Anmerkung
Am 15. Dezember 2014 wurden in Berlin Joseph Emonds und das Ehepaar Hulda und Otto Pankok posthum als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Sie hatten am Ende des 2. Weltkrieges die Jüdin Brunhilde Barz vor der Deportation und dem sicheren Tod gerettet. Den Angehörigen der drei Lebensretter – Eva Pankok und Josef Emonds - wurden stellvertretend Medaille und Ehrenzertifikat feierlich überreicht. Beide Rettungsaktionen standen im engen Zusammenhang, und ich war stolz darauf, für beide Sachverhalte wichtiges Forschungsmaterial zur Verfügung gestellt zu haben.
v.r.n.l.: Eva Pankok (89), Josef Emonds und Hans-Dieter Arntz (Foto: mediakustik Brühl C. A.)
Während jedoch später das prominente Künstler-Ehepaar Pankok dank interessierter Freundeskreise und Kontakte von den Medien in den Vordergrund gestellt wurde, erfuhr man in Tagespresse nur noch wenig über Joseph Emonds, der ja – gemeinsam mit einigen Kölner und Düsseldorfer Helfern – der eigentliche Retter war. Selbst wenn sein Name Erwähnung fand, blieb es nur dabei, und KIRCHHEIM, der Voreifeler Ort seines Wirkens, wurde selbst dann noch falsch lokalisiert! So erfuhr keiner, dass Kirchheim nur einige Kilometer vom Unterschlupf der Familie Pankok in Pesch entfernt ist – und nicht im weit entfernten Hessen, wie es die „Jüdische Allgemeine“ noch vor einigen Tagen mutmaßte. Die Leistung von Joseph Emonds fand meiner Ansicht nach in der Presse nicht den erforderlichen Widerhall.
Irritation
Wenn eine Persönlichkeit zu den wenigen Auserwählten gehört, die in der Liste der Gerechten unter den Völkern - gemeinsam mit Oskar Schindler und Berthold Beitz oder Hans von Dohnanyi - wegen Mut und Lebensrettung im Dritten Reich aufgeführt werden, dann sollte jeder - auch die regionalen Medien sowie die politischen Verantwortlichen und Honoratioren der jeweils erwähnten Region -, stolz sein. Die Angehörigen, Freunde und ehemaligen Nachbarn des meist posthum Geehrten fühlen sich auf jeden Fall sehr bewegt. Sollte man aber nicht auch in der Voreifel auf einen Menschen stolz sein – oder ihn zumindest in einer aktuellen „Meldung“ erwähnen - , der seit dem 15. Dezember 2014 weltweit genannt wird? Zumindest müsste das so sein!
Statt nur über gelegentliche Lichterketten, mahnende Ansprachen, jugendliche „Hand-in-Hand“- Bezeigungen, stumme Mahnwachen oder eine mediengefällige Verlegung von Stolpersteinen zu berichten, hätte auch die Euskirchener Tagespresse besser auf ein derartiges Ereignis hinweisen sollen. Sicher wären ihre Abonnenten stolz gewesen. Stolz auf die exemplarische Auszeichnung eines Menschen, der jahrelang unter ihnen gelebt hat und nicht nur das unauffällig vorlebte, was heute nur als „Zivilcourage“ abgetan wird. Alles geschah unter steter Lebensgefahr während des nationalsozialistischen Terrors und auf dem Höhepunkt des Holocaust!
Sollte man eigentlich nicht auch beim Voreifeler Leserkreis der Euskirchener Tagespresse stolz auf den Mut eines im Dritten Reich ständig gefährdeten Lebensretters sein? Könnte der in Erkelenz-Terheeg geborene, aber hauptsächlich in Kirchheim – heute ein Stadtteil der Kreisstadt Euskirchen – wirksame katholische Geistliche nicht sogar künftig ein Vorbild sein? Die Euskirchener Tagespresse erwähnte jedoch mit keinem einzigen Wort die Ehrung und Berliner Feierlichkeit vom 15. Dezember 2014.
Diese Chance wurde vielleicht vertan!
Nur der Euskirchener Journalist Wolfgang Andres vom weit verbreiteten „Euskirchener Wochenspiegel“ wies regelmäßig und dann schon detailliert am 3. Dezember 2014 auf die Berliner Veranstaltung des Staates Israel und Yad Vashem hin:
Heute fordert man doch immer wieder „Zivilcourage“, Mut, Verantwortungsgefühl und „Moral“. Die Gründe hierfür werden von Jahr zu Jahr immer notwendiger. Gilt das nicht auch für Euskirchen?
