Ordensburg Vogelsang – Früher „Bollwerk des Westens“

von Hans-Dieter Arntz
28.02.2007

Wo der Nachwuchs geschult wurde ...

Wie im deutschen Staatsleben, in der Wirtschaft und im Rechtswesen, in der Kunst, der Wissenschaft und der Weltanschauung, so hält auch auf dem Gebiet der Bildung und Erziehung im Jahre 1933 das „Führerprinzip“ seinen Einzug. Neben der diesbezüglichen Anpassung des Schulwesens entstehen nun manche andere Schulen: die Nationalsozialistischen Erziehungsanstalten (Napola), die parteieigenen Adolf-Hitler-Schulen und andere Internate, die besonders straff auf das neue Erziehungsziel ausgerichtet sind und speziell der Heranbildung eines Führernachwuchses in Partei und Staat dienen.

Der Kreis Euskirchen kann sich „rühmen“, mit der Ordensburg Vogelsang bei Gemünd eine der wenigen Erziehungsstätten für die nationalsozialistische Elite gehabt zu haben. Die heute von den Belgiern verwalteten Anlagen entstanden in der Zeit von 1934 bis 1936 und verdienten anfangs wegen der Schulung eines qualifizierten Nachwuchses besondere Beachtung.

Der Reichsorganisationsleiter der NSDAP, Dr. Robert Ley, hatte für die Ausrichtung der politischen Leiter der Partei zu sorgen. Drei Ordensburgen zur weltanschaulichen und politischen Schulung entstanden in Pommern, im Allgäu sowie im Rheinland. In Crössinsee wurden die Anwärter charakterlich ausgebildet. Sonthofen bildete die Anwärter in Verwaltungs-, politischen, diplomatischen oder Militäraufgaben aus. Die bei uns in der Eifel gelegene Ordensburg Vogelsang verbreitete die rassistische Philosophie der neuen Ordnung.

In einer großangelegten Feier wurde am 22. September 1934 der Grundstein für die Ordensburg „Vogelsang, Bollwerk des Westens“ gelegt. Wenn auch die Chronik der Belgier in dem Falle irrt, daß Reichskanzler Adolf Hitler persönlich bei den Feierlichkeiten anwesend war, so kann doch behauptet werden, daß viel Prominenz anreiste.

Gewaltige Erdbewegungen waren bereits vorgenommen worden. Für den Turm, den Speiseraum und Kultraum hatte man schon die Grundmauern hochgezogen; Gerüste ragten empor, die zur Feier des Tages unendlich viele Hakenkreuzfahnen trugen. Die Bauleitung lag in den Händen des Architekten Carl F. Liebermann, der sich bei der Grundsteinlegung bereits rühmen konnte, von zehn Wohn- und Schlafhäusern schon zwei unter Dach und Fach zu haben. Die 650 Arbeiter, die an der Baustelle Vogelsang nach langer Erwerbslosigkeit ihr Brot fanden, kamen aus der näheren Umgebung; 300 von ihnen wohnten in Baracken auf der Baustelle.

Der Westdeutsche Beobachter, Teil Euskirchen, gibt unter der Überschrift „Bedeutungsvoller Tag für den deutschen Westen“ die für unsere Heimat damals so wichtige Feierlichkeit wieder:

„Um 3 Uhr wird Stabsleiter Dr. Ley von Gemünd durch hundert berittene Angehörige der Kreisbauernschaft abgeholt und über die fahnengeschmückte neue Zufahrtsstraße zur Burg geleitet. Hier sind inzwischen PO, SA, SS, Hitlerjugend, BDM und Arbeitsdienstabteilungen aufmarschiert. Die Fahnen haben Aufstellung neben der Tribüne und auf dem Gerüst genommen ... Kreisleiter Franz Binz, der Burgkommandant, der sich außerordentliche Verdienste um dieses gewaltige Werk erworben hat, begrüßt Dr. Ley im Namen der gesamten Bevölkerung des Kreises Schleiden, begrüßt den Gauleiter und die in der Begleitung von Dr. Ley befindlichen führenden Männer der Bewegung. Nachdem am 15. März 1934 durch die Initiative Dr. Leys und Rudolf Schmeers der erste Spatenstich den Bau einleitete, haben nunmehr Arbeiter, Architekten und Ingenieure Großartiges geleistet ... Jawohl, eine Festung wird hier gebaut, aber nicht für militärische Zwecke, sondern eine Festung des Glaubens an die Idee, in der jahraus, jahrein der Glaube an den Nationalsozialismus gestärkt wird. Ein Volk, das sich auf derartige Festungen stütze, das müsse unüberwindlich, friedlich und treu bleiben...“

