Hexenwahn wie eine Epidemie

von Hans-Dieter Arntz
Aus: Jahrbuch des Kreises Euskirchen 1979, Seite 71-77
23.01.2007

Die Ausschreitungen jeden Massenwahns sind unveränderlich die Folge von Einschüchterungen und Entrechtung, die eine Minderheit von Unmenschen befähigt, ihren Willen der leidlich verständigen, leidlich rechtschaffenen Mehrheit der Bevölkerung aufzuzwingen. So überrascht es immer wieder, wie schnell und leicht sich Menschen gegen fremde Rassen, Religionen und politische Ideen aufwiegeln lassen.

Hexenverfolgungen und diesbezügliche Prozesse verlegen wir heute als aufgeklärte Menschen als vermeintlich mittelalterliche Angelegenheit in eine entferntere Vergangenheit zurück, und viele von uns schieben zu Unrecht die gesamte Schuld auf die Geistlichkeit und wiegen sich in dem trügerischen Glauben, dass jetzt, da die Macht der Geistlichkeit beschränkt ist, Hexenprozesse nicht mehr vorkommen könnten.

Die Zeitungen des In- und Auslandes jedoch berichten immer wieder über Gerichtsverhandlungen, die unkorrekt ,,Hexenprozesse" genannt werden. Da verunsichern im März und April 1978 die Enthüllungen im Aschaffenburger Exorzistenprozess,(1) und,,Kinder hörten" Anfang Juni des gleichen Jahres „den Teufel":

Marktoberdorf: (dpa) — Ein 53jähriger Lehrer einer Hauptschule in Marktoberdorf (Allgäu) hat den etwa 13jährigen Schülern einer siebenten Klasse die Tonbandaufnahme von der versuchten Teufelsaustreibung an der 23jährigen Anneliese Michel aus Klingenberg vorgespielt. Wie es heißt, hat der als tief religiös geschilderte Religions- und Geschichtslehrer den Kindern damit die Existenz des Teufels beweisen wollen... Anneliese Michel starb am 1. Juli 1976 nach mehrmonatigen Versuchen einer Teufelsaustreibung an Unterernährung. Die beiden daran beteiligten katholischen Geistlichen und die Eltern wurden im Aschaffenburger Exorzistenprozess im April zu Haftstrafen von sechs Monaten mit Bewährung verurteilt .. , (2)

Man sieht deutlich, dass Aberglaube in seinen verschiedensten Formen keineswegs ausgestorben ist, auch nicht in der Form des Teufels- und Hexenglaubens.

Fast unabsehbar ist das Leid, das durch Aberglauben zahllosen hilflosen alten Frauen während des 14. bis 18. Jahrhunderts zugefügt wurde.

Auch der Eifel ist jenes erschütternde Drama nicht erspart geblieben; früher als in den übrigen geistlichen Gebieten Deutschlands haben die Hexenprozesse im kurmainzischen und dem kurtrierischen Erzstift, hier unter der Regierung Johann von Schoenbergs, eingesetzt. Eine allgemeine, durch viele Mißjahre verursachte Not steigerte die Tätigkeit der Ankläger, welche durch Städte und Dörfer des Erzstiftes zogen und Männer wie Frauen als Zauberer und Hexen dem Scheiterhaufen überlieferten.

In Trier wie auch der Südeifel glich der Hexenwahn fast einer Epedemie. Im Jahre 1580 wurden dem kleinen Dörfchen Hütterscheid im Kreise Bitburg, das nur 6 Familien zählte, 4 Hexen nachgesagt. Die Furcht vor Hexen, die das Vieh sterben, Getreide verdorren und angeblich Nachbarn erkranken ließen, nahm Ende des 16. Jahrhunderts dermaßen zu, daß sich die Einwohner vieler Orte durch Eid verbanden, die Hexen und Zaubererausfindig zu machen. In Neuerburg (Südeifel) wurden innerhalb eines Jahres 100 Menschen verbrannt. Die Hexenbrände haben in der dortigen Gegend erst 1679 mit der Verbrennung eines unglücklichen Opfers in Waxweiler ihr Ende genommen.

