Junker-Appell in Görings Jagdrevier:
Hitlers Stippvisite und Streichers antisemitische Tiraden

von Hans-Dieter Arntz
(Aus: Aachener Volkszeitung, 17. Juni 1986)
23.01.2007

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Eine Serie von Hans-Dieter Arntz (Teil 4)

 

Die Schnelligkeit, mit der die künftige Burg Vogelsang hochgezogen wurde, war beeindruckend und gab den Bewohnern des Kreises Schieiden das Gefühl, dass wohl nur die Nationalsozialisten in der Lage seien, die große Arbeitslosigkeit von zehn Prozent abzubauen. Tatsächlich war 1935 das Gebiet als erstes im Deutschen Reich frei von Arbeitslosigkeit. Darüber vergaßen viele, dass man diesen glücklichen Umstand nur dem kolossalen Parteibauwerk „Ordensburg Vogelsang" zu verdanken hatte.

Vergessen waren die Nöte der jüngsten Vergangenheit. 1931 lebten in der Bürgermeisterei Dreiborn, zu der Vogelsang verwaltungsmäßig gehören sollte, insgesamt 3436 Einwohner. Flächenmäßig war sie die größte Gemeinde und der zweitgrößte Verwaltungsbezirk im Kreis Schieiden, stand jedoch hinsichtlich der genannten Einwohnerzahl an siebter Stelle der damaligen 13 Verwaltungsbezirke.

Die Viehzählung vom 1. Dezember 1931 ließ die landwirtschaftliche Bedeutung der Gemeinde Dreiborn erkennen: 3012 Stück Rindvieh, 144 Pferde, 1054 Schweine und 11340 Hühner. Auch das Waldvermögen in der Größe von rund 1700 preußischen Morgen war beeindruckend. Doch die Schul-, Wohlfahrts- und Wegebaulasten drückten so gewaltig, dass Bürgermeister Wiersteiner gezwungen war, sich nach allem umzusehen, was die Gemeinde finan-zen sanieren konnte. Aber am Ende der Weimarer Republik wollte keiner in der rau he n Eifel investieren.

Außerdem war der Kreis Schieiden durch seine Grenzlage - die Lange der Grenze betrug hier allein 22 Kilometer - keineswegs begünstigt. Die früher vorherrschende Holzindustrie hatte infolge des Verfalls der Preise während der wirtschaftlichen Rezession besonders zu leiden. Es kam so weit, dass schließlich 54000 Menschen im Kreis Schieiden arbeitslos wurden.

Dies war nun vorbei. Der erste Spatenstich zur „Schulungsburg Vogelsang" war am 15. März, die Grundsteinlegung am 22. September und das Richtfest bereits am 15. Dezember 1934. Das war beeindruckend und brachte den Nationalsozialisten im Eifelgebiet Sympathien ein.

Das Richtfest wurde in der deut-. sehen Presse stark beachtet; gleiches galt für den im Aachener Atelier Schmeck hergestellten Film „Festung des Geistes". Reichsor-ganisationsleiter Robert Ley wünschte, dass dieser Film nicht nur im Gau Köln-Aachen, sondern im gesamten Deutschen Reich zu sehen sein sollte, „weil das, was die einzelnen Bilder und Szenen zeigen, mitreißendes und überzeugendes Signal des arbeitenden und auf allen Gebieten um neue Gestaltung ringenden Deutschlands Adolf Hitlers ist!" Ein weiterer Film über die spätere Ausbildungsarbeit auf der Burg Vogelsang sowie deren Resonanz bei der nationalsozialistischen Führung wurde von 1937 bis 1939 gedreht und gelangte als Beutegut in die Hände der siegreichen Amerikaner, die am 4. Februar 1945 die Ordensburg beinahe kampflos einnahmen.

Noch immer wurde der Schleide-ner Kreisleiter Franz Binz als „Burgkommendeur" in den Akten geführt. In dieser Funktion unterschrieb er auch die Grundsteinurkunde. Aber schon nahm die Organisation größere Dimensionen an. Am 30. Juli 1935 wurde Reichshauptamtleiter Richard Mander-bach mit der künftigen Führung beauftragt.

Der Offizier des ersten Weltkrieges, Hauptmann der Luftwaffe und Angehöriger des Deutschen Reichstages, hatte eine steile nationalsozialistische Karriere hinter sich: Bezirksleiter, Gauredner, Gauinspekteur, Reichtsinspek-teur, Reichsbeauftragter des Stellvertreters des Führers, Stadtverordneter, Mitglied des Preußischen Landtags von 1932/33...

Heute weiß man, dass der einst deutschnationale, dann nationalsozialistische Kommandant preußischen Zuschnitts nie die Sympathie der sogenannten „Führeranwärter" erringen konnte. Nicht un-gerne sah man ihn im Sommer 1939 scheiden, als bekannt wurde, dass er heimlich sein Kind hatte taufen lassen.

Reichsorganisationsleiter Robert Ley besichtigte häufig die Rohbauten oberhalb des Urftsees. Dabei wurde er meist von einer Wache, aber auch von Architekt Prof. Clemens Klotz und Bauleiter Karl Friedrich Liebermann begleitet. Adolf Hitler soll nach glaubhaften Berichten des heute noch in Köln lebenden Liebermann zweimal auf Vogelsang gewesen sein. Seine je 30minütige Stippvisite war derart überraschend, dass sie erst Kreis-leiter Binz gemeldet wurde, als Hitler schon wieder weg war. Hermann GÖring war häufig ein gerngesehener Gast auf Vogelsang. In oft abenteuerlichen Uniformen tauchte er - nach gründlicher Anmeldung - bei Kommandant Manderbach auf und genoss dann sichtlich den Appell der angetretenen 500 Junker. Noch lieber reiste er ins benachbarte Hellenthal, wo er nicht nur in Bürgermeister Fischer einen glühenden Verehrer hatte, sondern auch ein Jagdgebiet vorfand, das dem Reichsjägermeister angemessen war.

In ihren bautechnischen Dimensionen, der geographischen Lage und in ihrer Aufgabe war Vogelsang zweifellos die bedeutendste der insgesamt drei Burgen der NSDAP. Daher waren die Eifelbe-wohner enttäuscht, als Adolf Hitler am 24. April 1936 - also vor genau 50 Jahren - die Einweihung nicht auf Vogelsang, sondern in Crössingsee vornahm. Sang- und klanglos wurde an diesem Tag die Fahne auf Vogelsang gehisst. Damit war die Burg ihrer Bestimmung übergeben. Am 1. Mai ruckten 500 Junker - vorbei an den Posten der SS, die auf den Ordensburgen das Wachpersonal stellte - ein. Drei Tage später wurde der Lehrbetrieb aufgenommen. Alfred Rosenberg, der „Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAF' sprach im großen Hörsaal vor den Teilnehmern des ersten Lehrganges. Am 19. November 1936 durchfuhr „Judenhasser" Julius Streicher- stark umjubelt - die Altkreise Euskirchen und Schleiden. Er kam, um den Junkern seine Philosophie dazutun.

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