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Großbaustelle in der Eifel: Vogelsang 1936

Nach dem obligatorischen Sprechchor der Belegschaft, der den Willen zum Staat bekundete, sprach Dr. Ley: „ ... Wir bauen ein Fundament, das ewig sein wird ... Noch zehn Jahre nationalsozialistischer Arbeit, dann wird in ganz Deutschland ein Fundament gelegt sein, das selbst eine Generation nicht mehr zerstören kann, selbst, wenn sie sich, wie vor dem Kriege, im Wahn und Aberwitz ergeht ... Die Urkunde, die nun in den Turm gelegt wird, soll nie gefunden werden, damit diese Burg ewig bleibe, wie unser herrliches, deutsches Volk!“

Der Architekt und Planer der Ordensburg Vogelsang, Clemens Klotz, verlas dann die Grundsteinurkunde, und während im Tale Böllerschüsse krachten, führte Dr. Ley die ersten Hammerschläge aus.

Nach weiteren Ansprachen durch Gauleiter Grohé, den Reichsschulungsleiter, den Burgkommandanten, den Bauleiter und durch den Vertreter der Belegschaft, nach markigem Sprechchor und dem Saarlied, fand abends in Gemünd ein großer Zapfenstreich statt, der „diesen für den Kreis Schleiden und für die ganze deutsche Westmark ereignisreichen und bedeutungsvollen Tag ausklingen ließ“ (Westdeutscher Beobachter, Teil Euskirchen).

Nur ein Drittel der gewaltigen Baupläne von Professor C. Klotz aus Köln wurde verwirklicht. Ein Plan von dem riesigen Schwimmbad, das für die „Kraft-Durch-Freunde“-Erholungsstätte entworfen wurde, blieb erhalten und kann heute im Flur des Kartensaales besichtigt werden. So war auch ein 200 m hoher „Turm der Weisheit“ mit 25 Glocken vorgesehen, wurde aber nie gebaut. Zertrümmert oder beschädigt wurden im Kriege und nach Kriegsende viele Skulpturen und andere Steinmetzarbeiten von Professor Meller aus Köln und Bildhauer Thomas.

Das Fortschreiten der Arbeiten an der Ordensburg Vogelsang wurde von der Euskirchen-Schleidener Presse detailliert geschildert. So lautete am 27. November 1934 die Schlagzeile: „Das Werk wächst. - Ein Denkmal deutschen Arbeitsgeistes“.

Jubel und Begeisterung herrschte bei der nationalsozialistischen Prominenz, als am 24. April 1936 in einer „feierlichen Weihe“ die drei Ordensburgen Crössinsee (Pommern), Sonthofen (Allgäu) und Vogelsang (Rheinland) offiziell dem Führer Adolf Hitler übergeben wurden. Die Eifeler Bevölkerung bedauerte es, daß Reichsorganisationsleiter Dr. Ley die Übergabe auf Burg Crössinsee in Anwesenheit von Kanzler, Reichsleitern, Gauleitern, Reichstatthaltern, über 800 angetretenen Kreisleitern und vielen Ehrengästen vollzog und die bei Gemünd gelegene Schulungsburg vernachlässigte.

So wurde VOGELSANG offiziell am 1. Mai 1936 den Schülern zur Verfügung gestellt. Der Text der Eröffnungsrede, eingekapselt im Grundstein, kann jetzt im British Museum nachgelesen werden.

Ein Sonderdruck des Reichsorganisationsleiters der NSDAP, Dr. Robert Ley, für das Führerkorps der Partei, ihrer Gliederungen und der angeschlossenen Verbände informierte über die Ordensburgen, besonders auch über Vogelsang. Diese Schrift wurde im Mai 1945 in Köln, unter Trümmern des ehemaligen Gauleiter-Hauses von Dr. Leo Schwering, erstem Abgeordneten des Landtages NRW, Wahlbezirk Schleiden/Monschau, gefunden und später dem Kreisarchiv überlassen. Ihr verdanken wir viele historische Erkenntnisse.

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Dr. Robert Ley zu Besuch in Vogelsang

Für die Auslese stellte Dr. Ley drei Grundforderungen auf: Der Anwärter auf eine Führerstellung in Bewegung und Staat mußte ein ganzer Kerl sein, den Willen haben, sein Wissen zu vervollkommnen und über gesunden Menschenverstand verfügen. Drei Vorbedingungen mußte er erfüllen: Er mußte etwas für die Partei geleistet haben, gesund an Körper, Geist und Seele und, da der Mensch „ein Produkt seines Blutes“ sei, auch erbgesund sein. Nicht der Stand, der Beruf, die Gesellschaftsschicht, die Vermögenslage, sondern einzig und allein der Wert der Persönlichkeit waren für die Auslese entscheidend. Die Erziehung aber sollte hart und kompromißlos sein.

