Wie in Fachkreisen bekannt geworden ist, soll in nächster Zeit ein Zeitdokument verkauft werden, das keineswegs in die Hände der „rechten Szene“, sondern nur in den Besitz großer Museen oder NS-Dokumentationszentren gelangen soll: die originale Grundsteinurkunde der ehemaligen Ordensburg Vogelsang. Potenzielle Käufer werden mir daher bei ihrer Bewerbung ihre Funktion und vollständige Anschrift sowie den nachweisbaren Grund ihres Interesses detailliert angeben müssen. Weitere Dokumente, Fotos und Gegenstände von musealem und zeithistorischem Interesse sowie der einzige Originalfilm aus jener Zeit sollen nach der Publikation meines vierten Buches über die Ordensburg Vogelsang in „sichere“ Hände übergehen.
Leser dieser regionalhistorischen Homepage werden eine gewisse Zurückhaltung gegenüber kreisnahen Institutionen festgestellt haben, die seit 1986 bis heutzutage wenig Interesse an einem Dokumentationszentrum der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang gezeigt haben. Auch an der Übernahme der originalen Grundsteinurkunde aus dem Jahre 1934 scheiterte es vor einigen Jahren, sei es aus fachlichen oder finanziellen Gründen. Dass aber ein leicht verfremdetes Foto von der angebotenen Urkunde sofort - ohne Wahrung des Copyrights - auf deren Homepage erschien, machte den Verantwortlichen für die Kultur des Kreises Euskirchen offenbar wenig aus. Dabei handelt es sich um das wahrscheinlich wertvollste Dokument der Euskirchener NS-Vergangenheit.
Historischer Rückblick auf die Grundsteinlegung (22.09.1934)
Genau 76 Jahre nach der feierlichen Verlegung des Grundsteins zeigt ein Foto, dass weder die Urkunde noch die daraufhin folgende Nazizeit von großem Format waren. Der Vergleich zu einer Zeitung vom 12. September 2010 beweist, dass die am 22. September 1934 eingemauerte Grundsteinurkunde keineswegs gigantisch ist, wenn auch ihr Inhalt eine „neubeginnende Geschichtsepoche“ prophezeit. Ausführlich wird in dem Standardwerk Ordensburg Vogelsang 1934-1945 – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich die im damaligen Deutschen Reich stark beachtete „feierliche Einmauerung“ auf den Seiten 54 bis 63 beschrieben.
Demzufolge fand sie am „Samstag, dem 22. September 1934, nachmittags um 3 Uhr, in den Turm der Schulungsburg Vogelsang“ statt. In den Reden wurde demonstrativ der Wunsch geäußert, künftig an dieser Stelle „Führer, Prediger und Schwärmer für das deutsche Volk“ heranbilden zu können. Auch für Prof. Klotz war das Ereignis von großer Bedeutung, denn als Architekt stand er am Anfang einer großen Karriere. Zeitungsbilder zeigen ihn bei der Baubesichtigung mit Dr. Robert Ley.
Der vollständige Text der eingemauerten Urkunde lautet:
Im 2. Jahr nach der Regierungsübernahme durch den Führer und Schöpfer des Nationalsozialismus, Adolf Hitler, gab dessen Stabsleiter, Dr. Robert Ley, den Auftrag zur Errichtung der „Burg Vogelsang" am Urftsee im Kreis Schleiden.
Mit der Planung der Bau-Aufgabe wurde der Architekt Clemens Klotz beauftragt. Nach dem im März 1934 erfolgten ersten Spatenstich führten die vorbereitenden, der Lage und Größe des Bauvorhabens entsprechenden gewaltigen Arbeiten zur nunmehrigen, feierlichen Grundsteinlegung.