Im Erzstift Köln kamen im Laufe des 16. Jahrhunderts nur wenige Fälle von Hexerei vor, von denen sich einige 1597 in Zülpich abspielten. Erst als seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts, besonders während des 30jährigen Krieges, überall die Scheiterhaufen aufloderten, begann man auch dort mit der Verfolgung und der Auslieferung der Beschuldigten an das weltliche Gericht. Das kurfürstliche Hochgericht von Zülpich machte 1629 einem elfjährigen Knaben den Prozeß, der mit der Hinrichtung durch das Schwert endete. Die Rundschau berichtete am 20. 4. 1978, daß man bei der Neuordnung des Stadtarchivs von Zülpich „ein Prothocollum bezichtigter Hexery" gefunden habe.

Eine Frau wurde 1629 der Hexerei bezichtigt, und ihr wurde die Schuld an dem Tode eines Kindes gegeben. Auch wurde ihr angelastet, daß Vieh auf der Weide eingegangen war. Nach dem Protokoll wollen Zeugen gesehen haben, wie sich die Angeklagte mit schwarzer Salbe einrieb und ihre Hände in Vogel- und Hundeklauen verwandelte. Nachdem die Bezichtigte ihre Schuld nicht bekennen wollte, wandte man ein „peinliches Verhör" (Folterung) an, nach dem sie dann alles gestand.(3)

200 Urteile

Die „Carolina" oder „Peinliche Hals- und Gerichtsordnung" Kaiser Karls V. von 1532 gab dem Zauberaberglauben mehr Raum, als das manche früheren Gesetzbücher getan hatten. Sie schrieb u. a. den Feuertod vor, „so jemand den Leuten durch Zauberei Schaden oder Nachteil zufügt" (Artikel 109), ließ aber mildere Strafen zu, „wo jemand Zauberei gebraucht und dabei niemandem Schaden getan hat". Interessant ist, daß sie hierbei mit keinem Wort von Ketzerei und Teufelsbündnis sprach. Und gerade deswegen wurden in der Zeit von 1590 bis 1640 etwa 200 Menschen in Rheinbach, Meckenheim und Flerzheim verurteilt. Die „Carolina" gestattete zwar die Anwendung der Folter und erklärte es unter anderem für einen hinreichenden Verdachtsmoment, wenn jemand in den Ruf der Zauberei geraten sei. Aber der böse Ruf mußte durch unverdächtige Zeugen unter Eid und in Gegenwart der beschuldigten Person erhärtet werden, und das Maß der Folterung wurde genau festgelegt und begrenzt. Dennoch bewiesen die Urteile in den drei genannten Voreifelorten, daß die „Peinliche Hals- und Gerichtsordnung" über „genügsame Anzeigungen von Zauberei" (Artikel 44) leichtfertige Richter zu Fehlurteilen verleiten konnte. Zudem war das Reichskammergericht meistens außerstande, Beschwerdeführern zu Hilfe zu kommen und dem kaiserlichen Recht Geltung zu verschaffen. Und der Kaiser selbst erachtete sich nur in einigen Fällen für befugt, außerhalb seiner eigenen habsburgischen Erblande einzuschreiten.

Die Euskirchener Stadt-Chronik von Karl Gissinger aus dem Jahre 1902 weist auch auf den furchtbaren Hexenwahn hin, der zu Beginn des 30jährigen Krieges besonders in Rheinbach und Meckenheim entsetzliche Greuel geschehen ließ. 1631 begann der kurfürstliche Kommissar Dr. Franz Beurmann als „Brandmeister" die ersten Folterungen und Verbrennungen: „Der falsche Zauberrichter war Dr. Beurmann, eines armen Trommelschlägers Sohn von Euskirchen. Dieser Bösewicht, ich kann ihn nicht preysen, weil er nicht preisenswert ist, hat das Städtlein Reimbach durch eine gifftige Pest infam gemacht", so schildert nach Gissinger(4) ihn der Schöffe und Bürgermeister von Rheinbach, Hermann Löher, der selbst mit seiner ganzen Familie nur durch die Flucht nach Amsterdam dem sicheren Tode entging. Ob die Rivalitäten zwischen Rheinbach und Euskirchen, dem Geburtsort des Brandmeisters, aus dieser Zeit stammen, ist bis jetzt nicht geklärt.