Daraus ergab sich das Aufgabenfeld der Ordensburgen, das eine wissenschaftliche Untermauerung der nationalsozialistischen Weltanschauung, die Erziehung zu einem echt deutschen Charakter, „den alle männlichen Tugenden des Mutes, der Entschlußkraft, der Kühnheit, der Selbstzucht, des freiwilligen Gehorsams, der Kameradschaft und der Treue zieren, zum Ziel hat“.

Andere Voraussetzungen gab es nicht, und in den Ordensburgen standen „dem einfachsten Sohne des Volkes die höchsten Führerstellen in Staat und Bewegung offen, ohne daß die Herkunft aus einer bestimmten Volksschicht, die abgeschlossene Hochschulbildung, der Nachweis an Vermögen oder irgendwelche andere Dinge“ verlangt wurden. Das Euskirchener Volksblatt vom 23. 11. 1936 faßte das Erziehungsziel der Ordensburg Vogelsang in folgender Formel zusammen: „Nationalsozialist im Denken, Glauben, Fühlen und Handeln, der das Geheimnis von Blut und Boden als oberstes Gesetz anerkennt, niemals an sich, immer nur an sein Volk denkt, kurz der Nationalsozialist, wie ihn der Führer verkörpert“.

Weitere Archivunterlagen geben Auskunft über die Art und Länge der Ausbildung: „... Drei Jahre durchlebt die Burgmannschaft in dieser unerbittlichen harten Schule, in der sie an Leib und Seele und Geist neu geformt, durch die besten Lehrer in die Weltanschauung der Bewegung hineingeführt wird. In jeder Ordensburg wird sie ein Jahr verbringen, um so auch Land und Landschaft, das Rheinland auf der Burg Vogelsang, das alpine Vorland auf die Burg Sonthofen und die norddeutsche Heimat und ihre Menschen in Crössinsee kennenzulernen ... Nach der Fertigstellung wir d jede der Burgen 1000 Männer aufzunehmen vermögen“.

Methodik und Didaktik der Ordensburg

Die Didaktik und Methodik diesbezüglicher pädagogischer Tätigkeit ist noch zu unerforscht. 1937 wird lapidar erklärt: „Wir werden dem Führernachwuchs auf den Ordensburgen die besten Lehrer in Rassenkunde, Geschichte, Kunstgeschichte, Philosophie, Wirtschafts- und Soziallehre usw. geben. Es ist ganz klar, daß diese Lehrer weltanschaulich auf Herz und Nieren geprüft werden ... Jedoch soll unser Ziel sein, daß es auf keiner Universität und keiner Hochschule Deutschlands anerkanntere Wissenschaftler auf diesen Gebieten geben darf, als wir sie auf den Ordensburgen der NSDAP besitzen. Diese wissenschaftlichen Lehrer halten vor den Männern der Ordensburgen Vorträge in Form von Kollegs, die dann in Seminaren zu je 50 Mann unter der Leitung eines hauptamtlichen Kameradschaftsführers durchgearbeitet werden. Es finden durch den Burgkommandanten täglich Burgappelle statt, in deren Rahmen jedes Seminar einen Sprecher herausstellt, der kurz und klar die Absicht seiner Kameradschaft über das Gehörte dartut. Bei diesen täglichen Burgapellen wird immer ein anderer Sprecher der betreffenden Kameradschaft herausgestellt. Am Schluß des Appells faßt dann der Burgkommandant diese Diskussion zusammen und hält eine Kritik, damit der Tag mit einem klaren, eindeutigen kritischen Urteil beendet wird“.

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So sollte die Ordensburg einmal aussehen

In vielen Diskussionen mit ehemaligen „Junkern“ der drei Ordensburgen stellte der Chronist fest, daß einst und jetzt ein so ausgeprägtes Elitebewußtsein vorherrschte, wie es sich die heutige Jugend nicht vorstellen kann. Die charakterliche und wissenschaftliche Bildung galt - an damaligen Verhältnissen gemessen - als vorbildlich. Das Aneinandergekettetsein von Nationalsozialismus, Mensch, Erziehung, Charakter und Heimat gipfelte jedoch in einer verhängnisvollen Polarisierung: „Wer versagt oder wer gar die Partei und ihren Führer verrät, wer der Gemeinheit in sich selber nicht Herr zu werden vermag, den wird dieser Orden vernichten. Wem die Partei das Braunhemd auszieht - das muß jeder von uns wissen und erkennen -, dem wird dadurch nicht nur ein Amt genommen, sondern der wird auch persönlich mit seiner Familie, seiner Frau und einen Kindern vernichtet sein. Das sind die harten und unerbittlichen Gesetze eines Ordens. Auf der einen Seite dürfen die Menschen in den Himmel greifen und sich alles holen, was ein Mann nur wünschen kann. Auf der anderen Seite ist der tiefe Grund der Vernichtung“.

