Somit ist das über 700 Seiten starke Buch bei weitem nicht nur für die regionale Geschichte von Interesse, sondern es hat internationale Bedeutung. So heißt es in einer ersten Rezension, dass das Buch »eine weitere Lücke in der Holocaust-Forschung geschlossen« habe (Hagalil).
Besonders dankte Arntz Landrat Günter Rosenke, dass er hier - in der ehemaligen Heimat von Josef Weiss - ein Zeichen gesetzt und ihn posthum gewürdigt habe. Rosenke: »Josef Weiss ist in einer unmenschlichen Umgebung menschlich geblieben. Das kann man gar nicht genug würdigen.«
Hans-Dieter Arntz, Der letzte Judenälteste von Bergen-Belsen / Josef Weiss - würdig in einer unwürdigen Umgebung, Helios-Verlag Aachen, 38 €, ISBN 378-3-86933-082-2.
Aus: WOCHENSPIEGEL - Online-Ausgabe für das Eifelgebiet - vom Donnerstag, 1. November 2012