Zur Geschichte des Euskirchener Karnevals im 19. Jahrhundert – Der Ursprung des Euskirchener Masken- und Rosenmontagszugs (1828)

von Hans-Dieter Arntz
27.02.2017

Die Regionalhistorie beweist, dass Euskirchen im 19. Jahrhundert durchaus zu den ersten und bedeutenden Zentren des rheinischen Karnevals gehörte. Den meisten heute dort residierenden Karnevalisten ist dies gar nicht bekannt. Während die benachbarte Domstadt auf ihren Kölner Karneval besonders stolz ist, da er inzwischen zu den weltweit größten und bekanntesten Karnevalsfesten zählt, scheint es in der Voreifel kaum bekannt zu sein, dass es in der damals kleinen Kreisstadt schon seit 1828 (!!) einen „Rosenmontagszug“ gab, der als „Maskenzug“ von der Begeisterung her keineswegs dem seit 1823 bestehenden Kölner Vorbild nachstand. Dort war gerade das „Festordnende Comitee“ gegründet worden, um der bis dahin ungeordneten kölnischen Fastnacht „eine neue Richtung und einen neuen Inhalt zu geben“. Dieser Impuls wurde kurz danach auch von der Kreisstadt Euskirchen wahrgenommen, so dass es hier seit 1828 einen organisierten Karneval gibt! Euskirchen war einer der Voreiter im rheinischen Karneval!

Es ist natürlich bekannt, dass der Rosenmontag als Höhepunkt der Karnevalszeit, oft mit dem so genannten Rosenmontagszug, begangen wird. Er fällt traditionsgemäß auf Montag vor dem Aschermittwoch, also 48 Tage vor dem Ostersonntag.

In den Chroniken und historischen Abhandlungen findet man den Hinweis, dass Napoleon dem oft früher ungezügelten karnevalistischen Treiben besonders im Rheinland rigoros Einhalt geboten hatte. Aber nach dem Wiener Kongress 1815 konnte der Karneval reformiert und in „moralisch richtige Bahnen“ werden. Dazu gründete sich am 6. November 1822 in Köln das „Festordnende Comitee“, dessen jährliche Hauptversammlung am Montag nach dem vierten Fastensonntag, genannt „Laetare“, (also vier Wochen nach Karneval) stattfand. Der Sonntag „Laetare“ wird seit dem 11. Jahrhundert auch „Rosensonntag“ genannt, da der Papst an diesem Tag eine goldene Rose weihte und einer verdienten Persönlichkeit überreichte. Nach seinem jährlichen Sitzungstermin nannte man das „Festordnende Comitee“ auch „Rosenmontagsgesellschaft“. Der Name „Rosenmontag“ bezeichnete also ursprünglich den Montag vier Wochen nach Karneval.


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Fotos aus dem „Euskirchener Intelligenzblatt“ v. 14. 02. 1874 und der „Euskirchener Zeitung“ vom 27. 02. 1892)


Weiterhin ist in der Fachliteratur nachzulesen, dass dann der erste organisierte Karnevalszug im Jahre 1823 in Köln stattfand und man um 1830 herum die Bezeichnung des Comitees auch auf den Umzug übertrug. Diesen nannte man im Volksmund „Rosenmontagszug“. Von Köln aus verbreitete sich das Rosenmontagsdatum bald im gesamten deutschen Brauchtum. Der erste Rosenmontagszug im heutigen Fastnachtszentrum Mainz - „Määnzer Fassenacht“ oder „Meenzer Fassenacht“ - fand übrigens (erst)1838 statt und wurde übrigens noch als „Maskenzug“ bezeichnet. Man sollte nicht vergessen, dass dies zehn Jahre nach dem ersten Maskenzug in Euskirchen war.

Unter der Überschrift Oeskerchens Fastelovend immer älterfasste Karl Otermann – ehemaliger Kreisarchivar und Kulturreferent des Kreises Euskirchen sowie Vorsitzender des Vereins der Geschichts- und Heimatfreunde des Kreises Euskirchen – im Heimatkalender 1959 die Anfänge des Euskirchener Karnevals zusammen und publizierte den Beweis, wonach die Euskirchener schon 1842 Weiberfastnacht gefeiert hatten (S.114/115). Dabei bezog er sich auf einen früheren Hinweis des kurz vorher verstorbenen Heimatforschers Peter Simons (1877-1956). Otermann selber fand dann später, bei der Neuordnung des Amtsarchivs Kuchenheim, für das Jahr 1828 eine „allerhöchste Kabinettsordre der königlich-preußischen Majestät“ (1828) - natürlich nicht einer närrischen Tollität -, die von historischer Bedeutung ist:

„Des Königs Majestät haben, wie Sie aus meiner Mitteilung vom 4. Mai 1828, in einer allerhöchsten Kabinettsordre vom 20. März eiusdem zu erklären geruhet, dass in den Rheinprovinzen Karnevals-Maskeraden nur in denjenigen größeren Städten erlaubt sein soll, wo sie herkömmlich von Alters her Statt gefunden haben. In kleineren Städten sind demnach dergleichen Maskeraden gänzlich verboten."

