Endlich waren am Platz der Euskirchener Synagoge wieder jüdische Gebete zu hören – Ein Rückblick auf die Einweihung des Mahnmals am 3. Mai 1981

von Hans-Dieter Arntz
03.05.2009

Heute vor 28 Jahren, am 3. Mai 1981, wurde nach jahrzehntelangem Bemühen endlich das Mahnmal zur Erinnerung an die jüdischen Holocaust-Opfer der Kreisstadt Euskirchen eingeweiht. Es macht auch noch am 3. Mai 2009 einen würdigen und gepflegten Eindruck.

Euskirchener Juden-MahnmalDie eigentliche Initiative zur Errichtung einer Gedenkstädte für die einst 250 Mitglieder starke jüdische Gemeinde von Euskirchen ging auf einen Zeitungsartikel im Kölner Stadt-Anzeiger vom 4. März 1980 zurück: „Die Juden in Euskirchen vergessen?“ Hier forderte ich ein Mahnmal, das bereits seit Jahrzehnten gewünscht und sogar geplant, aber nie realisiert wurde. Trotz vieler Versuche war der Euskirchener Stadtrat lange nicht bereit, in der dargestellten Form der jüdischen Mitbürger zu gedenken. So äußerte er sogar noch 9 Jahre nach dem Holocaust: „Es war die Auffassung des Ausschusses, von einer Anbringung der Gedenktafel am Synagogengrundstück abzusehen, weil das Grundstück alsdann für die Kreisstadt praktisch ohne den angestrebten Wert wäre.“

Auf diesen Zeitungsartikel hin reagierten in der Zeit vom 7. bis zum 18. März 1980 empörte Leser und Bürger. Vor einigen Jahren stellte ich den gesamten Sachverhalt noch einmal in meinem Online-Artikel Ein Mahnmahl für Euskirchener Juden auf meiner Homepage dar. Nun wurde plötzlich mit Unterstützung aller im Rat vertretenen Parteien ein Gedenkstein in Auftrag gegeben, der am 3. Mai 1981 in einer würdigen Feier auf dem ehemaligen Synagogengrundstück an der Annaturmstraße enthüllt wurde.

 

Einweihung eines Gedenksteines

Einladung der Stadt Euskirchen zur Einweihung eines Gedenksteins „für unsere jüdischen Mitbürger“ am 3. Mai 1981 auf dem ehemaligen Synagogengrundstück in Euskirchen, Annaturmstraße.

 

Stellvertretend für die Überlebenden las Martha Blum geb. Mayer die Grußworte von Dr. Ferdinand Bayer vor. Sie hatte einst in der Baumstraße gewohnt und nur aufgrund ihrer vorzeitigen Flucht nach Frankreich ihr Leben retten können. Ihre Eltern warteten in einem „Judenhaus“ (Victoriastraße) ab, bis es Mitte Juli 1942 zu spät war und sie vom Euskirchener Bahnhof aus deportiert wurden. Der Euskirchener Rabbiner Dr. Bayer hatte mahnende Worte gefunden, die von Martha Blum am Mahnmal vorgelesen wurden. Er sei an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass er den Holocaust überleben konnte, da er in den Niederlanden ein Versteck fand.

Seine Frau und Söhne erreichten England und verbrachten dort die Kriegszeit. Danach lebte die vollständige Familie in Belgien, wo auch der dritte Sohn geboren wurde. Von Belgien emigrierten alle nach Kanada und lebten dann in den Vereinigten Staaten und schließlich in Israel.

Der Lokalteil der Kölnischen Rundschau berichtete am 5. Mai 1981 über die Einweihungsfeierlichkeiten:

Martha BlumEine Verbindung zu den jüdischen Bürgern, die früher in Euskirchen lebten, wurde mit der Errichtung eines Gedenksteines geschaffen, der jetzt eingeweiht wurde. Einige Hundert Euskirchener nahmen an der Feier auf dem ehemaligen Synagogengrundstück an der Annaturmstraße teil.