Heute ist der Kanzler Adolf Hitler nach dem einmütigen Willen des deutschen Volkes der alleinige Führer des geeinten Deutschlands. Der Stabsleiter der Politischen Organisation und gleichzeitige Führer der Deutschen Arbeitsfront ist Staatsrat Dr. Robert Ley, dessen Stellvertreter und Leiter des Führeramtes Rudolf Schmeer, Reichstagsmitglied. Der Beauftragte des Führers für die gesamte Schulung ist Alfred Rosenberg, Reichstagsmitglied. Gauleiter des Gaues Köln-Aachen, in dem die Burg Vogelsang erbaut wird, ist Staatsrat Josef Grohé, und Kreisleiter des Kreises Schleiden ist Franz Binz, Reichstagsmitglied. Die Errichtung der „Burg Vogelsang" gibt hunderten Arbeitern nach Jahren entsetzlichster Arbeitslosigkeit und dadurch bedingter fürchterlicher körperlicher und seelischer Not auf lange Zeit Betätigungsmöglichkeit, Brot und Lebensfreude. Die gesamte Bevölkerung, besonders die Landwirtschaft der näheren und weiteren Umgebung, erhält für die Zukunft Absatzmöglichkeit und allgemeine Förderung.
Die Burg wird zur Fundamentierung der nationalsozialistischen Weltanschauung für jetzt und kommende Generationen beitragen. Als hohe Schule der Kameradschaft trägt sie zur Überwindung von Klassengeist und Standesdünkel bei, läßt tausende Volksgenossen alljährlich echte Volksgemeinschaft der Tat erleben, damit unser Volk in der neubeginnenden Geschichtsepoche den unseligen Drachen der Zwietracht überwindet.
In Sonderlehrgängen werden geeignete junge Deutsche zu Soldaten und Predigern nationalsozialistischer Weltanschauung herangebildet, die von hier aus in alle Gaue des Reiches gehen zur Durchdringung der deutschen Volksseele im großen Umbruch der Werte, vom Liberalismus, Marxismus, proletarischen Standpunkt, feigen orientalischen Denken zum nordisch freien, stolzen, heldischen, deutschen Wesen in der bewußten Volksgemeinschaft.
Burg Vogelsang, den 22. September 1934. HEIL HITLER!
(Unterschriften: Dr. Robert Ley, Architekt Clemens Klotz, Dr. Max Frauendorfer (für Rosenberg), Gauleiter Josef Grohe und Burgkommandant Franz Binz.)
Für die feierliche Grundsteinlegung hatten Reichsschulungsleiter Otto Gohdes sowie der Reichsorganisationsleiter und Führer der Deutschen Arbeitsfront (D.A.F.), Dr. Robert Ley, ein dem Zeitgeist entsprechendes Programm entworfen.
In Anwesenheit des Gauleiters Josef Grohé, vieler NS- Potentaten sowie des Schleidener Kreisleiters Franz Binz ritten einhundert Angehörige der Eifeler Bauernschaft auf das Burggelände. Später erfolgten Sprechchöre der Bauarbeiter und das gemeinsame Lied „Brüder in Zechen und Gruben“, die typischen Reden, das Singen des Horst-Wessel-Liedes, die Verlesung und Unterzeichnung der Grundsteinurkunde sowie die obligatorischen Hammerschläge und Weihesprüche. Auf der Rückseite der gedruckten Einladung stand der Text des „Saarliedes“, das vor dem „Abrücken der Formationen“ gemeinsam gesungen werden sollte. Absoluter Höhepunkt der „Feierlichen Einmauerung der Bauurkunde in den Turm der Schulungsburg Vogelsang“ war der Große Zapfenstreich auf dem Marienplatz in Gemünd.
Nicht nur die schlichten Lokalausgaben der Kreise Schleiden und Euskirchen, sondern auch überregionale Ausgaben des „Westdeutschen Beobachters“ und der gleichgeschalteten deutschen Presse stellten die künftige „Ordensburg Vogelsang“ vor, obwohl damals noch im kämpferischen Sinne von einem „Reichsschulungslager“ die Rede war. In vielen Fotos wurden am 24. September 1934 Dr. Ley, Dr. Frauendorfer, Gauleiter Grohe´ und andere abgebildet. In Anlehnung an den künftigen Namen „Vogelsang“ war ein gewaltiger Grundstein aus Granit mit einem zwitschernden Vogel hergestellt worden, in den eine Kupferhülse mit der Urkunde eingelegt wurde. Grundstein und Urkunde sollten „für die Ewigkeit“ als „Symbol des 1000jährigen Nationalsozialismus“ an gleicher Stelle ruhen. Interessant für den Größenwahnsinn der Nationalsozialisten war die Schlussfolgerung von Dr. Ley, dass die im etwa 50 Meter hohen Bergfried eingemauerte Urkunde „...nie gefunden werden kann, damit diese Burg ewig bleibe, wie unser herrliches, deutsches Volk.“
Etwa 11 bis 12 Jahre sollte es dauern, wie sie von der „ewigen“ Stelle entfernt wurden. Während der Grundstein seitdem im Gebäude abgestellt ist, entfernten britische Besatzungssoldaten die Urkunde und ließen sie als „Beute“ im Privatbesitz verschwinden.
