Advent und Weihnachten im Nationalsozialismus

1. Teil: Festtheoretische Perspektiven im Dritten Reich

von Amrei Arntz
24.12.2009

Anmerkungen
Die in Bad Neuenahr unterrichtende Lehrerin Amrei Arntz, die seit Jahren auch an der Recherche für diese regionalhistorische Homepage beteiligt ist, hat sich selber in der letzten Zeit mit den festtheoretischen Perspektiven im Dritten Reich befasst. Passend zum heutigen Datum sollen Teile aus einem Manuskript publiziert werden, das sich mit der „Umfunktionierung“ des Advents- und Weihnachtsfestes in der Zeit des Nationalsozialismus befasst.

Amrei Arntz

Amrei Arntz (Foto: mediakustik)

Grundsätzlich geht es darum, wie Symbolik und Metapher sowie die Art der Feste und Feiern eine neue Sinngestaltung erhielten. Amrei Arntz zeigt auch im 2. Teil ihrer Ausführungen - die in den nächsten Tagen auf dieser regionalhistorischen Website erscheinen -, wie die „Deutsche Weihnacht“ in der Zeit 1933-1944 interpretiert wurde. Da ihre historische Darstellung insgesamt noch nicht abgeschlossen ist, wird aus medienrechtlichen Gründen bewusst auf den Ausdruck der vielen Fußnoten verzichtet. Außerdem entfallen zur besseren Lesbarkeit die wissenschaftstheoretischen Exkurse sowie die vorgesehene Gliederung.

 

Zur Autorin:
Amrei Arntz, geb. am 13. Dezember 1979 in Bonn, Abitur am St.-Michael-Gymnasium Bad Münstereifel 1999, Studium in Koblenz und Sunderland/England, 1. Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen 2004, 2. Staatsprüfung März 2006, seitdem Lehrerin an der Grundschule Bad Neuenahr.

 

H.-D. A.


Advent und Weihnachten im Nationalsozialismus

Teil 1: Festtheoretische Perspektiven im Dritten Reich

von Amrei Arntz

 
Die Berücksichtigung der Fest- und Feiergestaltung im Dritten Reich war für viele ältere Men­schen ein kultureller Rückschritt. Auch heute noch wirkt die Umdeutung vieler Symbole, Metapher, Sitten und Bräuche als zu national und anti-christlich. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass viele Menschen ab 1933 durch das NS-Gedankengut auch kulturell indoktriniert wurden und sich folglich ein anderes Verständnis vom Sinn vieler Feste und Feiern entwickelte. Zusätzlich ist nachvollziehbar, dass besonders bei der jüngeren Generation eine neue Vorstellung von der „Deutschen Weihnacht“ entstand.

Der Nationalsozialismus stand sehr bald - trotz des Konkordates von 1933 – im Gegensatz zum Christentum mit seinen Festen und Feiern. Er gab vor, auf germanischen und heidnischen Bräuchen zu basieren, was sich mit dem neuen Nationalbewusstsein und der NS-Ideologie erklären ließ. Die Nationalsozialisten lösten das Weihnachts­fest „von den christlichen Bezügen und versuchten, es als romantischen Friedenshort zu stilisieren, als Basisstation für Fronthelden". (118)

Lebensfeiern

Spätestens 1939 entstand ein Grundsatz- Konzept für nationalsozialistische Feiern, die sich immer deutlicher von denen des Christentums abhoben (119):

Lebensfeiern:
Feiern für Namensgebung
Lebensfeier der Jugend
Hochzeitsfeier
Totenfeier

Jahreszeitliche Feiern:
Sommersonnenwende
Wintersonnenwende
Weihnachtsfeier

Nationale Feiertage:
Feier zum 30. Januar
Feier zum Heldengedenktag
Feier zum 20. April
Feier zum 1. Mai
Feier zum 9. November

Gedenktage deutscher Persönlichkeiten
Horst- Wessel- Feier
Schlageter- Feier

Gemeinschaftsfeiern:
Morgenfeier
Feier zur Mitgliederversammlung

 

Auf den drei Ordensburgen Vogelsang in der Eifel, Sonthofen im Allgäu und Crössinsee in Pommern wurde ab 1936 eine nationalsozialistische Parteielite herangezogen, die auch propagandistische und pädagogische Aufgaben bewältigen sollte(120). Selbst hier hatten die künftigen Führeran­wärter hatten für ihre pädagogische Arbeit zu beachten, dass die Feierstunde des Natio­nalsozialismus eigentlich „kein Ersatz für kirchliche Feiertage oder Feste sein soll".

