Aus den ersten Lehrplänen des Siegkreises (1945)

von Hans-Dieter Arntz
15.08.2017

In der Erziehungswissenschaft versteht man unter „Didaktik“ die „Antwort auf jeweils aktuelle Brennpunkte der Gegenwart“, die für das Curriculum des jeweiligen Schultyps eine wesentliche Bedeutung hat. Was nun „wesentlich“ ist, wird oft durch die Politik und soziale Entwicklung einer Gesellschaft bestimmt. In diesem Zusammenhang ist mir der
Hinweis des Erziehungswissenschaftlers Prof. Klaus Schaller unvergessen geblieben, demzufolge „der erste Zugriff eines autoritären Staates stets der Schule gilt“.

Unter ihrem Mädchennamen hatte meine Tochter Amrei vor 8 Jahren nachgewiesen, wie auch eine diesbezügliche „Umdeutung“ des Brauchtums oder gar der Festtage möglich werden kann bzw. konnte. Sie konkretisierte dies am Beispiel der nationalsozialistischen Weihnacht:


Advent und Weihnachten im Nationalsozialismus (1. Teil: Festtheoretische Perspektiven im Dritten Reich)

Advent und Weihnachten im Nationalsozialismus (2. Teil: Nationalsozialistische Weihnachten: Fest- und Feiergestaltung der „Deutschen Weihnacht“)

Die beiden Online-Artikel weisen sehr deutlich die Versuche der Nationalsozialisten nach, dass zum Beispiel selbst das christliche Weihnachtsfest in der Kriegszeit eine neue Bedeutung bekommen sollte. Da heißt es zum Beispiel: „Als dann die dramatische Situation des Kriegsverlaufs auch dem letzten Volksgenossen nicht mehr zu verheimlichen war, ließen die Nazis die Maske fallen. Da lautete am Schluss die Parole: ,Über dem Begriff Weihnachten steht das Wort Kampf und das Wort Sieg!'“

Im Frühherbst begann auch in den Altkreisen Schleiden und Euskirchen oder im benachbarten Siegkreis nach Monaten des Chaos wieder der Schulunterricht. Aber die Gebäude waren teilweise zerstört, Bücher und Materialien fehlten, viele Lehrer waren ideologisch belastet...

Die Didaktik musste sich jetzt wieder ändern. Aus dem nationalsozialistischen Diktat sollte wieder eine demokratische Regularie werden. Leticia Witte von der Welt/N 24-Digital-Zeitung befasst sich am 29.09. 2015 mit diesem pädagogischen Neuanfang und bezieht sich dabei auf Prof. Elke Kleinau, die in Köln einen Lehrstuhl für Historisch-systematische Pädagogik innehat: Schulanfang 1945 - Als die „Rassenkunde“ endlich tabu war.

Die Lehrer waren ideologisch belastet oder tot, andere waren im Krieg umgekommen. Es herrschte dramatischer Personalmangel. Die Eltern kämpften ums Überleben, die Alliierten hatten eigene Pläne. Im Herbst 1945 begann nach Monaten des Chaos wieder der Schulunterricht.

Auch die mir vorliegenden Lehrpläne für die Volksschulen des Siegkreises (1945) stellen nur ein Provisorium dar und geben dies auch in dem jeweiligen Geleit- und Vorwort verständlicherweise recht hilflos zu. Die damals Verantwortlichen hatten bis zum Herbst 1945 die „unverdächtigsten“ Schulbücher der Weimarer Republik begutachtet und dem „britischen Oberbefehlshaber“ zur Genehmigung vorgelegt. Nicht nur jede Unterrichtsstunde hatte genehmigt zu werden, sondern auch jegliches Schulbuch oder jeder in Frage kommender „Lehrplan“.

 

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Besonders harmlos waren wohl die Rechenbücher, die „in unveränderter Form auf Anordnung des britischen Oberbefehlshabers“ benutzt werden durften. Noch immer firmierte die „Deutsche Volksschule, Siegburg, Jakobstraße“, ihre Existenz per Stempel und erläuterte darunter den neuen Lehrplan sowie die Genehmigung zweisprachig im Preface/Vorwort. Zumindest die „Behelfsausgabe des Deutschen Rechenbuch III für das 3. und 4. Schuljahr“ aus dem Jahre 1928 ist offenbar identisch mit der „Neuausgabe“ von 1945. Es wird jedoch erwartet, dass Deutschland bald eigene Schulbücher im Sinne einer demokratischen Didaktik hervorbringt:

 

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Der „Lehrplan für die Schulen des Siegkreises“, den die Schulämter Sieg I und II im Herbst 1945 den meist provisorischen Schulleitern überließen, ruft definitiv zur „Beseitigung aller nationalsozialistischen und militärischen Einflüsse“ auf:

 

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