Die Grundsteinurkunde von Vogelsang als „Kriegsbeute“
In meinem Buch Ordensburg Vogelsang 1934-1945 – Erziehung zur politischen Führung im Dritten Reich stelle ich an mehreren Stellen das weitere Schicksal der Grundsteinurkunde der Ordensburg Vogelsang dar. Ein Artikel in der Überschrift „The High School of Comradeship“ beweist, dass bereits im Jahre 1947 britische Besatzungssoldaten gezielt und erfolgreich nach dem Grundstein und der Urkunde gesucht hatten. Ein Interview mit dem damaligen Kommandanten Lieut.-Col. W.Y.K.Blair Oliphant ergab, dass das historische Dokument baldigst im British Museum London hinterlegt werde. Zudem wird die Urkunde in nicht guter Qualität als Foto gezeigt und ist – ergänzend zu der Ablichtung in den Händen von Prof. Klotz - ein Beweis dafür, dass es sich tatsächlich um die echte Urkunde handelt.
Auch die Darstellung in dem englischsprachigen Artikel, der in deutscher Übersetzung „Vogelsang – Der schwarze Schrein von Adolf Hitler“ lautet, ergab keine anderen Ergebnisse. Auf meine Recherchen hin erfuhr ich aber am 20. Februar 1986, dass die Grundsteinurkunde nirgendwo eingetroffen sei. Ähnliche Ergebnisse gab es beim British Museum und Imperial War Museum. Ergo: Seit 1948 gilt die Urkunde als verschollen.
Zur gegenwärtigen Situation
Vor etwa einem Jahrzehnt wurde sie im Nachlass eines namentlich bekannten, englischen Offiziers gefunden, der die Kriegstrophäe seiner Sammlung beigefügt hatte. Die Verwandten wollten sie veräußern, befürchteten aber, dass rechtsradikale Kreise diesbezüglich aktiv werden würden, und unterließen den Verkauf. Danach wechselte die Grundstein-Urkunde mehrfach den Besitzer und befindet sich heute in einem historischen Privatarchiv.
Im Jahre 2006 – nach dem Abzug der Belgier und der Übernahme durch die Bundesrepublik - glaubte man, bei einem Verantwortlichen für die Kultur des Kreises Euskirchen, historisches Interesse finden zu können. Wer seit dieser Zeit die NEWS und die Vogelsang-bezüglichen Artikel meiner regionalhistorischen Homepage verfolgt hat, wird meine bis auf das Jahr 1986 zurückgehenden Aufforderungen finden, endlich ein Dokumentationszentrum in dem ehemaligen Ordensburg-Gelände zu institutionalisieren.
Besondere Ereignisse erweckten seitdem den Eindruck, als wenn man daran gar nicht interessiert wäre. Während die Belgier mit ihrem Presseoffizier Vinage einen kompetenten Fürsprecher hatten und sogar ein kleines Museum einrichteten, fällt seit 2006 die befremdliche Zurückhaltung auf, letztmalig ehemalige „Junker“ zu befragen und deren Privatarchive zu übernehmen.
Während 1986 noch ca. 200 ehemalige „Führeranwärter“ lebten und bereitwillig für historische Fragestellungen zur Verfügung standen, sind heute nur noch drei bis vier bekannt, die zurzeit mit einem langatmigen Fragebogen von einem Journalisten belästigt werden. Die Auskunft über ihre einstige sexuelle Aktivität als „Junker“ kann von den inzwischen 95jährigen Herren überhaupt nicht nachvollzogen werden und dürfte auch kaum zu den gewünschten wissenschaftliche Erkenntnissen führen.
