Mit „Kraft durch Freude“ zum Drillplatz der Goldfasane:
Der Ordensburg sollte ein Erholungszentrum angegliedert werden

von Hans-Dieter Arntz
(Aus: Aachener Volkszeitung, 14. Juni 1986)
23.01.2007

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Eine Serie von Hans-Dieter Arntz (Teil 3)

 

Wie die meisten Diktaturen war auch der Nationalsozialismus von Anfang an bestrebt, seine Macht nicht nur räumlich auszudehnen, sondern auch zeitlich zu sichern. Daher sollte die politische, wirtschaftliche und verwaltungstechnische Leitung Deutschlands und Europas auf Generationen hinaus einem nationalsozialistisch geschulten und geprägten Führerkorps zufallen. Symbolisch wurden daher bereits zu Beginn des Dritten Reiches eine Unzahl staatlicher Kolossalbauten erstellt, die als Ausbildungsstätte der Jugend und des Parteinachwuchses dienen sollten.

Schon im ersten Bauabschnitt wurden 270000 Kubikmeter Erde und Fels in andauernder Sprengarbeit bewegt und allein 8000 Kubikmeter Grauwacke aus den Brüchen von Monschau angefahren und verarbeitet, da der am Platz gewachsene Bruchstein sich als ungeeignet erwies. Die spätere Ordensburg Vogelsang, die die „Idee der rassistischen Philosophie" vermitteln sollte, wurde als „beispielgebendes Bauwerk" erstellt, als Protest gegen die bisherige „Jüdische Beeinflussung und deren verderbenbringende Wirkung in der Architektur".

Schon in den Ansprachen der nationalsozialistischen Machthaber wurde deutlich, dass Vogelsang mit Antisemitismus und Rassenwahn in Verbindung gebracht werden musste.

Reichsorganisationsleiter Robert Ley gab seinen Bauleitern die nachweisbare Devise aus: „Denjenigen, die in der Burg Vogelsang ausgebildet werden und so zu nationalsozialistischen Führern werden, wird die Burg jeden Tag von neuem ein Sinnbild der Größe und Würde der nationalsozialistischen Weltanschauung sein!" In den Archiven findet man viele Modelle, Zeichnungen und Entwürfe, wie Vogelsang einmal in vollendeter Form aussehen sollte. Eine Zusammenschau, die allerdings einem letzten Entwurf wohl am ähnlichsten sein dürfte, entwickelte der Flamersheimer Sonderschulrektor Dieter Hay. Unter Vorlage handgezeichneter Pläne von Prof. Clemens Klotz entwickelte er eine genaue Vorstellung vom Endzustand der Ordensburg Vogelsang.

Durch ein großes Eingangsgebäude, das etwa dort entstehen sollte, wo sich heute auf der Zufahrtsstraße die Wache befindet, fand man Einlass in eine riesige Burganlage. Parallel zur Zufahrtsstraße, zum Morsbachtal hin, sollte ein 2000 Betten umfassendes „Kraft-durch-Freude-Hotel" mit einem großen Saalbau entstehen. Robert Ley wünschte die Nähe von KdF-Hotel und Ordensburg, „um klösterliches Gehabe auszumerzen". Nach Fertigstellung der drei Hotels in Crössinsee, Sonthofen und Vogelsang, so die damaligen Vorstellungen, wäre es möglich gewesen, jährlich etwa eine Million Menschen durch diese Hotels gehen zu lassen. Somit wäre im Zeitraum eines Lebensalters jeder Deutsche in die Lage versetzt worden, einmal das Leben in den Ordensburgen aus nächster Nähe zu betrachten und einen Begriff von der „härtesten Schule der Welt" zu bekommen.

 

vogelsangDas riesige KdF-Hotel Hier sollten die Deutschen die Gelegenheit erhalten, das Leben in der Ordensburg kennenzulernen.
Jeder Bürger sollte nach dem Willen der Nazi-Führer auf diese Weise einen Begriff von der „härtesten Schule der Welt" erhalten.

 

Im Bereich dieser Bauten sollte das Morsbachtal ein riesiges Schwimmbecken aufnehmen. Gegenüber, also westlich der Zufahrtsstraße, sollte eine Reithalle für zunächst 30, dann 200 Pferde erbaut werden. Es folgten Gäste* hauser, ein Gemeinschaftshaus für etwa 70 weibliche Angestellte, Wachgebäude, Werkstätten usw. Mit dem Ausbau eines weit verzweigten Netzes von Wanderwegen und mehreren dazugehörigen Schutzhütten sollte ein riesiges Erholungsgebiet, in dessen Mittelpunkt der bereits erwähnte Hotelkomplex stand, dem Erholungssuchenden erschlossen werden. Die Fortsetzung nach Westen bildeten die Nebenräume der Exerzier- und Sporthalle. Diese Anlage sollte sich zum „Haus des Sportes" entwickeln.

Den eigentlichen Schulungsbereich betrat man durch die Wache, die sich auch heute dort noch befindet. Durch das „Haus des Wissens" gelangte man dann über Freitreppen zum jetzigen Adlerhof. Dort, wo sich heute die belgische Kaserne Van Dooren im Zentrum der Burganlage befindet, wollte Architekt Prof. Klotz das neue Schulungsgebäude als eine monumentale Repräsentationsarchitektur entstehen lassen. Wenn auch die „Dürener Zeitung" vom 8. Dezember 1936 meinte, dass in wenigen Monaten der gewaltig« Bau erstellt sein könntet •*> wissen wir doch, dass es nicht gelang, die Pläne zu realisieren. Das Gebäude sollte als Mittelpunkt einen großen Festsaal umfassen, der zusammen mit der Galerie etwa 2000 Sitzplätze umfasste. Eine Bühne, über der ein 45 Meter hoher Turm mit einem weithin sichtbaren Schwert entstehen sollte, war 24 Meter tief.

Der Turm hatte - laut Plänen -eine vertikale Schallöffnung, um ein Glockenspiel und die Klänge eines Orgelwerkes weithin hörbar zu machen. Um einen Innenhof im Viereck gruppiert, erhoben sich zweigeschossige Gebäude, die unter anderem die gewaltige Empfangshalle für die vielen Gäste, einen Lehrsaal für Rassenkunde, einen Lesesaal und eine Bücherei mit 35 000 Bänden erhalten sollten. Über 18 Meter tief hinab gelangte man vom „Haus des Wissens" in den Burghof, dessen steinerne Adler ihm den Namen „Adlerhof' gaben. In Ausnutzung der Topographie wurden zum Stausee hin die heute noch vorhandenen Kameradschaftshäuser, Sportplatz, Schwimmhalle, Schießstand, Turnhalle usw. erstellt. Das Denkmal des Fackelträgers sollte ein Bestandteil einer Freilichtbühne werden.

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