Dr. Heinz Renn wies in seinem Artikel über Hermann Löher(5) auf den Verfasser eines bedeutenden Werkes gegen die Hexenprozesse hin. Der Rheinbacher Flüchtling Löher(6) schrieb nach seiner Flucht ein stattliches Buch von 638 Seiten und ergänzte dieses durch 10 schöne Kupferstiche. Die Universitätsbibliothek Amsterdam sowie die Gymnasialbibliothek von Bad Münstereifel sind heute noch in Besitz dieses wertvollen Werkes gegen die Hexenprozesse. Eine Neuauflage in veränderter Form ist „Die Rheinbacher Hexe", die als historische Erzählung 1881 von Cl. Wüller dem Publikum zugänglich und seit 1972 als Beitrag zur Rheinbacher Stadtgeschichte bei der Verwaltung zu kaufen ist.

Dr. Beurmann, der in der Vuvenstraße von Euskirchen als Sohn eines Trommelschlägers, der in Bonn die Tochter eines armen Salpetergräbers geheiratet hatte, geboren wurde, zeichnete sich durch besondere Foltermethoden aus. Die von ihm willkürlich ausgesuchte „Hexe" ließ er auf einen „Peinstuhl" setzen.

hexenwahn1

,Dann wurde ihr ein eisernes Halsband mit vier Ringen angethan, und in den vier Ringen wurden vier Leinen befestigt, welche mit den anderen Enden in den vier Ecken der Peinkammer hafteten. Dann mußte der Henkersknecht den Stuhl hin- und her rütteln und stoßen, und unterdessen schlug der Doctor mit einem Knüttel abwechselnd auf die vier Leinen; das nannte er: Zither und Laute schlagen, und das Hinundherfliegen der Hexe hieß er: den Galgart tanzen! (7)

Dr. Beurmann ließ allein von Juli bis Oktober 1631 zwanzig Personen zu Tode foltern oder auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Ausersehene Opfer waren öfter reiche, alleinstehende und kinderlose Frauen und Männer, deren Vermögen sich der Richter und seine Helfershelfer anschließend ganz oder teilweise aneigneten. Dr. Renn stellte fest, daß die Schöffen, die der Anklage nicht zustimmten, sich verdächtig machten, mit den „Hexen" gemeinsame Sachen zu machen oder gar selbst vom Teufel besessen zu sein. Tatsächlich sind einige von ihnen auch den Hexentod gestorben.(8)

Als deputierter Inquisitor folgte 1636 Dr. Jan Moden, der innerhalb zweier Monate in Meckenheim, das damals 1300 Einwohner zählte, siebzig Menschen dem Scheiterhaufen überlieferte. Gissinger berichtet: „Als nun beide Hexenrichter auch im Jülicher Lande, nämlich in der Grafschaft Neuenahr, in den Ämtern Tomberg und Münstereifel, ihre Untersuchungen begannen, wandte sich der Vogt von Rheinbach, Dr. Schweigel, an den kurfürstlichen Hof zu Düsseldorf, worauf durch das Dazwischentreten der jüli-schen Edelleute die Prozesse endlich eingestellt wurden."(9)

Um so mehr wütete Dr. Moden jetzt wieder im Gerichtsbezirk Rheinbach. Unbarmherzig rächte er sich an seinem Gegnern. In seinem Buch „Hochnötige Unterthanige Wehmütige Klage der Frommen Unschültigen" berichtete der bereits genannte Rheinbacher Flüchtling Löher:

Dr. Möden nimmt den sprachreichen, verständigen, gelehrten und nüchternen Vogt zu Rheinbach, Dr. Andreas Schweigel, als Zauberer gefangen, der neben Latein, Hoch- und Niederdeutsch auch Spanisch, Italienisch, Französisch wie Lateinisch und Deutsch reden konnte. Er ist 30 Jahre Rheinbachs Vogt gewesen und hat 30 Jahre ein gutes Regiment unter den Bürgern geführt.'(10)

Der damals 70 Jahre alte Dr. Schweige! gehörte zu den wenigen Angeklagten, die trotz schmerzlicher Tortur kein Geständnis ablegten. Eine weitere Folterung hat ihm so zugesetzt, daß er noch gleichen Tages starb. Kurz vor seinem entsetzlichen Tode machte er eine Stifung für Studierende in Euskirchen, die bis ins 19. Jahrhundert bestand. Den anderen Teil seines beträchtlichen Vermögens vermachte er Armen, kranken und mittellosen Bräuten, die in der Lage sein sollten, sich von dem Gelde eine Aussteuer zu beschaffen. Die Schweigelstraße in Rheinbach erinnert heute noch an diesen standhaften Mann.(11) Beurmann verfiel aus unbekannten Gründen dem päpstlichen Bann, während Dr. Moder in Flerzheim noch 30 Personen dem Scheiterhaufen überliefern konnte.