 

Unsere Feierstunden sollen ohne Rücksicht auf etwaige kirchliche Feste, die
zu denselben Anlässen oder zur selben Zeit vorgenommen werden, aus
unserer nationalsozialistischen Haltung heraus entstehen. (121)

Muster einer Weihnachtsfeier

Wie zum Beispiel eine NS- Weihnachtsfeier aussehen sollte, beschreibt folgender Vorschlag (122):

 

Weihnachtsfeier:

1. Musik:Sonne kehr' wieder (Musikzug)

2. Sprecher:

Die Melodie der Räder schweigt
Und deine Hände, deutsche Volk, erleben
Den Feiertag, der stumm sich neigt,
Wenn durch dein Land vom Turm die Glocken beben.
Weihnacht!

Kein Hammer schlägt am Amboß Glut,
Auf Faust und Stirne senkt sich friedlich wieder.
Die heilige Nacht und tropft die Flut.
Millionen Lichter auf uns Menschen nieder.
Weihnacht!

Durch's Tannengrün fließt milder Schein.
Der Kerzen, deren Zauberglanz sich windet
Im Gold und Silber, doch in uns hinein
Zieht Frieden, der ein ganzes Volk verbindet.
Weihnacht!

Wir reichen unsere Hände stumm,
Und so war dieses Fest für jeden Freude.
Durch unser Wollen schwieg das Leid ringsum!
Ein Volk erlebt mit Dank im Herzen heute:
Deutsche Weihnacht!

3. Lied:Hohe Nacht der klaren Sterne…

4. Lied:Ansprache des Kommandanten

5. Lied:Fröhliche Weihnacht...

6. Märchenspiel: Frau Holle, wir wecken dich wieder auf (Ein Wintermärchen von W. Eckart)

7. Sprecher:

Der Weihnachtsmann, wo kommt er her?
Über Wiesen und Wälder vom weiten Meer,
Da kommt er her.
Der Weihnachtsmann, wie zieht er ein?
Auf leuchtendem Schimmel, wie die Sonne am Himmel,
Voll spiegelndem Schein, so zieht er mit?
Gar köstliche Gaben für Mädchen und Knaben,
Die guter Sitt', das bringt er mit.
Der Weihnachtsmann, wie teilt er aus?
Er legt sie verstohlen, wo leicht sie zu holen.
Sieh' an, Sieh' an! Da kommt der Weihnachtsmann.

8. Weiteres:

Erscheinen des Weihnachtsmannes. Er unterhält sich mit den
Kindern. Abschließend begibt sich der Weihnachtsmann mit
den Eltern in den Speisesaal.

Advent und Führertum

Dass selbst Weihnachten zu einer so genannten „Lebensfeier" degradiert werden sollte, widersprach dem Verständnis der breiten Bevölkerung. Detailliert befassten sich daher die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS bereits seit 1938 mit diesbezügli­chen Festen und Feiern der Nationalsozialisten. Unter der Überschrift „Volkskunde" wurde kritisiert, dass die „gegnerische Arbeit" (z.B. katholische Einrichtungen und Geistliche) die nationalsozialistische Volkskunde „weiterhin überfremden" wollte (123).

Interessant ist die Tatsache, dass ADVENT im 3. Reich offenbar überhaupt keine politi­sche Rolle spielte und von Propaganda- und Sicherheitsdiensten auch nicht so betrachtet wurde. Stattdessen kam dem Weihnachtsfest - in verschiedenen Variationen wie „Kriegsweihnacht" oder „Julfest" - eine immer wichtigere Bedeutung zu, da sie der „Volksgemeinschaft" und dem bedrohten „WIR-Gefühl" dienen sollte.

Weihnachten wurde angereichert durch NS-Symbolik, pseudo-religiösen Schwulst mit christlichen Anleihen, völkischem Weihrauch, aus heidnisch-germanisch-mythischen Reminiszenzen und einem sich - mit der zunehmenden Verzweiflung- steigendem Führerkult (124).