Hätte man nicht auch Kirchheim, wo Emonds jahrelang als verlässliches Mitglied einer Organisation wirkte, die Juden und andere Verfolgte vor dem Konzentrationslager und dem Holocaust rettete, in den Vordergrund stellen können? Keiner am 15. Dezember in Berlin erfuhr, wo Kirchheim liegt, und selbst die renommierte „Jüdische Allgemeine“, die eigentlich für derartige Recherchen recht sensibel ist, hatte offenbar noch nicht einmal im Internet recherchiert und lapidar den Euskirchener Stadtteil nach Hessen verlegt. Vgl. die Ausgabe vom 16. Dezember 2014.
Ehrung von Joseph Emonds
Anlässlich der stark beachteten Feier in Berlin differenzierte Prof. Jan Philipp Reemtsma vom Hamburger Institut für Sozialforschung in seiner Rede den heutigen Begriff „Zivilcourage damals und heute“. Auch Thomas Heilmann, Berliner Senator für Justiz, hatte einleitend auf den bewundernswerten „Mut zum Widerstand“ hingewiesen. Und so wurde den tatsächlich Anwesenden klar, welchen Vorbildcharakter ein „Gerechter unter den Völkern“ hat - bzw. auch in der Voreifel haben könnte oder müsste!
Ich spreche von Joseph Emonds (1898-1975), dem bescheidenen Pfarrer von Kirchheim, der am 15. Dezember 2014 von dem Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, posthum als „Gerechter unter den Völkern“ gewürdigt wurde. Der katholische Geistliche hatte schon früher viele Menschen vor dem Konzentrationslager und dem Tode gerettet, worüber ich vor wenigen Wochen – also deutlich vor dem Berliner Ereignis – zusammenfassend berichtet habe. Vgl.: Dechant Joseph Emonds als „Gerechter unter den Völkern“ gewürdigt. Ehrung eines Judenretters und Pazifisten
Im speziellen Fall hatte er das Ehepaar Barz gerettet, das sich vorher bei Hulda und Otto Pankok für einige Wochen versteckt hatte, ehe der katholische Pfarrer Joseph Emonds für eine bessere und sichere Zuflucht in seinem Kirchheimer Pfarrhaus sorgte. Vgl. hierzu den kleinen WDR-Film: „Ein Gerechter aus Euskirchen“.
Mathias und Brunhilde Barz lebten in einer „privilegierten Mischehe“, da der verfemte „arische“ Künstler Mathias Barz mit der Jüdin „Hilde Sarah“ verheirat war und das Paar schlussendlich seit Herbst 1944 verfolgt wurde. Vgl. den lesenswerten Beitrag von Günter Goebbels aus Langenfeld: Hilde und Mathias Barz auf der Flucht vor der Gestapo.
Da ich mich seit Jahrzehnten mit dem Schicksal von Joseph Emonds befasst habe, konnte ich natürlich nicht umhin, auch die Leistung von Otto Pankok darzustellen. Vgl. zum Beispiel: Der Maler Otto Pankok als Lebensretter im Dritten Reich – Ein Beitrag zur Judenverfolgung in der Eifel Aber ich bleibe dabei: Das Schicksal von Joseph Emonds wurde in den Medien nicht genügend gewürdigt.
Grundsätzlich sollte ein Sachverhalt festgehalten werden, und auch dies wurde in Berlin leider nicht erwähnt: Es war der verdienstvolle Kunstkenner Günter Goebbels aus Langenfeld, der die wichtigsten Details zu Otto Pankok gesammelt hatte und der Erinnerungsstätte Yad Vashem überließ. Meine eigenen Forschungen konzentrierten sich seit 1982 auf hauptsächlich auf Joseph Emonds.
Unsere gemeinsamen Unterlagen wurden von dem 49-jährigen Fernsehjournalisten Felix Pankok in Jerusalem eingereicht. Er ist der in Schwerin lebende Großneffe von Otto Pankok, Mitglied des Beirats der Otto-Pankok-Stiftung. Als eigentlicher Antragsteller bedankte er sich bei Günter Goebbels und mir schriftlich für unsere Forschungen, die schließlich zum Erfolg geführt hatten:
Sehr geehrter Herr Arntz,
in Namen der Familie und der Otto-Pankok-Stiftung muss ich mich für Ihre Arbeiten und Forschungen bedanken. Diese waren - gemeinsam mit den Arbeiten von Herrn Goebbels - wesentliche Grundlage für die Anerkennung von Hulda und Otto Pankok als Gerechte unter den Völkern...