Hexenverbrennung im Euskirchener Stadtgebiet sind bisher unbekannt. Dagegen war 1649 in Altenahr das Gericht noch tätig und verurteilte in einem besonders grausamen Verfahren eine „Hexe".(12) Das Gericht von Flamersheim verurteilte 1929 drei Frauen aus dem zur Herrschaft des Abts von Komelimünster gehörenden Niederkastenholz und zwei aus Kirchheim zum Flammentode.(13) Siegfried Jahnke nennt sogar etwa 40 Hexenverbrennungen, die an der Stelle des „Urteilsteines des alten Gerichtes Flamersheim" gefällt wurden.(14) jannke berichtet von der „Hallekul", einer Senke, die sich dort befindet, wo die Landstraße nach Kirchheim stark zu steigen beginnt. Hier stand einst östlich der Straße das Flamersheimer Hochgericht, der Galgen. Der Flurname Halle-kuhl benennt eine Vertiefung, in der die Urteile vollstreckt wurden, die das Gericht in der „Halle" ausgesprochen hatte. 1760 hieß noch eine andere, näher auf Kirchheim gelegene Parzelle, „Am Gerichtsplatz". Möglicherweise handelte es sich dabei um eine ältere Ortsbezeichnung, vielleicht sogar um den Thingplatz der ersten fränkischen Siedler."(15)

Vom Flamersheimer Gericht wurden kleinere Vergehen wie Felddiebstahl, Marktbetrug, Beleidigungen oder Volltrunkenheit - wie damals üblich - mit Geldstrafen (Brächten), Schandpfahlstehen, Prügel oder Einsperren belegt. Verbrechen wie Mord, Raub, schwerer Diebstahl, Körperverletzung oder Brandstiftung zogen meist die Todesstrafe nach sich. Für diese Verbrechen trat das ganze Schöffengericht zusammen. Die Vollstreckung der Todesstrafen erfolgte in der Hallekul durch Erhängen oder Rädern. Der Henker besorgte die Hinrichtung, der Wasenmeister verscharrte den Leichnam im Schindanger.(16)

Auch Palmersheim erlebte Hexenverfolgungen.(17) Selbst Lommersum konnte sich nicht gegen Denunziationen wehren. Eine alte Frau sollte nachts mit einem „Werwolf" gesprochen haben; das war schon ihr Todesurteil!(18)

Besonders die Protokolle und Gerichtsakten lassen den Hexenwahn des 16./17. Jahrhunderts erkennen. Zahlreiche Verhandlungen fanden zum Beispiel vor dem Hochgericht in Neuerburg (Eifel) gegen vermeintliche Hexen statt. Der plötzliche und geheimnisvolle Tod der Tochter des Landgrafen von Leuchtenberg im Jahre 1613 war Anlaß zu einer großangelegten Hexenverfolgung im Neuerburger Gerichtsbezirk.

Die angeblich unnatürliche Todesursache der jungen Gräfin von Leuchtenberg hatte eine Verhaftungswelle zur Folge. Magdalena Pirken, eine seit langem im Ruf der Hexerei stehende Frau, wurde festgenommen. Es fanden sich auch Zeugen, die gegen die Beschuldigte aussagten und erklärten, sie seien nachts dabei gewesen, als auf dem Hexentanzplatz im Mühlenwald der Tod des vornehmen Fräuleins beschlossen und später in einer stürmischen Nacht ausgeführt worden sei. Diese Aussagen wurden zum Teil unter Anwendung der Folter, zum Teil auch nur unter Androhung erpreßt.

