Konzept für die Shoah-Gedenkstätte „Cinqfontaines“ in Luxemburg

von Hans-Dieter Arntz
23.08.2014

Seit der persönlichen Begegnung mit Monsieur Henri Juda, Vizepräsident der Credit Suisse Luxembourgsowie Gründer und Präsident von MemoShoah Luxembourg, hat sich mein Interesse an der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte im deutsch-luxemburgischen Grenzgebiet erweitert und gerne trage ich im Bereich meiner Möglichkeiten zur Schaffung der nationalen Shoah-Gedenkstätte „Cinqfontaines“ bei. Seit dem Jahre 2013 gibt es diesbezüglich viele Aktivitäten.

Im Rahmen des „Klenge Maarnicher Festival“ wohnten rund 150 Gäste einem Vortrag des Historikers Prof. Marc Schoentgen über das Leben und Leiden der jüdischen Lagerinsassen von „Fünfbrunnen“ bei. In dem davon handelnden, 37-minütigen Life-Video von Artur Leonardo Kurkowiak geht es somit um die Geschichte der Juden in Luxemburg.

Das „Kloster Fünfbrunnen“ liegt zwischen Troisvierges und Sassel im Norden des Landes. In „Cinqfontaines“ befand sich der einzige Internierungsort für Juden in dem vom Deutschen Reich besetzten Luxemburg. Ab 1941 war im Kloster das „Jüdische Altersheim“ untergebracht, hinter dessen Bezeichnung sich in Wahrheit ein Sammellager für die Deportationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager verbarg. Hier soll es künftig ein Shoah-Memorial geben, für die sich MemoShoah seit dem Jahre 2013 einsetzt. Henri Juda meinte in einem Interview mit der Zeitung „Luxemburger Wort“:

 „In einer Nachkriegszeit, die zunächst von derErinnerung an das Leiden und den Widerstand des Luxemburger Volkes und später dann vom langen Kampf der Zwangsrekrutierten um Anerkennung geprägt war, ist das Schicksal der Juden allzu lange vergessen worden. Man soll das heikle Thema endlich ins Scheinwerferlicht rücken“.

 

Friedhof der Stadt Mechernich 1

 

Meine regionalhistorische Homepage befasst sich grundsätzlich mit der Voreifel und Eifel, aber ich möchte künftig auch an die Judenverfolgung im Nachbarland erinnern. Werfen wir also auch heute einen kleinen Blick über die deutsch-luxemburgische Grenze.

So wies ich im Februar 2014 auf den sehenswerten Film von Adolf Winkler: „Das jüdische Leben im Dreiländereck Belgien-Deutschland-Luxemburg“ und am 16. Juli auf MemoShoah in Luxemburg und „Comité de patronage“ hin. Damit wollte ich an die antijüdischen Maßnahmen der Nationalsozialisten erinnern, die bekannterweise keineswegs an der Grenze der Eifel ein Ende fanden, sondern ab 1940 mit dem Einmarsch in Luxemburg konsequent fortgesetzt wurden. Das Foto zeigt das Kloster Fünfbrunnen, das im Krieg konfisziert und als Sammellager für die Juden missbraucht wurde. (Foto: Sammlung Francis Breyer)

 

Friedhof der Stadt Mechernich 1

 

Der Historiker Marc Schoentgen erinnert in seinem gefilmten Vortrag an die Tatsache, dass die deutsche Besetzung und die Einführung einer nationalsozialistischen Zivilverwaltung im Jahre 1940 für die Luxemburger Bevölkerung eine radikale Veränderung der Lebensumstände bedeuteten. Während das NS-Regime durch Propaganda und Terror versuchte, die katholische Bevölkerung politisch auf seine Seite zu ziehen, begann für die Luxemburger Juden eine Zeit der sozialen Ausgrenzung sowie der völligen Entrechtung, die in Ausplünderung, Deportation und systematischer Ermordung gipfelte.

