Teil 3 (3) der Online-Serie:
Der Schriftsteller Ettighoffer in der Diskussion des Zeitgeistes: Streit um die Benennung einer Straße in Euskirchen (1980)
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Der Schriftsteller Ettighoffer in der Diskussion des Zeitgeistes: Streit um die Benennung einer Straße in Euskirchen (1980)
Bereits Ende September 1980 war die Auseinandersetzung um die posthume Ehrung des Bestseller-Autors Paul Coelestin Ettighoffer vorbei. Der Euskirchener Stadtrat entschied mit den Stimmen der CDU und FDP, nach ihm eine Straße im entfernten Euskirchener Stadtteil Großbüllesheim zu benennen. Ich erinnere mich daran, wie enttäuscht Frau Eliane Ettighoffer war, da man zu diesem Dorf nie eine Beziehung hatte, während das Ehepaar fast 30 Jahre lang in Niederkastenholz sesshaft war, wo der Schriftsteller auch zeitweise stellvertretender Bürgermeister gewesen war.
Regionalhistorische Bemühungen waren also erfolgreich, und die CDU als Antragsteller hatte sich durchgesetzt. Die Kölnische Rundschau, Lokalteil Euskirchen, teilte Ende September 1980 mit:
Stadt benennt Straße nach P.C. Ettighoffer
SPD-Fraktion behielt ihre ablehnende Haltung bei
kk Euskirchen. Nun steht es endgültig fest, dass eine Planstraße in Großbüllesheim nach dem Verstorbenen bekannten Schriftsteller P.C. Ettighoffer benannt wird. CDU- und FDP- Fraktion sprachen sich im Hauptausschuss des Rates der Stadt Euskirchen dafür aus, die SPD stimmte dagegen.Im Mai dieses Jahres hatte man einen entsprechenden Antrag nochmals vertagt. Diesmal stand zur Debatte, ob eine Straße im Ortsteil Niederkastenholz oder in Großbüllesheim nach dem Schriftsteller benannt werden sollte, dessen Todestag sich am 15. Oktober zum fünftenmal jährt.
Nachdem in der Sitzung von der Verwaltung mitgeteilt wurde, dass es in Niederkastenholz keine entsprechende Planstraße gibt und sich Teile der Bevölkerung und der Dorfverschönerungsverein gegen eine Umbenennung der Konradstraße ausgesprochen haben, plädierten Dr. Theo Wattler (CDU) und Ulf Schlüter (FDP) dafür, eine Planstraße in Großbüllesheim nach Ettighoffer zu benennen.
Für die Sozialdemokraten bekräftigte Willi Maurer nochmals die bereits im Mai formulierte Meinung, wonach grundsätzlich Straßen nur nach solchen Bürgern benannt werden sollen, die sich um Euskirchen verdient gemacht haben und auch hier gelebt haben. Ettighoffer aber habe nur kurz in Euskirchen gewohnt und sein Wirken habe außerhalb der Kreisstadt gelegen. Dem hielt Ulf Schlüter entgegen, dass man sehr wohl Straßen nach berühmten Leuten benennen solle, auch wenn deren Wirken nicht speziell Euskirchen gegolten habe.
40 Werke Ettighoffers wurden im Laufe seines Lebens veröffentlicht. Als freier Journalist nach dem Ersten Weltkrieg bei Scherl, Ullstein und Tageszeitungen tätig, hieß sein erstes großes journalistisches Abenteuer: „Servus, Kumpel", eine Reportage über Tippelbrüder, das Heer der Millionen Obdachlosen auf Landstraße und in Unterkünften, unter die er sich als seinesgleichen mischte. 1930 wurde diese Reportage sein erster Bucherfolg. Fast zur gleichen Zeit erschien, auch sein erstes Kriegsbuch „Gespenster am toten Mann", das zu einem Bestseller wurde.
Millionenauflage erreichte auch sein Buch „Verdun, das Große Gericht". Oft missverstanden als Nazi-Literatur, ging Ettighoffer doch nur innerer Versöhnungsverpflichtung nach, die er als Kommandeur in der Marnesschlacht des Ersten Weltkriegs sich auferlegt hatte. Dass seine Haltung auch in Frankreich Beachtung fand, zeigte u. a. der Schutzumschlag eines als Schulbuch gedruckten Taschenbuchs aus der berühmten „Bibliotheque verte", auf dem es hieß: „Die Zeit ist gekommen, das Zeugnis eines Mannes zu hören, der in feldgrauer Uniform vor Verdun kämpfte, für den aber alle Soldaten Freunde und Feinde, Brüder im Leid waren.“
Noch in den letzten Jahren seines Lebens widerfuhr Ettighoffer eine Ehrung aus Fernost: Aus Korea wurde ihm ein Gastlehrstuhl an der Universität in Seoul angeboten. Mit Rücksicht auf sein Alter folgte Ettighoffer dieser Berufung nicht mehr.
Am 1. Oktober 1980 ergänzte die Euskirchener Lokalausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers:
Der Schriftsteller Ettighoffer in der Diskussion des Zeitgeistes: Streit um die Benennung einer Straße in Euskirchen (1980)
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Zum Zeitungsartikel der Kölnischen Rundschau (Teil Euskirchen) v.18.Dezember 2021
Nicht jede Straßenbenennung bleibt bis in alle Ewigkeit und es scheint wichtige Gründe zu geben, sie gelegentlich zu ändern oder gar zu entfernen. Dass die personenbezogene Aufarbeitung der "jüngsten Vergangenheit" und deren Manifestierung mithilfe von Gedenktafeln, Straßenbenennungen, Mahnmalen und Stelen fast immer mit Problemen oder gar Protesten verbunden sind, können besonders Regionalhistoriker bestätigen. Das hat etwas damit zu tun, dass in einer überschaubaren Kommune beinahe jeder jeden kennt bzw. kannte und daher oft eine zu ehrende Persönlichkeit aus der Sicht verschiedener Zeiten und des eigenen Erlebens bewertet wird. Das gilt natürlich auch für die Vergegenwärtigung der Voreifeler Gedenkpolitik und Gedenkkultur.
Diesen Sachverhalt hatte ich auch jüngst wieder anhand des bekannten Schriftstellers Paul Coelestin Ettighoffer im Eifeljahrbuch 2022 dargestellt. Hier ging es um eine inhaltlich Aktualisierung meiner 3-teiligen Online-Serie Der Schriftsteller Ettighoffer in der Diskussion des Zeitgeistes: Streit um die Benennung einer Straße in Euskirchen.
Es sei erneut darauf hingewiesen, dass der besonders in den 1930er Jahren prominente Autor oft mit Erich Maria Remarque verglichen wurde, dem überwiegend als pazifistisch eingestuften Verfasser des Romans "Im Westen nichts Neues". Nach dem 2. Weltkrieg jedoch war Ettighoffer als angeblich ideologisch angepasster deutscher Kriegsliterat verpönt, lebte zurückgezogen in der Voreifel und profilierte sich dann aber zum friedvollen Mitbegründer der deutsch-französischen Freundschaft, der sogar von Charles de Gaulle geehrt wurde. Besonders dieser Aspekt erweitert die bisherigen Forschungsergebnisse.
Hans-Dieter Arntz: Der Schriftsteller Paul Coelestin Ettighoffer aus der Sicht seiner Zeit - Ein Beispiel für die Vergegenwärtigung der Voreifeler Gedenkpolitik und Gedenkkultur, in: Eifeljahrbuch 2022, Düren, S. 87 - 97, ISBN 978-3-944620-40-4