Weiterhin soll ergänzt werden, dass ab 1943 das Hakenkreuz offiziell als Christbaum­schmuck benutzt werden durfte. Wörtlich heißt es in der NS-Literatur: „(...) so dass formuliert werden konnte: Heute strah­len Hakenkreuz und Christenkreuz heller denn je" (125).

Weihnachten im NS-Kalender

In diesem Zusammenhang sei die Silbe „Jul" oder „Haul" erwähnt, die das „Rad“ bezeich­net und eine Metapher für die Sonne ist. Neben dem bereits erwähnten Julfest sei auf ähnlich klingende Begriffe hingewiesen. Zum Beispiel erinnert der so genannte „Jul-Bock", der auf skandinavischen Weihnachtstischen zu finden ist, an die Opfertiere, die zu Ehren Wotans oder Thors geschlachtet wurden. Der „Julklotz" war in vorchristlicher Zeiten ein entsprechend vorbereiteter, geweihter Holzklotz, der am Heiligabend in den Kamin gelegt wurde (126).

Bauernkalender

Johann Neuhäusler weist in seinem Buch „Kreuz und Hakenkreuz" darauf hin, dass NS-Jahreskalender alles Christliche und erst recht alles Katholische bewusst negierten. Selbst das Weihnachtsfest war im „Deutschen Bauernkalender 1935" (Hrsg. Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Darré) ausgemerzt. Germanentum sollte Christliches ersetzen:

6. Januar (einst Tag der Heiligen 3 Könige): Tag der 3 Äsen

Aschermittwoch: Tag von Wodans Asche

Karfreitag: Erinnerungen an die 4500 Sachsen, die von Karl dem Großen, dem „Sachenschlächter", hingemordet wurden.

Ostern: Fest der heidnisch- germanischen Frühlingsgöttin Ostara

Himmelfahrtstag: Tag der Rettung von Thors Hammer (127).

 

Demzufolge war Weihnachten der Tag der „Geburt des Lichtgottes Baldur". Aber die vierwöchige Vor­weihnachtszeit, die Adventszeit, war offenbar für die Nationalsozialisten zu un­wichtig, um überhaupt umgedeutet zu werden.

Eine neue Variante der deutschen Weihnacht war das JULFEST, das einst von den Ger­manen zu „Mitwinter“ als Feier der Wintersonnenwende Mitte Januar gefeiert wurde. Aus unbekannten Gründen wurde es von Hakon dem Guten auf den 25. Dezember vorverlegt und konnte somit im Dritten Reich mit dem christlichen Weihnachten „gleichgeschaltet" werden:

Mit der längsten Nacht des Jahres, der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember, wenn die Sonne die kürzeste Zeit am Himmel steht, beginnt die Wende von der Dunkelheit zum Licht (...). Angezeigt wird dies durch die Lichtsymbolik, das Anzünden von Feuern in der Dunkelheit, und der Baumsymbolik, das Anzünden von Feuern in der Dunkelheit, und der Baumsymbolik, das Aufstellen von im­mergrünen Bäumen und das Schmücken des Hauses mit immergrünen Zweigen (129)

Wie ich feststellte, ist noch heute in der Voreifel und Eifel das Wort „Jul" bzw. „Julklapp" ein Synonym für „Geschenk". Der Begriff hat eine Parallele in der skandinavischen, mecklenburgischen und vorpommerischen Sitte des Geschenkeverteilens. „Julklapp" als Weihnachtsgeschenk eines unbekannten Schenkers „(...) stellte durch einen beiliegenden Brief den Bezug zum Empfänger her: ein Box­handschuh für einen Streitsüchtigen, ein Spiegel für die Eitle, ein Geschirrtuch für den Pascha, eine Theaterkarte für einen Nesthocker (…)" (130).

