Der Schriftsteller Ettighoffer in der Diskussion des Zeitgeistes:
Streit um die Benennung einer Straße in Euskirchen (1980)

von Hans-Dieter Arntz
11.02.2011
3 Folgen (1)

 

Der Schriftsteller Ettighoffer in der Diskussion des Zeitgeistes: Streit um die Benennung einer Straße in Euskirchen (1980)

Ettighofer

1. Teil: Streit um die Benennung einer Straße in Euskirchen (1980)

2. Teil: Euskirchener Sozialdemokraten gegen berühmten Schriftsteller Ettighoffer ---Diskussion in der Euskirchener Lokalpresse --- Franzosen kritisieren unnötige „Ettighoffer-Affaire“

3. Teil: Endlich eine Straße in Euskirchen nach Paul Coelestin Ettighoffer benannt (1980)

 

Anmerkung

im Frühjahr 1972 lernte ich den Schriftsteller Paul Coelestin Ettighoffer (* 14. April 1896 in Colmar/Elsass, † 15.Oktober 1975 in Zülpich) persönlich kennen. In der irrigen Annahme, sein Wohnort Niederkastenholz – heute ein Stadtteil von Euskirchen – hätte etwas mit meinen Verwandten Kastenholz zu tun, recherchierte ich in dem kleinen Dorf und wurde hierbei von dem Bestseller-Autor in sein Haus eingeladen. Als junger Mann kannte ich ihn noch nicht, wurde aber seitdem angeregt, meine genealogischen Interessen zugunsten der Regionalhistorie zu erweitern.

Als er 79jährig im benachbarten Zülpich verstarb, machte mich seine 2. Ehefrau, Eliane Ettighoffer, mit der er 27 Jahre lang verheiratet war, mit seinem Archiv vertraut. Erst jetzt erfuhr ich besonders viel von seinem Lebenswerk und seinen Büchern, die teilweise sogar in Korea publiziert wurden.

 

Ettighofer

 

Unter dem Einfluss des 1. Weltkrieges verfasste er mehr als 40 Bücher, die in der Weimarer Republik, im Dritten Reich (!) und besonders im Nachkriegs-Frankreich gleichermaßen Anerkennung fanden. In den stark beachteten Werken ging es meist um die Gräuel des Krieges und die Versöhnung zwischen den Völkern. Nationale und internationale Würdigungen wurden ihm zuteil. C.P. Ettighoffer gehörte zweifellos zu den Persönlichkeiten, die an der ab 1949 eingeleiteten deutsch-französischen Freundschaft beteiligt waren, so dass der Schriftsteller zum „Symbol der Aussöhnung“ wurde.

Mit dem Frontroman „Gespenster am Toten Mann“ schrieb Ettighoffer, selbst Stoßtruppführer im Ersten Weltkrieg, bereits 1931 seinen ersten Bestseller. Der Roman wurde aus besonderen Gründen oft mit Remarques Werk Im Westen nichts Neues in Verbindung gebracht. Weltberühmt machte ihn sein Roman Verdun. Das Große Gericht (1936), das auch in viele Sprachen übersetzt wurde. Dem Bestseller-Autor überreichte der Bertelsmann Verlag vor dem 2. Weltkrieg für jedes 100.000ste Buch ein Sonderexemplar - auf Bütten, in Schweinsleder gebunden und mit Goldschnitt.

Bei Wikipedia heißt es hierzu:

Ettighoffers Erlebnisse im Krieg und in Gefangenschaft wurden das Thema seiner erfolgreichsten Romane. Er war in den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkrieges ein Autor viel gelesener Kriegsromane, die zu großen Teilen autobiographisch waren. Beeinflusst zunächst von Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“, befasste er sich mit kriegskritischen Themen. Später näherte sich sein Werk der nationalsozialistischen Ideologie an: Ettighoffer propagierte nun Militanz und Obrigkeitsgläubigkeit. Seine Bücher erschienen seit Mitte der 1930er Jahre im Bertelsmann-Verlag.