Nach Ansicht von Dr. Ley sollte der Führernachwuchs die drei Ordensburgen in drei Jahren durchlaufen haben. Danach war noch ein halbes Jahr auf der Marienburg in Ostpreußen, die zur vierten Ordensburg ausgebaut werden sollte, vorgesehen. Nach mehrjähriger Praxis in der Partei als Hoheitsträger oder Stabverwalter oder den verschiedenen Verbänden (Deutsche Arbeitsfront, NSV ...) folgte die Weiterbildung in einer der vielen Reichsschulungsburgen (z. B. Erwitte, Lobeda, Saßnitz, Berlin).

Vogelsang im 2. Weltkrieg

Ungefähr 400 bis 500 Schüler solle in den Jahren 1936 - 1939 auf Vogelsang ausgebildet worden sein. 400 Personen waren mit den Verwaltungs- und Lehraufgaben beauftragt und wohnten mit ihren Familien in einer Siedlung, 2,5 km östlich von Wollseifen; diese Siedlung wurde vollkommen zerstört.

Während des 2. Weltkrieges, d. h. schon im Herbst 1939 wurden alle Schüler nach Sonthofen verlegt. Luftwaffeneinheiten benutzten den Flughafen.

Die heute von den Belgiern sorgsam geführte Chronik hält folgendes Fest: „Anfang Mai 1940 war Vogelsang und seine Umgebung Aufmarschgebiet der deutschen Wehrmacht für die Offensive im Westen. Danach stand die Burg praktisch ein Jahr leer. Die Adolf-Hitler-Schule mit Schülern im Alter von 8 bis 18 Jahren bestand auf Burg Vogelsang von 1941 bis 1944 ... Ende 1944 wurden in und um Vogelsang deutsche Truppen für die „Rundstedt-Offensive“ aufgestellt. Im Dezember 1944 erfolgte der erste feindliche Fliegerangriff. Diese Fliegerangriffe galten nicht so sehr der Burg als vielmehr der Sperrmauser des Urftsees, in dem 45 Millionen Kubikmeter Wasser gestaut werden konnten. Die Staumauer wurde zwar stark beschädigt, hielt aber stand und blieb erhalten. Im Januar 1945 wurde die Burg Vogelsang vorübergehend Feldlazarett für die Verwundeten der Ardennenoffensive. Am 2. Februar 1945 erreichten amerikanische Truppen, unter General Bradley, Vogelsang. Um Wollseifen wurde gekämpft, um die Burg selbst nicht. Im Juni 1945 wurde Vogelsang von britischen Truppen besetzt und am 1. April 1950 vom belgischen Militär übernommen“.

Burg Vogelsang bis zum Einmarsch der Amerikaner

Die geheimnisumwitterte Ordensburg Vogelsang, deren „Türme und Mauern trutzig über Hügel und Berge greifen“, verlor bereits nach wenigen Jahren ihre Bedeutung. Sie wurde wahrscheinlich bei der Schleidener-Euskirchener Bevölkerung so bekannt, weil im November 1936 die wirklich triumphalen Besuche von Hitler, Heß, Goebbels und weiteren „Führern der Bewegung“ im Gedächtnis zurückblieben. Und wie äußerte sich das Euskirchener Volksblatt am 21. November 1936? „Die Erinnerung an den 20. November 1936 aber, der Tag, an dem unser Führer zum ersten Mal in unserer Heimat weilte, wird in den Herzen unserer Bevölkerung für immer erhalten bleiben!“

Literatur und Quellen:

Der Weg zur Ordenburg (Kreis-Archiv 331-01)
Dr. Ley: Aufsätze über das nationalsozialistische Erziehungswerk
Zeitungs- und Fotoarchiv Arntz, Euskirchen-Rheder
Zeitungen: Westdeutscher Beobachter, Teil Euskirchen, sowie Euskirchener Volksblatt (1933-1939)
Camp Vogelsang (Tag der offenen Tür. - Schrift zum 10.9.1978)
Fotos: Kreisbildstelle
Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1979/80

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