Adventskalender

Nicht nur der NS-Bauernkalender, sondern sogar der Adventskalender sollte im Dritten Reich verändert werden. Der ursprüngliche Adventskalender wurde von evangelischer Seite um 1850 entwickelt. Bis heute soll er Kinder vom 1. bis 24. Dezember begleiten. Damit unter­scheidet er sich vom ADVENTSKRANZ, der die vier Adventssonntage und nicht den Kalendermonat zur Grundlage nimmt (131). Wenn auch die Nationalsozialisten nicht ganz den beliebten Adventskalender verdrängen konnten, so versuchte man doch das Prinzip des Kalenders im Totalitätsanspruch zu nutzen.

Heilige Nacht

Titelbild der Dokumentation „…von wegen
Heilige Nacht“ von Judith und Rita Breuer
Verlag an der Ruhr 2000.

Judith und Rita Breuer beschäftigten sich in ihrem neulich erschienenen Buch „Von we­gen Heilige Nacht. Das Weihnachtsfest in der politischen Propaganda" (132) auch mit der „Vorweihnachtszeit", also mit der eigentlichen Adventszeit. Sie meinten, dass die Ad­ventskalender-Produktion Anfang der vierziger Jahre zum Erliegen kam wegen kriegs­bedingten Papiermangels und der Zensur von religiösen Druckerzeugnissen. Weiterhin heißt es in ihrem Buch (133):

„Aber in Sachen Adventskalender sorgte die Partei für ,artgemäßen' Ersatz: Das Amt für Schulungsbriefe im Hauptschulungsamt der NSDAP gab in den Jahren 1942 und 1943 den Kalender ,Vorweihnachten' heraus" (...) „In Form eines bunten Heftes sollte er die Kinder durch die Weihnachtszeit begleiten. Für jeden Tag gab es eine Doppelseite mit Liedern, Gedichten und Bastelvorschlägen" (134).

„Sinngebäck" als Symbolik

Weitere Metaphern, Symbole, Allegorien und Sinnbilder waren dem Zeitalter der Ger­manen, auf das sich die Nationalsozialisten so gerne bezogen, entnommen: Lichterkranz, spezielle Runen, Sonnenrad z.B. der Vogel, Julbogenstern und Radkreuz. Judith und Rita Breuer weisen in ihren Untersuchungen auf das sogenannte „Sinngebäck" (135) hin, das statt der althergebrachten Plätzchen gebacken wurde.

In ihrem kritischen Buch „Von wegen Heilige Nacht" beziehen sich die Autorinnen auf diesbezügliche Koch- und Backrezepte und zitieren zur Erstellung eines gebackenen Julbogens:

Aus einem einfachen Teig, der sich nur gut ausrollen und zu Strängen formen lassen muss, beginnen wir frei, die ganze Welt der Zeichen und Sinnbilder, mit der wir unser Weihnachtsfest wieder sinnvoll umstellen wollen, zu gestalten, (...). Zunächst alle Zeichen des Sonnenumlaufs und der Jahreswende: das Jahres­rad, den Kreis mit den sechs Speichen, die Schnecke, den schlichten kleinen Urbogen, das Hakenkreuz und Wendezeichen. Dazu die Sinnbilder der Fruchtbar­keit: die Odalschleife und die Brezel, die Manrune als einfachste Form des Le­bensbaumes. Der Pimpf wird natürlich für jedes Familienmitglied eine Sigrune backen. Geschickte Hände legen schwierige Formen (...) als alte heilige Gestal­ten der Weihnachtszeit: Frau Holle, der Schimmelreiter, das Wickelkind, der Jul-Hirsch, der in seinem Geweih den Lebensbaum trägt, und der Jul-Eber, der alte Festbraten der heiligen Nächte"(136).

Deutsche Volksweihnacht

Zu Beginn des Dritten Reiches sah es anfangs gar nicht so aus, als ob man die Weih­nachtszeit politisch vereinnahmen wollte. Das Konkordat von 1933 schien die National­sozialisten religiös in ihre Schranken zu weisen. Da aber der Öffentlichkeitscharakter von Fest und Feier das Gefühl des Außergewöhnlichen und Herausgegebenen erhöht, war es logisch, dass dieses integrierende Element missbraucht werden konnte. Auch die Weihnachtszeit erstreckt sich auf alle Schichten einer Gesellschaft und trägt in jedem Bereich wesentlich zur Gemeinschaftsbildung und -bewusstwerdung bei, egal, ob es sich um Familie oder Volk, um Kulturgemeinde oder Ortsgemeinde handelt, um nur einige Dimensionen zu nennen.

