Dechant Joseph Emonds
Widerstandskämpfer und Fluchthelfer der Juden

Auszug aus dem Buch JUDAICA – Juden in der Voreifel (1983) von Hans-Dieter Arntz

01.02.2007
Anmerkungen

Etwa 25 Jahre nach meinen ersten Forschungen, Vorträgen und Zeitungsartikeln zum Thema „Juden in der Voreifel“ hat sich vieles geändert. Während zu Beginn der 80er Jahre das Thema „Nationalsozialismus und Holocaust“ meist tabu war und als „heißes Eisen“ betrachtet wurde, ist es heute selbstverständlich, dass beinahe jede Gemeinde eine Chronik des regionalen Judentums oder eine Dokumentation des Nationalsozialismus und der Kriegszeit erstellt hat.

Alexander und Margarete Mitscherlich haben in ihrer Abhandlung über „Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens“ schon 1967 über diesbezügliche Probleme nachgedacht und sie aus psychoanalytischer Sicht zu deuten versucht. Verdrängungsmechanismen – auch bei Eltern, Lehrern und Nachbarn - haben viele aus meiner Generation in der Nachkriegszeit kennen gelernt. Vielen Zeitzeugen wurde damals von den Jüngeren eine Schuld zugewiesen, die jedoch richtig zu bewerten historisches Wissen fehlte. Wer sich dann auch noch im ländlichen Bereich mit dieser Thematik befasste, tat das somit nicht aus anthropologischem Heißhunger, sondern oft aus pädagogischen Motiven heraus. Lehrer und Heimatforscher waren es, die diesbezüglich vor etwa 25-30 Jahren selbstständig zu recherchieren begannen, Kontakte aufnahmen und vertieften. Ihre Vertrautheit mit der Nachbarschaft sowie die persönliche Kenntnis um das, was auch in „ihrer“ Region zur Zeit des Nationalsozialismus geschah, erleichterte ihr Vorgehen und das Sammeln spezifischer historischer Fakten. Sie betrafen zwar meist nur den Mikrokosmos, konnten aber häufig auf einen größeren historischen Zusammenhang übertragen werden. Vieles wurde somit „entdeckt“ oder gar „aufgedeckt“, was heute als Grundlage und Thema historischer Forschungen dient. Bedauerlich ist es, dass viele dieser Unterlagen in letzter Zeit verschwunden sind. Heimatkundliche Forschungsergebnisse wurden aus den verschiedensten Gründen weggeworfen. Jedem sollte aber bewusst sein, dass mit dem Tod eines Augenzeugen der Teil eines Archivs verschwindet. 

dechant

Als ich in der Zeit 1980-82 die Geschichte der Euskirchener Juden recherchierte, wurde mir in Kirchheim häufig der Name Emonds genannt, der Juden gerettet haben sollte. Genaues wusste jedoch keiner. Diesbezügliche Quellen gab es noch nicht einmal bei kommunalen Verwaltungen und Archiven. Selbst das Erzbistum Köln beschränkte sich bei seiner Auskunft nur auf die obligatorischen Lebensdaten. Ich hatte damals sogar den Eindruck, als ob man hier bewusst ein potenzielles Martyrium oder noch ungeklärte Helfer-Funktionen von katholischen Geistlichen zurückhielt. Heute dagegen fördert man die Publikationen über „Glaubenszeugen“.

Mit dem Apostolischen Schreiben „Tertio millenio adveniente“ vom 10. November 1994 rief sogar Papst Johannes Paul II. u. a. auch zur Aufarbeitung dieser Historie auf. Seit etwa 10 Jahren sollen nun „Märtyrer“, die wegen ihres Glaubens im Dritten Reich umgekommen waren, als „unbekannte Soldaten“ nachgewiesen werden. Diese und ähnliche Zeugnisse sollen der katholischen  Kirche nicht verloren gehen. Gleiches sollte für die Überlebenden gelten, die ihr Leben riskiert hatten!

Am Beispiel von Dechant Joseph Emonds (1898-1975) kann exemplarisch dargestellt werden, wie regionalhistorische Impulse aufgegriffen und gegenwärtig gemacht werden können. Der nachfolgende Text aus meinem Buch JUDAICA – Juden in der Voreifel (S.458/59) wurde Grundlage für Zeitungsberichte und Serien. Nach zwei Jahren benannte man sogar in Euskirchen-Kuchenheim eine Hauptschule nach dem katholischen Geistlichen, Widerstandskämpfer und Fluchthelfer von Juden.
 
