„Nikolausfeier“ (Sinterklaas) 1942 im Konzentrationslager Westerbork (Niederlande)

von Hans-Dieter Arntz
05.12.2015

Der heutige 5. Dezember und das Erscheinen von Sinterklaas sind inzwischen in den Niederlanden ein mediales Ereignis. Das eigentliche Fest wird am Abend des 5. Dezember gefeiert, dem Vorabend des heiligen und christlichen Tages. Er entspricht eigentlich unserer „Nikolausfeier“. Aber selbst im Konzentrationslager Westerbork - dem vom nationalsozialistischen Deutschland eingerichteten Durchgangslager, aus dem mehr als 102.000 Juden und Zigeuner in den Holocaust deportiert wurden -, veranstaltete man natürlich auch für die jüdischen Kinder diesen beliebten „Geschenketag“.

 

Kinder in Westerbork feiern das Chanukkafest
Foto: Niod Amsterdam, image bank WW2, Niod 66443, bei Arntz a.a.O. S. 258)

 

Josef Weiss (1945)

Vorausschicken möchte ich den Hinweis, dass mich erstmals die Kraft jüdische Religiosität beeindruckte, als ich mich vor mehr als 3 Jahrzehnten mit meiner Publikation zum Thema Religiöses Leben der Kölner Juden im Ghetto von Riga befasste. An diesem Beispiel wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass auch jüdische Religiosität aus dem individuellen Streben nach Sinnfindung und Welterklärung entspringt und in ganz speziellen Notsituationen Kraft, Trost und Hoffnung gibt.

Viele Menschen versuchen, mit ihrem Erleben die Zugehörigkeit zu ihrer Gruppe zu bestimmen und zu festigen. Auch sehen sie in Notsituationen eine besondere Sinnhaftigkeit sowie Erprobung und Bewährung ihres Glaubens. Am Beispiel der dantesken Situation im Konzentrationslager Bergen-Belsen wies ich in meinem Buch Der letzte Judenälteste von Bergen Belsen (2012) auf viele Beispiele jüdischer Glaubensfestigkeit hin, die für Kraft, Hoffnung und Vorbildfunktion exemplarisch sind. Vgl. hierzu auch meinen diesbezüglichen Online-Artikel: Einige Beispiele jüdischer Religiosität im KZ Bergen-Belsen.

Aber auch andere, nicht unbedingt jüdische Feste wurden in den Konzentrationslagern begangen. Eigentlich dienten sie dann als kulturelle und soziale Beiträge mit einem gewissen Unterhaltungs- bzw. „Ablenkungs“-Wert. In dem erwähnten Buch über den letzten Judenältesten von Bergen-Belsen zitiere ich nicht nur eine Chanukka-Feier im Konzentrationslager Westerbork, sondern auch eine Nikolausfeier, die als typische „Sinterklaas-Feier“ für die eingepferchten Kinder im niederländischen Sammellager für Juden abgehalten wurde (1942).


Sinterklaasfeier (Nikolausfeier) im Konzentrationslager Westerbork
Foto: Herinnerungscentrum Kamp Westerbork (Commemoration Center Camp) Image bank WW2 –
HCKW 146310; bei Arntz a.a.O. S. 258)

 

Sinterklaas ist die niederländische Bezeichnung für eine volkstümliche, an den historischen Nikolaus von Myra angelehnte Gestalt. Er ist Hauptfigur eines Kinderfestes, das am 5. Dezember in den Niederlanden gefeiert wird. Nirgendwo sonst auf der Welt wird der Geburtstag des Heiligen Nikolaus (auf Niederländisch: Sinterklaas) so groß gefeiert wie in Holland.

Um den Bezug zu meiner regionalhistorischen Homepage zu wahren, sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der erwähnte „Judenälteste“ Josef Weiss (1893-1976) hieß und aus Flamersheim stammte, heute ein Vorort der Kreisstadt Euskirchen. Er und die Holocaust-Überlebende und Schriftstellerin Hetty Verolme sind die Protagonisten meiner Darstellung: „Nikolausfeier“ (Sinterklaas) 1942 im Konzentrationslager Westerbork (Niederlande)“.

Der folgende Text stammt aus meinem Buch „Der letzte Judenälteste von Bergen-Belsen“ (Kapitel 7, S. 136/37):

 

 

Hetty Werkendam als 12jährige (1942)

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