Vergessen werden ist schlimmer als nur ein Name auf einer Liste:
Das traurige Beispiel der Jüdin Inge Rothschild aus Euskirchen/Hellenthal

von Hans-Dieter Arntz
07.11.2011

Vergessen Artikel

 

Schade, dass der Journalist nicht am Montag, dem 3. November, der großen Gedenkveranstaltung in Euskirchen zum 70. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ beigewohnt hat. Schade, dass er nicht wenigstens etwas recherchiert hat, um besser informiert zu sein als am Ende des Holocaust. Zeitzeugen hätten ihm bereits am 3. November weiterhelfen können.

Ein heute erschienener Zeitungsartikel beweist in eindringlicher Form, dass vergessen werden vielleicht schlimmer ist, als nur ein Name auf einer Liste zu sein.

Rothschild

Inge Rothschild (1935) im Kreise der Familienangehörigen Horn und Rothschild
Copyright: Hans-Dieter Arntz

Es handelt sich um einen Beitrag in der heutigen Lokalsausgabe einer Tageszeitung: „Sie überlebte wie durch ein Wunder“. Hier wird die in der Kreisstadt Euskirchen am 18. Februar 1932 geborene Inge Rothschild dargestellt, die damals mit ihrer Familie in der Hochstraße 18 wohnte. Noch ehe diese Adresse in „Adolf-Hitler-Straße 18“ (1933) umbenannt wurde, verzog der Metzgermeister Max Rothschild mit seiner Familie schon am 25. August 1932 nach Kirschseiffen, einen kleinen Ort bei Hellenthal. Dennoch stand man mit den nächsten Verwandten - Jacob sowie Sara, Arthur und Kurt Horn in Euskirchen – weiterhin in naher Verbindung. Angehörige leben heute noch. Das scheint aber nur wenige zu interessieren.

Über ein bewegendes Protokoll, das Inge Rothschild als 14jähriges Mädchen in Thorn am 25. Januar 1946 mit ihrer Kinderschrift unterschrieb, berichteten Annette Ramelsberger und Marc Widmann bereits in der Augustausgabe 2008 der Information „Gegen Vergessen – FÜR DEMOKRATIE“. Dieses Dokument aus der Nachkriegszeit konstatiert die Holocaust-Erlebnisse des jüdischen Mädchens aus Euskirchen, denn auch dieses sollte nicht vergessen werden. Der Inhalt wurde heute jedoch nur kommentarlos in der Tageszeitung wiedergegeben.

Die ursprüngliche Recherche von Ramelsberger und Widmann jedoch ist zu begrüßen. Ihre Ergebnisse erschienen inzwischen auch in einem Buch: Feliks Tych / Alfons Kenkmann / Elisabeth Kohlhaas / Abdreas Ebnerhardt (Hg.): Kinder über den Holocaust. Frühe Zeugnisse 1944-1948 . Berlin.
Aber die Regionalhistorie kann dem Dokument ein Gesicht geben, denn Inge Rothschild lebt heute in den USA. Sie ist vergessen!!

Das interessierte aber offenbar den Euskirchener Journalisten nicht. Dabei wurde bei der großen Euskirchener Gedenkveranstaltung ein Familienbild gezeigt, das Inge Rothschild und ihre Angehörigen zeigt. Hätte man nicht 70 Jahre nach der „Reichskristallnacht“ exemplarisch dieses jüdische Schicksal weiter verfolgen können? Inge Rothschild heißt heute Inge Liban und lebt in den Vereinigten Staaten. Ihr leiblicher Cousin, Jeffrey Horn, überließ mir neulich ein großes Farbfoto, das die gesamte Familie im Jahre 2008 zeigt. Hierüber schrieb der Euskirchener Wochenspiegel bereits am 5. November 2008:
„Das vielleicht »schönste« Bild des Abends war ein Gruppenbild der heutigen Familie Horn - jener Familie, deren Kaufhaus an der Kommerner Straße am 10.11.1938 abgefackelt worden war. Die Nachkommen leben heute in den USA, sie bzw. ihre Vorfahren hatten das Glück, dem Terror, der Verfolgung und der Ermordung zu entkommen. Das gelang leider nur den Wenigsten.“

Wenn man sich wirklich an Inge Rothschild erinnern will, hätte es sicher nicht bei der Reproduktion des Protokolls vom 25. Januar 1946 bleiben sollen. Den Leser dürfte interessieren, was aus ihr geworden ist. Auch am heutigen Tage, dem 7. November 2008 – erwähnte die Lokalausgabe der Kölnischen Rundschau das Schicksal der jüdischen Familie Horn, deren Warenhaus am 10. November 1938 in Brandt gesteckt wurde. Vgl. hierzu das Foto in meinen NEWS vom 25. Oktober 2008.
Abschließend sollte man vielleicht erwähnen, dass eine Angehörige der Hellenthaler Familie ROTHSCHILD seit Jahrzehnten in Zülpich wohnt. Über das Schicksal ihrer Mutter wurde in dem Buch Judaica - Juden in der Voreifel (1983) detailliert berichtet. Auch hier gilt: Vergessen werden ist schlimmer, als nur ein Name auf einer Liste zu sein.

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