Junkerdolch für den ersten Sohn:
Nach Kirchenaustritt „braune Hochzeiten“ auf der Ordensburg

von Hans-Dieter Arntz
(Aus: Aachener Volkszeitung, 21. Juni 1986)
23.01.2007

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Eine Serie von Hans-Dieter Arntz (Teil 6)

 

In seiner Schrift „Der Weg zur Ordensburg^ (1935/36) hatte Reichsorganisationsleiter Robert Ley den Wert der „Rassenreinheit" sowie die Einheit von Führeranwärter und Partei mehr als deutlich propagiert. Insofern war von Anfang an bekannt, dass jegliches Privatleben der „Burgjunker" - wie sie immer von der Eifeler Bevölkerung genannt wurden - der Ideologie der NSDAP untergeordnet sein mußte. Somit würde auch die religiöse Haltung der Männer überprüft.

Für Eheschließungen galten ganz besondere Vorschriften. Es heißt hier zum Beispiel: „Ehen sind sofort zu verbieten, wenn nicht die arische Abstammung der Partner und das gesunde Erbgut garantiert sind/4 Die „absolute Ehetauglichkeit der Braut" sowie der „restlose Nachweis der arischen Abstammung beider Ehegatten bis zum festgesetzten Stichtag (1. Januar 1800)" waren unbedingt erforderlich.

Der Austritt aus der katholischen oder evangelischen Kirche war fast immer Voraussetzung dafür, in der NSDAP Karriere zu machen. Man fand ein schützendes Feigenblatt für die Blöße des Glaubensabfalles, einen wohlklingenden Namen: „Gottgläubig". Das klang anders als „ungläubig" oder „heidnisch" oder „freireligiös". Es klang sogar positiv, wenn es auch in erster Linie negativ gedacht war, nämlich als „nicht kirchengläubig". Bald wurden die üblichen Trauungen für Junker in „Eheweihen", im Volksmund auch „Braune Hochzeiten" genannt, umfunktioniert.

Auch Junker auf der Ordensburg Vogelsang wurden von Anfang an am Kirchenbesuch gehindert. Kommandant Manderbach soll angeblich gesagt haben: „Die Junker können Gottesdiensten in Gemünd in Zivilkleidung beiwohnen. Freilich, die meisten haben keine Zivilkleidung dabei!" Ab Mai 1936 - dem Beginn des Lehrbetriebes in der Burg Vogelsang - häuften sich besonders bei der evangelischen Kirche in Gemünd die Kirchenaustritte. Der Gemünder Pfarrer Helmut Scheler fand 1986 - unter Berücksichtigung der Unterlagen von Parrer Rocholl - heraus, dass bis zum 23.

Dezember 1936 schon 297 Kirchenaustritte vom Amtsgericht Gemünd registriert worden waren. Die Fest- und Feiergestaltung der Nationalsozialisten unterschied sich grundsätzlich von der des angeblich .Jüdisch-orientalischen Christentums". Alte Dreiborner erinnern sich noch heute schadenfroh daran, wie wenig geeignet der kleine Raum des dortigen Standesamtes für die pompösen Hochzeiten der Junker war, die am liebsten schon 1936 mit Glanz und Gloria, Fahnen und Marschmusik aufgewartet hätten. Als Standesbeamter fungierte zudem der Beigeordnete, wenn er nicht gerade an dem Tage als Bauer auf dem Felde war. Zu einer Trauung kamen zum Beispiel mehrere KdF-Busse aus Köln, denen etwa 100 Hochzeitsgäste entstiegen. Die Damen trugen lange Kleider und hatten große Blumensträuße mit dabei. Die Männer präsentierten sich in Galauniform. Wie enttäuscht war man jedoch, dass in dem kleinen Dreiborner Standesamt nur wenige Gäste Platz fanden. Die anderen mußten im Flur oder bei Regen sogar im Bus warten.

So war es verständlich, dass ab 1937 „Braune Hochzeiten" im großen Hörsaal der Ordensburg Vogelsang stattfanden. Die erste Trauung war die von Hildegard Cremer und August Pytel am 13. November 1937. Die heute noch in Willersheid lebende Hildegard Cremer-Pytel erinnert sich an diesen wichtigen Tag, der der zuvor erfolgten standesamtlichen Trauung folgte. Wichtig war für sie, dass sie ihren christlichen Glauben nicht abzulegen brauchte und sogar noch Schleier und Myrtenkranz tragen durfte. Dies wurde 1938 verboten. Der Dreiborner Bürgermeister Stoffels vollzog auf Vogelsang die Trauung, die trotz der neuen „Weihe-Bestimmung" sehr feierlich war. Künftig sollten Trauungen nur noch vor zwei brennenden Opferschalen und einem fahnengeschmückten Tisch im Kreis der Kameraden und Familienangehörigen stattfinden. Feierliche Worte aus Rosenbergs „Mythos des 20. Jahrhunderts", von Nietzsche oder Hitler waren vorgeschrieben. Ein Sprechchor sowie Einzelsprecher unterstrichen das „Deutsche Bekenntnis".

Der Bräutigam reichte der Braut eine Fackel, die dann in einer Opferschale entzündet wurde. Nach dem Wechseln der Ringe wurden von Kameraden Salz und Brot übergeben. Der Brautführer nahm dann dem Bräutigam den Dienstdolch ab und gab ihn der Braut mit dem Hinweis darauf, dass er für ihren ersten Sohn aufzubewahren sei. Ab Ende 1938 wurde auf speziellen Wunsch hin von Kameraden eine weitere Fackel in der Opferschale entzündet und in das Heim des jungen Paares getragen. Dort fachte man dann damit das Herdfeuer an.

Nirgendwo im Kreis Schieiden wurden sonst noch „Braune Hochzeiten" gefeiert. Die Ordensburg Vogelsang sollte sich als „Schmiede fanatischer Prediger und nationalsozialistischer Soldaten" hervortun, wie es Robert Ley immer wieder betonte.

Die Stadt Gemünd ähnelte in ihrer Haltung vielen anderen deutschen Städten. Als ob auch sie ihre Kirchenfeindlichkeit ausdrücken wollte, setzte sie am 20. November 1936 ein deutliches Zeichen. An diesem Tage besuchte Adolf Hitler zum ersten Male offiziell Gemünd und die Ordensburg Vogelsang. Durch Stadtratsbeschluss wurde zu diesem Termin der „Marienplatz" umbenannt. Er hieß bis zum Kriegsende „Adolf-Hitler-Platz".

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