Abgesehen von vielen Vorträgen sei  für eine künftige Grundlagenforschung  festgehalten:

- H.-D. Arntz : „Hunderten das Leiden erspart“, in: Kölner Stadt-Anzeiger, Lokalteil Euskirchen, Ostern 1982
- Ders. „ Eicheldechant Joseph Emonds aus Terheeg:  Ein Erkelenzer beim Hitler-Widerstand“, in: Erkelenzer Volkszeitung v.10.4.1982
- Ders.  „Kaplan aus Steele versteckte Juden“, in: Westdeutsche Allgemeine, Teil Essen, v.21.8.1982
- Ders.  „JUDAICA –Kapitel 35: Widerstand gegen Rassenpoltik“, in: Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, Nr. 1-6 v. 7.1. – 18.3.1982 („Eifeldechant Emonds“, Nr.6/7 v.11./18.2.83)
- Ders./u.a.  „Ein Kaplan widersetzt sich“ (sehr detailliert!!), in: Wochenzeitung im Bistum Essen „Ruhrwort“, Nr.10 v. 10.März 1984

In einem Artikel der Kölnischen Rundschau, Lokalteil Euskirchen, vom 1. Dezember 1984, - kurz vor der Benennung der Kuchenheimer Hauptschule in „Joseph-Emonds-Schule“ - bestätigte der Journalist Karl Küpper: „Rektor Herbert Schwarzer wurde durch das Buch JUDAICA von Hans-Dieter Arntz auf den Dechanten  aufmerksam…“

Gemeinsam plante man nun die Namensgebung der Schule. Ein sehr engagiertes Lehrerkollegium sowie eine aktive Schülerschaft erstellten eigenständig die Dokumentation „Leben und Werk des Dechanten Joseph Emonds“ (1984).

Der bisher letzte Nachtrag ist in der umfangreichen Dokumentation von Hans-Dieter Arntz zu finden: „Judenverfolgung und Fluchthilfe im deutsch-belgischen Grenzgebiet“, Euskirchen 1990, S. 712 - 714.

Ausgangspunkt dieses gesamten Vorganges war folgender Text:

Dechant Joseph Emonds, Widerstandskämpfer und Fluchthelfer der Juden (1983)

Das Schicksal des Dechanten Joseph Emonds beweist, dass einige Geistliche in der Zeit des Nationalsozialismus mehr leisteten, als nach dem 2.Weltkrieg vermutet wurde. Doch scheint es heute noch, dass „Helden" nicht erwünscht sind, denn sieben Jahre nach dem Tode des Geistlichen scheint man selbst in Köln seinen politischen und seelsorgerischen Einsatz zuignorieren. Dennoch verdanken Hunderte von Priestern und Juden ihm das Lehen, und der im Rheinland noch heute populäre Kardinal Frings bewunderte das Engagement seines sicher nicht einfachen „Dorfpfa­rers " in Kirchheim.

Joseph Emonds wurde am 15. November 1898 in Erkelenz -Terheeg geboren und empfing nach seinem Studium der Theologie am 13. August 1922 in Köln die Priesterweihe. Als Kaplan an Herz-Jesu in Aachen von 1922 bis 1924 sowie als Krankenhausrektor in Dormagen von 1924 bis 1926 gewann er seine ersten politischen Eindrücke in einer Zeit der Massenverarmung, Besatzung und des Widerstandes.

Schon damals missfiel vielen seine „linke" Haltung und sein Engagement für Unterdrückte und Arbeiter. So wurde er 1926 nach St. Peter in Köln Ehrenfeld versetzt, um „einen neuen Start" zu bekommen. Hier engagierte er sich sofort in der Jugendarbeit, übernahm die geistige Leitung des Quickborn, einer katholischen Jugendorganisation, und fand später in Romano Guardini, dem berühmten Religionsphilosophen, einen väterlichen Freund und steten Diskussionspart­ner. In Köln-Ehrenfeld lernte er auch Susi Hansonis  kennen, die mit ihm die Jugendarbeit förderte und später im 3. Reich Menschen das Leben rettete. Es sei nur am Rande erwähnt, dass der junge Geistliche besonders in Köln-Ehrenfeld mit einer kritischen Jugend konfrontiert wurde, von der später im Zusammenhang mit der Widerstandsgruppe „Edelweißpiraten" noch viel gesprochen werden sollte.

Der ungemein geistig rege, sehr kritische Priester blieb in Köln nicht lange. Schon 1928 betreute er eine Kaplanstelle an St. Laurentius in Essen-Steele, wo er wohl die entscheidenden Jahre seines Lebens verbrachte. Der Übergang der Weimarer Republik in das Dritte Reich mit den nun folgenden Auseinandersetzungen, Diskriminierungen und Judenverfolgungen war wohl die Zeit, die sein späteres Handeln am deutlichsten prägte.