Auch der Erfolg seiner unzählige Erlebnisreportagen brachte ihm große Popularität. Ganz Deutschland beteiligte sich damals an der populär gewordenen Suche: „Wer findet C.P. Ettighoffer?“, eine Aktion, die sich mit dem Erfolg heutiger TV-Castingshows zweifellos messen konnte. Seine „Fans“ pilgerten förmlich zu seiner weißen Villa nach Bonn, die neben dem Ernst-Moritz-Arndt-Haus am Rheinufer lag. Hier wurde er 1941 ausgebombt, was wohl der Grund war, weshalb er sich nach seiner Kriegsteilnahme und Gefangenschaft nach dem Kriege im friedlichen Niederkastenholz niederließ.

Leider sind nicht alle seiner Bücher aus der Nachkriegszeit bei Wikipedia angegeben, was doch sehr verwundert! So fehlen zum Beispiel „Das Mädchen ohne Stern“ (1952) oder noch später „Mein amerikanischer Bruder“. Diese beiden Romane entsprachen im besiegten Deutschland nicht dem damals herrschenden Zeitgeist und werden seitdem im manchen Literaturnachweis leider vergessen. Somit wird man dem Gesamtwerk von Ettighoffer nicht immer gerecht. Aber genau das ist der Grund, weshalb ein 1980 im Euskirchener Stadtrat eingebrachter Vorschlag, eine Straße nach dem Schriftsteller zu benennen, ein zwiespältiges Echo hatte. Auch seine Akzeptanz in der Zeit des Nationalsozialismus machte ihn „verdächtig“, sodass die Sozialdemokraten der Kreisstadt Euskirchen vorläufig ihr Veto einlegten.

 

Stadthistoriker

 

Schon vorher hatte Horst Schuh im Jahrbuch 1978 des Kreises Euskirchen, S.39 – 42, sowie offenbar auch im Kölner Stadt-Anzeiger, Lokalteil Euskirchen, vom 21. Februar 1980, auf den inzwischen verstorbenen Autor aufmerksam gemacht, so dass sich im Sommer 1980 allmählich eine Meinung gebildet hatte. Aus persönlicher Sicht rückte auch ich aus „stadthistorischer Sicht das Bild zurecht“. Am 29. August 1980 – kurz vor der Abstimmung im Euskirchener Stadtrat – meldete ich mich in derselben Tagespresse zu Wort. Folgender Artikel löste eine positive Flut von Leserbriefen aus (Vgl. 2. Teil meiner Ettighoffer-Darstellung):

 

Stadthistoriker rückt das Bild zurück
SPD ist gegen geplante „P.-C.-Ettighoffer-Straße“ ---- CDU lobt Verdienste des bekannten Schriftstellers


Von H. -Dieter Arntz

 

Euskirchen - Straßennamen und Mahnmale erinnern an die Geschichte einer Gemeinde oder Stadt, reflektieren aber auch ge­sellschaftliche und politische Begebenheiten. Dass der Euskirchener Stadtrat sich nicht leicht mit der Bewälti­gung unserer jüngsten Vergan­genheit tut, hat die jahrzehnte­lange Diskussion um ein Mahn­mal für Euskirchener Juden gezeigt.

Seit einigen Monaten erhitzen sich die Gemüter an der geplan­ten „P.-C.-Ettighoffer-Straße", benannt nach einem Mann, des­sen schriftstellerische Verdien­ste und große Erfolge die CDU damit würdigen möchte. Der Bestseller-Autor lebte und wirkte von Kriegsende bis zu seinem Tode im Jahre 1975 in Niedekastenholz.

Dieter Mahlberg (SPD) hatte in einem Archiv nachforschen lassen und die Information er­halten, dass Ettighoffer während des Zweiten Weltkrieges als Hauptmann der Propaganda- Kompanie mit seinen Büchern „entsprechend dem damaligen Zeitgeist hohe Auflagen erziel­te". Kritisiert wurde von der SPD, dass er den Emil-von-Steinbach-Preis 1941 angenommen habe. Anfragen in Freiburg, Gü­tersloh, Hamburg und Bonn er­gaben, dass die Euskirchener So­zialdemokraten ungenügend in­formiert waren. Der SPD-Bun- desminister für das Post- und Fernmeldewesen teilte auf An­frage mit, dass sehr wahrschein­lich 1982 eine Sondermarke mit dem Kopf des Schriftstellers in Umlauf gebracht werde.

