Etwa seit dem Jahre 2000 interessiert man sich verstärkt für das Schicksal der Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter, „Hilfswilligen“ und Fremdarbeiter, die während des 2. Weltkrieges in Deutschland ein menschenunwürdiges Dasein fristen mussten. Viele von ihnen waren in der Landwirtschaft eingesetzt. An anderer Stelle soll über die Auswertung gefundener Archivunterlagen berichtet werden.
Dieser Bericht wurde meinen Büchern Kriegsende 1944/45 zwischen Ardennen und Rhein (Euskirchen 1984 / 3. Auflage 1986, S. 260-261) sowie Kriegsende 1944/45 im Altkreis Schleiden (Euskirchen 1995 / 1.Auflage, S. 260-261) entnommen. Die Grundlage hierzu bildet ein Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers, Lokalteil Euskirchen, Nr. 235 vom 8. Oktober 1965, Seite 19: „Im Walde von Satzvey 4 Polen erschossen“.
Das Urteil wurde am 27. Dezember 1965 vom Bonner Schwurgericht gesprochen. In Berücksichtigung weiterer Verbrechen wurden die Täter zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Die Ausgabe vom 1. November 1968 berichtet jedoch, dass der Prozess vor dem Schwurgericht in Köln neu verhandelt wurde, weil der Bundesgerichtshof die vom Bonner Schwurgericht verhängten Zuchthausstrafen auf nur noch 3 Jahre reduzierte. Dieses Strafmaß bestätigt ein richterliches Vorgehen, das ich bereits in den Akten der „Synagogenbrand-Prozesse“ der Nachkriegszeit erkennen konnte. Hierzu bietet meine umfangreiche Dokumentation Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet am Beispiel Hellenthal/Blumenthal, Schleiden, Mechernich und Euskirchen viele Belege.
Das hier publizierte Kapitel behandelt ein Kriegsverbrechen in Satzvey bei Mechernich (1944) und sollte im Zusammenhang mit dem ebenfalls in meiner Homepage veröffentlichten Geschehen in Mülheim-Wichterich/bei Zülpich (1945) gelesen werden.
Das Bonner Schwurgericht befaßte sich in der Zeit von September bis Dezember 1965 mit Exekutionen und Ermordungen von Polen, Zwangsarbeitern und Flamen. Die Lokalpresse berichtete damals sehr detailliert über das Prozeßgeschehen, war doch das Eifelgebiet im Anschluß an die mißglückte Ardennenoffensive lange Zeit im Mittelpunkt militärischer Niederlagen.
An dieser Stelle soll über die Exekution von vier Polen als Plünderer am 6. Dezember 1944 in einer Waldlichtung unweit von Satzvey berichtet werden. Angeklagt waren Angehörige des Einsatzkommandos 4 der Gestapo Köln, Johann Schw. (60) und Konrad Schö. (54), die beide aus Aachen kamen. Wörtlich und namentlich berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger am 8. Oktober 1965:
Der damalige Kommandoführer Arnold Schnf...] berichtete, daß ihm Ende November 1944 von Wehrmachtssoldaten oder einer Streife der Feldgendarmerie vier Polen mit ihren auf einen Zettel geschriebenen Namen übergeben wurden und ein kurzer Bericht, wonach diese im Frontgebiet als Plünderer aufgegriffen worden seien. Die Verhafteten wurden im Bunkerstollen in Mechemich eingesperrt. Von Schnf...] wurde der Fall sofort an die Gestapo in Köln mit einem entsprechenden Bericht gemeldet.
Am 5. Dezember ist von Köln der Exekutionsbefehl für die Plünderer mit dem Vermerk „ Urteil liegt vor" bei Schnf...] eingegangen. Schnf..J hat dann, wie er sagte, am frühen Morgen des 6. Dezember den Fahrer Johann Schwf...], Konrad Schöf...], Karl Mf ..] (60) aus Schwabentrup und Hans Kof...] (52) aus Bexbach als Vollstreckungskommando bestimmt.
Schwf...], der sich ständig mit seinen Aussagen vor Gericht widerspricht, einen schlechten Eindruck macht und so tut, als habe er nichts von der vorgesehenen Erschießung der vier Polen gewußt und auch nicht daran teilgenommen, wird von Konrad Schöf.. J's glaubwürdiger Schilderung widerlegt und belastet.
„Als wir die vier Polen aus dem Bunkerstollen bei Mechemich zur Exekution abholten, wußten wir überhaupt nicht, wohin wir fahren und wie die Exekution vor sich gehen sollte", berichtete Schöf...]. Auf seine diesbezügliche Frage soll Schwf...] gesagt haben: „Das laßt mal meine Sorge sein. Ich weiß schon, wohin wir fahren."
Auf der Fahrt über die Straße von Mechernich in Richtung Satzvey habe Schwf..J in Waldnähe gehalten. Gemeinsam mit den Polen habe man den Wagen verlassen. Jeder der Polen und das Kommando hätten Schanzzeug mitgenommen. Und dann sei man auf eine kleine Lichtung gegangen.
Alles wurde für die Polen so unauffällig gemacht, daß sie nicht ahnten, was mit ihnen passierte, sondern annahmen, es sollte für die Wehrmacht geschanzt werden. Die Polen mußten vier Gruben etwa einen Meter tief ausheben und anschließend Reisig sammeln. Es war vereinbart worden, sobald einer einen Pistolenschuß abgebe, sollte die Exekution durch Genickschüsse schnell von sich gehen. Ich wollte aber meinen Polen nicht erschießen, konnte aber den Befehl nicht verweigern. Deshalb zog ich unauffällig das Magazin aus meiner Pistole. Als der erste Schußfiel, standen drei der Polen bereits in ihren ausgehobenen Gruben und wurden durch Genickschuß erschossen. Da ging mein Pole mit Reisig unter dem Arm noch neben mir her. Zum Schein legte ich meine ungeladene Pistole auf ihn an, drückte ab und rief Martin zu-. „Karl, schnell, ich habe Ladehemmung!" Martin sprang hinzu, schoß den Polen nieder und gab ihm anschließend noch einen Gnadenschuß, während die anderen - auch Schwf...] war dabei - schon die Gruben mit den Erschossenen zuwarfen und ich noch in mich versunken dastand. Sowie ich wieder unauffällig den Ladestreifen in die Maschinenpistole schob, wurde mir zugerufen: „Wenn du schon nicht schießen kannst, dann helf uns wenigstens die Gruben zuwerfen." Was ich dann auch tat.
Dazu sagte Schöf...] schließlich weiter: Er habe möglicherweise gedacht, der Pole sei vielleicht auch ein Familienvater. Daß sein Kamerad Martin die doppelte Arbeit machen mußte, habe er nicht überlegt.
Das Kommando wurde anschließend wieder nach Gut Hombusch zurückgeführt. Einer machte Schnf. von der Befehlsvollstreckung Meldung, und als Schöf...] sich bei Schnf...] wegen seiner Ladehemmung melden wollte, soll Schnf...] ihm sofort mit der Bemerkung entgegengekommen sein: „Ich weiß schon, du hattest Ladehemmung."