Für die antijüdische Politik in Luxemburg spielte der Ort „Cinqfontaines“ eine zentrale Rolle. Dort befand sich ab August 1941 das „Jüdische Altersheim Fünfbrunnen“. Marc Schoentgen führt hierzu aus:

Hierher kamen auf Befehl der Gestapo die Mehrzahl der Juden, die noch in Luxemburg
lebten. In kleinen Gruppen wurden die Menschen nach und nach per Bus oder Zug in das
leer stehende Herz-Jesu-Kloster verbracht. Viele hofften, dass man hier, vor weiteren
Ausschreitungen und Deportationen geschützt, das Kriegsende oder die Auswanderung
nach Übersee abwarten könne. Tatsächlich wurde das „Jüdische Altersheim“ zu einer Art
Sammelplatz für etwa 300 Personen. Vor allem Alte und Kranke – betreut von jüngeren
Gemeindemitgliedern – lebten dort unter menschenunwürdigen Bedingungen. Platzmangel, Hunger und Krankheiten prägten den Alltag. Das Heim lag zwar etwas entfernt von Ulflingen (Troisvierges), seine Existenz wurde aber keineswegs geheim gehalten. Im Prinzip hatte jeder freien Zugang zum Altersheim, da es keinerlei Bewachung gab. Gestapo und örtliche Nazi-Kollaborateure führten unter den Heimbewohnern gefürchtete Kontrollbesuche durch, die nicht selten mit Schikanen endeten.

Nach einer ersten Deportation im Oktober 1941, durch die über 300 Menschen in das
so genannte „Ghetto Litzmannstadt“ (im besetzten Polen) verschleppt wurden, nahm die
Gestapo die Transporte im April 1942 wieder auf, und es wurde schnell deutlich, dass auch
Fünfbrunnen nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Theresienstadt und Auschwitz
darstellte. Mit dem letzten der insgesamt sieben Transporte wurden im Juni 1943 die letzten Heiminsassen nach Theresienstadt deportiert. Das Altersheim wurde geschlossen, die jüdische Gemeinde existierte nicht mehr.

Seit 1969 treffen sich Überlebende der Shoah sowie Familienangehörige der Opfer zu einer
Gedenkfeier am Auschwitz-Monument in Fünfbrunnen. Zu der Erinnerungsfeier, die vom Comité Auschwitz Luxembourg jährlich im Juli organisiert wird, nehmen heute Bürger und Bürgerinnen aus dem ganzen Land teil. Inzwischen gibt es ein Konzept für eine Shoah-Gedenkstätte und ein Jugendbegegnungszentrum in Fünfbrunnen („Cinqfontaines“).


Als besonderer Ort jüdischen Leidens während des Naziregimes in Luxemburg kommt somit „Fünfbrunnen“ eine sehr große Symbolkraft zu. In der zurzeit konzipierten Gedenkstätte, in deren Rahmen die Geschichte der Shoah im Allgemeinen und im Besonderen in Luxemburg dargestellt sowie allen Bürgern zugängig gemacht werden soll, möchte man künftig auch die Jugend im Rahmen pädagogischer Programme mit den Geschehnissen der Nazi-Diktatur konfrontieren.

 

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Das Konzept der Shoah-Gedenkstätte „Fünfbrunnen“

Dank des Entgegenkommens der Herz-Jesu-Pater verfügt die Vereinigung „MemoShoah“ mit dem Gelände der vor Ort gelegenen „Pafemillen“ bereits über einen Standort, und auch erste architektonische Entwürfe liegen inzwischen vor. Der Architekt Christoph Rosenberg hat kostenfrei einen ersten zeichnerischen Entwurf der Gedenkstätte entwickelt. Die hier abgebildeten Skizzen stammen von ihm. Derzeit ist ein Budget von rund 2,5 Millionen Euro vorgesehen. Die Bauarbeiten könnten in etwa anderthalb Jahren beginnen.

Die unmittelbare Nähe der Bahnlinie rückt das Unfassbare der Thematik der Deportation ins Zentrum der Wahrnehmung. Ausgehend von dieser Besonderheit wird das Projekt für die Gedenkstätte in engem räumlichem Bezug zu dieser Thematik konzipiert:

 

Friedhof der Stadt Mechernich 1

 

Parallel zu der bestehenden Bahnlinie wird als zentrales Element des Projekts ein imaginäres „Gleis der Erinnerung“ vorgeschlagen. Es versinnbildlicht den Leidensweg der jüdischen Bevölkerung in Luxemburg und dokumentiert zugleich die Zielpunkte der Deportationen aus Luxemburg und das darauffolgende unvorstellbare Leiden.

