Ausschluss aus der NSDAP wegen Kontakt zu Juden (1935)

von Hans-Dieter Arntz
09.09.2011

Ein Parteiausschluss ist die schärfste Sanktionsmaßnahme einer politischen Partei, um Partei schädigendes Verhalten einzelner Mitglieder zu ahnden. Der antisemitischen NSDAP reichte es schon, wenn ein Mitglied Kontakt zu Juden unterhielt. Während im Dritten Reich hiermit Diskriminierungen und unabsehbare Nachteile verbunden waren, galt der diesbezügliche Nachweis nach dem 2. Weltkrieg bis zur Gegenwart als Zeichen des Mutes, der Toleranz oder gar als Beispiel des Widerstandes.

Wenn man die Protokolle der Entnazifizierungs-Kommissionen nachliest, ist man überrascht, dass angeblich viele rechtschaffende Bürger den Euskirchener Juden geholfen haben sollen. Aber nur wenige Überlebende konnten dies in Wirklichkeit beweisen. Es stellte sich sogar heraus, dass ein derartiges Argument oft fälschlich als Beweis für praktizierten Antifaschismus und „aufopfernde Judenhilfe“ angegeben wurde. Der Sinzenicher Bauer Hermann Schmitz jedoch unterhielt aber tatsächlich den Kontakt zu den benachbarten Juden und wurde deswegen nachweislich 1935 aus der Nazipartei ausgeschlossen. Hierüber wird im Laufe dieses Online-Artikels lobend zu sprechen sein.

 

Schmitz

 

Vorerst möchte ich einiges aus den erhalten gebliebenen Akten der Euskirchener Entnazifizierungskommissionen zitieren. Oft klingt die schriftliche „Reinwaschung“ mit dem Wunsch, einen Persilschein zu erhalten, unglaubwürdig, manchmal sogar belustigend. In meinem Dokumentationsband JUDAICA – Juden in der Voreifel zitierte ich zum Beispiel auf den Seiten 481/82:

Judaica...In diesem Zusammenhang wurde oft die „Judenfrage" erörtert, und manche diesbezüglichen Details, die bis dahin unbekannt waren, kamen auch in Euskirchen ans Tageslicht. Plötzlich gab es angeblich viel mehr „Widerstandskämpfer", als dies überhaupt quantitativ möglich war. Mancher in der Verwaltung und in der Partei hatte „Schlimmeres" verhindert und gar dadurch Einweisungen in Konzentrationslager „vereitelt". In der 2. Entnazifizierungs-Ausschusssitzung wurde durch den ehemaligen Reichstags-Vizepräsidenten Thomas Eßer bestätigt, dass P. unter Zwang nach der „Machtergreifung" förmlich aus seinem Amt herausgejagt worden sei und nur wegen seiner fachlichen Unentbehrlichkeit in eine Behörde zurückgeholt worden sei:

 

Euskirchen, 19. 2.1946

„Aus den von P. beigebrachten Unterlagen ging hervor, dass er in stetem Widerspruch zu der Partei gestanden und im Gegensatz zu den Anordnungen der Partei jüdischen Familien und kirchlichen Anstalten sowie ausländischen Arbeitern, Russen und Polen viel Gutes erwiesen hat(...) ."

In einem Schreiben wies der Euskirchener Geschäftsmann F. J. auf seine Freundschaft mit einheimischen Juden hin:

 

Euskirchen, 8. 3. 1946

„... Mit einem Monatsbeitrag von RM 1,20 war ich lediglich ein nominelles, zahlendes Mitglied der Nazi-Partei und zwar, wie bereits erwähnt, nur bis 1935. Meinem Austritt aus der NSDAP lagen folgende Vorfälle zugrunde:
Wöchentlich pflegte ich mich zweimal im Kaffeehaus Kramer, Euskirchen, mit den Juden Otto Sommer aus Kuchenheim, Edgar Meyer (Euskirchen) und Albert Schneider (Euskir­chen) zum Kartenspiel zu treffen. Da dieses Herrn Dr. Faßl (Kreisleiter/d. Verf.) nicht passte, forderte er mich wiederholt auf, das Spiel mit den Juden zu unterlassen. Als diese wiederholte Aufforderung von mir nicht beachtet wurde, erklärte er mich 1935 als politisch unzuverlässig, was meinen Austritt aus der NSDAP bedingte. Das Kartenspiel mit den Vorgenannten habe ich fortgesetzt, bis es durch die Ausweisung derselben nicht mehr möglich war.