Hochachtungsvoll
Felix Pankok
Zur Feier in Berlin
Etwa 250 Gäste hatten sich im Plenarsaal des Berliner Kammergerichtes, in einem der wohl bedeutungsvollsten Gerichtssäle Deutschlands, versammelt, um der Ehrung von Dechant Joseph Emonds und dem Ehepaar Pankok beizuwohnen. Hier hatten nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 die berüchtigten Schauprozesse des Volksgerichtshofes unter dem Präsidenten Roland Freisler stattgefunden. Die beiden Fotos des Bundesarchivs (Nr. 151-39-23 und 151-39-21) findet man in jedem deutschen Geschichtsbuch. Sie zeigen den Saal und erinnern an die Zeit, in der das Deutsche Reich besonders unter dem NS-Terror zu leiden hatte.
Es war schon ein beklemmendes Gefühl, in den Saal eingeladen zu werden, in dem Roland Freisler, der bekannteste und zugleich berüchtigtste Strafrichter im nationalsozialistischen Deutschland, für die Gerichtsverhandlungen mit etwa 2600 ausgesprochenen Todesurteilen verantwortlich war. Beispielhaft dafür sind der 1943 unter Freislers Vorsitz geführte Prozess gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose, in dem er u.a. die Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie den aus Euskirchen-Kuchenheim stammenden Willi Graf zum Tode verurteilte, sowie die Prozesse gegen die Verschwörer des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944. Über den für die Euskirchener Historie bedeutsamen „Widerstandskämpfer Willi Graf“ hatte ich schon früher auf meiner Homepage berichtet.
Ganz bewusst hatte man diesen Saal ausgewählt. Hier herrschte einst der wahnwitzige Geist des Terrors und der NS-Diktatur. Heute jedoch konnte an dieser Stelle derer gedacht werden, die dagegen – mit ihren geringen Möglichkeiten - Widerstand geleistet und Hilfe ermöglicht hatten. Sicher war dies eine kleine Geste moralischer Anerkennung.
Der Botschafter des Staates Israel in Deutschland überreichte eine Ehrenurkunde und eine Medaille von Yad Vashem stellvertretend an die Angehörigen der Geehrten, Eva Pankok (89), die Tochter von Otto und Hulda Pankok, sowie an Josef Emonds, den Patensohn und Neffen von Pfarrer Joseph Emonds.
In der Laudatio betonte Sandra Witte von der Botschaft des Staates Israel:
Während der Zeit des deutschen Nazi-Terrors in Europa war es eine einzige Eigenschaft, die Brunhilde Barz der Verfolgung und Vernichtung preisgab: jüdisch zu sein. Und es ist dem Mut und der Entschlossenheit des Ehepaars Pankok und des Pfarrers Joseph Emonds zu verdanken, dass sie den Holocaust überleben konnte. Otto und Hulda Pankok und Joseph Emonds bewahrten sich ihre Menschlichkeit, als die überwältigende Mehrheit der Deutschen zu Tätern, Unterstützern und Mitläufern wurde.
Der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman sprach auch den Dank von Yad Vashem aus:
Es ist eine Ehre für mich, Ihnen, den Familien von Otto und Hulda Pankok und Pfarrer Joseph Emonds, heute zu begegnen. Wir in Israel werden diese drei „Gerechten unter den Völkern“ niemals vergessen.
Quelle: Euskirchener Wochenspiegel vom 24. Dezember 2014
Der Begriff „Gerechter unter den Völkern“ („Righteous among the Nations“) ist ein Ausdruck aus der alten Tradition des Judentums und lautet im Talmud: „Die Gerechten aus den Völkern haben einen Platz in der kommenden Welt.“
Ohne jetzt mit einer theologischen oder philosophischen Interpretation zu enden, sei jedoch erneut zusammengefasst, dass Hulda und Otto Pankok und ganz gewiss auch der KIRCHHEIMER Pfarrer Joseph Emonds aus der Voreifel künftig Vorbilder sein könnten und sollten.