Weiterhin heißt es in dem o.a. Text von Karl Otermann, dass im Januar 1845 Landrat von Imhoff von Rheinbach aus - der einstigen Kreisstadt, wozu die Ämter Kuchenheim und Münstereifel bis 1932 gehörten -, verfügte:

„Des Königs Majestät haben, wie Sie aus meiner Mitteilung vom 4. Mai 1828, in einer allerhöchsten Kabinettsordre vom 20. März eiusdem zu erklären geruhet, daß in den Rheinprovinzen Karnevals-Maskeraden nur in denjenigen größeren Städten erlaubt sein soll, wo sie herkömmlich von Alters her Statt gefunden haben. In kleineren Städten sind demnach dergleichen Maskeraden gänzlich verboten."

Im Januar 1845 verfügte Landrat von Imhoff von Rheinbach aus, der einstigen Kreisstadt, wozu die Ämter Kuchenheim und Münstereifel bis 1932 gehört haben:

 „. . . und darauf zu halten, dass in den Faschingstagen keine Maskenzüge und Maskeraden in den Ortschaften stattfinden, da diese nur für größere Städte erlaubt werden, wo sie althergebracht sind."

Waren diese höchsten und allerhöchsten Polizeiverordnungen nun auch keineswegs geeignet, der Fröhlichkeit des rheinischen Karnevals freien Lauf zu lassen, so geben sie doch zu erkennen, dass das Volk sich sein Fastnachtstreiben nicht nehmen lassen wollte - auch nicht im Zustand des obrigkeitlich verfügten Untertanengehorsams alter Art.

Ein weiterer Fund ist Kreisoberinspektor Peter Linden zu verdanken, der im Jahre 1957 zufällig in einer beim Staatsarchiv Düsseldorf aufbewahrten Euskirchener Akte Wesentliches zum Euskirchener Karneval fand. Seitdem besteht eine amtliche Aussage zum Ursprung des ersten Euskirchener Maskenzuges, der auf das Jahr 1828 zurückgeht.

Es handelt sich um ein Behördenschreiben vom 14. Februar 1858, das Bürgermeister Peter Josef Ruhr (1850—1870) „An den Königlichen Geheimen Regierungsrath und Landrath Herrn Schroeder Ritter p.p. Hochwohl geboren zu Haus Wachendorf" richtete, nachdem das Landratsamt erneut auf das bestehende Verbot, „in den kleinen Städten Maskenzüge halten zu dürfen", hingewiesen hatte: Da lesen wir:

„Seit längeren Jahren und namentlich vor dem Ober-Präsidial-Erlasse vom 21. April 1828 hat in der Kreisstadt Euskirchen altherkömmlich ein Maskenzug stattgefunden, und so ist denn auch in diesem Jahre ein Carnevals-Comitee, bestehend aus den ersten Bürgern der Stadt, zusammen getreten, welchem ich die Erlaubnis zur Abhaltung eines Maskenzuges ertheilt habe. Da nun durch die communizierte allegierte ( - mitgeteilte und angeführte) Verfügung in mir der Gedanke wach geworden, dass vielleicht das Verboth auch auf die Stadt Euskirchen Bezug haben könnte, so erlaube Hochdenselben ich mir nachstehende Bitte:

Dass in diesem Jahre der Maskenzug, welcher wirklich mit vielen Kosten vorbereitet und der nach meiner festen Überzeugung ein recht zeitgemäßer, anständiger, schöner und harmloser werden wird, stattfinden dürfe, gehorsamst vorzutragen; damit das Comitee, welches sich durch die meinerseits ertheilte Erlaubnis in seinem vermeintlichen Rechte gekränkt glaubt, in die Lage versetzt werde, für die Zukunft bei der Höheren Behörde, diese seine vermeintlichen Rechte geltend zu machen.

Es ist nicht zu verkennen, dass ich durch die Ertheilung der Erlaubnis, falls ich dieselbe zurücknehmen müsste, in eine sehr unangenehme Lage versetzt würde, indem die sonst so friedliche Bürgerschaft hierin eine Verletzung erblicken würde. Daher es nur mein sehnlichster Wunsch sein kann, wenn die ertheilte Erlaubnis aufrecht erhalten wird.

Hochdieselbe bitte ich daher gehorsamst, mich in dieser Angelegenheit hochgeneigtest belehrend unterstützen zu wollen.

 P. J. Ruhr
- Bürgermeister -

Karl Otermann konstatierte abschließend, dass man als gesichert annehmen müsse, dass Bürgermeister Peter Joseph Ruhr (1850-1871) nicht leichtsinnig und großzügig mit den Jahren umgegangen ist, als er den Satz schrieb, dass in der Kreisstadt Euskirchen altherkömmlich und „namentlich vor dem Ober-Präsidial-Erlasse vom 21. April 1828" ein Maskenzug stattgefunden habe.

Der damalige Kreisarchivar resümiert: Da bisher weitere dokumentarische Beweise fehlen, dürfen wir also getrost und auch glücklich in Bürgermeister Ruhr den Gewährsmann für einen Euskirchener Maskenzug vor 1828 haben. Die nahe Lage zu Köln hat - und das überrascht gar nicht - also recht schnell die Neuheiten im Kölner Karneval auch nach Euskirchen ausgestrahlt.

 

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