Sein Engagement für die Juden war so groß, dass er das Vertrauen vieler Flüchtlinge genoss. Er besorgte Unterlagen, verschaffte Pässe, koordinierte geheime Grenzübergänge. Seine Kontakte zur verbotenen SPD und den im Untergrund lebenden Kommunisten machten ihn von Anfang an der Gestapo verdächtig, sodass er seit 1933 systematisch beschattet wurde. Dass er bei den Verfolgten absolutes Vertrauen besaß, erkennt man daran, dass ihm die Frau eines jüdischen Amtsgerichtsrates ihre Wohnungseinrichtung überließ und am Tage nach der „Reichskristallnacht" in einem Testament notariell vermachte. Diese Frau, Sarah Marcus, erhielt auch später von Joseph Emonds Unterstützung, in einer Zeit, als ihr der Übergang zum katholischen Glauben keinen Schutz mehr bot. Voller Dankbarkeit schenkte sie damals dem inzwischen in Kirchheim bei Euskirchen als Pfarrer wirkenden Priester einen Kelch mit Inschrift, der noch heute beim Gottesdienst Verwendung findet, ohne dass die Voreifeler wissen, woher er stammt.

1938 war Joseph Emonds in Essen-Steele „politisch zu sehr gefährdet", wie sich einmal ein kirchlicher Würdenträger ausdrückte. Man versetzte ihn in das bereits erwähnte Kirchheim, etwa 35 km von Köln entfernt. Hier, unauffällig für die Gestapo, konnte er jedoch noch besser wirken. Der heute in Bremen lebende Oberkirchenrat Dr. Heinz Kloppenburg erinnert sich an einen theologischen Arbeitskreis in Bonn, in dem katholische und evangelische Pfarrer und Laien miteinander diskutierten. Die Begegnungen im Hause des katholischen Arztes Dr. Josef Kill wurden besonders von Pfarrer Wichert und Pastor Emonds gestaltet. Hier hatte Joseph Emonds in Pfarrer Goethe aus Darmstadt den ersten Kontakt zum Widerstand und erfuhr wohl auch von den geplanten Vorbereitungen des  Attentates gegen Hitler.

Die Tatsache, dass  Emonds paradoxerweise bei der Gestapo-Leitstelle in Düsseldorf einen guten Bekannten in einflussreicher Position hatte, den er von seinem Priesterstudium in Bensberg her kannte, brachte es mit sich, dass ihm auf verschlüsseltem Wege Namenslisten nach Kirchheim zugestellt wurden. Die nach uns heute unbekannten Kriterien analysierten Listen wurden als Privatpost an Susi Hansonis  nach Köln geschickt, die diese dann ins Generalvikariat brachte.

Auf diese Art und Weise wurde vielen katholischen Geistlichen,  Angehörigen von „Mischehen" und auch „Volljuden“ das Konzentrationslager erspart. Der SS-Mann N. veranlasste auch den jungen Pfarr-Vikar Johannes Hüttenbügel, von September bis Dezember 1944 in Kirchheim unterzutauchen. Heute ist er Prälat in Köln, Leiter der Fachstelle des Erzbistums für Büchereien und Schrifttum, sowie Referent für   ökumenische Fragen. Tatsächlich konnte der Geistliche nach dem Kriege von P. Constantin Noppel, einst Rector des Collegium Germanicum in Rom, erfahren, dass sein Name auf einer Liste stand, auf der zukünftige Dachau-Häftlinge erfasst waren.

Joseph Emonds, der ab 1944 Dechant des Dekanates Münstereifel war, gehörte auch einem Ring an, der Juden versteckte. Die damalige Haushälterin A. Schürkes glaubte sich später zu erinnern, dass die gesamte Organisation in den Händen einer Gräfin in Düren oder Jülich gelegen habe. Als diese bei einem Bombenangriff umkam, ergriff Dechant Emonds die Initiative. Ein jüdisches Ehepaar, das bisher bei dem Künstler Otto Pankok in Pesch (bei Nettersheim) untergekom­men war, fand im Dachgeschoß des Kirchheimer Pfarrhauses vorläufige Unterkunft. Im Rahmen der Vorbereitungen zur Ardennen-Offensive (Dezember 1944) war im Erdgeschoss ein kleiner Stab der SS untergebracht, und Dechant Emonds berichtete später, dass von den Lebensmitteln der Verfolger die Verfolgten leben konnten.

Dieses jüdische Künstlerehepaar war es auch, das die Hilfsbereitschaft des Eifeldechanten" verbreitete. In einer vom ZDF ausgestrahlten Sendung erfuhr die Öffentlichkeit erstmals am 20. Juli 1964  etwas von der Tätigkeit des Priesters, der am 7. Februar 1975 in Kirchheim starb. Von seinen Freunden ist an erster Stelle der ehemalige Bundespräsident  Gustav Heinemann zu nennen, der Joseph Emonds seit dessen Wirken in Essen stets - auch politisch - verbunden war.

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