... Ferner war ich darüber unterrichtet, dass seit 1935 regelmäßig an den Sonntagen Zusammenkünfte von Antifaschisten in Euskirchen stattfanden, an denen u. a. auch die Herren ..., sämtlich aus Euskirchen, teilnahmen.

Auch Herrn Spickermann, Euskirchen, bitte ich zu befragen. Derselbe wurde wegen seiner jüdischen Heirat sogar aus dem Gaugebiet ausgewiesen. Mit ihm und seiner Frau (die in Theresienstadt umkam/d. Verf.) habe ich mich des Öfteren über die Nazipolitik unterhalten, so dass auch ihm meine Einstellung bekannt ist."

Ein Bauunternehmer teilte der Euskirchener Entnazifizierungskommission seinen Widerstand gegen die Nationalsozialisten mit:

Euskirchen, 2. 4. 1946

„Obschon es dem einen oder anderen als nicht zur Sache gehörig erscheinen wird, will ich nur einen Brief kurz angeben, welcher meine Querstellung zur NSDAP am besten erläutern wird.

Der Brief datiert vom 21. Oktober 1936 und ist an den Reichsinnenminister Dr. Frick, als eingeschriebener Brief, gerichtet worden. Die Abschrift befindet sich in meinen Händen. In diesem Brief schilderte ich den ... als Sittlichkeitsverbrecher, den stellvertretenden ... als Ehebrecher und den... als Mädchenschänder.

Weiter teilte ich in dem Briefe mit, dass in das vor dem Hause des Dr. Faßl stehende Auto des Gauleiters Grohé uriniert worden wäre und Exkremente hineingesetzt worden wären. Die Täter wären mir bekannt! - Dieser Brief machte mich vollends fertig ...“.

In der Eifel und Voreifel gab es im Dritten Reich kaum Widerstandskämpfer oder offenkundige Gegner der NSDAP. Über einige Ausnahmen habe ich in meiner regionalhistorischen Homepage berichtet: Willi Graf, gebürtig aus Kuchenheim, Heinrich Althausen aus Lommersum, Fritz Juhl aus Meckenheim oder Joseph Emonds aus Kirchheim.

Zu den unbekannt gebliebenen „Alltags“-Gegnern, die nachweisbar – so lange dies möglich war - der NSDAP keineswegs genehm waren, zählt auch der aus Sinzenich bei Zülpich stammende Landwirt Hermann Josef Schmitz (27.12.1882 - 21.11.1965). Er war das jüngste von vier Kindern der Eheleute Johann Wilhelm Schmitz (28.07.1834 - 19.08.1916) und Agnes Siepen (18.09.1845 - 15.09.1929). In erster Ehe war er mit Agathe Heucken (23.02.1890 - 28.04.1941) verheiratet und hatte ebenfalls vier Kinder.

 

Schmitz

 

Die katholische Familien Schmitz und Heuken waren mir bereits bei der Arbeit zu meinem Buch „REICHSKRISTALLNACHT“ – Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande  aufgefallen. Auf Seite 33 erwähne ich den Bauern Heucken, der während der „Kristallnacht“ am 10. November in Sinzenich mit einer Mistgabel das jüdische Mädchen Ruth Scheuer verteidigte, das nicht nur den Novemberpogrom, sondern Jahre später sogar Theresienstadt und Auschwitz überlebte. Immer wieder beeindruckt es mich, Kenntnis von unbedeutende Menschen zu erhalten, die im Dritten Reich nachweisbar Charakter und Aufrichtigkeit bewiesen haben.

 

Schmitz

 

Was dem Landwirt Hermann Josef Schmitz geschah, als er bis 1935 ostentativ den Kontakt zu der zweiten Familie Scheuer, Julius Scheuer, unterhielt, soll aus folgender Korrespondenz erkennbar sein:

 

Schmitz

Schmitz

Schmitz

 

« zurück zum Seitenanfang