„Volksweihnacht" statt „Christliches Weihnachten"!

Wie zum Beispiel die so genannte Rassenkunde unwissenschaftlich und unlogisch war, so war auch das Verhältnis zur Kirche im Dritten Reich nicht konsequent. Ein Rundschrei­ben aus der Kanzlei des Führers konstatiert 1941 unmissverständlich, dass „nationalsozi­alistische und christliche Anschauungen unvereinbar" seien:

„Kein Mensch würde etwas vom Christentum wissen, wenn es ihm nicht von seiner Kindheit an von den Pfarrern eingeprägt worden wäre (...). Zum ersten Mal in der Geschichte hat der Führer die Volksführung bewusst und vollständig in der Hand (...), was ihn von der Kirche unabhängig macht" (137).

Dem steht die betont versöhnliche Auffassung - zumindest in der schriftlicher Formulierung - aus dem gleichen Jahre von Alfred Rosenberg gegenüber. Der „Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Er­ziehung der NSDAP“ meinte:

„Unsere Feiern sind nicht dazu bestimmt, konfessionelle Gegensätze aufzurei­ßen, sondern sollen alle Volksgenossen innerlich zusammenfügen. Daher sind Angriffe gegen andere Auffassungen zu unterlassen. Auch dürfen Feiern nicht zu Kundgebungen gegen Andersdenkende werden. Unsere Feiern sind niemals ein oberflächlicher Ersatz für kirchliche Zeremonien. Die Gleichschaltung konfessi­oneller Feierhandlungen mit nationalsozialistischen oder die Verwendung kirch­licher Elemente ist unter allen Umständen zu unterlassen!"(138)

Kriegsweihnacht

Postkarte „Kriegsweihnacht“
(Sammlung H.-D. Arntz)

„Weihnacht der Volksgemeinschaft"

Meine Interviews und die Analyse vieler Schulbücher aus dem Dritten Reichbeweisen, dass sich viele Deutschen „ihr" Weihnachtsfest im Prinzip nicht nehmen ließen. Zumindest die AD­VENTSZEIT bzw. die VORWEIHNACHT spielte im Dritten Reich keine bedeutende Rolle und wurde unter dem Aspekt der Volkskunde, Sitten und Bräuche, abgetan. Weihnachten jedoch bekam in der Kriegszeit eine neue Bedeutung. Diesbezüglich resümiert Manfred Becker-Huberti:

Als dann die dramatische Situation des Kriegsverlaufs auch dem letzten Volksgenossen' nicht mehr zu verheimlichen war, ließen die Nazis die Maske fallen: ,Über dem Begriff Weihnachten steht das Wort Kampfund das Wort Sieg!' hieß nun die Parole. Wieweit die Nazi-Propaganda das Weihnachtsfest wirklich um­funktionieren konnte, lässt sich heute nicht mehr richtig beurteilen(139).

Tatsächlich gab es seit 1934 in der jeweiligen NS-Weihnachtsbotschaft eine Symbiose von Christentum und Nationalsozialismus, von Christus und Hitler. Dies wurde besonders in der Weihnachtsansprache von Rudolf Heß, Stellvertreter Hitlers in der NSDAP, im Jahre 1934 deutlich:

(...) Wir können dieser Stunde der Gemeinschaft der Deutschen auf der Welt keinen anderen Abschluß geben, als dass wir unser Gedenken dem Manne zu­wenden, den das Schicksal bestimmt hat, Schöpfer eines neuen deutschen Volkes zu sein- eines Volkes der Ehre. Das Geschenk, das wir Deutsche auf der Welt Adolf Hitler erneut zur Weihnacht bringen, ist: Vertrauen. Wir legen ihm von neuem unser Schicksal in die Hände als Dank und Gelöbnis zugleich (...)(140).