Der Gedenkstein wurde vom stellvertretenden Bürgermeister Franz Roggendorf im Bei­sein vieler Vertreter der Stadtratsfraktionen und der Verwal­tung enthüllt. Zuvor gab Rog­gendorf einen geschichtlichen Ruckblick über die Existenz jüdischer Menschen in Euskirchen, die nachweisbar hier be­reits im 14. Jahrhundert gelebt hätten. Mitte des 17. Jahrhun­derts wurden sie auch in Flamersheim und Kirchheim ansässig.

Erste Nachweise von Judenverfolgung und -diskriminierung seien mit den Folgen der „Schwarzen Pest" verbunden, für die man den Juden die Schuld gegeben habe. Im 17. Jahrhundert seien jedoch überall wachsende jüdische Gemeinschaften zu registrieren gewesen, die sich hier integrierten. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts hätten sich die Juden in vielen akademischen Berufen, als Händler und Handwerker großes Ansehen erworben.

Be­reits ab 1850 entfaltete sich auch das kulturelle Leben un­ter den Juden in Euskirchen. Die erste Synagoge wurde 1861 errichtet, aber bereits 1886 durch einen Brand zerstört. Eine neue Synagoge wurde 1887 geweiht. Schon vorher war ein solches Versammlungsgebäude in Flamersheim entstanden. Im Novem­ber 1938 gingen die Synagogen in Euskirchen und Flamersheim in Brand auf. Bis zum Eintritt der systema­tischen Judenhetze durch die Nazis habe ein gutes Verhältnis zwischen der Euskirchener und der Juden bestanden, die sich auch im öffentlichen Leben — in Vereinen und im Stadtrat — großes Ansehens erfreut hätten.

Mit dem Auftakt der Judenhetze im Januar 1934, so Bür­germeister Roggendorf, habe eine große Abwanderung in der jüdischen Bevölkerung eingesetzt. Mit der Reichskristallnacht am 10. November 1938 habe dann das unsagbare Leiden dieses Volkes eingesetzt, vor dem man heute fassungs­los stehe. (…) Vor diesen Ausschreitungen eines Massenwahns stehe man heute mit Erschütterung. Es sei jedoch zugleich auch eine Mahnung, daß sich eine solche Ka­tastrophe nie wiederholen dürfe, schloß der Bürgermeister.

Gegen die Kollektivschuld des deutschen Volkes sprach sich Landesrabbiner Emil Davidovic aus. Die überwiegen­de Mehrheit des deutschen Volkes habe mit diesen grau­samen Massenmorden nichts zu tun gehabt. Es sei aber Tat­sache, daß die überwiegende Mehrheit des deutschen Vol­kes den Nationalsozialisten zur legalen Macht verholfen habe. Eine immer weiter schreiten­de Aufklärung müsse an sich dazu führen, daß die Menschen freier, vernünftiger und ge­rechter leben und handeln würden, meinte Pastor Günter Krämer, der für die Geistlichen sprach. Im Hinblick auf allen Krieg, Unterdrückung und Ungerechtigkeit in der Welt, meinte der Geistliche jedoch: „Von überall blickt das Haupt voll Blut und Wunden. In ei­nem Realismus, der jeder schö­nen Verbrämung spottet."

Der Euskirchener Oberstudienrat Hans-Dieter Arntz, der sich ausgiebig mit der Ge­schichte der Euskirchener Juden befasst hat, erhielt einige Grußworte von Euskirchener Juden, die im Ausland leben. Sie wurden von Martha Blum am neuen Gedenkstein verlesen. Mehreren Chorälen, gesun­gen vom Kleinen Chor Euskir­chens, folgten jüdische Lieder und Gebete am Mahnmal, ehe die Feier mit dem Friedens­gruß der Juden „Schalom" endete.

Entworfen und geschaffen wurde dieser Gedenkstein mit der Aufschrift: „Unseren jüdi­schen Mitbürgern, den Opfern der nationalsozialistischen Gewalt­herrschaft 1933 — 1945", von dem jungen Euskirchener Bildhauer und Steinmetz Volker Marx, der sich zur Zeit in der Vorbereitung zur Meisterprü­fung befindet. Der Stein trägt die Abbildung des Menorahsymbols, des siebenarmigen Leuchters als nationalem Wahrzeichen Israels, das an die Erschaffung der Welt in sieben Tagen erinnert.

 

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