Adenauer Viehmarkt: Jüdische Händler wurden 1935 ausgeschlossen.
Bericht über einen diesbezüglichen Artikel von Hans-Dieter Arntz

von Hildegard Ginzler
Quelle: General-Anzeiger-Bonn v. 25.01.2014
13.02.2014

General Anzeiger

 

Samstag, 25. Januar 2014

KREIS AHRWEILER. Bei der Aufarbeitung deutsch-jüdischer Geschichte und der Judenverfolgung „vernachlässigen viele Historiker die harmlos wirkenden Unterlagen des Reichsnährstandes und der jeweiligen Bauernschaft".

 

Adenauer Viehmarkt

Der Adenauer Viehmarkt Mitte der 1930er Jahre. Repro: GA

Das stellt der Euskirchener Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz fest. Dass diese Quellen indes „zweifellos den spezifischen Nachweis für ein eigenständiges, rassenpolitisches Engagement erbringen", dokumentiert er in seinem Eifeljahrbuch-Beitrag 2014: „Nationalsozialisten im Ahrgebiet unterschieden zwischen `jüdischen und arischen´ Rindern". Arntz erforscht seit 1975 zeitgeschichtliche Fragestellungen fürs Rheinland, insbesondere für die Eifel und die Voreifel.

Der „Reichsnährstand", gleichgeschalteter Zusammenschluss der landwirtschaftlichen Berufsvertretungen, stand dem Judentum feindlich gegenüber, wie der Autor anhand der scharfen Bewachung des Adenauer Viehmarktes belegt. Der Markt war bei den Eifeler Juden besonders beliebt, weil sie anfangs dort weniger schikaniert wurden als im Schleidener Raum.

Am 18. September 1935 aber stellten die Nazis an der Auftriebstelle Kontrollzettel aus: Das Vieh der Bauern erhielt rote Zettel, das der Juden gelbe. „Es durfte kein Tier auf den Marktplatz von Adenau geführt werden, das nicht den Kontrollzettel trug", berichtete das NSDAP-Wochenblatt „Westdeutscher Beobachter". Auch reservierte man die Gestänge zum Tiere-Anbinden zunächst für die Bauern, da eingerissen sei, „dass die Juden kurzerhand für sich diese Befestigungsgeländer in Anspruch nahmen, während die Bauern ihr Vieh frei halten mussten".

Alle Maßnahmen zielten auf den Ausschluss jüdischer Händler. So durfte auf dem Platz nicht hebräisch gesprochen werden und die für Adenau zuständige Kreisbauernschaft Ahrweiler lockte, um den Umsatz zu sichern, „arische" Großhändler an. „Arische" Händler sollten den Verlauf des Marktes genau beobachten und später ihre Erfahrung mitteilen. Die im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf gesammelten Berichte vom ersten kontrollierten Adenauer Markt strotzen vor böswilligen Unterstellungen, Beleidigungen, Häme, und sie konstruieren ein Täter-Opfer-Szenario: „Schon bei den Vorbereitungen rotteten sich die jüdischen Händler zusammen, um unter sich im geheimen zu beraten."

Sie hätten sich sofort über den ganzen Markt ausgebreitet und den Bauern unsinnige Preise geboten. Die Taktik „dieser unerhörten Störungsversuche" sei aber von den arischen Händlern erkannt worden, denen es gelang, „die verwirrte Bauernschaft wieder zur Vernunft zu bringen". Um „dem Käufer arglistig eine hohe Milchleistung des Tieres vorzutäuschen", hätten die Juden ihre Kühe tagelang nicht gemolken, „eine der gemeinsten Tierquälereien, die man sich vorstellen kann".

Schon mit dem nächsten Adenauer Markt war das Ende des jüdischen Viehhandels im Ahrgebiet besiegelt. Dass Anfang Oktober die jüdischen Händler fehlten, bestätige „einwandfrei, dass diese nach gemeinsamen Verabredungen handeln und unter sich einen Ring gebildet haben. Der Markt selbst bot wegen der Überwachung der jüdischen Händlerschaft ein überaus erfreuliches Bild“.

Die jüdischen Händler machten, da sich „unter der Kontrolle der Kreisbauernschaft nicht mehr im Trüben fischen lässt, nunmehr die Nachbarkreise in Hillesheim und Daun unsicher". Befürchtet wurde aber auch, „die unbelehrbaren Elemente unter den Landwirten", speziell aus dem Kreis Mayen, könnten sich ebenfalls vom Adenauer Markt zurückziehen, weshalb „unter allen Umständen auch dort die gleiche Kontrolle" durchzuführen sei.

Da „der Jude an einem reellen Handelsgeschäft kein Interesse hat", so die Begründung des grotesken Fazits, „ergibt sich die Notwendigkeit, dem jüdischen Viehhandel den Markt zu verbieten, zumal er ohne jede Veranlassung dem zweiten kontrollierten Markt in Adenau ferngeblieben ist."

Da reibt man sich verwundert die Augen, in einem Heimatjahrbuch-Artikel von 1955 zu lesen, der Adenauer Markt bleibe, „was er von jeher war: die Stelle, an der alles Tun nach den ungeschriebenen Ehrgesetzen des Volkes unserer Berge abläuft."

 

Häme

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