Was die 4-Millionen-Auflage des erfolgreichen Autors vieler Sach- und Soldatenbücher ange­he, so meinte ein bekannter Ar­chivar aus Hamburg, so hätte selbst ein Schauspieler wie Hans Albers wenig Chancen, von Euskirchener Sozialdemo­kraten berücksichtigt zu werden, da auch dieser „entsprechend dem damaligen Zeitgeist viele Verehrer gehabt habe".

Von den mehr als 30 Büchern, von denen höchstens 10 als „Kriegsbücher" zu verstehen sind, wurden die meisten in viele Sprachen übersetzt. Ein in­ternational anerkanntes Fach­buch über Insektenplagen ge­winnt in südlichen Ländern an Bedeutung; seine Reisebücher, Erlebnisberichte und selbst ein Kriminalroman sind nicht nur der älteren Generation bekannt.

Das 1936 veröffentlichte und inzwischen mehrfach neu aufge­legte Buch „Verdun — das große Gericht" war ein Höhepunkt im Schaffen des Schriftstellers. Als Freiwilliger im 1. Weltkrieg wurde er schwer verwundet, nachdem er in die Marne­schlacht als Kommandeur einer vorgezogenen Feldwache gezo­gen war. Damals - vielleicht auch erst in französischer Ge­fangenschaft - wurde ihm klar, dass ihm dieses Erlebnis eine Aufgabe auferlegt hatte: als Schreibender sich einzusetzen für die „Versöhnung über den Gräbern" — ein Anliegen, das ihm später als Kriegsschriftstel­ler, der des Mahnens nicht müde wurde, zum Ruhm im eigenen Land wie im Ausland verhalf.

Vom Journalismus weg

Der Schriftsteller P. C. Ettighoffer, dem Euskirchener Sozial­demokraten seine Vergangenheit vorhalten, war nie ein Mitglied der NSDAP. Demzufolge war er auch nicht auf der Liste promi­nenter Schriftsteller aufgeführt, die im Oktober 1933 Adolf Hitler „treue Gefolgschaft" gelobten. Ettighoffer wandte sich dem Journalismus völlig ab und schrieb - mit ganz wenigen Ausnahmen - bis 1949 für keine Zeitung mehr. Schikanen folgten, denen zufolge sogar Tochter Gabriele die Schule wechseln musste.

Einer der Höhepunkte im Schaffen von „P. C." war 1941 die Übergabe des Erwin-von- Steinbach-Preises im Kuppel­saal der Universität Freiburg im Breisgau. Dieser - von der Eus­kirchener SPD - kritisierte Preis geht auf den prominen­ten Hamburger Getreidekauf­mann und Reeder, Dr. h. c. Al­fred Toepfer, zurück, einen Re­präsentanten hanseatischen Mä­zenatentums, der in sich nüch­ternen Hamburger Kaufmanns­sinn und hochfliegenden Idealis­mus vereinigte.

1931 rief er die Stiftung „F. V. S. zu Hamburg" ins Leben. Den lakonisch abgekürzten Namen erklärte er noch 1972 im Ham­burger Abendblatt: „Da man sich nicht entscheiden konnte, ob man nun den Freiherrn vom Stein oder Friedrich von Schiller zum Schutzpatron der Stiftung für besondere Verdienste wäh­len sollte, entschied man sich für die drei Buchstaben, die beiden gerecht wurden: F. V. S."
Der Erwin-von-Steinbach- Preis (v. Steinbach war ein gro­ßer Baumeister) gehört zu einem ganzen Bündel von Preisen, die zu der „F.V.S.-Stiftung" gehören. Laut Vergabebestimmung sollte er an „hervorragende Persön­lichkeiten verliehen werden, die dem alemannischen Volkstum entstammen und in überragen­den Werken über Landschaft und Volkstum in diesem Raum (vor allem an seinen Grenzen) Zeugnis ablegen".