In der Selbstdarstellung der Nationalsozialisten beschreibt Regierungsrat Gerd Rühle die neue Form des deutschen Weihnachtsfestes:

Das Weihnachten Deutschlands wurde zur VOLKSWEIHNACHT. Die selbst­verständliche Verbundenheit der nationalsozialistischen Bewegung mit allen Volksgenossen erhielt am Vorabend des Festes - am 23. Dezember - besonderen Ausdruck: Auf Straßen und Plätzen leuchteten große brennende Weihnachts­bäume. Auf weihnachtlich geschmückten Plätzen der Arbeiterviertel fanden Weihnachtsfeiern statt. An langen, weißgedeckten Tischen wurde den Kindern bedürftiger Volksgenossen vom Winterhilfswerk, der Parteiorganisation und der SA beschert. Der Lichterglanz deutscher Weihnachtsbäume leuchtete auf'! (141)

Drei Jahre später war die inzwischen zur Institution gewordene VOLKSWEIH­NACHTSFEIER einer der vielen Aspekte von VOLKSGEMEINSCHAFT:

Das deutsche Weihnachtsfest 1937 rückte heran, das wieder in bereits Tradition gewordener Art und Weise den leuchtenden Weihnachtsbaum auf Straßen und Plätze brachte. Die deutsche Familie ist der eigentliche Träger des Festes. Große Feiern mit Bescherungen von Kindern sind VOLKSWEIHNACHTSFEIERN, die dem 24. Dezember vorangehen. Sie vereinen die Volksgenossen im Gefühl der Zusammengehörigkeit, das heute alle Deutschen in der Welt wieder erfasst hat… (142)

Neue Sinngestaltung der Advents- und Weihnachtszeit

Je länger der Krieg dauerte, desto genauer untersuchte auch der Sicherheitsdienst der SS die Stimmung der Bevölkerung. In seinem geheimen Lagebericht vom 8. Januar 1942 wurde unter der Überschrift „Zur Gestaltung der Weihnachtsfeiern" u.a. konstatiert:

 ---- „Die nicht konfessionell durchgeführten Feiern haben nach den vorlie­genden Berichten bei den Volksgenossen die innere Haltung und das Ge­fühl der Zusammengehörigkeit von Heimat und Front gestärkt.

---- Die Gemeinschaftsfeiern hatten meist einen ernsten Charakter, da viele Angehörige an der Front sind.

---- Die Feiern und Gestaltung nach den Richtlinien des Hauptamtes Kultur der Reichspropagandaleitung waren örtlich sehr verschieden.

---- Besonders die Feiern, die als wesentliches Moment die Betreuung der Angehörigen im Felde stehender Soldaten oder der Kinder gefallener Soldaten ansprachen, waren gut.

---- Häufig geäußerter Wunsch: Weihnachtsfeiern der Partei sollen am Tag der Wintersonnenwende stattfinden.

---- Weihnachten soll sprachlich endlich präzisiert werden: Volksweihnach­ten-Deutsche Weihnacht-Kriegsweihnacht-Julfeier.

---- Weihnachtsfeiern in Lazaretten fanden bei den Verwundeten eine dank­bare Aufnahme.
Zustarker Einfluß der christlichen Kirchen"!(143)

Heute wäre es interessant zu wissen, ob die Na­tionalsozialisten auch noch die Adventszeit umfunktioniert hätten. Auf einer „Schu­lungstagung des deutschen Frauenwerkes Gau Pommern“, in Stettin am 28. November 1936, gab es nämlich hierzu sehr aufschlussreiche Vorträge und Diskussionen. Im Pro­tokoll wurde auf die Anweisung hingewiesen, dass Notizen über die Vorträge nicht ge­macht werden durften. Wörtlich hieß es zum Thema ADVENT:

Mit Frauen, die noch dauernd in die Kirche rennen und Bedenken haben, muß aufgeräumt werden! (...) Die Rednerin betonte dann, dass vom Gau (im Einverständnis von Frau Scholz- Klink) Unterlagen geliefert werden zu Adventsfeiern, d.h. Vorweihnachtsfeiern. Wenn einzelne sich wundern sollten, dass nicht mehr von Jesus die Rede ist, müssen sie aufgeklärt werden. Dieser und ähnliche Namen werden bei unseren Festen nicht mehr gewünscht (Dem Vortrag folgte ein lang anhaltender Beifall). (144)

Fortsetzung:

Nationalsozialistische Weihnachten: Fest- und Feiergestaltung der „Deutschen Weihnacht“

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