Die unglückliche Beschudigte wollte die Torturen verkürzen und gestand:

Vor ungefähr vier Jahren ist im nahen Mühlenwald ein fremder, schwarz gekleideter Mann zu mir gekommen. Er hat mich beredet, Gott ab- und ihm zuzuschwören, und mir reichen Lohn und alle Freuden des Lebens versprochen . . . Ich ließ mich überreden. Jeden Donnerstag kam mein Buhle und hat mich auf einem schwarzen Bocke zum Schornstein hinaus zur Hexenversammlung geführt. In der Nacht vom 23. Januar haben wir allda in zahlreicher Versammlung beraten und beschlossen, das gräfliche Fräulein zu töten. Wir haben auf dem Kirchhofe der Eligiuska-pelle ein neugeborenes und noch nicht getauftes Kindlein ausgegraben und daraus den Trank bereitet. Die ganze Gesellschaft ist alsdann zum Schloß gefahren . . . und brachte dem Fräulein den tödlichen Trank.(19)

Ein Bündnis mit dem Teufel wurde mit dem Feuertod bestraft. Doch scheint in Neuerburg vor der Verbrennung das Erdrosseln gestanden zu haben. Nach den heute erreichbaren Unterlagen standen vor dem Hochgericht Neuerburg während eines Lebensalters 57 Personen als Hexen vor dem Richter; davon wurden 21 verbrannt und nur eine freigesprochen. Die Verurteilten verteilten sich auf folgende Orte: Alsdorf 2, Beischeid 1, Berkoth 1, Feilsdorf 2, Hütterscheid 3, Heilbach 1, Krautscheid 1, Körperich 1, Ringhuscheid 5, Nasingen 1, Neuerburg 11, Oberweis 9, Outscheid 1, Piascheid 1, Pintesfeld 1, Waxweiler 3. Bei 13 weiteren Namen ist der Wohnort nicht vermerkt.(20)


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Karl Guthausen hat die Hexenverfolgungen in der Herrschaft Kronenburg um 1630 anhand „Ein Fascikel" Hexenprozesse von Männern und Frauen aus der Herrschaft Kronenburg 1598-1633(21) untersucht. Aus den Akten ist ersichtlich, daß 15 Hinrichtungen erfolgten und drei weitere wahrscheinlich erfolgt sind. Nach dem Aktenmaterial hat es auch „Hexen" in Schmidtheim, Ormont und Esch gegeben.(22) Auch im Bereich der Gemarkung Dahlem fanden sich „Hexen" zum Tanz: Frohnenpesch, Heidenkopf, Binz, Kirchenpütz, Schmidtheimer Pfad, Otten-benden, Lämmerpesch und auf den Höfen „ahn dem hoe-sten". Viele wurden wegen Tötens von Pferden angezeigt, ,,bey verwindschlagung der guete" gefoltert und „mit zusammen uff dem rücken geknüpften Händen" gequält. Der Nadelprobe folgte der „Folterstuhl", der meist die unsinnigsten Geständnisse ermöglichte. Karl Guthausen zitiert, daß nach Verlesung des Urteils „mit Übergebung eines zerbrochenen weißen steck-leins" der Befehl erfolgte, „daß Urtheil seinem Inhalt nach zu exequieren." Sicherlich geschah dies auf dem soge-nannten „Höchsten", auch „am Gericht" genannt, zwischen Kronenburg und Berk, dem üblichen Richtplatz der Herren von Kronenberg.

Gelegentlich konnte den „Brennern" das Handwerk gelegt werden; doch geschah dies recht selten. Alfred Kirfel weist in der Darstellung der Dynasten von Wildenberg(23) darauf hin, daß Marsilius III. von Pallandt, Mitherr in Wildenburg, zwei Frauen und einen Mann Ende Januar 1628 wegen Zauberei festnehmen ließ. Diese wurden „mit peinlicher frag gantz eilfertig" vernommen und auf dem vorgesehenen Richtplatz, sogenann-te „Steil", Hütten aus aufrecht gestellten Stangen und Reisigbündeln errichtet. In diesen Hütten sollten die unglücklichen Opfer des Hexenwahns stranguliert und verbrannt werden. Der 83jährige Graf Werner, der auf dem Stammsitz seiner Familie in Reifferscheid seinen Lebensabend verbrachte, hatte von der bevorstehenden Exekution Kenntnis erhalten. Am 1. Februar 1628 sprengte er mit einer Anzahl seiner Leute zur Richtstätte bei Wildenburg. Der Scharfrichter und einige seiner Mithelfer wurden gefangen genommen, Holz- und Reisigbündel zusammengetragen und verbrannt. Doch wenn Graf Werner glaubte, die Hinrichtung verhindert zu haben, so irrte er sich. Kirfel stellte fest, daß nachdem Graf Werner sich mit seinem Gefolge entfernt hatte, Marsil von Pallandt wieder auf der Richtstätte erschien, neue Feuerhütten errichten und die vermeintlichen Hexen strangulieren und verbrennen ließ.(24)