Die Besucher passieren auf dem Weg vier Stationen, welche die vier Zielpunkte der Deportationen aus Luxembourg - Auschwitz, Theresienstadt, Litzmannstadt und Izbica - repräsentieren. Ein abstraktes, dunkles Wandelement symbolisiert an jeder der geplanten Stationen eine Gruppe gedrängt und gebückt wartender Menschen. Es beschränkt den
Blick auf die idyllische Umgebung und formuliert zusammen mit den auf schmalen Tafeln im Boden verzeichneten Namen der deportierten Juden einen besonderen Erinnerungspunkt. Die zentrale Station bildet das zur Gedenk- und Begegnungsstätte transformierte Gebäude der ehemaligen „Pafemillen“.

Nicht nur die belgische Zeitung „Grenzecho“ befasste sich am 25. Juli 2014 mit der neuen „Nationalen Gedenkstätte am Kloster Fünfbrunnen“. Hier hieß es bedeutsam: „MemoShoah will an den Schrecken erinnern“.

 

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Am 21. Juni 2014 berichtete die größte Luxemburger Zeitung unter der Überschrift „Die vergessene Verpflichtung“ über die Pläne des Luxemburger Shoah-Zentrums. Hier konfrontierte der Journalist John Lamberty die Leser mit einem offenbar vergessenen Verbrechen und sogar mir recht peinlichen Fragen:

Als die breite Öffentlichkeit Anfang 2013 vor allem durch den Historiker Denis Scuto von einer bis dahin eher in Forscherkreisen bekannten Liste mit den Namen 280 jüdischer Kinder erfuhr, traf es die kleine „Resistenznation“ wie einen Donnerschlag. War die Liste 1940 im Auftrag der Luxemburger Verwaltungskommission, die damals stellvertretend für die ins Exil gegangene Regierung agierte, in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem deutschen Besatzer erstellt worden? Trägt das Land etwa eine Mitverantwortung an der Deportation seiner jüdischen Mitbürger?

Es sind dies nur einige der Fragen, die seither nicht nur die Historikerriege spalten, sondern – zumindest für einen kurzen Moment – auch in einen gesellschaftlichen Diskurs über die noch junge historische Erforschung des Schicksals der Juden und der Kollaboration in Luxemburg mündeten. Die Debatte setzte selbst die Regierung Juncker unter Druck, die sich erst kurz zuvor veranlasst gesehen hatte, eine Historikergruppe zur Hinterfragung der Rolle der ominösen Verwaltungskommission einzusetzen. Dies nachdem sich der belgische Premier Elio Di Rupo bei der jüdischen Gemeinschaft für die Haltung belgischer Behörden im Krieg entschuldigt hatte.

Bis Mai dieses Jahres sollten die Historiker erste Erkenntnisse vorlegen. Eine Frist, die jedoch zwischenzeitlich nochmals verlängert wurde. Womit das heikle Thema erst einmal aus dem öffentlichen Scheinwerferlicht rückte ... Nicht so für eine Reihe engagierter und geschichtsbewusster Bürger, die sich im Herbst 2013 zur Gründung der Vereinigung „MemoShoah“ zusammenfand, um sich gemeinsam für die Aufarbeitung und die Vermittlung der Geschichte der Luxemburger Juden einzusetzen.

Was die Fertigstellung betrifft, so zeigte sich Henri Juda zögerlich optimistisch. In der Zeitung „Grenzecho“ meinte er:

Besonders gefreut hat mich, dass Père Supérieur JJ Flammang und sein Synodalrat sich spontan bereit erklärten, der Vereinigung MemoShoah die Grundrechte zum Bau des Zentrums zu schenken. (...) Angesichts der Tatsache, dass vor einer Woche im Süden des Landes ein alter Hochofen als Erinnerung an die Stahlindustrie eingeweiht wurde, dessen Restaurierung stolze 40 Millionen Euro kostete, erachte ich diesen Betrag doch als eine verhältnismäßig bescheidene Forderung (...) Besonders stolz bin ich darauf, dass das großherzogliche Paar die Schirmherrschaft über das ehrgeizige Projekt übernommen hat.“

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