P. C. EttighofferP. C. Ettighoffer erhielt den Preis dafür, dass er sich in seinen Büchern - für die vor dem 1. Weltkrieg, nach der Zabern-Affäre (1912), als unzuverlässige Deutsche vom Reich her verdächtigten Elsässer eingesetzt hatte. Ettighoffer wurde im Elsass geboren.

Der bedeutendste Preis der „F.V.S.-Stiftung" ist auch heute noch der Hansische Goethe­reis, der 1950 an den Schweizer Diplomaten und Schriftsteller Carl Jacob Burckhardt verliehen wurde, später aber auch an T. S. Eliot, Walter Gropius, Theodor Heuss, Martin Buber und Gabriel Marcel.

Man sieht, Ettighoffer braucht sich der illustren Umgebung nicht zu schämen. 1965 betonte der Festredner beim Treffen der „F.V.S.-Preisträger" in Hamburg, Professor Dr. Metz, dass man den Steinbach-Preis 1941 an Ettighoffer gegen den Wider­stand des Goebbels-Ministe­riums verliehen habe. Der Stifter der Stiftung, Alfred Toepfer, sei selber ein Jahr in Gestapo-Haft gekommen, weil er sich unter anderem geweigert habe, die F.V.S.-Stiftung dem Propa­ganda-Ministerium zu unterstel­len. P. C. Ettighoffer war selbst­verständlich zu diesem Hambur­ger Jubiläumstreffen als Preisträ­ger eingeladen worden.

Im französischen Rundfunk und Fernsehen warb der in Bonn ausgebombte, ab 1946 in Nieder­kastenholz lebende Schriftstel­ler für die Aussöhnung der Völ­ker. Die Anerkennung, die ihm Euskirchener Sozialdemokraten nicht geben wollen, wird ihm in Frankreich längst gewährt.

Auf Anfrage hin teilte Spiegel-Herausgeber Augstein mit, dass man in dortigen Archi­ven keinen Anlass hätte, Ettig­hoffer „etwa als NS-Autor zu verstehen. Es kann nicht ge­sagt werden, dass Ettighoffer zum Aufstieg des Nationalsozia­lismus beigetragen hat, wohl aber, dass der Heroenkult man­cher Verdun-Autoren von die­sem Nationalsozialismus ge- und missbraucht wurde." Ähnliche Ansichten vertritt der Schriftsteller Rolf Hochhuth, der am Beispiel Filbinger sicher recht kritische Maßstäbe anleg­te.

Maurice GenevoixDas 1976 wieder neu aufge­legte Buch „Verdun — das große Gericht" ist auch noch heute in der Diskussion der Völkerver­ständigung anerkannt. In dem Nachwort macht sich Maurice Genevoix von der berühmten Academie Francaise zum Für­sprecher des deutschen Schrift­stellers, dem er Objektivität und tiefes und leidenschaftliches Empfinden einer brüderlichen Menschlichkeit nachsagt.

Größte Anerkennung für seine schriftstellerischen und sicher auch menschlichen Leistungen wurde ihm 1975, wenige Monate vor seinem Tode, zuteil: Eine Einladung zum „Colloque Inter­nationale" in Verdun, auf Grund einer Einladung von Valery Giscard D'Estaing, dem Präsidenten Frankreichs.

„Propheten gelten nichts im eigenen Lande!" Anlässlich der Beerdigung des Schriftstellers aus Niederkastenholz war kein Vertreter der Stadt und des Krei­ses anwesend. Dabei hatte sich P. C. Ettighoffer zusätzliche Ver­dienste als stellvertretender Bür­germeister des kleinen Dorfes und Heimatforscher erworben. Der Verband der Heimkehrer, Kreisverband Bonn, hat auch in­zwischen eine Straßenbenen­nung in der Bundeshauptstadt beantragt, da der Elsässer hier bis Kriegsende gelebt hatte. Oberbürgermeister Dr. Daniels hat dem Vorhaben bereits zuge­stimmt. Und Euskirchen?

Fortsetzung folgt...

 

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Ettighofer

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