Nachweislich zeigten Ehemänner ihre zänkischen Frauen, Kinder ihre Eltern, Erben den zukünftigen Erblasser an. Dabei legten die Richter kaum Wert auf die Glaubwürdigkeit des Denunzianten, da meist der Besitz des Zauberers oder der Hexe an sie überging. So konnte in Bliesheim ein zwölfjähriges Waisenkind, das als Hütejunge bei einem Bauern bedienstet war, das Bliesheimer Hoch- und Schöffengericht in die ärgste Verlegenheit bringen, und alle jene dazu, die dem Hexen- und Teufelszauber erlegen waren. Überaus geltungsbedürftig und mit schmutziger Phantasie begabt bezichtigte ersieh im Sommer 1629 selber, teuflische Anfechtungen gehabt zu haben und mit dem Teufel auf einem Geißbock zum Hexenplatz hinter Erp geritten zu ein, wo er mehrere Teufelsgenossen aus Bliesheim angetroffen habe.(25) Dabei nannte er viele Namen; sogar den eines Schöffen. Alle wurden daraufhin verbrannt. Laut Unterlagen wurde der verkommene Jakob Küper durch die Stiftsherren von Mariagraden in Fürsorgeerziehung gegeben.

Sehr gut erhaltene Unterlagen gibt es über die Hexenprozesse in Heimerzheim.(26) Auch sie wurden nach der noch immer gültigen peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. aus dem Jahre 1532 durchgeführt. Die Bestimmungen wurden in bezug auf die Hexenprozesse für das Erzstift Köln erläutert und ergänzt durch zwei Verordnungen Erzbischofs Ferdinand von Köln aus den Jahren 1607 und 1628.(27) Der Erlaß von 1628 regelte insbesondere die oft immensen Kosten der Prozesse, die ja aus dem Vermögen der Verurteilten bezahlt werden mußten und dadurch manche Familien ruiniert hatten; auch sollte verhindert werden, daß sich die Gerichtspersonen ungerechtfertigt bei den Prozessen besicherten.

Aenne Hansmann zitiert den genau festgelegten Katalog der Fragen anläßlich des ,,gütichen Verhörs", dann das Untersuchen des Körpers des Angeklagten durch den Scharfrichter nach „teuflischen Zeichen", die folgende Nadelprobe, drei verschiedene Foltergrade, die Möglichkeiten der Geständnisse, die Tortur durch den „Stuill". Sitzfläche jnd Rückenlehne des Folterstuhles waren mit spitzen Holznägeln versehen. Hals, Arme und Beine wurden mit Brachligen Klammern an den Stuhl gefesselt. In Heimerzheim wurden alle Angeklagten wegen „hexereien halber gethaner bekendt nußen und derhalb verübten ubelthaten" zum Tode verurteilt. Der Tod erfolgte auch hier durch Feuer oder Strangulation. Der Leichnam wurde zu Asche verbrannt. Ein Grund für die unterschiedliche Todesangst ist nicht ersichtlich.

Aberglaube und Massenwahn sind sicher nicht dasselbe, gehören aber oft zusammen und sind manchmal deutlich unterscheidbare Formen menschlichen Fehldenkens.

Jedoch auch heute noch — wie bereits einleitend erwähnt — gibt es angeblich parapsychologische Erscheinungen, Aberglauben und eigentümliche Bräuche. In den bäuerlichen Gegenden um Euskirchen und Bad Münstereifel findet man heute noch häufig ein Taschenmesser mit auffallend geschwungenem Griff und ebenso geschwungener Klinge. Es ist ein Messer, das der Gärtner gerne beim Veredeln der Bäume gebraucht. Betrachtet man aber diese Messer genauer, so findet man häufig sechszackige Sterne, kleine Augen, den Sionsstem oder ähnliches in Klinge und Griff geritzt. Man spricht in diesem Falle von einem sogenannten Truden-oder Drudenmesser. Dieses Messer hatte ehemals ausgesprochenen Amulettcharakter; wer es bei sich trug, war gegen Hexen und ihren bösen Zauber geschützt. . .(28)