Nachdem sich der Ankauf der Grundsteinurkunde im Jahre 2006 zerschlagen hatte, ruhten die diesbezüglichen Aktivitäten mit der Erwartung, dass die Verantwortlichen des heutigen Vogelsang-Management entsprechende Aktivitäten unternähmen. Wohl aus besonderen Überlegungen heraus bevorzugte man es, sterile wissenschaftliche „Reader“ erstellen zu lassen, in denen viele Fachautoren ihre Spezialgebiete – ohne Hilfe der „Oral History“ und Video-Interviews – gesondert publizierten. Dass das Thema „Ordensburg Vogelsang“ schon immer interessant war, beweist nicht nur die Tatsache, wie schnell im Jahre 1986 die 1. Auflage meines o.a. Buches „Ordensburg Vogelsang 1934-1945“ verkauft war. 4.000 Exemplare waren in kurzer Zeit vergriffen. Seit kurzem wird die 6. Auflage durch den Helios-Verlag Aachen angeboten.
Zudem müsste mal überprüft werden, wie stark die Anzahl der musealen Ausstellungsstücke auf dem Burggelände seit dem Jahre 2006 angewachsen ist! Im November desselben Jahres gab es peinliche „Irritationen“, als die Verantwortlichen vorgaben, ein „geheimes Vogelsang-Archiv“ gefunden und aus Belgien mühevoll zurückgebracht zu haben. Dass diese Unterlagen teilweise von Privatleuten den Belgiern überlassen wurde und natürlich nichts „Geheimes“ enthielten, stellte sich schnell heraus. Nicht nur seit meinem Online-Artikel NS-Ordensburg Vogelsang: Irritationen um Aufarbeitung der Geschichte hielt man sich nun zurück, aber das Vertrauen in die angeblich Kompetenz der Angestellten ließ schnell nach. Längst war zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass Privatleute qualitativ bessere Archivunterlagen besaßen. Dies wurde besonders deutlich, als im November des Jahres 2007 Oberstleutnant Thomas Enke - letzter „Deutscher Militärischer Vertreter der Bundesrepublik“ im belgischen Camp Vogelsang – mir die gesamten Vogelsang-Unterlagen überließ, die die Zeit von 1957 bis 2006 beinhalteten. Waschkörbeweise trugen wir die Unterlagen in mein Archiv (Vgl. NEWS vom 18.12.2007 ).
Zwei zehnminütige Originalfilme über die Ordensburg Vogelsang aus der NS-Zeit verkaufte ich 2007/2008 ins Ausland, weil keiner im Kreis Euskirchen interessiert war. Nur ein 20minütiger Originalfilm soll weiterhin in meinem Besitz bleiben, weil ich ihn für meine Vorträge benötige. Er zeigt nicht nur den Bau der Ordensburg, sondern auch den dortigen Besuch von Veteranen aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 und dem Ersten Weltkrieg.
Schon in früheren Zeiten wollte ich das Archiv des Bauleiters Karl-Friedrich Liebermann vermitteln, denn dessen Unterlagen, die ich auf den Seiten 20 ff. meines Buches erwähnte, wären für ein Dokumentationszentrum sinnvoll gewesen. Weniger der Architekt Prof. Klotz als er war es, die die damalige Bauzeit 1934-1936 wesentlich gestaltete, ehe er zum Bau der Nürnberger Parteitagsgeländes und des Berliner Monumentalausbaus berufen wurde.
Zur jetzigen Situation
Der Nationalpark Eifel und dessen Erfolg bei den unzähligen Besuchern hat es bewirkt, dass auch viele Interessierte die ehemalige Ordensburg besuchen. Dennoch sollte ein entsprechendes Museum für die offenbar sehr vielseitig motivierten Mitarbeiter des Dokumentationszentrum weiterhin in Betracht gezogen werden.
Nachdem ich in den letzten Wochen beim Bundesarchiv in Koblenz und Berlin-Lichterfelde sowie bei den bereits erwähnten englischen Institutionen und dem Imperial War Museum erneut vorstellig geworden bin, um von juristischer Seite her über den avisierten Verkauf der Grundsteinurkunde informiert zu sein, weise ich auf das historisch sicher wichtige Dokument hin. Unter Angabe der o.a. Konditionen und ausschließlich Online-Kontakten stehe ich vermittelnd zur Verfügung.
Euskirchener Wochenspiegel und Schleidener Wochenspiegel vom 6. Oktober 2010
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