Die Werte und Ideale der Nationalsozialisten hatten in Euskirchen genau wie anderswo auch die Jugend und die Lehrer beeinflusst. Als Experte erwies sich Hans-Dieter Arntz
Brechend voll war der Rathaussaal, als Hans-Dieter Arntz über die Juden in Euskirchen referierte, Es war eine hochinteressante, kurzweilige Veranstaltung mit großem Informationswert.
Euskirchen. Die Juden sind unser Untergang (auf Transparenten) oder Peter Müller hat beim Juden gekauft (an der Prangertafel) in Euskirchen war es nicht anders als sonstwo im Reich. Mit aussagekräftigen Dias belegte Hans-Dieter Arntz im Alten Rathaus zum Auftakt der Jüdischen Themenwoche anlässlich der 700-Jahrfeier die Geschichte der Juden in Euskirchen.
Der Rathaussaal war brechend voll. Viele Interessenten mussten bei dem mehr als 90-minütigen Vortrag stehen, blieben bis zum Schluss. Was unterstrich: Der beste regionale Kenner der langen Geschichte deutsch-jüdischen Zusammenlebens vom Mittelalter bis zum Holocaust (so Dr. Reinhold Weitz vom Geschichtsverein des Kreises Euskirchen) zog die rund 150 Besucher in seinen Bann., als er sehr pointiert, aber auch kurzweilig darlegte, welche Rolle die Juden in der Kreisstadt gespielt hatten.
Bemerkenswert: Es war keineswegs der vielleicht erwartet einseitige Vortrag. Arntz verdeutlichte auch, warum in der Nazizeit mancher sich begeistern ließ. Werte und Ideale haben damals nicht nur die Jugend, sondern auch die Lehrer beeinflusst, konstatierte er.
Hans-Dieter Arntz
Und dass Marienschülerinnen mit den Nonnen mit Nazifähnchen am Straßenrand gewunken hätten, sei auch nicht zu übersehen gewesen. Schon bei der Stadtgründung Euskirchens (1302) gab es in Euskirchen Juden. Sie hatten wie anders auch die wirtschaftlichen Felder Geldgeschäft, Metzger sowie Viehhandel belegt. Im Jahr 1932, so Arntz, habe es in der Region nicht weniger als 31 jüdische Viehhändler gegeben.
Die Juden, es gab von ihnen mehr als Protestanten in Euskirchen, seien vollends ins städtische Leben integriert gewesen, hätten Platt gesprochen, eine eigene Elementarschule gehabt, als Soldaten für Deutschland gekämpft und in den Kriegen einen hohen Blutzoll gezahlt.
Anhand von Dias aus seiner umfangreichen Sammlung (Arntz hat inzwischen Kontakte zu 115 jüdischen Familien im In- und Ausland) ließ der Gymnasiallehrer, auf dessen Initiative auch das Mahnmal in der Annaturmstraße zurückzuführen ist, die Geschichte Euskirchens, was die Juden anging, lebendig werden.
Wer weiß heute schon, dass die Bischofstraße früher Judengasse hieß und erst nach dem Besuch eines Bischofs umbenannt wurde? Wer weiß, dass der Rathausturm einst Isaak genannt wurde und auch als Gefängnis diente? Wer kann schon wissen, dass das älteste jüdische Haus (Metzgerei Fröhlich) auch das letzte in jüdischem Besitz war, das erst 1990 von seinem Besitzer veräußert wurde? Und. wer weiß heute noch, dass die Hochstraße auch mal Adolf-Hitler-Straße hieß?
Arntz machte auch deutlich, dass die gesamte Voreifel quasi ein Zentrum der Juden war, das vor allem Flamersheim eine große Rolle spielte. Den Flamersheimern bestätigte er, dass sie es waren, die in Sachen Versöhnung ein Schrittmacher im Stadtgebiet gewesen seien.
Wer sich für die jüdische Geschichte in Euskirchen und Umgebung interessiert, wer die vielen Publikationen des Referenten gelesen hat, erfuhr im Alten Rathaus aber auch noch neue Details seiner Forschungen: Jenny Meyer, erste jüdische Tote in Euskirchen, angepöbelt von Knaben der Jungenoberschule beispielsweise.
Und bei dem Vortrag wurde auch klar, wie friedlich Juden und Christen in der Kreisstadt zusammengelebt hatten bis das Naziregime an die Macht kam. Jüdische Geschäfte wurden boykottiert, das größte Kaufhaus (Tietz, jetzt Teitge) wurde arisiert, Menschen am Pranger diffamiert und schließlich wurde die Synagoge zerstört.
Es waren keine Fremden, die Täter sind alle bekannt, sagte Arntz. Es waren Einheimische, die nach der wirren Tat in Euskirchen auch noch nach Kommern, Mechernich und Bad Münstereifel zogen, um auch dort Hand anzulegen an Synagogen. Natürlich vergaß er nicht einige der herausragendsten Juden mit Herkunft aus der Region. So Josef Weiss aus der Flamersheimer Mönchsgasse, der in Bergen-Belsen Buch geführt hatte, welche Juden dorthin deportiert wurden, auch Anne Frank. So den Obergartzemer Walter Schwarz, der unter neuem Namen Prof. Dr. Evenari die israelische Wüste fruchtbar gemacht hatte.
Die Themenwoche hatte einen erfolgreichen Auftakt. Arntz merkte an, dass ausgerechnet bei der Buchausstellung der Stadt dieses Thema (und damit auch seine Publikationen) ausgesperrt seien. Dem widersprach gestern die Leiterin der Bibliothek, Brunhilde Weber: Herr Arntz konnte die Bücher bei uns nicht finden, da sie alle verliehen sind. Sie erfreuen sich großer Nachfrage.