Anmerkungen:

01)     Exorzistenprozeß von Aschaffenburg. Kölner Stadtanzeiger v. 31. 3. 1978; ebenda, 4. 4.1978.
02)     „Schulkinder hörten den Teufel", in: Kölner Stadtanzeiger v. 7. Juni 1978.
03)     Rundschau v. 20. 4. 1978.
04)     Karl Gissinger, Geschichte Euskirchens, Eusk. 1902, S. 243/44.
05)     Dr. Heinz Renn: Hermann Löher, Verfasser eines bedeutenden Werkes gegen die Hexenprozesse, in: Heimatkalender für den Kreis Euskirchen, 1963, S. 40-45.
06)     Hermann Löher: „Hochnötige untertänige wehmütige Klage der frommen Unschuldigen", Amsterdam 1676. Die Rheinbacher Conditorei Löhrer zeigt ihren Kunden gerne eine Ahnentafel. Frau Franziska Löhrer, geb. Krautwig ist eine gradlinige Nachfolgerin der 1637 wegen Hexerei verbrannten Hexe Krautwich, deren Grabstein noch heute auf dem Rheinbacher Friedhof zu sehen ist.
07)     Cl. Wüller: Die Rheinbacher Hexe, 1881; hier im Nachdruck aus dem Jahre 1972, S. 27.
08)     Renn, a. a. O. S. 42.
09)     Gissinger, a. a. 0. S. 244.
10)     Renn, a. a. O. S. 43.
11)     ebenda.
12)     Karl Leopold Kaufmann: Aus Geschichte und Kultur der Eifel, Köln 1927, 2. Aufl. S. 46.
13)     ebenda.
14)     Siegfried Jahnke: Der Urteilstein zu Fla-mersheim, in: Heimatkalender für den Kreis Euskirchen, 1966, S.82.
15)     ebenda, S.83.
16)     ebenda, s. 84.
17)     P. C. Ettighoffer: Wo Zenturien einstmals Aquäduktbögen bauten, in: Rundschau v. 7. 10. 1966.
18)     Cl. Frhr. von Fürstenberg, Das Lommer-sumer Heimatbuch, 1959.
19)     Hans Theis, Hexenprozeß vor dem Neuer-burger Hochgericht, in: Eifel-Kalender 1953, S. 130/131.
20)     ebenda.
21)     Karl Guthausen, Hexenwahn in der Herrschaft Kronenburg um 1630, S. 105 bis 110.
22)     ebenda, S. 106.
23)     Alfred Kirfel; Wildenburg, in: Jahrbuch für den Kreis Euskirchen 1973, bes. S. 39.
24)     ebenda.
25)     N. N., Der Schrei im Gerichtshaus, in: Zwischen Eifel undVille, 1951, S. 44.
26)     Aenne Hansmann, Hexenprozesse in Heimerzheim, in: 900 Jahre Heimerzheim (1074-1974), Köln/Berlin 1974, S. 98-105.
27)     Scotti, J. J. Sammlung der Gesetze und Verordnungen ... in dem vormaligen Chur-fürstentum Cöln, Düsseldorf 1831, Bd. II, 2. Nachtrag A. und B,
28)     Dr. Hellmut Lobeck, Über den Gebrauch von Amuletten in unserer Heimat, in: Zwischen Eifel und Ville, Beilage der Kölnischen Rundschau, Nr. 12,10. Jahrg. 1956.

Weiterhin benutzte Literatur:

Kurt Baschwitz, Hexen und Hexenprozesse, Stuttgart o. J.
Adam Wrede, Eifeler Volkskunde, 3. Aufl. Bonn 1960.
Karsten Plog, Auf Frauenjagd mit Hundefett und Blutstein, in: Kölner Stadtanzeiger (Beilage), Pfingsten 1978.
Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG), Bd. IM, 1959.
Heinrich Tichlers, Der schauerliche Geisterzug in Jülich, In: Eifel-Kalender 1952, S. 35-38.
Franz Bender, Illustrierte Geschichte der Stadt Köln, Köln 1911.

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